Nr. 13.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Sonntag, 16. Januar. Silöer aus<5etmje. Setiiijc ist eigentlich eine neue Stadt, denn bis auf den Fürsten  Danilo I.   bestand es nur aus dem Kloster und mehreren Hütten. Tus� Kloster hatte Peter I.   erbauen lassen, und hier residierte der Fürst als geistlicher Würdenträger. 30 Perjanici, Krieger mit Federbüschen, die Auswahl der Jünglinge des Gebirges, hielten davor Wacht, und vier den Türten abgenommene Kanonen ver- teidigten den Eingang dieses geistlichen und zugleich kriegerischen Wohnsitzes. Noch heute ist das alte Serbenkloster das interessanteste Gebäude der montenegrinischen Hauptstadt. Hier liegt jener Wladika Peter begraben, der jetzt als Schutzpatron und Nationalheiliger verehrt wird. An einem Tage im Jahre wird der Sargdeckel auf- geschlossen und das Volk zur Anbetung des Leichnams zugelassen. In�dem Kloster hat jetzt der Metropolit von Montenegro   seine Nesidenz, und in einer vergitterten Säulenhalle vor der Kirche liegen die Gräber der Fürstenfamilie. In diesem Gebäude reichen Cetinjes Vergangenheit und Gegen- wart sich die Hand. Im übrigen haben sie wenig gemeinsam. Eine neue Stadt ist hier, am Ostende   der Ebene, entstanden wo sich die Wege vom Meere herauf und in das Innere des Landes begegnen und kreuzen. Das Wundersamste an dieser merkwürdigen Haupt- stadi ist und bleibt ihre Lage. Eine Schar kleiner, dicht sich zu- sammendrängender Häuser in einer Karstlandschaft, die, kahl, wüst, tot, wie ein Mondgebirge anmutet. Der ganze Bergkessel von Eetinje ist etwa einen Kilometer breit. Besteigt man einen der Felsen, der über ihn und die Stadt Aussicht gewährt, so schweift das Auge, so weit es reicht, über ein endloses Meer von steinernen, grauen, kalten Hügeln und Bergen. Es ist, als ob eine riesenhafte Elefantenhaut über das ganze Land gebreitet wäre. Die Stadt selbst, eher ein Dorf als eine Stadt, besteht aus einer einzigen Straße, die sich gegen Osten hin zu dem Marktplatze erweitert. Nach Süden zu zweigt sich eine zweite, platzartig gebildete Straße ab, an der der neue Palast des Königs liegt. Fürst Danilo hat diesen Palast errichtet, den der gegenwärtige König durch mehrere Anbauten wesentlich erweitert hat. Das alte Palais dient jetzt füx den Gerichtssenat, für einige Staatsämter und für das Gym- nasium. Außer dem Palaste des Fürsten   findet man noch ein paar stattliche, villenartige Gebäude: das sind die Wohnsitze des öfter- reichischen, des russischen und neuerdings auch des italienischen Gesandten, als der Vertreter der drei Mächte, die am Lande der Schwarzen Berge zunächst interssiert sind. Die anderen Herren Diplomaten außer den Vereinigten Staaten   und Japan   sind alle Großmächte in Eetinje vertreten müssen sich mit kleinen niedrigen Mietshäusern begnügen, die, wie Ernst v. Hesse-Wartegg einmal launig bemerkt hat, etwa den Umfang haben, wie in den Gesandtschaftspalästen europäischer Hauptstädte die Portierlogen. Aus solchen kleinen, niedrigen, einstöckigen Häusern besteht ganz Eetinje; übrigens machen diese Häuser einen reinlichen Eindruck, und reinlich genug sieh: auch die Hauptstraße selbst aus, was um so leichter zu erreichen ist, als in diesem großen Dorfe alle land- wirtschaftlichen Einrichtungen fehlen. Es gibt hier kein Vieh, keine Misthaufen, keine Stallungen, keine Meiereien. Eetinje wird seit einigen Jahren sehr stattlich durch elektrisches Licht beleuchtet, aber davon abgesehen ist die äußerste Primitivität auch heute noch das eigentliche Kennzeichen der montenegrinischen Hauptstadt. Läden? es gibt keine, ausgenommen ein paar Butiken allereinfachster Art. Der Markt, der zweimal in der Woche abgehalten wird, ist gseichfalls dürftig genug. Trotzdem ist er an den Markttagen eine Sehens- Würdigkeit dank den schönen imponierenden Gestalten der Monte- negriner, die ihn dann bevölkern und die durch ihre bunten maleri  - schen Trachten einen lässigen Zug in die ungeheure Oede dieses Karstnestes bringen. Das Operettenhafte der Hauptstadt Montenegros   ist oft genug geschildert worden. Und wirklich kommt man bei einem Besuche der Stadt um diesen Zug nicht herum. Wieviel Exzellenzen wohnen hier nicht in diesem Neste, das im ganzen etwa 4sKK) Bewohner zählt I Ministerexzellenzen, Diplomatenexzellenzen, Militär- exzellenzen und was nicht noch alles! Ins Gebiet des Operetten- hasten gehört auch die Geschäftsverbindung, in der lange Jahre der Wirt desGrand Hotels  " mit dem Könige selbst gestanden hat. Ursprünglich war nämlich der damalige Fürst Niklta selbst der Be- sttzer des Gasthofes, und es wird erzählt, daß damals dem hohen Herrn die Fremdenrechnungen vor der Abreise der Gäste erst zur Ueberprüfung in den Palast herumgeschickt wurden. Diese Zeiten sind nun vorüber; aber später noch hat der Fürst zusammen mit dem Grand Hotel  -Wirt ein famoses Hammelgeschäft betrieben, in- dem er die Tiere aus dem ganzen Lande für ein paar Franken auf- kaufte und für das Vielfache nach Frankreich   weiterverkaufte. Dies Geschäft ist dem Fürsten   nicht übel bekommen und hat den Wirt vom Grand Hotel   zum MiUionär gemacht. Er wird wohl, seinen König vielleicht ausgenommen, der einzige Millionär in Eetinje sein! Der Montenegriner liebt den behaglichen Müßiggang nach orientalischer Art, und so liegt denn auch über der ganzen Stadt ein Zug gelasiener Beschaulichkeit. Hierhin ist das moderne Leben, ist die Jagd nach dem Gelde und der AmerikaniSmus noch nicht gedrungen. kleines Zeuilleton. Max Slevogt  . Erst neulich zeigte Gurlitt einige Dutzend Bilder von Max Slevogt  . Heut können wir bei Paul Cassirer   abermals 120 Arbeiten dieses Malers ansehen. Solche Fülle der Werke beweist, daß die Kunst wahrhaft kein träumender Müßiggang ist, vielmehr ein ständiges Tätigsein, ein immer waches Erleben und Erledigen. Große Künstler sind große Arbeiter. Sie sind immer in Bereitschaft, immer in Erregung, immer anschauend, immer gestaltend. Ihre Bilder und Zeichnungen sind die Dokumente einer unaufhörlichen Beweglichkeit des Geistes. Es gehört zu den entscheidenden Reizen des Kunstgenießens, von solcher geistigen Regsamkeit getroffen und mitgerissen zu werden: die hundert Arbeiren«sleoogts bei Cassirer   betrachtend, fühlt man sich ungewöhnlich angeregt eroberungslustig, fiegesgewiß. Slevogts Kunst, in jeder Faser aktiv, wirkt Lebensfreude und gestraffle Entschlossenheit; aus diesen ge- schmeidigen Bildern von Jägern, Reitern, Sängern, Tänzerinnen, Negern schnellt die zündende Nervenenergie eines dämonischen Fecht- Meisters. Slevogt   ist ein Romantiker des Irdischen, der flimmrigen Linie und der blitzenden Farbe; der Romantiker des Impressionismus. Daß der Don Juan   des Ändrade ihn reizte, dieses elastisch sich aufschwingende goldflimmrige Weiß, ist Symbol; desgleichen: der lanzenschlanke Afrikaner; zu dessen Füßen eroberte weiße Weiber bluten. Die aus dem Verborgenen hervorbrechende Wild- heit des Kulturmenschen. Slevogt   hat den Lederstrumpf illustriert. hat blühenden orientalischen Mädchen huschende Gestalt gegeben. Er hat Kinder, die er porträtieren sollte, in ein Jndianerkostüm ge- steckt. Er liebt den Mummenschanz der Sinne, die Wirbel des Feuerwerks, das metallische Federkleid exotischer Vögel, die'prung- bereite Kraft der schwarzen Panther. Bei alledem ist er Novellist und zwar so, wie der Däne Jacobsen und der junge Kasimir Ed- schmid Maler sind. Zuweilen verirrt er sich ein wenig ins Theatralische; zu diesen Fehlflllgen gehört das große Bild vom Hörselberg  : Frau Venus, der das Bünckilein Tannbäuser mit dramatischer Geste entgegen- springt, dazu Tiger, brünstiges Fleisch und Rosenrot. Die unsterb- lickie Meisterschaft aber offenbaren die Landschaften, auf denen alles Dargestellte im Blond eines dionysischen Lebens schwelgt. _ R. Er. Kriegsteuerung vor 150 Jahren. Der Hannoveraner C. I. Abelmaun hat eineChronik des Siebenjährigen Krieges  " verfaßt, in der eine Stelle augenblicklich von besonderem Interesse ist. Da heißt es. daß der solange andauernde Krieg im Jahre 1763 eine große Teuerung hervorgerufen habe, und es werden Preise mitgeteilt, die, wenn man den damaligen Geldwert zugrunde legt, außerordentlich hoch waren. Es kosteten damals 1 Himpten Steinkohlen 2 Taler 18 Groschen, 1 Himpten Weizen 2 Taler 12 Groschen, 1 Himpten Roggen 1 Taler 23 Groschen, 1 Himpten Salz 2 Taler 12 Groschen, 1 Pfund Speck 12Groschen, Butter ebensoviel, Käse 9 Groschen, 1 Huhn 18 Groschen, einalter Hahn" 15 Groschen, 1 Pfund Rindfleisch und Kalbfleisch 5 Groschen, eine Bouteille Pyrmonter Brunnen 15 Groschen. Die Hauptursache waren, wie die ZeitschriftHannoverland" berichtet, mangelnde Verkehrsgelegenheilen. Pferde und Wagen waren von den Kriegs- fuhren in Anspruch genommen, manche Fuhrleute kamen ohne Pferde und Wagen wieder nach Hause, und der Magistrat zu Hannover  war gezwungen, wegen der Kriegsfuhren, die er zu leisten hatte, eigene Pferde anzuschaffen. Der Chronist erzählt darüber:Bei der oftmaligen Rekruteulieferung wurde die junge Mannschaft in Hannover   und an allen Orten sehr rar, der Bauer kam fast um alle seine erwachsenen Söhne und Knechte, die Mägde mußten daher bei dem Ackerbau die Arbeit mit verrichten und bekamen doppelten Lohn. Alles, was zum Kriege tüchtig war, mußtr mit fort; die Kuh- und Schweinehirten waren nicht frei, die Dorfschaften mußten ihr Vieh selber hüten. Viele Handwerksgesellen setzten ihre Profession an die Seite, verließen die Wertstätte und wurden Husaren und Jäger; ihre vormaligen Mitgesellen, die oft von der Armee zurückkamen, verleiteten sie dazu, vornehmlich aber die gute Beute, so die Frei- korps zum öfteren machten."_ Ein neuer Komet. Ein neuer Komet ist auf der südaftilauischen Kap- Sternwarie von Taylor im Sternbilde des Orion entdeckt worden. Dieser Komet 1915e, der fünfte in diesem Jahre aufgefundene Haarstern, ist vor- läufig noch lichlschwach, von der 11. Größenklasse und nur im Fern- rohr sichtbar. Wie dieNaturwissenschaften" berichten, kann der Komet, da seine Bewegung nach Norden gerichtet ist, auch bei uns bequem gesehen werden. Nach der ersten Bahnberechnung schien es, als ob der Komet 1915s sich auf parabolischer Bahn bereits vom Sonnensystem fortbewegte. Nach der neuesten, auf der Kopenhagencr Sternwarte ausgeführten Bahnberechnung handelt es sich Ivahrschein- lich um einen periodischen Kometen, der erst Ende Februar in Sonneii- nähe kommt und außerdem mit dem Brorscnschen Kometen eine auf- fallende Elemente-Aehnlichkeit besitzt. Eierlegen bei elektrischem Licht. Während man bisher die Hühner geradezu als Uhr für recht- zeitiges Schlafengeben und Aufstehen ansah, wird das jetzt anders werden, auch die Hühner müssen das moderne Nachtleben mitmachen und statt im Sonnenlicht bei elektrischer Beleuchtung arbeiten, das heißt Eier legen, und das ist gerade in der Kriegszeil recht gut. In einer amerikanischen   Zeitschrift gibt nach demPrometheus" ein Chikagoer Hühnerzüchter seine Erfahrungen mit 159 Hühnern bekannt, die ihm im letzten Jahre 18 000 Eier brachten, die aber leider im Winter ihren Legeeifer berloren, da sie sich srüher setzten und später an die Futleriröge gingen. Es wurde deshalb im Hühnerstall elektrisches Licht installierr. das von der Wohnung ans- und eingeschaltet werden konnte. Die Einschaltung erfolgte morgens um S Uhr, und eS zeigte sich, daß die Tiere sofort hervorkamen in der Meinung, der Tag sei herangebrochen. Bei ein­tretender Helligkeit erlischt dann das elektrische Licht und wird erst um 4 Uhr wieder eingeschaltet, und um 9 Uhr werden alle Lampen außer der zweikerzigeu ausgeschalter, die gerade noch genügend Licht spenden, um den Hühnern die Abenddämmerung vorzutäuschen; die Tiere begebeil sich dann tat- sächlich sofort auf ihre Sitze. Die kleinen Lampen brennen die ganze Nacht hindurch, so daß hungrige Hühner auch während der Nacht dem Futter zusprechen können. Elf Tage nach der Jnsiallieruug der Lampen schnellte der Tagesdurchschnitt in der Elererzeugung von 26 auf 33 empor, und selbst während der Mauser werden jetzt noch 52 Eier gegen 11 Stück früher eingebracht. Notize». D i e Arbeitervorlesungen der Humboldt- Akademie Freie Hochschule beginnen in der Woche vom 17. bis 21. Januar. Die Zahl der Vortragsreihen ist trotz des Krieges erhöht. Außerdem finden unentgeltliche wiffenschaftlutze Abende an 5 Sonnabenden im Januar März statt und an drer Sonntagvormitlagen unentgeltliche Führungen durch Berliner  Museen. Lehrstätten im Nordosten, Norden, Nordwesten, Lichten- berg und Neukölln. Vorträge. Im Institut für Meereskunde spricht Dienstag, den 18. Januar, Prof. Stahlberg über die Häfen des Schwarzen Meeres  , Freitag, den 2l. Januar, Prof. HnnS Meyer über die deutschen Kolonien im Weltkrieg. Am Mittwoch, den 19. Januar, spricht im Z c n t r a l i u st i t u t für Er- ziehung und Unterricht, Potsdamer Straße 129, Dr. Wie- gaud über die Skulpturenabteilung des Alten Museums  . Eintritt frei. Ein Vortrag über denLuftkrieg" wird am Dienstag und Donnerstag in der Urania von Prof. Donath und Generalmajor C. Bahn gehalten. Eine Schmuckausstellung ist im Lichthofe des Kunstgewerbemuseums eröffnet worden. Man hat hier künstlerische wertvolle oder kulturgeschichtlich charakteristische Schmuckstücke zur Schau gestellt aus der Sammlung von Gold und Silber, die zu wohltätigen Zwecken erfolgte. Es ist so eine Uebersicht über Schmuck und Hausgerät aus mehreren Jahrhunderten zustande gekommen. D i e erste Umschiffung Nordasiens von Ost nach West hat, wie die Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkuuve zu Berlin   mitteilt, der russische Kapitän Wilkitzkij mit den beiden EisbrechernWaigatsch" undTaimyr" durchgeführt. Schon 1913 hatte er einen Versuch unternommen, der �ur Entdeckung neuen Landes im Nordwesten von Kay Tscheljuftzn führte, wegen der Eisverhältnisse aber nicht vollendet werden konnte. Im vergangenen Jahre brach der Kapitän wiederum von Wladiwostok   auf, mußte allerdings an der Westseite der Taimyrhalbinsel  , etwa in 199 Grad westlicher Länge überwintern, gelangte aber schließlich im letzten September wohlbehalten nach Archangelsk  . Fast gleichzeitig ist dort Sverdrup eingetroffen, der vergeblich nach verschiedenen vcr- schollenen russischen Expeditionen gesucht hatte. 8j Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Seine Mutter hatte sich in der Schwangerschaft an einem Affen versehen; vermutlich war es der Pavian von Port Sudan   gewesen, mit dem ziegelroten Gesäß und dem erbs- farbenen Haarmantel, den der alte Nubier Ginegil auf der Landstraße vor den Fremden tanzen ließ. Dieser Bruder Dauds hieß Dabbus,Stecknadel" weil er so klein und er- bärmlich war, daß ein rechter Mann ihn mit Fug über- sah. Er hatte ungelenke, magere Gließmaßen; seine Knie glichen dicken Knoten; sein Rückgrat war wie ein Frage- zeichen gekrümmt, und sein Kopf gemahnte an den eines Greises oder kaum geborenen Kindes, mit überladenem Hinter- köpf und flacher Stirn, breiten, nacktstehenden, zugespitzten Ohrmuscheln(an denen er, als Erstgeborener, einen kleinen silbernen Halbmond trug) und beweglichem Mund, der an eine Schnauze gemahnte und stets in Bewegung war. Sein eines Auge war erloschen; es rollte aber um die Wette mit dem ihm nahe benachbarten zweiten, das schlau und scharf war, schier stechend, und nichts Eßbares außer acht ließ. Das Ivar Dabbus. Er war zehn Jahre alt und der erklärte Sklave aller Welt. Dabbus kletterte jetzt wie eine Spinne auf den Balken, und Daud sprang herab mit einem seligen Schrei. Er schwebte wie eine Taubendaunc in der Luft und im Blau... Und unter sich, tief und doch deutlich, sah er seinen Vater mit den Genossen weiterrennen. Zabal trug einen Tarbusch, den er mit einem seidenen Tuch umwickelt hatte, und die Fransen dieses Tuches umspielten seinen Nacken wie eine flatternde Fahne. Ja, wenn nicht alles täuschte, so ward Zabal mit jedem Sprung, den er tat, jünger und reicher; er schwang einen dicken Stock, und das Zickleinviertel unter seinem Arm leuchtete rosig herauf. Auf einmal war Daud ihm dicht auf den Fersen und lief auf plattem Boden, so daß von seinen klatschenden Sohlen der Staub in die Höhe fuhr. Hinter ihnen, durch den Fleischgeruch gelockt, sprangen jappende Hunde, kurz- beinige, gelbe Hunde, die knurrten und vor Eifersucht auf- einander winselten.... Da hieß es rennen, und das war kein Kunststück, denn im Traum hat man mehr Sprungfedern in den Gelenken als in der schleichenden Wirklichkeit. Daud folgte also fröhlich den sechs roten, gelbbesohlten Schuhen, die vor ihm dahinwirbelten, bis er auf einmal Schatten um sich spürte, aus dem der warme Geruch seines heimatlichen Dorfes wehte. Alles um ihn herum schien sich verändert zu haben, in einem fremden, verschönernden Licht zu ruhn; die Gassen lagen feiertäglich still; Sonnenlicht schwamm funkelnd über dem aufgestapelten Durrahstroh der Dächer, auf denen farbige Hähne stolzierten und emsig krähten, so daß die Lnft sich von ihrem Getöse erfüllte... Die Dorfbewohner hockten, Wasserpfeifen mit Kokusbehältern schmauchend, zufrieden schwatzend unter dem großen Fikusbaum, unter dem blassen Schatten der gelb- braunen Luftwurzeln; von den Kronen der Palmen, die steil und träumend in den Höfen standen, hingen die Datteln  klumpenweise, und kleine braune Tauben gurrten und zankten sich in weichen Lauten, auf- und niedertrippelnd, auf den Nil  - schlammfirsten. Die Männer hatten jetzt das Laufen aufgegeben und schritten ohne ein Zeichen der Ermüdung würdig dahin, wie drei Scheschs, die sich getroffen haben und selbander zu Markte gehen. Ihre baumwollenen Mäntel blähten sich; sie setzten ihre Stöcke stramm und selbstbewußt auf den Boden: heut war ein großer Festtag! Daud hatte seinen Vater noch nie in so sürstlicher Verfassung gesehen. Bisweilen wandte sich der Vater um und sah ihn zwinkernd an:He he, was, Daud, das ist nicht ein Tag wie die vielen anderen!" Dann langten sie bei der Hütte an und traten jauchzend ein. Zabal warf seinen Stock in die Ecke und klatschte in die Hände, deren Teller ganz rot von Henna waren. Und siehe: nun steckte Umm- Dabbus ihren Kopf durch das Mauerloch herein. Auch sie schien jünger zu sein als sonst... Sie hatte neben der Eselskrippe gesessen und Dungkuchen gemacht; nun war sie müßig und auf das Wohl der Männer bc- dacht. Zabal also hob seinen Wollrock und seine halb- seidene Kelabije bis zu den Knien und stieg behende durch das Loch im Lehm zu ihr herein; und seine Freunde stießen sich abwechselnd an der Luke und lachten spitzbübisch und lärmend. Dort drinnen sang Zabal ganz hoch und leise; plötzlich brach er ab und kam zurück, mit zerzaustem Backenbart und ausgelassen>vie ein junges Kalb. Auch Umm-Dabbus verbarg ihre Heiterkeit nicht; ihr ge- streiftes' Lemenhemd hing halbgeöffnet herab; ihre schiefer-' farbenen Briiste drängten sich kameradschaftlich, init blauen Ornamenten verziert, aus dem Saum hervor, und ihr Mund war weit gespalten von festlicher Zufriedenheit. Nachdem sie ihre Hände vom Kamelmist gereinigt, fuhr sie schmeichelnd über die Gesichter, und dabei auch über das DaudL; und während sie hin und her ging, klirrte der verzinnte Kupfer- schmuck an ihren Hand- und Fußgelenken; leise und ver- führerisch klirrte er, mit zartem Metallton... Und als sie sich über das mitgebrachte Fleisch und die Eingeweide beugte, um sie zu kochen, traf ein Sonnenblitz durch das Dach ihren kreisförmigen Ohrzierat und entlockte ihm eine gelbe Flamme, die klein und gleißend aufzüngelte, so oft sie den Nacken drehte. Da schrie Zabal in die lärmende Lustigkeit der Männer hinein:Bei Gott  , Umm-Dabbus, ich will eine Kasidc singen, einen großen Gesang; deine Ohrringe fordern dazu heraus, denn sie beschimpfen die Leute." Umm-DabbuS warf ihm ihren bersimgefärbten Pantoffel an den Kopf und sprach: Eine Kaside? O'Zabal, sie wird dem Klciewasser ähneln; denn deine Verse sollten mit Eselsurin an die Kirchenmauern geschrieben werden."O, du Hündin," er- widerte der Vater,horche zu! Der Flötenspieler verbirgt seinen Kinnbart nicht, weshalb soll ich meine Kunst nicht leuchten lassen? Ein beredter Mann baut sein Gedicht aus Perlen; und ich bin wahrlich darin er- fahren." Da lachte sie mit ihrer Kehlstimme recht herzhaft auf und sprach:O Zabal, heute spreizest du dich wie ein Gemeindewidder; von wannen sollte dir solches Wissen kommen? Sonst denkst du an nichts als an Knüppel und Prügel, an Kleinvieh und Schöpfwerk, an Schlamm und Mistschlepperei, du trägst das Pflugholz hinter dem Nacken, wenn du dich auch als Schesch gebärdest... Ihr seid hohle Köpfe und geile Wänste, du samt deinen Genossen. Morgen schüttelst du wieder die Läuse aus deinem Hemd und deinem alten Faser- gürtel und rennst mit wirrer Tarbuschtroddel barfuß durch Hitze und Dornen---- Und du willst eine Kaside dichten?" Da warf sich Zabal in die Brust und sprach:Beim Leben meines Bartes, das will ich. Horche zu, du, deren Liebesgetändel im Ofenqualm den Sprüngen der Asien  ähnelt!" Die Freunde fielen fast auf den Rücken, so lachten sie über das Zwiegespräch. Und Zabal begann seinen Gesang. (Forts, folgt.)