öes Vorwärts«2«.?°«.. Die Vertreibung öer Polen  . Eine ergreisende Schilderung der durch russische   Willkür der- ursachten grauenvollen Leiden der Polen   gibt Virginia Gayda in einem an dieStampa  " gerichteten Brief aus Petersburg  . Von der erschütternden Katastrophe, die durch die von Rußland  befohlene Räumung Polens   herbeigeführt wurde', schreibt er,.hat man im westlichen Europa   bisher so gut wie nichts gewußt. Selbst nach Petersburg   waren nur wenige unbestimmte Nachrichten gelangt. Jetzt aber haben wir die Erzählungen der Flüchtlinge, und man kann von diesem furchtbaren Ereignis, das in der Kriegs- geschichte nicht seinesgleichen haben dürste, schon ein einiger- maßen übersichtliches Bild geben. Angesichts des unwiderstehlichen Vormarsches der Deutschen   beschloß das russische Militär- kommando einen allgemeinen Rückzug. Der Plan des Chefs des russischen GeneralstabeS war ein Abklatsch des 1812 von Kutusow   gegen Napoleon   entworfenen: sich zurückziehen, alles zur Wüstenei machen und den Feind ins Leere locken. ES erging daher der Befehl, daß die ganze Bevölkerung rechts der Weichsel   sich zu entfernen, alles Fahr« und Tragbahre mitzunehmen habe; dann solle man die Holzhäuser niederbrennen, die Steinbauten mittels Dynamits sprengen und die Getreide-, Zucker- und Alkoholniederlagen, die nicht mehr in Sicherheit gebracht werden könnten, durch Feuer vernichten. Der Befehl kam in den ersten Augustlagen, kurz vor dem Fall von Warschau  . Er traf zuerst das Gouvernement Lublin  und erstreckte sich bald au f Cholm und Lomsha und einen Teil der Gouvernements Warschau  . Radon, und Suwalki  : eine Landstrecke mit mehr als sechs Millionen Seelen. Nur die Städte blieben einigermaßen verschont. In den Fabriken aber versuchte man die Maschinen zu entfernen, und wo das nicht möglich war. emsernle man wenigstens alles Kupfergerät. Aus den Kirchtürmen wurden Hunderte von Glocken herausgenommen, um den Geschützgießereien überwiesen zu werden, und in gar manchem Orte hört man schon seit vielen Monaten nicht mehr zur Messe läuten. Vor allem aber sollte das Bauernland geleert werden, damit der Feind nichts mehr vor- fände. Starke Kosakenstreifwachen erschienen in den Dörfern und verkündeten gebieterisch, daß die Räumung innerhalb weniger Stunden erfolgt sein müsse. Da begann die Tragödie. Die Botschaft kam meist unerwartet. Heulend und jammernd stürzten viele aus den Häusern; andere wollten nicht fortgehen und leisteten Widerstand; auf den Dorfstraßen wimmelte es von Menschen. die das Vieh aus den Ställen zogen, ihre armseligen Möbel aus den Fenstern auf die Wagen warfen und unter dem Gedröhn der Sturmglocken wie wahnsinnig durcheinanderschrien. Auf diese Weile wurden in kürzester Zeit ganze Ortschaften geräumt. Die Menge wurde auf die Landstraßen getrieben mit dem Befehl, in Eilmärschen auszuwandern, und wer sich umdrehte, sah dort, wo sein Dorf ge- standen, nur noch Riesenfeuer brennen. In manchen Dörfern spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Die alten Leute, die ihr Heimatdorf nocki nie verlassen hatten, konnten den Befehl nicht begreifen; flehentlich baten sie, daß man sie da lassen möge, und in der Hoffnung, sich retten zu können, brachten sie die Finger- und Ohrringe der Frauen und Mädchen, um sie den Soldaten zu schenken, ja, sie wollten den Offizieren sogar die Jungfräulichkeit ihrer Töchter opfern, wenn man ihnen nur die Heimat ließe. Ganze Fannlien verbarrikadierten sich in ihren Säusern, fest entschlossen, bis zum Tode auszuharren und auch der ewalt nicht zu weichen. Die Kosaken mutzten die Türen einschlagen »md die Leute wie Schlachtvieh herauszerren. Wahnsinnig gewordene Frauen brüllten wie angeschossene«re; Kinder, die sich verloren ballen, riefen weinend nach ihren Äw-n; um den Priester, der das Kreuz trug, scharten sich Männer und zogen, fromme Lieder singend, wie in einer Bußprozession dahin, und hinter ihnen zogen, wie Schatten des Todes, schwarze Rauchwolken. Zkach wenigen Tagen waren all die großen Straßen, die von Polen   durch Wälder und Sümpfe ins Innere Rußlands   führen, von einem ganzen Volk, das sich auf der Wanderschaft befand, besetzt. Eisenbahnzüge für die von Haus und Herd Vertriebenen waren nicht vorhanden. Die Züge kamen. mit Soldaten und Geschützen beladen, an und fuhren sofort mit stöhnender Verwundetenfracht zurück. Für Flüchtlinge war da kein Raum: für sie war die Straße gut genug. Ucber viele Meilen hin erstreckte sich der traurige Flüchtlingszug; da sah man große und kleine, alte und neue Wagen, von Pferden und Ochsen gezogen, Handwerker und Bauern mit Säcken auf dem Rücken. Tragbahren mit Kranken. Viehherden, die unter anfeuerndem Geschrei weiter- getrieben wurden; wenn die ersten Reihen schon Halt machten, wan- derten die, welche den Schluß bildeten, oft noch stundenlang weiter. In der Nacht lagerte man zu beiden Seiten der Straße, beim Scheine der Feuersbrllnste, die Hab und Gut dieser Aermsten zerstörten. Und bald be- gann es an Lebensmitteln zu fehlen; das Vieh, das keine Weideplätze hatte, sank am Wege kraftlos nieder und verendete. Die ersten Flüchtlingsscharen, die durch fremde Orte kamen, drangen, vom Hunger gepeinigt, in die Häuser ein und plünderten; die ihnen u] Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Daud wich ein wenig zurück. Er warf seine Eni' dcckung mit schallender Stimme in die Hütte; und dann machte er sich klein. Draußen hockte er sich nieder und lauschte. Zuerst hörte er, an die Mauer gedrückt, nichts als jenes feine, fast unhörbare Katzenmauzen, das die Erscheinung bei dem Gelde ausgestoßen, ehe die Eltern kamen. Dann stieg ein heulender Ton zur Decke, von dem Gekreisch der Umm-Dabbus begleitet; und Zabal stürmte in den Hintergrund. Man hörte ihn, hastig atmend, wühlen und mit dem Gelde klimpern. Er zählte mit dem Gefühl der Fingerkuppen. Er saß fassungslos mitten im Mist, und der Dämon des Arg- wohns und des Geizes wuchs ihm riesengroß über die Schulter und zählte mit. Ja, es war ein kleiner Lärm, als ob vier ände statt zweier am Werke seien... Endlich hörte das limpern auf; Zabal hatte nichts vermißt und kam vor Erregung erschöpft zurück. Mit heiserer Stimme rief er Daud herein. Wer hat dir kundgetan, daß ich mein karges Vermögen dort verwahre?" Gott   selbst," sprach Daud bescheiden. Preis Ihm, jetzt und immerdar!" erwiderte Zabal mit unsicherer Betonung.Doch wie geschah das?" Gestern nachmittag um die Zeit des Asr, da ich auf der Sakije schlief, da schickte mir Gott einen Traum. Du und Umm-Dabbus, ihr wäret jung und vergnügt, und mir schien, als hätten wir eine große Schmauserei." Wenn dem doch so gewesen wäre!" seufzte Zabal halb sehnsüchtig, halb erleichtert auf.Doch die Zeit ist vergangen und dahin und kehrt nie wieder! Denn jetzt bewuchern uns die Besitzer, und die Barmherzigkeit kommt aus ihrem Herzen heraus wie die Ameisen, wenn man sie auf der Jagd beschwört: ,O Ameisen, kommt heraus!" Sie lassen uns nichts als das Hemd auf dem Leibe. Doch wie war der weitere Verlauf deines gesegneten Traumes?" Wir hatten Zickleinviertel und bereiteten ein Mahl. Wir hatten es wie die Emire, die jeden Tag Kunafa essen. Und du hattest dein Ergötzen mit Umm-Dabbus.. folgten, fanden dann nichts mehr vor. Und zum Hunger kam der Regen hinzu. Die von Tausenden von Wagen zersurchlen Straßen standen bald ganz unter Wasser. Die Räder versanken in Schlamm und konnten nicht mehr weiter. Rettungsmöglichkeiten gab cS nicht. Die Kranken wurden, mir dem Tode ringend, am Rande der Straße im Stich gelassen. Die Kinder starben, und die Mütter trugen die ileinen Leichen oft noch tagelang mit sich herum, da sie unter den Peitschenhieben des Regens nicht die Kälte des Todes fühlten. AuS verseuchten Dörfern nahmen Flüchtlinge die Cholera und den Typhus mit und übertrugen die Seuchen in einen, Nu auf ganze Scharen ihrer Volksgenossen. In einer Zone von nur vierzig Werst wurden innerhalb weniger Tage elftausend Cholerafälle festgestellt. Viele wurden vom Hungcrwahnsinn befallen. Frauen, die auf dem Wege niederkamen, warfen ihre neugeborenen Kinder lebendig in Ackerlöcher. Gefühl und Mitleid kannte man nicht mehr. Eine trau starb unterwegs und ließ ihrem Manne zwei Säuglinge zurück. >er verzweifelte Mann, der nicht wußte, was er mit den hilflosen Kindern beginnen sollte, grub am Straßenrands ein Grab und bettete die tote Mutter mit den lebenden Kindern hinein, lvährend das Volk ringsumher stand und stumpfsinnig zusah. Auf solche Weise fielen Tausende von Flüchtlingen... Nicht alle aber verließen das Land. Der Befehl lautete, daß man in Eilmärschen abwandern solle, damit die Straßen bald wieder für die auf dem Rückzüge befindlichen Heere frei würden. Manchmal aber flüchteten sich die Bauern in verzweifelter Anhäng- lichkeit an ihren Boden in Scharen in die Wälder, um»ach dem Durchzug der Truppen in die verwüsteten Dörfer zurückzukehren Es gibt nun in Polen   wcgloie, sumpfreiche Wälder, die, wie Urwälder, zum Teil noch unerforscht sind, und kaum auf den Generalstabskarten verzeichnet stehen. Aus diesen Wäldern sind viele von den Bauern nicht wieder zurückgekehrt, da sie in dem Labyrinth der Sümpfe den Rückweg nicht fanden. Man entdeckte das alles erst viel später, als im Winter die Sümpfe mit Eis be- deckt waren und die Wälder wenigstens streckenweise abgesucht werden konnten. Unter den Bäumen fand man Gruppen spindel- dürrer Gerippe und manchmal wunderbarerweise auch Lager von Ueberlebenden, die monatelang von Gras und Wurzeln gelebt hatten und wochenlang umhergeirrt waren, um einen Weg in die Freiheit zu suchen... Tausende von Familien sind vernichtet; da sind Kinder, die nicht zu sagen wissen, wo ihre Eltern sich befinden; Frauen, die ihre irgendwo zurückgebliebenen Männer suchen; alte Mütterchen, die geduldig auf ihre Söhne warten, auf ihre Kinder, die wohl nimmer wiederkommen... Kleines Zemlleton. Viener Kunst. Im Haufe der Sezession sKurfürstendamm 232) wird uns eine Wiener Kunstschau" versprochen; da aber nur gerahmte Bilder zu sehen sind, so können die Erwartungen deS Kenners nicht ganz be- friedigt werden. Die Wiener   Kunst ist nämlich im wesentlichen: architektonisch-kunstgewerblich; sie nutzt Bild und Plastik nur als ornamentale Steigerung und dekorative Zuspitzung in der Gesamt- Wirkung des Raumes. Solche enggefaßte Aufgabe ist der Malerei zugleich nützlich und schädlich; nützlich, weil das Bild für einen lebendigen Zweck mit einer klaren Wirkungsabsicht geschaffen wird, schädlich, weil durch die von vornherein beabsichtigte Einfügung des Bildes in das architektonische Konzert der Maler verführt wird, sein Werk als eine gefällige Oberflächenbewegung, ein schmückendes Spiel, einen pathetischen Effekt oder eine zärtliche Belustigung auf der den Raum umgrenzenden Wand aufzufassen. Für das wienerische Milieu ist das Bild kaum mehr als ein Sofakissen, eine Blumenvase, eine Bluse, ein Damenhut: ein pikanter Farbfleck. Als besonderes Beispiel solcher Malerei ist Gustav Klimt   zu nennen. Seine Bildnisse, Landschaften und symbolischen Phan- tastereien(die aber kaum mehr Phantasie aufweisen als eine Stickerei ungarischer Bauern) sind eigentlich nur Kartons für die Teppichweberei. Dekorativ entrenkte Figuren sind in ein Knäuel von ornamentalen Linien gebannt, grell koloriert, zuweilen mit Gold und Silber iiberpudert. Eine melancholisch-süßliche Mystik, die wirk- samer wäre, wenn sie das Format von Buckminiaturen bewahren würde; immerhin eine geschmackvolle und sinnliche Art, die Wand zu illuminieren. Es ist nun interessant festzustellen, daß von Gustav Klimt   und semer kunstgewerblich zubereiteren Dekadenz Entwicklungsfäden rück- wärtS auf Makart  , den pompösen, fleischlich schwelgenden Bühnen- meister hinweisen. Wien   bleibt Wien  . Auch Klimt   ist im gewissen Sinne ein Spätling des Rokoko atmenden Barocks. DaS gleiche läßt sich von Anton Feistauer sagen; nur daß in den feierlich ge- lagerten und selbstgewiß stehenden Frauenakten dieses Malers zu- gleich das konstruierende Bewußtsein des Marees und die glitzernde Grazie des Monticelli sich regen. Auch Feistauers Bilder, die spürbar zur monumentalen Größe streben, bleiben dekoratives Schmuckwerk Hier stießen sich die ältlichen Leute in die Seiten: Umm-Dabbus kreischte wie gekitzelt auf, und auch Zabal gab ein kleines Meckern zum besten. Sie waren wie Kinder, die man mit Fabeln erfreut. Und dann sangst du eine Kaside auf die Ohrringe der Umm-Dabbus sie waren sehr schön und gelb, fein durch- krochen und klimperten hochzeitlich. Wenn ich Geld verdiene, werde ich ihr solche schenken, wie ich sie im Traume sah, genau dieselben; sie waren unbeschreiblich hübsch." Tu das, und Gott   wird dich segnen," gurrte Umm- Dabbus. Und zum Dank dafür, daß du sangst, sprach Umm- Dabbus zu dir: ,Geh in den Hühnerstall und nimm Geld für Gewürz und färbe das Hemd Dauds mit Safran, dann ist er erlesen, und die Leute blicken ihm nach!" Auf diese Weise nun erfuhr ich den Ort des Geldes." Die beiden Eltern bedachten eine Weile den Fall, und dann sprachen sie gemeinsam:Dies ist wahrlich wunderbar! Es ist dir geoffenbart, und du bist bevorzugt. So werden wir dir von dem Geld geben, was der Fiki verlangt, und du bringe es ihm, denn wir sehen, daß du einem höheren Ge- werbe vorbehalten bist." Sie entzündeten die Oelfunzel wieder und stellten das Lichtchen in das Mauerloch. Daud ließ sich von allen Seiten betrachten, dann sank er nieder, krümmte sich zusammen und schlief den Schlaf des besten Gewissens, während Zabal sich noch einmal des Leder- sackes versicherte, unbeholfen und gründlich zählte und ein anderes Versteck für das Geld ergrübclte, ohne Zweifel an der Offenbarung zwar, aber um den kleinen Löwen, der Blut geleckt, nicht in erneute Versuchung zu stürzen. Dabbus in- zwischen, mit ganz schwach glimmenden Augen, sah unbeweg- lich aus dem Dunkel zu ihm herüber.--- Am nächsten Morgen ging Daud zum Fiki und brachte ihm den ersten Tribut. DaS junge Huhn hielt er lebend an den zusammengekoppelten Füßen. Es piepste und hing ganz reglos in seiner unbarmherzigen Hand; nur die Augen waren blank und dumm vor Angst. Als der Fiki das Huhn sah und das Geldstück dazu, ermunterte er sich merklich. Daud kam in einer Haltung herein, als habe ihn nur eine gelegcnt- liche liebenswürdige Laune angewandelt, dem Schulmeister und farbig rauschender Mittelpunkt einer Wand. Alles, was uns die Wiener zu zeigen haben, ist schließlich Feuilleton, so locker und so reizvoll, wie die Norddeutschen es kaum zu geben vermögen. Amüsant ist es, wie die Erinnerung an das bcedermeierliche Wien  , an Waldmüller und Schwind, hier und da hervorlugt, so aas den Träumereien des Koloman Moser  , besonders aber aus Willi Nowaks blassem Gewölk. Einer aber ist unter diesen Wienern, der anderen Blutes ist, dunkler, brünstiger, nicht Oberfläche, sondern Tiefe, nicht bunter Wirbel, sondern farbiges Gebirge, nicht Witz, sondern Geist: Kokoschka  . DaS ist einer, der sich in die Natur einbohrt, der sie zersprengt, um den glühenden Kern zu finden. Er malt Bildnisse, in denen die Seele des Dargestellten runenhaft braust: das Antlitz zerfetzt pon Zweifeln und Äengsten. Er malt den modernen Menichen, den un- glückseligen Sklaven, der das neue Reich wittert. Er m'alt auch d'.e Landschaft, den feuergeborenen Fels, das gläserne Meer, die siedende Sonne. Er hat zwei Kinder gemalt, zwei arme Kinder, vom Hunger verfasert, von der Eibschaft der Väter gegeißelt, vor dem Grauen des Lebens erschauernd: ein Altarbild für die cntgötterle Religion des Proletariats.__ B. Br. Nein Rucksack. Anfangs lvollt ich fast verzagen lind ich glaubt, ich trüg ihn nie Und ich Hab ihn doch getragen, Aber fragt mich nur nicht wie. Ich weiß nicht, ob schon jemand das Lied vom Rucksack ge- sungen hat, jedenfalls ist cs mir ein Bedürfnis, vom Ruckjack zu singen und zu lagen. In Königsberg   war cs. anfangs September 1315, als wir Berliner   Armierungssoldaten von dem dortigen Fußartillerieregi- ment eingekleidet wurden und neben anderen schönen und nützlichen Sachen auch cincr. Rucksack erhielten. Anfangs kam er uns ziem ­lich klein vor. Lag das nun daran, daß wir mit dem Packen noch nicht recht Bescheid wußten, oder daran, daß wir von Muttern noch so manches Genießbare mitgenommen hatten? Genug, er schien all das Gute gar nicht fassen zu können, und doch habe ich ihm damals bitter unrecht getan. Es war gerade, als ob er später getoachun wäre, er konnte geradezu Berge von Gegenständen verschlingen. Wie oft kamen Paket« mit Wollsachen und anderes, und immer tat er seinen gutmütigen Schlund auf und alles per- schwand. Bei unseren ersten Märschen wurde uns der Rucksack noch ge- fahren; bei Ankunft im Quartier ging dann das Suchen an. Manch- mal hatte man Glück damit, oft kam cs aber auch anders. Der Bagagewagen konnte nicht folgen, und man mußte, da man Mantel und Schlafdecke ebenfalls auf dem Rucksack angeschnallt hatte, nachts in der Scheune ganz elend frieren,«päter kam der Befehl: Ein jeder hat seinen Rucksack selber zu tragen. Ann schien er uns plötzlich zu groß, man fing an, auf ihn zu schimpfen, cs graute nnS des Morgens davor, ihn auf den Ast zu nehmen. Und doch ersetzt er dem Soldaten alles. Er ist sein Tisch, sein Stuhl, sein Kops- kissen, seine Konimode, sein Schreibpult, kurzum sein AlleS. und hat man ihn früher manchmal scheel angesehen und verächtlich be- handelt, so hat man ihm das schon längst im_ stillen abgebeten. Zweimal war er und wir mit ihm in Gefahr. Das eine Mal hatte der Deckenbalken der halb zerfallenen Bauernhütte Feuer ge- fangen, das andere Mal stand der Unterstand in hellen Flammen. Das Erste, was man hinausbeförderte, war er, dann ging man an die Rcttungsarbeit und jedesmal glückte ech des Feuers Herr zu werden. Liebevoll nahm man ihn wieder auf und trug ihn hinein. Sein gutes Aussehen hat er allerdings verloren,� darin ging es ihm wie so manchem von uns. Seine ehemals grüne Farbe ist in tabakbraun übergegangen, auch manchen Riß hat er abbekommen. Und doch ist er uns von Tag zu Tag lieber gstoorden. Bergt er doch so manchen Gruß aus der Heimat, so manches Zeichen von Freundschaft und Liebe.?kber trotzdem sehnt man den Tag herbei, an dem man ihn endgültig ablegen kann. Notize«. Vorträge. Auf Veranlassung deZ Vereins für Volks- hhgiene spricht Freitag, den 28. Januar, im Bürgerfaal des Rat- Hauses zu Berlin  , Eingang Königstraße, Geheimral Professor Zun? überKörperliche Erziehung und Sport". Beginn 3 Uhr, lein Eintrittsgeld. Die Garde von der Spree  ". Die folgende, un- beabsichtigt komische Nachrichtaus sicherer Quelle" findet sich im Gaulois":Während man in Frankreich   und London   die Frauen aus KriegSgründen zweckentsprechend beschäftigt, indem man sie in Paris   zu Schaffnerinnen macht, in London   das Barbiergewerbc erlernen läßt, geht man in Deutschland   auch in dieser Beziehung echt barbarisch vor. Die germanische Brutalität hat die Frauen zu Schutzleuten gemacht. Man hat hierzu Akrobatinnen mit starken Muskeln ausgesucht, die zu einer Schutzmanntruppe gesammelt wurden und den NamenDie Garde von der Spree  " erhielten..." cin Geschenk zu machen; und so, als zähle er schon jahrelang zum Kreis seiner hoffnungsvollsten Hörer. Er nahm nun gründlich und gewissenhaft am Unterrichte teil und setzte durch seine bescheidenen, aber verschnörkelt und blumenhaft vorgebrachten Fragen den Würdigen mehr als cin- mal in geheime Befangenheit. Doch da der Fiki über eine gewisse Beredsamkeit verfügte und die Gabe besaß, in Eile Zitate zu erfinden, ob sie nun passen mochten oder nicht, so ward des Knaben helläugige Einfalt stets geblendet und von dem ungeheuren Wortschwall zu Boden gedrückt. Mchts- destoweniger erlauschte Daud manche Wendung und manches Gleichnis. Er sah, wenn der Fiki redete, in der Dürre eines Kommentars plötzlich eine bunte Stelle, die ihn fesselte, wie cin wohlgebautes Moscheelein etwa oder eine einsame Palme oder cin blühender Kaktusstock. Meistens zwar wuchsen diese Dinge nicht auf des Bakelschwingers eigenem Acker, sondern es waren Wahl- los aus dem Koran   gczerrte Reminiszenzen oder Aussprüche obskurer Dichter, die er irgendwo erhascht und so pompös von sich tat, daß man es für eigene Eingebung halten mußte und für den gelegentlichen Einfall eines glänzenden Geistes. Es dauerte nicht lange, da kannte Daud diese Wendungen auswendig und zählte deren acht oder zehn; mehr wurden es nicht, trotzdem er sehr acht gab, und so be- gnügte er sich und freute sich jedesmal, wenn er mit ihnen Wiedersehen feierte. Dabei spürte er zum erstenmal ein dunkles Bedürfnis, selbst so hübsche Bildcrchen zu prägen, eigene, keine gestohlenen Perlen im geheimen aufzureihen ja. sogar Predigten zu erdichten, die er, in Ermangelung ver- ständnisvolleren Publikums, an Mauern, Ziegen, Katzen oder Kälber hielt. War die Schule aus, so bekam er zmueist von den Vätern seiner Freunde einen Imbiß. Diese Väter hielten vor ihren offenen Basaren Mittagsmahlzcit; sie aßen Zwiebeln, Gurken oder geschmorte Saubohnen, die sie mit Brotstücken aus der Brühe fischten. Zuerst hatte Daud, wenn er Hunger spürte, das übliche Liedlein der Bettler gesungen, als der rechte Gassenjunge, der er war; er hatte die Straße hinunter- geflötet:Meine Mittagsmahlzeit muß deine Gabe sein!" oderO Mitleiderwecker; o Herr I" Und da er das sehr melodisch sang, lauschten die Tafelnden auf, lachten und winkten ihn heran.(Forts, folgt.)