Nr. 253.- 1915.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts Dienstag, 2. November.
Lebensmittelwucher in den ersten
Jahren der französischen Revolution. bereits zu verschiedenen Marktumulten, die Anfang Februar ver Stonbent die Verhaftung von 80 Abgeordneten und zwei Miniſtern
Bon Heinrich Cunow.
III. Der Kampf um das Maximum. Die Herbsternte des Jahres 1789 stellte sich als eine ziemlich gute Mittelernte heraus, doch hielten sich in Paris die Preise infolge der Ringbildungen der Großhändler immerhin um zirka 25 bis 80 Proz. über dem Normalpreisstand vor der Revolution. Erst die gute Ernte von 1790 brachte wieder normale Verhältnisse. Im November und Dezember 1790 fonnte man sogar in Paris gutes vierpfündiges Weißbrot für 10 Sous taufen, also 2 Sous unter Normalpreis.
Baris hatte sich, da dort zunächst die Not nicht so heftig auftra liche Kontrolle des Getreibehandels und die Festsetzung von Höchst und die Gemeideverwaltung die privaten Zufuhren durch große preisen für Getreide, Mehl und Brot verfügte, war vergebens. Sie Getreideauffäufe in den Getreide produzierenden Provinzen ergänzte, hatten ihre Rolle im Konbent ausgespielt. Am 2. Juni 1793 vorerst ziemlich ruhig verhalten; im Januar 1793 fam es jedoch erzwangen die Pariser Nationalgarden unter Führung Henriots vom 30 schiedene Pariser Sektionen( Stadtbezirk- Ausschüsse) veranlaßten, dieser Partei. Die meisten davon starben auf der Guillotine. ebenfalls Abordnungen an den Konvent mit der Bitte zu schicken, alsbald den Handelsverkehr mit Getreide und Mehl unter staatliche Kontrolle zu stellen sowie für Mehl und Brot Höchstpreise feftaufezen. Der Konvent lehnte auf Betreiben der Girondisten das Ersuchen wieder furzweg ab. Der von dem Girondistenführer Brissot redigierte " Patriote français"( Französischer Patriot) höhnte:
Die Petitionäre verstehen unter Brothaben, daß sie das Pfund mit 2 Sous bezahlen wollen, während es sonst 4 bis 5 Sous tostet. Panem et circenses ", das war der Schrei, den in Rom die ertönen fießen, die bereit waren, ihre Freiheit für einige Unzen Brot und Der niedrige Preisstand hielt jedoch kaum ein Jahr an. Schon einige Zirkusspiele zu verkaufen. Das ist auch ein Schrei, im Herbst 1791 führte der ungünstige Ernteausfall und die Gelde den die Antragsteller haben ertönen laffen." Der von den Girondisten verkündete Preisausgleich ließ jedoch entwertung infolge der endlosen Assignatenfabrikation eine erneute Preissteigerung herbei, die, wie früher, alsbald in manchen Gegen- nichts von sich merken; die Not stieg immer höher. Verschiedentlich den Frankreichs von der Spekulation zu gewiffenlosem Bucher aus- suchten die hungernden Frauen, deren Männer großenteils als Res genußt wurde. Auf Veranlassung der Departementsverwaltung griff volutionsfoldaten im Felde standen, die Bäckerläden zu stürmen, die Pariser Stadtverwaltung, die im Frühjahr 1790 ihre Getreides besonders fam es am 23. und 24. Februar 1793 in mehreren ärmeren einfäufe eingestellt hatte, wiederum( mit Staatsunterstügung) zu Pariser Stadtteilen geradezu zu feindlichen Belagerungen der Der Bäckereien. Auf die Girondisten machte das wenig Eindruck. großen Auffäufen im In- und Auslande. Französische Patriot" meinte wieder spöttisch:
„ Die Läden der Bäcker waren gestern und heute wieder um lagert. Die Bäcker, die sonst nur dreimal täglich baden, mußten Die Ursachen achtmal heran; und doch hatten sie vielen Aerger. dieses Notstandes sind allein die Intrige und die Furcht; aber die Einfältigen schreien nach der Tage, nach der Notwendigkeit einer Die Taugenichtse mit geölten Preisfestießung für die Lebensmittel. Haaren, die Duzbrüder, die nach neuem Blut lüsternen Gauner bes schwagen das Volt. Sie schreien über Getreidewucher und über die Rolandisten, obgleich es ganz allein ihre blutigen anarchischen Lehren sind, die das Getreide vom Markte vertreiben."
Auch das Jahr 1792 brachte eine Mißernte, und nun ftiegen die Getreidepreise in vielen Departements noch höher als 1789. Nach den vom Konvent eingeforderten Berichten der Departementsberwaltungen fostete z. B. ein Setier( 120 Kilogramm) Weizen Mitte Oktober 1792 im Departement der Hochalpen 63, der Niederalpen 54, Hérault 58, Puy de Dome 53, Rhonemündung und Gard 51 Frant, während in Paris und Umgegend der Preis nur erst 30-35, in der oberen Rhein - und Moselgegend 27-34 und in den Departements Pas de Calais , Somme , Dise sogar nur 25-30 Frant betrug. Zum Teil lassen sich diese Preisunterschiede auf die besonderen örtlichen Anbau- und Lebensverhältnisse zurückführen, aber doch nur zum Teil, denn auch in nahe zusammenliegenden, gleich- Doch die Verzweiflung der Not trieb die Hungernden zu immer artigen Departements und Marktorten differierten die Preise recht schärferem Vorgehen. Am 25. Februar fam es mehrfach in Paris erheblich. Es bleibt nur die Annahme übrig, daß in zu Massenstürmen der notleidenden Bevölkerung auf die Bädereien solchen Gegenden die Nachfrage von den Großhändlern zeit- und Lebensmittelläden, die zum Teil halb ausgeplündert wurden. weilig durch Zurüdhaltung ihrer Vorräte künstlich verschärft Doch die Girondisten wollten noch immer nichts von einer Verworden ist, um die Preise höher und höher zu treiben; legung des„ freien Handels" wissen. Ihr Parijer Hauptorgan ant und diese Folgerung findet darin eine gewisse Bestätigung, daß die wortete wieder: Preise desselben Marktortes vielfach in furzer Zeit ganz beträchtlich auf- und abschwankten. Als Beispiel sei nur erwähnt, daß z. B. im Departement der Rhonemündung Mitte Ottober 1792 der Setier Weizen 51 Livres tostete, in dem ebenfalls am Golf von Lyon gelegenen Aud- Departement dagegen zu gleicher Zeit nur 34 Livres und in dem zwischen diesen beiden gelegenen Hérault - Departement gar 58 Livres. Die gut organisierten Getreidehändlerringe diftierten einfach die Preise.
Die Plünderungen find gestern bis Mitternacht fortgesetzt worden. Erst um diese Zeit rückten mehrere vereinte Patrouillen heran, um das Raubgesindel auch von jenen großen Magazinen zu vertreiben, von denen man es bisher nicht wegzubringen vermocht hatte. Einige der Anführer konnten verhaftet werden. 8wtschen ihnen befindet sich, wie uns versichert wird, ein früherer Oberst.
"
Kleines Feuilleton.
Allerseelenwind.
Schlaf, mein Kind!
Seut' weht Allerseelenwind.
Bläft her aus Polen , heult hin nach Flandern und trübe Wolken mit ihm wandern.
In jeder Nacht mit gellem Schrei schwirren Schwärme wilder Vögel vorbei.
Schlaf, mein Kind!
Seut' weht Allerseelenwind.
Cleber die blaffen Nebelbrücken bleiche Schatten in Scharen rücken
aus Polen ein Heer, aus Flandern ein Heer, Immer mehr, immer mehr!
Schlaf, mein Kind!
Heut' weht Allerseelenwind.
Es knistert und freischt in Tür und Fenster; find doch lauter liebe Gespenster. Dein Vater, der dich nicht mehr geseh'n, muß heute nach dir suchen geh'n.
Schlaf, mein Kind!
Seut weht Allerseelenwind.
Er weht bei uns, er weht bei andern, trägt Tränen und Träume nach Polen und Flandern , die legt er auf einsame Gräber leis, um die nur verlassene Liebe weiß. Schlaf, mein Kind!
-
-
Quen
Notizen.
Aus dem Departement Finistère find vor bier Stunden 300 Freis In der notleidenden Bevölkerung erregte diefes Treiben eine willige angekommen, die durch ihr Zureden und ihr Beispiel die steigende Erbitterung. Bereits vom Oftober 1792 ab erscheinen guten Bürger bewogen haben sich zu ermannen und dem Raubimmer wieder Abordnungen aus den notleidenden Gegenden vor gesindel Widerstand zu leisten. Diese tapferen Männer haben Mut, der Barre des Konvents und fordern dringend die Gewährung Geduld und bewunderungswürdige Disziplin bewiesen. Geneigt, von Zuschüssen der Staatsverwaltung an die mit allen Patrioten in Brüderlichkeit zu leben, sind sie zum- Vorträge. Mittwoch abend 8 Uhr spricht im Zentralnotleidenden Departements zum 8 wed des unversöhnlichen Kampf gegen die Briganten und institut für Erziehung und Unterricht, Potsdamer Str. 120, Prof. Getreideantaufs, staatliche Beaufsichtigung des Anarchisten bereit. Diefen Kampf betrachten fie als ihre Schuchhardt über: Die Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer Getreidevertebrs, Bestrafung des Wuchers und Mission, und daß fie diese zu erfüllen wissen im Museum für Völkerkunde". Eintritt frei. Festiezung von Höchstpreifen für Korn, Mebl und werden, das haben sie bereits gezeigt.„ Das Gesez oder der Der Kino Roman. Die Pariser haben wieder etwas Brot. Der von der Girondistenpartei und ihrer Anhängerschaft Tod!" das ist ihr Feldgeschrei, und dieser Ruf muß die Lofang ganz Neues. Das spannende Romankapitel, dessen Fortsetzung im Morgen. beherrschte Kongres lehnte jedoch alle Petitionen mit der Be- aller Republikaner werden, die sich nicht an Pitt verkauft blatt stand, wird abends im Kino gezeigt. Man kann jezt seinen Roman gründung ab, der freie Handelsverkehr dürfe nicht gestört werden, haben...." es werde sich schon voraussichtlich nach kurzer Zeit ein Preisauss Mochten auch Tausende Hungers. sterben, die im Kino erleben, statt ihn in der Beitung zu lesen. Der erste in gleich einstellen. Und als dann Berichte aus den hungerleidenden Sandelsfreiheit und die freie onturrenz burften Baris veröffentlichte Kino- Roman in abendlichen Fortsetzungen iſt von Eugène Sue : Die Mysterien von New York ". Distrikten über zahlreiche Marktrevolten und Angriffe auf Getreides nach dem Rezept der Gironde nicht beeinträch transporte einliefen, ordnete er die Absendung von Konvents- tigt werden! Doch das Parifer Bolt hatte für solche Grund- Die wöchentliche Serie von Episoden erscheint auf zwei Bobinen, Kommissaren an, um die Bevölkerung zu beruhigen und sie von fäge wenig Verständnis. Immer grimmiger wurden in den Volks- jede von 300 Meter Länge. „ Es ist nicht unbedingt notwendig, daß man den Anfang geder Nüglichkeit eines Richteingreifens in den versammlungen und in der radikal- demokratischen Preſſe, vornehm fehen haben muß, um das Ende zu verstehen-( oder umgekehrt-)" freien Handelsverkehr zu überzeugen. lich in Marats „ Ami du Peuple "(„ Volksfreund"), die Angriffe auf Die Wirkung war indes eine andere, als die Girondistenführer die Partei der Accapareurs( Kornwucherer) und Volts. berfichern eifrige„ Kinologen". erhofften. Die aufgebrachte Volksmenge verspottete und berhöhnte verräter", der wohllebenden Beschüßer der Spekulanten und Henry Bauer, einer der Vorfämpfer Jbsens, Tolstois die Kommissare und bläute sie sogar an manchen Orten durch. Das Gauner", während die Girondisten von den Leitern der Pariser und Wagners in Frankreich , ist dieser Tage in Paris gestorben. war eine Vermessenheit, eine Verlegung der Konventsautorität. die Kommune und deren Anhängerschaft nur noch als Briganten, Er hat einige Jahrzehnte lang leidenschaftlich gegen die glatte, nicht ungerochen bleiben fonnte! Am 30. November 1792 wurde Banditen, blutigen Bestien des Berges, Tigern, Königsmördern usw. spielerische und effekthascherische Bourgeoiskunst gekämpft, die das bom Konvent gegen den energischen Einspruch der Jakobiner, befon- sprachen. Doch erlangten mehr und mehr die Jakobiner und französische Theater beherrscht. Dem Théatre libre" Antoines ders Robespierres, der Beschluß gefaßt, nochmals Konventskommiffare Chaumettisten das Uebergewicht. Die Girondisten fonnten weder hat er als kritischer Verkünder beigestanden, als einer der ersten in die notleidenden Departements abzusenden, aber in Begleitung mehr das Konventsgesetz vom 5. April über die Errichtung von das widerstrebende Publikum auf Henri Becques Begabung von Truppen und mit der Befugnis, falls der Pöbel" nicht Ver- Lohnzusazkassen verhindern, noch die Aufnahme einer Zwangsanleihe hingewiesen, und gegen die bornierte Kritiker- Tyrannei Sarnunft annehme und die Kommissare wieder angreife, revoltiere oder von 12 Millionen Livres durch die Stadt Paris zum Zwed der ceys den Schild erhoben. Bauer hat in seiner Jugend in der plündere, ihm gegenüber militärische Gewalt anzu Aushebung neuer Pariser Truppen für die Vendée und zur Unter- Stommune als Offizier gedient und ist dafür nach Neu- Kaledonien wenden. Tatsächlich kam es auch an verschiedenen Orten zu blu- stügung jener Pariser Familien, deren Ernährer im Felde standen. deportiert worden. Der temperament- und charaktervolle Manm tigen Zusammenstößen. Auch ihr Kampf gegen das Gefez vom 4. Mai 1793, das die staat- ist den Jdealen seiner Jugend bis zum Ende treugeblieben. Reihenfolge lag kein System. Man ging einfach auf die Musikanten zu, bestellte, was man gerade wünschte, wobei für einen gewöhnlichen Tanz zwanzig und für eine Quadrille dreißig Kopeken bezahlt wurden, und lud dann seine Freunde zum Tanzen ein. Manchmal legten auch mehrere Personen zusammen und bestellten einen Tang gemeinschaftlich. ,, Sehen Sie hin, Herr Sloskin," sagte Drisner. Dort in der Ecke ſizt die Braut. Gehen Sie hin und sagen Sie ihr: Maseltoff. Wie?"
5]
Eine vorsintflutliche Polka erklang, Doch kaum waren etiva acht Tafte verklungen, als die Musikanten ihre Instrumente plöglich sinken ließen und die Melodie unisono zu fingen begannen, mit falschen, medernden Stimmen, wie eben nur Musikanten zu singen verstehen...
Herr Sloskin ist ein feiner Herr, ein feiner Herr, ein feiner Herr, er liebt die Musikanten sehr und schenkt ihnen Geld...
Nu, geben Sie ihnen schon etwas," flüsterte hinter dem Fähnrich Drisner, ihn schlau und bittend ansehend. Wieviel denn?" fragte Sloskin mürrisch. Fünfzig... nu, dreißig Kopeken. Soviel Sie eben
wollen."
Der Fähnrich warf großmütig drei Zehnkopekenstücke auf den Tisch.
Beide Räume waren schon stark gefüllt und immer kamen noch mehr Gäste an. Honoratioren und reiche Leute wurden von der Musik mit einem gleichen Tusche empfangen wie Slosfin. Unter anderem erschien auch der dem Fähnrich grußbekannte Postbeamte Mittéwitsch, ein ständiger Besucher aller Hochzeiten, Bällchen und Picknicks der Umgebung, flotter Tänzer und Kurmacher, der den Ehrgeiz hatte, für einen Lebemann gehalten zu werden. Er hörte den ihm dargebrachten Zusch herablassend an, übergab dem Dirigenten einen Rubel und wandte sich gleich dem Fähnrich zu:
"
zu
nur."
"
Ma- fel- toff. Gehen Sie nur und sagen Sie es ihr
Glauben Sie mir nur... Das ist so die beste Beglück. wünschung bei uns, Juben. Sagen Sie nur: Majeltoff. Ste werben sehen, wie angenehm ihr das sein wird."
Der Fähnrich erfaßte mit der linken Hand den Säbel und ging durch die Reihen der Tanzenden auf die Braut zu. Sie jah sehr fieblich aus in ihrem weißen Kleide, eine rosige Blondine mit rötlichem Goldhaar, leichtem Flaum an den Ohrläppchen und den Wangen, und fühn geschwungenen dunklen Augenbrauen.
Maseltoff!" sagte der Fähnrich mit tiefer Baßstimme und schlug die Hacken zusammen.
"
Majeltoff, Maseltoff... ging es durch die Reihen. Die Anwesenden waren angenehm überrascht und nickten dem Fähnrich freundlich zu.
Die Braut erhob sich, errötete tief, ein glüdliches Lächeln huschte über ihre Züge, und, die Augen niederschlagend, erwiderte sie:
,, Mafeltoff!"
Einige Minuten darauf suchte sie den Fähnrich in der Menge und ging auf ihn mit einem Tablett zu, auf den ein filbernes Gläschen mit Wein und eine kleine Kristallschale mit
Als die einzigen Vertreter der Intelligenz hier, erlaube ich mir, mich vorzustellen: hiesiger Post- und Telegraphen- üßen Gebäck standen. beamter Jwan Maximowitsch Mittémitsch."
Sloskin reichte ihm gnädig die Hand.
,, Bitte," sagte sie freundlich.
Slostin trant aus und räusperte sich. Der Wein war
"
Wir wollen auch bei der Tafel zusammen bleiben," fuhr ungemein stark und aromatisch. Mitkéwitsch fort. Legen Sie ihr etwas hin aufs Tablett," flüsterte hinter ihm Drisner. Es ist schon so eine Sitte bei uns. Der Fähnrich warf ein Zwanzigkopekenstück aufs Tablett.
" Ah! Gibt's denn auch was zu essen?"
" Wie haißt?" Hanswuritete der Beamte.„ Ein feines Essen! Farschierten Hecht gibt es, Fisch auf jüdisch, Gänsebraten mit Schmalz, picfein!"
Die Mukit begann zum Tanze aufsuspielen. In der
"
" Ich danke Ihnen," sagte leise die Braut und blickte ihn mit leuchtenden Augen an,
"
Gemeinheit!" dachte der Fähnrich grimmig.„ Baden einen selbst ein und lassen ihn dann auch noch zahlen!" Er wußte zwar, daß Drisner die geliehenen drei Rubel niemals wiedersehen wird, aber das ausgegebene Geld tat ihm dennoch leid.
Es war schon gegen elf Uhr abends. Im Nebenraume, wo gespeist werden sollte, wurde auch getanzt, nur tanzten hier ausschließlich die Alten. Jene drei Musikanten, die dem Hochzeitszuge voranschritten: die Klarinette, die Geige und die Baufe, spielten den Majufes, den alten jüdischen Hochzeitstanz.
Ehrwürdige, korpulente Damen in weißen und gelber Seidentüchern, die glatt um die Köpfe gebunden waren und nur die abstehenden Ohren freiließen, und weißbärtige solide Handelsherren bildeten hier einen großen Kreis, sangen die aufreizende, kniffliche Melodie mit und schlugen mit den Taft dazu. Inmitten dieses Kreises aber tanzten mit großem Eifer zwei ältere Männer. Die Hände in die Achselhöhlen gestemmt, mit nach außen gewendeten Handflächen und ringförmig zusammengelegten Daumen und Beigefinger, stolzierten sie, die runden Bäuchlein vorgestreckt, mit koketter und behäbiger Grandezza im Kreise herum, gingen aufeinander los, taten überrascht, wenn sie sich gegenüberstanden, und tänzelten gleich wieder auseinander. Ihre komischen Bewegungen und übertriebenen Gebärden erinnerten entfernt an die Bewegungen eines übers Glatteis schreitenden Katers. Das junge Volk, das sich im Hintergrunde drängte, lachte aus bollem Herzen, doch lag in diesem Lachen auch nicht eine Spur von Spott.
" Der Teufel soll diesen Blödsinn holen!" dachte der Fähnrich Sloskin, der auch hinzufam, sich den Tanz der Alten anzusehen.
Gegen Mitternacht wurden die Tische gedeckt. Es gab, wie Mittewitich voraussagte, farschierten Hecht und fetten, fmusprigen Gänsebraten mit dicker, süßlicher Sauce. Der Fähnrich trank zu jedem Bissen ungezählte Mengen vom starken Fruchtschnaps und war gegen Ende des Mahles völlig betrunken. Er blickte blöde mit trüben, feuchten, trozig- bösen Augen im Kreise umher und hatte das Schlucken. Ein hagerer, weißhaariger Greis mit freundlich dreinblickenden braunen Augen, der gern philosophierte, saß dem Fähnrich gegenüber und suchte ihn zu unterhalten.
( Schluß folgt)