Nr. 6.- 1916. Unterhaltungsblatt des vorwärts Aomwbkud, 8. Jamar. Griechenland  . Wieder lenken sich nach der Verhaftung der von den Mittel« mächten in Saloniki   bestellten Konsuln alle Augen auf Griechenland  , das gegen diese Verletzung seiner Souveränität und Neutralität Einspruch erhoben hat. Der Vierverband bat sich im alten Hellas lange unbestrittener Sympathien erfreut. Erst im weiteren Verlauf dämpften die Er« folge Deutichlands den Enthusiasmus für die Sache seiner Gegner. Die zum Schwinden gekommene Vorliebe der Griechen für die dem Vierverband angehörigen Staaten ist alt und gründet sich auf enge wirtschaftliche Beziehungen und geschichtliche Erinnerungen von starker Lebenskraft. Das neue Griechenland   ist im Anfang deS verflosienen Jahrhunderts entstanden. Die seit der zweiten Belagerung Wiens fortschreitende Desorganisation deS türkischen Reiches, dessen Pro« vinzen von wilder Anarivie verwüstet waren und desien Statthalter von Selbständigkeilsgelüsten erfasit wurden, endlich die starke Rück« Wirkung der französischen   Revolution und ihrer Ideen, endlich der erfolgreiche Ausstand der Serben verführten auch die Griechen zum Kampf um nationale Freiheit. In der ganzen Kulturwelt jener Tage weckte ihre Schilderhebung die lebhaftesten Sympathien. Victor Hugo   und Lord Byron   warben den Rebellen in glühenden Kampfgesängen Bewunderung und Teilnahme. Eine Wiedergeburt attischer Geifteskultur wurde erhofft. Wichtiger aber war die Vernichtung der ottomanischen Flotte in der Seeschlacht von Navarino   durch die Seestreitkräfte Frankreichs  , Englands und Rußlands  . Zu dem am 14. September 1829 ge« fchlosienen Vertrag von Adrianopel   ist Griechenland   als selbständiger Staat anerkannt worden. Die politische Entwicklung des selbständigen Griechenlands   ent« täuschte seine Bewunderer und kühlte ihren Eifer um die hellenische Sache merklich ab. Der neue Staat schwankte von Krise zu Krise und war ein ständiger Anlag für Verlegenheiten der Großmächte. Doch verlangt die Billigkeit, als Entschuldigung die unglückliche Politik deS ersten Königs Ottos von Bayern   gelten zu lassen, der nicht begreifen konnte oder wollte, daß ein in schweren Nöten und Kämpfen zur Freiheit gelangtes Volk nicht absolut regiert werden könne. Auch war Griechenland   in den langen schmerzlichen Zeiten der Paschawirtschasr verödet, in denen es alle politische Ueberlieferung verlernt hatte. Griechische Kultur und griechischer Wirtschaftsgeist waren auch aus dem alten Griechenland   ausgewandert und halten sich in Byzanz nieder» gelassen, das, ursprünglich griechische Pflanzstadt, später Hauptstadt des oströmischen und deS mittelalterlichen Griechenreiches wurde und nach dem ersten christlichen Kaiser Konstantinopel  , d. h. Stadt des Konstantin hieß. Auch nach der Eroberung der Türken blieb die griechische Oberschicht hier seßbaft und einflußreich. Kluge und reiche Griechen nahmen als Kaufleute, Bankier«, Aerzte. Dolmetscher, Steuerpächler und sogar als Pächter von ganzen Provinzen eine geachtete Stellung ein. Der griechische Klerus Halle   sich sogar seine eigene Organisation erhalten können und üble auch über die nichtgriechische, slawische Bauernsckaft die geistliche Herrschaft aus. die wegen der hohen Kirchensteuern drückend genug empfunden wurde. Diese griechische Herrenkaste fühlte sich in der Türkei   wohl und nahm an dem Aufbau deS griechischen Staates nicht jenen An« teil, der ihr gebührt hätte. Die Enttäuschungen über die Entwicklung des griechischen Staates hat auch zu einer Revision der Ansichten über den Stamm« bäum der jetzigen Bewohner Griechenlands   geführt. Die Illusion, es seien eckte Sprößlinge Sophokles  ', wurde verkannt. Durch Krieg und Pest ist Griechenland   verheert und die eingeborene Bevölkerung dezimiert worden. Slawen und Albanesen drängten nach, die sich auch wenigstens sinr Hausgebrauch ihre nationale Sprache be« wahrten, so daß ihre nationale Aufsaugung durch die überlegene Kultur und ausgebildete Sprache der Griechen noch nicht beender ist. Die griechiiche Wirtschaft hat unter der beständigen politischen Unruhe crbeblich gelitten. Die StaalSfinanzen waren sehr oft in einem kläglichen Zustand, und im Jahr 1898 mußte Griechenland  einen Großteil seiner Einnahmen der Aufsicht eines Ausschusses unterstellen, in dem die Gläubigerstaaten vertreten sind. Der Acker« bau ist wenig ergiebig, wird mit vorzeitlicher Primitivität betrieben und ist durch die gebirgige Bodengestaltung sehr erschwert. NahrungS« mittel müssen eingeführt werden und darauf gründet sich ein Teil der Macht, die der Vierverband auf die Entscheidungen der Regierung des Königs Konstantin ausübt. Auch Bulgarien   kommt als Getreide« lieferant in gewissem Ausmaß in Betracht. DaS wichtigste Produkt sind Korinthen, daneben Tabak, Wein und Olivenöl. Dock schwanken die Erträge stark und damit der Staatshaushalt, dessen Gleichgewicht von dem Glück oder Unglück der Landwirtschaft abhängt. Die Mineralschätze werden vorläusig trotz ihres Reichtums nur zum geringen Teil aus« gebeutet. Gewonnen werden Eisen, Kupfer, Zink, Blei, Silber, Mangan. Aluminium, Magnesit, Kobalt, Nickel. Zinn  , Antimon, Kohle, Schwefel, Ocker usw. Die Schiffahrt hat im letzten Fahrzehnt einen großen Auf« schwung genommen. Der Tonnengehalt der Handelsflotte hat 1903 228 999 Registertonnen, 1913 schon 469 799 betragen. Die Schiff- fahrt kann sich an den ausgebreiteten Handel anlehnen, den die Griechen in der ganzen Welt, besonders aber im östlichen Mittel- meerbecken treiben und der, wenn man so sagen will, die Wirtschaft- liche Bedeutung der Griechen über die Griechenlands   stellt. Als Kaufmann ist der Grieche berühmt, vielleicht auch ein wenig be- rüchtigl. Griechen sind in allen Städten des Orients seßbaft. In Mazedonien  , Thrazien und der kleinasiatischen Türkei   bevölkern sie die Städte. Das ist ihr Vorteil und ihr Verhängnis: ihr Vorreil, weil ihre kommerzielle Stoßkraft weit über die politischen Grenzen Griechenlands   hinausreubt, ihr Verhängnis, weil nach allen Erfahrungen die Stadt in der Nationalität der ländlichen Umgebung folgt, sobald die Landbevölkerung zu einem Eigenleben erwacht. _ a. h. kleines Feuilleton. Staatlich unterstützte Heiratsbureaus. Für staatlich unterstützte HeiratSvermiltelung tritt Dr. E. R. Uder- städt in der.Umschau" ein. Er ist der Meinung, daß unser Volk nach dem Kriege ähnlich wie ein Baum nach einem starken Eingriff in sein Wachstum um so kräftiger emporblühen und Frucht tragen könne<?). Wirtschaftlich seien auch die Aussichten für frühzeitige Eheschließungen nicht ungünstig, da infolge der gesteigerten Aufgaben, die an das Volk gestellt würden und infolge des DahingeraffrseinS so vieler in guten Positionen stehenden älteren Leuten der junge Mann nach dem Kriege verhältnismäßig ftüher als vordem in die Lage kommen werde, sein Brot selbst, zu verdienen und sich einen eigenen Herd zu gründen. Aber ethisch werden die Schwierigkeiten noch größere sein als vor dem Kriege, wo schon für viele, gerade ernst- haftere junge Leute sich keine andere Gelegenheit bpt, Damen- bekanntichafien zu machen als mittels der Zeilungsannonce oder durch den Heiratsvermittler. Nach dem Kriege werden die jungen Leute noch fleißiger arbeiten müssen und noch weniger Zeit haben, sich in Gesellschaften oder auf Bällen eine Frau zu suchen. Dr. Uder- städt hält es daher für eine Notwendigkeit, das HeiratSvermirieliings« gewerbe, das heute von recht zweifelhaften Personen in höchst un- lauterer, rein egoistischer Weise ausgeübt wird, gewissermaßen zu adeln.Wenn also, was dringend zu wünschen ist," so schreibt er, eine Steigerung der Eheschließungen eintreten soll, so ist es geradezu ein Bedürfnis, daß sich Männner und Frauen, die ihr Volk lieben, der dankbaren Aufgabe unterziehen, die Geschlechter zusammen« zuführen, vielleicht mit Unterstützung des Staates, der ja an diesem Werke am meisten interessiert ist." Die ehrenamtlichen Eheichließungsberatcr", ältere, erfahrene Leute, hätten die Jüngeren vor dem Schließen einer Ehe fast unmerklich, ohne den jugendlichen Widerspruchsgeist herauszufordern, mit Ratichlägen zu unterstützen. Auf diese Weise hofft Uderstädl dahin zu gelangen, daß die künftigen Ehen ein wenig mehr als bisher auch den Rassen« und Vererbungs« theorien Rechnung tragen und so einer Höherzüchtung des Geschlechtes dienen. Die Schwierigkeit, mit einem paffenden Ehepartner in Berührung zu kommen, besteht nur in gewissen, besser gestellten Kreisen. Im Volke findet sich der junge Mensch ganz von selbst zum jungen Mädchen. Und auch in den höheren Gesellschaftsschichten führt die zunehmende Berufsarbeit der Frau diese immer mehr hinaus ins Leben, wo ein Sichkennenlernen in harmloserer und natürlicherer Form möglich ist als auf Gesellschaften und Bällen. Das Haupt- Hindernis für eine Zunahme der Eheschließungen nach dem Kriege wird wohl der Mangel an jungen Männern sein......"- Wie üer Meger mit Es ist natürlich von erheblicher Bedeutung, daß der Flieger nicht erst nach der Landung seine Meldungen macht, sondern daß er schon während des Fluges Nachrichten über seine Beobachtungen, Erkun- düngen und Aufklärungen übermitteln kann. Zahlreiche Versuche hat man angestellt, um die besten Methoden hierfür zu finden. Draht- telearaphie und-telephonie, die für die Nachrichtenübermittelung vom Fesselballon uns sehr gute Dienste leisten, scheiden beim Flugzeug von vornherein aus. Aber auch die Wellentelegraphie läßt sich vorläufig wenigstens noch nicht verwenden, da die Anbringung der Empfangs- und Scndedrähte, der Antennen, Schwierigkeiten bereitet, die noch nicht überwunden sind. Vorzügliche Erfahrungen hat man dagegen mit optischen Signalen gemacht, über die ein Aufsatz von Hanns Günther   im letzten Heft der ZeitschriftDie Luftflotte" belehrt. Die Franzosen entwickeln Rauch- und Rußwolken zur Zeichengebung, wo- bei sie einen von James MeanS erfundenen Apparat verwenden, der sich anscheinend bewährt. Das Verfahren versagt aber bei Nacht und Nebel und ist nur vom Flugzeug aus zu gebrauchen, während man zum Flugzeug hinauf nicht damitsprechen" kann. Die deutschen Flieger benutzen einen von Prof. Donath konstruierten Signalspiegel. Dieser Apparat stellt einen kleinen Scheinwerfer dar, mit dem man lange und kurze Lichtblitze aussenden kann. Als Lichtquelle dient eine im Brennpunkte eines Parabolspiegels angeordnete Osramglühlampc, deren Leuchtdrahtsystem durch den Strom auf sehr hohe Temperatur, fast bis zum Schmelzpunkt(2899 Grad), erhitzt� wird. Infolgedessen liefert der Apparat die ungewöhnlich hohe Lichtstärke von etwa 19 999 Kerzen. Allerdings ist dadurch die Lebensdauer� der Lampe auf nur 49 59 Stunden beschränkt, doch spielt das natürlich keine Rolle, da der Flieger Reservelampen mitführt. Der Betriebsstrom für die Lampe wird von einer siebenzelligen Sammlerbatterie geliefert, die ein Meisterwerk ihrer Art und für diesen Zweck besonders ent- warfen mit ihrem Metallgehäuse nur 4 Kilogramm wiegt, so daß sie bequem in einer Umhängetasche untergebracht werden kann. Be- sonders wichtig ist auch, daß man die Batterie, trotzdem sie mit Löchern zum Entweichen der Gase versehen ist, auf den Kopf stellen kann, ohne daß ein Tropfen Säure hinausläuft. Der durch ein biegsames Kabel mit der Batterie verbundene Signalapparat wiegt nur 1 Kilo- gramm. Soll eine Meldung übermittelt werden, so wird die Stelle, der das Signal gilt, mit Hilfe eines über dem �Spiegel angebrachten Visierrohres genau ins Auge gefaßt. Dies ist nötig, da die Streuung des Spiegels nur 2 6 Grad beträgt. Drückt man dann auf einen am Signalgriff angebrachten Knopf, so flammt das Flämmchen auf, und zwar ruft kurzer Druck einen kurzen, längerer einen langen Lichtblitz hervor. Diese Elemente lassen sich dem Morsealphabet ge- mäß zu Buchstaben und Worten zusammenstellen, so daß man be- quem mit der Erdstation sprechen kann, die auch ihrerseits mit dem gleichen Apparat dem Flieger Antworten und Nachrichten geben kann. Der Spiegel tut seine Schuldigkeit nicht nur des Nachts und in der Dämmerung, sondern auch am Tage, im grellsten Sonnenschein und ist also dem Rußapparat in jeder Beziehung überlegen. Sollen nicht nur Meldungen, sondern auch Skizzen der feindlichen Stellungen des überflogenen Gebietes usw. übermittelt werden, so reichen optische Signale naturgemäß nicht aus; dann muß man auf das älteste Ver- bindungsmittel zwischen Flugzeug und Erde, das Abwerfen der Mel- düngen, zurückgreifen. Dazu verwendet man heute besondere Appa- rate, die mit einem beim Aufschlagen auf den Boden sich entzündenden Brandsatz versehen sind. Auf diese Weise läßt sich die Stelle, an der die Meldung niedergefallen ist, bei Tage und bei Nacht in jedem Ge- lände schnell ermitteln. DieseBriefbomben", die von einem fran- zösischen Ingenieur Fugairon erfunden sind, sollen sich bewähren; sie sind vorderhand das einzig brauchbare Mittel zur Uebermittelung von Zeichnungen._ Kalikernseife eine Kriegsseife. Unsere gewöhnlichen Waschseifen sind Nalriumverbindungcn der Fettsäuren, nur die Rasierseifen sind in der Regel Kaliseifen. Durch daS Ausfuhrverbot aller Kaliseifen, von dem auch die Kalilauge be- troffen wird, ist die deutsche Kaliindustrie begreiflicherweise geschädigt. Hier kann nach einer Mitleilung derDeutschen Parfümerie-Zeitung" die Seifenindustrie eingreifen, indem sie die Kalilauge mehr als bis- her zur Herstellung Von Seifen, also Kalikernseife verwendet. Nach mehrfachen Versuchen ergibt eine Kallkernseife gegenüber einer Natron- kernseife eine um 19 bis 29 Prozent erhöhte Ausbeule. Schon da- durch ergibt sich, trotz des höheren Preises durch die Verwendung von Kalilauge eine Verbilligung der Seife. Gleichzeitig bedeutet die Herstellung von Kalikernselfe Streckung unserer Fkttvorräte, denn infolge der erhöhten Waschwirkung wird trotz des niederen Fettsäuregehalts kein stärkerer Verbrauch der Seife eintreten. Vor allem wird infolge der stärkeren Schaumkraft der Kalikernseife eine Ersparnis an Kokos- und Palmkernöl-Fettsäuren eintreten, schließlich wird indirekt auch Ammoniak gespart, das für die Her- stellung von Soda, die man für die Natronkernseifen benötigt, be- nutzt wird._ Notizen. Englischer Arbeiterhumor. ImLabor Leader" finden wir folgende zwei wahre Szenen aus der Werbekampagne: Szene in Stockport  . Rekrutierungsoffizier zu einem vorbeikommenden Arbeiter: Nun, was würden Sie dazu sagen, für Ihr Land zu kämpfen?" Der Arbeiter:Nein, mein Bester, ich habe kein Bedürfnis zu kämpfen." 'Der Offizier:Was, Sie haben kein Bedürfnis? Wie stünde es mit dem Krieg, wenn jeder spräche wie Sie?" Der Arbeiter:Ich vermute, da würde überhaupt nicht ge- kämpft werden." Szene im G e w e r ks ch a ft s k a rt ell von Gorton nach einer Werberede von W. A. Appleton. Ein Fragesteller: Als HeereSdienstfähiger möchte ich Herrn Appleton folgende Frage vorlegen: Wenn ich fürunser Land" kämpfen gehe, kann Herr Appleton mir ein Stückchen von diesem unseren Land" garantieren, wenn ich zurückkomme? Appleton(verdrießlich): Ich bedauere, sagen zu müffcn, daß ich eS nicht kann. Die Schickfalsmauc. EineErzählungvonTierenund Menschen. 43j Von Harald Tandrup. Voller Eifer gingen sie ans Werk, und bald war es so weit, daß Maren ein Paar Tassen Kaffee machen konnte, die sie in einer kurzen Ruhepause tranken. Es war ihre erste Mahlzeit im neuen Haus. Sie saßen, wie es gerade kam; aber es war ihnen trotzdem festlich zu- mute. Ich habe mir überlegt, daß wir ja noch eine nette, kleine Kammer im Nebengebäude haben, die wir nicht brauchen," sagte Lars Larsen. Dann könnten wir sie ja vermieten," meinte Maren. Gewiß; aber ich weiß noch etwas viel Besseres," ent- gegnete der Altewir können sie Christensen geben. Er ist ein genügsamer Mensch, und es wäre ein gutes Werk, wenn man es ihm auf seine alten Tage noch ein wenig ge- mütlich machte. Ich bin überzeugt, daß er dafür gerne etwas auf die Hühner und auf den Garten merkt." Das ist ein guter Gedanke," sagte Andersen,der gefällt mir. Wir können viel von Christensen lernen; er ist zwar ein eigentümlicher, aber ein sehr belesener Mensch. Ich werde mich sehr freuen, wenn er da ist, glaube ich." Ich auch," summte Maren bei.Es tut mir richtig leid, wenn ich daran denke, daß dieser alte Mensch jetzt ganz allein in dem abscheulichen Haus wohnt, aus dem wir kommen. Er ist so gut" Und klug," warf Andersen ein.Blomberg behauptete zwar immer, er sei nicht richtig im Kopf; aber ich glaube. das ist zuviel gesagt. Blombergs Klugheit war auch nicht weit her, außer was das Schlechte betriff:; und diese Klugheit ist-nicht viel wert." Wir wollen uns den Spaß machen und ihn über- raschen", entschied Lars Larsen.Ich denke, wir gehen am Silvesterabend nach Kopenhagen   und sehen uns das Leben dort an. Es soll fürchterlich zugehen, und das kostet ja nichts. Wenn es dann zwölf Uhr schlägt, suchen wir das alte Haus auf. gratulieren Christcnscn zum neuen Jahr und nehmen ihn mit." Sie haben ein gutes Herz, Lars Larsen", entgegnete Andersen.Ich werde es Ihnen nie vergessen, was Sie für mich getan haben. Sie wissen, ich bin von Hause aus arm daraus habe ich nie ein Hehl gemacht und darum ist das hier wie ein Märchen. Wer hätte geglaubt, daß ich einmal an meinem eigenen Tisch sitzen und einen Laden in einer Hauptstraße bekommen würde denn das ist doch die Haupt- slraße von Hvidovre? Ich, in einem solchen Haus, mit einer solchen Frau!" Lassen Sie es jetzt nur gut sein, Andersen," erwiderte Lars Larsen.Ich glaube gar, Sie weinen?" Ich kann nicht anders, Lars Larsen. Das ist fast mehr, als ich verdient habe. Ich weiß ja wohl, daß ich ein ganz gescheiter Mensch bin, ja, Lars Larsen, das weiß ich aber das ist doch auch ein Segen des Herrn, für seine Fähigkeiten danken zu können. Und selbst wenn einer begabt ist, wie vielen geht es so gut? Nein, das übersteigt alles, was ich je erwartet habe." Er war vor Rührung über sein glückliches Los beinahe aufgelöst und drückte dem Schwiegervater und Maren ab- wechselnd dankbar die Hand. Jetzt müssen wir bald heiraten, HanS Peter," sagte sie. Ich gehe gleich morgen zum Pfarrer", erwiderte er. ES ist vielleicht nicht fein, wenn ich das sage, aber ich freue mich ganz fürchterlich auf unsere Hochzeit. DaS wird der schönste Tag meines Lebens sein, an dem Maren und ich heiraten." Und wir wollen ein richtig noblcS Festessen halten", sagte Maren. Ja, das wollen wir", stimmte Lars Larsen ein.Es soll gelbe Erbsen und Lagcnkuchen und einen Kaffeepunsch hinterher geben; wir wollen es uns schon etwaö kosten lassen. Aber was ist denn los, Andersen, ich glaube gar, Sie schluchzen schon wieder?" Mir fiel gerade mein alter Meister ein", stieß Andersen unter Tränen hervor.Er sagte immer: Hans Peter, du hast es als Wiegengeschenk bekommen I" Was hat er damit gemeint?" fragte Lars Larsen. Ja, ihr müßt wissen, daß ich ein Sonntagskind bin und die haben doch vor anderen etwas voraus." Ein Sonntagskind I" rief Maren.Oh, da kann ich manches verstehen." Ja, ein Sonntagskind," wiederholte Andersen stolz.Aber auch das ist eine Gabe Gottes. Ich wurde am Sonntag vor Ostern geboren, das hat mir meine Mutter oft erzählt; darum Hab' ich immer so viel Glück gehabt. Hoffentlich verläßt es uns auch in der Zukunft nie!" Wir wollen doch lieber unter den Tisch klopfen," sagte Lars Larsen.Und jetzt laßt uns wieder ans Einräumen gehen." Im Hinterhaus war eine merkwürdige Ruhe eingetreten, nachdem sich die Menschen von der Komödie zurückgezogen hatten. Der Schauplatz gehörte jetzt den Tieren und dem Philosophen. Andersen, Lars Larsen und Maren saßen in ihrem ge- mütlichen Haus draußen in Hvidovre, Blomberg war ver- schwunden, versteckt in einem neuen Rattenloch eines andern Landes; und auch der Spielmann hatte die Wohnung ge- wechselt, denn er fühlte sich unsicher an dem Ort, wo man sein Geheimnis kannte. Totenstill lag das schwarze Schaf da.?!ur ab und zu hörte man den Philosophen die Treppe hinauf- oder hinunter- gehen. Aus den Mauern verschwand die Wärme. Die Oefen blieben eiskalt; Schimmelschwämme, die durch künstliche Trockenheit zurückgedrängt worden waren, erschienen auf den Tapeten. Ueberall arbeiteten kleine Tiere in stummer Ge- schäftigkeit. Mäuse- und Rattenfamilien, die sich vorher nie hatten sehen lassen, kamen an Stellen zum Vorschein, wo man sie am wenigsten vermutet hätte. So verging ein Tag nach dem andern. In Larsens verlassener Wohnung bröckelte der 5talk von der Decke ab, wenn der Philosoph droben über den Boden ging und er ging unaufhörlich. Es war eine große Unruhe über ihn gekommen jene Ruhelosigkeit, die Menschen überfällt, welche auf eine lange Reise müssen. Dreihundertvierundsechzig Sandkörner waren durch den Trichter der Sanduhr des Jahres geronnen. Nun kam das letzte daran. Es war Silvesterabend! Gortj. folgte