8t 33- 1916 Unterhaltungsblatt öes Vorwärts mmw*™.?lm Schalter.Der Alte stand am Rentenschalter.— Wegstaub bedeckte seinedurchlöcherten Sliefel, auf die lang die ausgefransten Hosenbeineherabfielen. Der verwilterle, erdfarbene Hut fafi schief auf denlangen, grauen Haaren, und aus der Bartwildnis des Gesichtsschauten ein paar trübe, böse blinzelnde Augen.Die in Reih und Glied mir ihm Harrenden stiesten und schubst?«ihn. wenn er die im Schneckentempo des Vorwärtskommen« ent«stehende Lücke nicht schnell genug ausfüllte.Eine lange Reihe verschiedenartiger Menschen bevölkerte anjedem Monaisersten das große Postamt. Winzige Mütterchen, vonSorge und Not zu ausgemergelten Schemen verhutzelt, kraftstrotzendeMänner, denen da».Invalide" wohl innen fitzen mußte. Tuber«kulöse, die nur aus Haut und Knochen zu bestehen schienen. Ein«äugige, Humpelnde. Dazwischen blühende, junge Mädchen, die mitentsetzten Augen das Elend ringsum betrachteten.Von dem Alten int langen, grauen Barte wichen sie zurück.Der Geruch, den er ausströmte, war nicht vertrauenerweckend..Er pfeift gern einen," meinte ein.besserer" Herr im Hemd«kragen zu seiner Nachbarin. Dabei zwinkerte er lustig nach derleicht ins Bläuliche schimmernden Nase des Alten hin..Kann auch vom Wetter fein," verteidigte die warmherzige,junge Frau den Armen..Müde sieht er aus, als wäre er Tag undNacht auf der Wanderschaft gewesen.".Ist nicht.— Wenn er hier Pinke holt, muß er eineBleibe haben."Der Alte lehnte indessen an einer Säule, die die Halle zu stützenhatte. Vernahm er die Bemerkungen nicht, die man über thnmachte?— Ab und zu hob er die Hand, mn eine vorwitzige Fliegeabzuwehren, die es durchaus auf seine Nase abgesehen hatte.Ein kleine« Schweigen entstand in dem großen Gelumm. Einsder alten Weiblein war von einem Schwächeanfall heimgesuchtworden. Man schleiste und trug sie nach der schwarzen Bank an derWand. Stumpfe, alte Augen schauten aus sie.De» bärtigen Alten blinzelnder Blick glitt über die Bleiche hin.Etwas wie zorniges Leuchten glomm in den zerfurchten Gesichtszügenauf. Er murmelte unverständliche Worte.Die Säule, an der er lehnte, hielt ihn scheinbar sest. SchlaueDrängler hinter ihm benutzten die Gelegenheit, vorzurücken..Sie," warnte ein stämmiger Mann die Vorwitzigen..RehmenSe sich in acht. Mir hätten se neulich bald vahauen, als ick detdun wollte.".Osch-- I Der Olle sieht ja niscktIn diesem Augenblick verkündete die Stimme des Beamten amSchalter t.Wir machen nun dreißig Minuten Schicht. Nachher wirddrüben ausgemacht."Bautz I— flog da? Fenster zu. An der Innenseite erschienprangend der ominöse weiße Zettelt.Geschlossen"..Dreißig Minuten!" schrie eins der Liliputmütterchen in Kapuzeund Umhang..Det is doch mehr als ne Viertelstunde.Ne janze Halbe, Jroßmntter!'.Nee sowai!— Und ick steh schonst'ne jeschlagene Janze hier.".Bei mir steht det Essen nfl's Feuer."„Soll'n se uns die paar Jroschen doch jeden.",'n Tag. Frau Lehmann, wat macht denn Ihre Dochter?".Wat die Martha is?— Ihrer is ja nu hier uff Urlaub. Dersieht auS!— Jn'l Bett wollte er ja nich rin. IS a nicht mehr je«wöhnt, sagt a.".Sagen meine Söhne ooch", mischte sich eine schielende Fraumit dunkler Brille in da« Gespräch..Frage ick: wat soll ickkochen. Kinder?-- IS jans ejal, Mutter, sagen se. UnS i» jetztallenz ejal. Jott, sowas Jleichjültijet. Und wie waren die uff«jekratzt I".Wie jeht'S denn mit de Augen, Frau Dölling?"„Wer'n immer schlechter. Bald kann ick meine Strickmaschine stillstehn'n lasten. Wat wird denn?"— Sie seufzte.Den langmähnigen Alten halte das aufgeregte Hin und Herder Wartenden aus seiner Ruhestellung gescheucht. Em Stoß trafseine Hand, die die Jnvalidenquittung und graue Zahlkarte hielt.Sie glitten zu Boden. Er bückte sich mühsam, das Verlorene zusuchen. Da fühlten seine tastenden Finger am Boden etwas Harte«,Rundes. Er hob es auf. Eine metallene Marke, mit Bändchen undNadel versehen..Det hat der Jraue verloren!" schrie ein kleines Frauchenneben dem Alten.»Der, wo in Belgien al« Zimmermann war. Erwollte uns det Ding zeigen und— futsch war et. Seine Totenmarkeis et."Seine Totenmarke!— Klirrend fiel das metallene Ding zuBoden.Der Alte im grauen Barte starrte über die Köpfe der kleinenFrauen hinweg, als sähe er in weiter, großer Ferne Ueberwältigende».23] Der Sang öer Sakije.*Ein Roman aus dem modernen Aegypten.Von Willi Seidel.Es war das Paradies auf Erden, und er liebkoste denschwarzbraunen Humus und füllte die rotgefärbten Handtellerwollüstig mit ihm an. So lag er eine Stunde lang; übersich hochdurchsountes Grün, um sich die vielfältige Sicht gekb-abzweigender Wege. Es blitzte bunt von Blütenfarben. Vonder kleinen Orangeric, die gleichzeitig Blüten und Früchtetrug(hellgelbe, schwainmähnliche Kugeln von schwachem Ge-schmack), kam ein schweres Aroma, eine sinnbenebelnde, satt-süße Duftwelle, und unfern regte sich, durchtränkt von Himmels-bläue, das zartgefiederte Laub eines Psefferbaums im leisenWind. Zwei weißgekleidete Mädchen schössen durch denGesichtskreis; und ein alter Graubart in seidenem Anzugschlich sich ruhevoll einer Bank entgegen.Nun kam Mr. John vorüber und entdeckte Daud.„Dein Esel ist bereits mit der Bahn angelangt," be-merkte er.Daud erinnerte sich, daß sein Esel in den Viehwagenverfrachtet worden war. Wir war sein Esel stolz und heikel!Er fuhr niit dem weißgestrichenen Bahnzug, genau wie daswohlsituierte Volk, und die Railway-Statc-Company(unterder sich Daud stets etwas wie ein fremdarfiges Ungeheuervorgestellt), beförderte ihn achtungsvoll wie jeden anderenzahlungsfähigen Passagier.Mr. John fuhr fort:„Und du siehst noch immer wieein Schwein aus. Da wir dich mitgenommen, mußt du dichschon verschönern lassen. Also begib dich zum Hairdresser,und begib dich flugs..." und trotz heftigen Protestes warddie Haarhecke, die sich verfilzt und schmutzstarrcnd über DaudsStirn erhob, samt dein Nabelschnur-Amulctt zu einem Raubder Schere...Der Hairdresser ivar ein Meister in seinem Fach.Er wohnte außerhalb der Aufgangstreppe in einemvon Bougainvilla umsponnenen Häuschen, und die rot-violetten Ranken nickten vor dem Fenster, durch das derseltene Kunde zu entfliehen strebte. Der Hairdresser war mitRecht pikiert über den Auftrag, einen schmutzigen Eseljungenzu behandeln, und er erledigte die Sache sehr schnell. MitLangsam rollten Tränen aus den blinzelnden Augen und zogen zweihelle Furchen auf die schmutzigen Wangen..Mein Sohn," stammelte er.Die jungen Mädchen rückten, alle Scheu vergestend, näher..AaS ist mit Ihrem Sohn?".In Frankreich ist er geblieben. Wo— das weiß ich nicht.Wahrscheinlich hat er seine Totenmarke im Schlamm verloren, undsie haben ihn als Namenlosen begraben."Er schwieg. Dann fuhr er— wie zu sich selbst— fort zureden:.Tag und Nacht kann man wandern, ohne Ruhe zu finden.Wüßte ich, wo ich ihn suchen sollte, kein Weg wäre mir zu weil."Ehrfürchtige Stille entstand. Keiner fühlte mehr die Oual desWartens.Bis drüben der Schalter aufflog und die schnarrende Stimmedes neuen Beamten die Säumigen rief. Da trat wieder der Alltags«ausdtuck in aller Züge. Dostbumus.kleines Zeuilleton.�rbeiter-Kriegslprik.Heinrich Lersch, der Arbeiterdichtcr, hat dieser Tage ineinigen literarisch aufmerksamen Gemeinden Berlin« auS seinen Ge-dichten vorgetragen, zuletzt im Charlottenburger Schillersaal. Daßdieser Kesselschmied der Schwerindustrie, der 1889 in München-Glad-bach geboren wurde, sich seit Jahresfrist breitere Kreise erobernkonnte, hängt mit dem Kriege zusammen. In der deutschen Arbeiter-schast hat man ihn schon vorher beachtet, zuerst vor etwa drei Jahren.al« unser Genosse Joses Luitpold Stern, dem wir seinerzeit auchden ersten Hinweis auf Alfons Petzold verdankten, in Wien auf ihnstieß und über diese Begegnung in der.Arbeiterzeitung" schrieb.Den Proben, die Stern aus LerschS lvrischen Notizbüchern gab. wargut abzumerken, wes Geistes Kind viescr damals von Stadt zuStadt wandernd« rheinländische Fabrikarbeiter war: ein Mensch, dem dieWirklichkeit, die er lebte, nicht bloß vieles bildhaft zeigt«, sondernauch Bedeutsames fürs Leben sagte. In seinem Wort verriet sichdas Verlangen, die Ding«, die er sah, als Elemente einer größerenEinheit zu«fasten und so im geringen Einzelnen eine Macht vonhöherer Bestimmung zu gewahren. Dieser Trieb segnete diesen!Menschen da» Aufgehen tn der ihm beschiedenen Wirklichkeit: ergab ihm den Glauben, daß das Leben zweckvoll sei, und mehrteihm den WtderstandSmut, ohne den der Mensch, der nur aus derHand in den Mund lebt, nichtig wird.Lersch ist der moderne Proletarier, der inmitten der brausenden,rüttelnden Fabrikögewalten feststeht und sich erhebt; in einem jenervon Stern mitgeteilten Gedichte rief er der Fabrik zu:.Du zehrstmir Tag um Tag am Lebensmarke— Doch lieb ich dich, weil ichin dir erstarke". Und noch ein anderes Wort las man damals vonLersch, als er in LeopoldSou Schmiedsarbeit leistete:.Eine wunder-bare Fabrik! Eine schönere Halle Hab ich nie gesehen! ES ist aberkein Mensch in der Bude organisiert!" So ist es init ibm: Freudeund Sehnsucht hat er in eins, freudig ostcnen Sinn für das Ge-gebene um ihn her, zumal für das, was Schönheit hat, und zielendeSehnsucht nach dem Zeichen menschlicher wacher Trefflichkeil,ohne die alle äußere Herrlichkeit ein Körper ohne schlagendes Herzbleibt.Immer steht Lersch unter dem vollen Andrang und Anprall desAugenblicks, aber ihn kann nichts werfen. So wurde er der Prole-tarier im feldgrauen KriegSrock, der auch die tosenden Kriegswirbeleigenartig bestand. Die Sammlung seiner.Gedichte im Kriege",die eben jetzt unter dem Titel:„Herz, aufglüh edein Blut!"neben Petzolds, BrögerS, bald auch Mar Barthels Knegsversen inEugen Diederich« Verlag in Jena herauskam, zeugt davon. Er istauch hier der Kopf und das Herz, das in all den Erschütterungenzu einem großen Sinn durchbrechen möchte. Sein persönlichesWesen ist in diese schwersten Dinge gelegt, die nun aufeinmal den Loden bestimmten, auf dem sein Lebens«weg weiterzugehen hatte. Das Bedürfnis nach starkemKraftgefühl und hellgroßem Ausblick regiert sein Empfindenund Denken, und immer, wenn es im Gedicht hervordringt, hat eSden Herzatem einer Menschlichkeit, wie nur ein tiefbewegtes Lebensie erwerben kann.Wo» das Buch in ungebrochenem Feststehenwollen zum Ausdruckbringt, da« siegt nun auch in dem mündlichen Vortrage de« Dichtersder abseits von allem falschen, gemachten Ton durch seinen schlichteinfachen Ernst bezwingt. Die Gedichte Lerschs bringen mehr, al«de» Dichter« Sprache ihnen geben kann; doch dieser Abstand wirktwie ein Zeichen, das über den einen Proletarier hinausführt zu einemviel allgemeiner geltenden sozialen Merkmal: unscheinbar die Hülle,aber tüchtig der Kern. Die Kraft, die Lersch dichtend gibt, entspringtaus dem ruhigen Beherrschen des Erlebten: sein Lied ist mittendarin und doch stark darüber. Fr. D.der Zeit(das verzweifelte Gesicht Dauds im Spiegel vorAugen) empfand er ein schattenhaftes Wohlwollen, und miteinem gewissen Humor übergoß er den empörten Knaben zumSchluß mit einem wahren Sturzbad von Bayrum. Daud schoßhinaus, noch triefend, und duftete wie ein Parfümladen.Der Hairdresser räumte jede Spur der Operation mit Sorg-falt hinweg, ja er trieb sogar eine gründliche Desinfektion,denn Daud gewährte wie alle feines Zeichens gewissen leb-haften Tierchen an seinem Leibe nachsichtige Unterkunft...Daß er sich mit so großer Unbefangenheit kratzte, auchan Stellen, wo die Koiwention Einspruch erhebt, hatte ihmPercy schon vorher einmal sehr deutlich untersagt. In derFolgezeit verschwanden nun die Ursachen jener Ungeschicklich-keit, denn eS ward Daud anbefohlen, sich gründlich zu bc-handeln; und hornach fuhr Percy mit ihm nach Assuanhinüber und erstand ihm eine Tracht, eine richtigeUniform, schier üppig und gleichzeitig gesittet kokett.Es waren zwei grüne arabische Hosen, etwas oberhalbder Knie durch Zichschnüre verschließbar, und darüberein braungestrerfter, halbseidener Rock mit besticktenSäumen. Dieser Rock hing nicht, in läppischer Formlosigkeit,bis zu den Fußknöcheln, sondern war knapp und kurz, so daßDaudS behende Beine freien Spielraum hatten. In derHüfte ward der Rock durch eine braune Lcinwandschärpe ge-halten. Auf den Kopf stülpte man ihm einen dünn mit Korkgefütterten Tarbusch mit einer Quaste aus zarter Seide.—So ausstaffiert war Daud hotekmöglich und zum mindestenauf die gleiche Stufe mit den anderen DomestUen gerückt.Er erkannte sich selbst kaum wieder. Er trat an denschmalen Spiegel, der neben dem Speisenaufzug in die Wandeingelassen war. Und aus dem Spiegel sah ihn nunmehrein prinzlicher Knabe an, die Idee seiner selbst, die Idee vonfrüher, die nun überreich in Erfüllung ging. Die kräftigeFarbe seiner neuen Tracht stand ihm gut zu seiner blaß-btuunen Haut, zu seinem von flinken Gedanken durchwittertcnovalen Gesicht und zu der zierlichen Schwermut seinerWimpern. Auf seinen Wangen zeigte sich ein leichtes Rot,das sich seltsam anmutig ausnahm, wie die nachgedunkelteFruchthaut einer überreifen Marille.«WaS weiß einer von den wilden Tauben am Nil!Man schretzt sie mit Schrot, und sie fallen wie Bleivis»Golüwaffer".Durch einen japanischen Gelehrten, der trotz de» Krieges seinenBericht nach Deutschland gesandt hat, ist da» Vorkommen des algigaussehenden GeißellierchenS, der sog. Goldglanzalge(CllrromulmaRosaroklii), deren Zellen bei bestimmter Beleuchtung einen Gold«glänz auSstrahleu, auch an mehreren Stellen in Japan nachgewiesenworden. In Deutschland wird das„Leuckitwasser", wie es auch ge-nannt wird, als Sehenswürdigkeit besonders in den Klüften derLuisenburg im Fichtelgebirge gezeigt, obwohl es nach der Angabeder.Naturwissenschaftlichen Wochenschrift" auch sonst keine»-wegS seilen ist, jondein in ollen deutschen Mittelgebirgenan geeigneten Stellen. das beißt in Grotten und ein-seitig beleuchteten Klüften, sofern sie reine« Wasser ein-halten, angetroffen werden kann. Ja die Wasserpflanzenkuliurenunserer größeren botanischen Gewächshäuser sollen zeitweise sogaräußerst reich an dieser Alge sein. Ihre besondere Eigenschaft kannsich nur häufig wegen ungünstiger Beleuchtung nicht entwickeln, f?»daß dieses seltsame Gebilde für den harmlosen Besucher dieschwebende, unansehnliche, braune Algenhaut bleiben muß. Da«einzelne Geißellierchen besteht nur aus einer Zelle von 0,005 MeterDurchmesser, das sich mit einem ganz zarten Faden, der Geißel, imWasser fortbewegen kann. An der inneren Wandung der Zellegleitet ein mondsichelförmiger Farbstoffkörper von bräunlicher bisgelber Farbe, ein Chromoplast, wie der Naturforscher sagt.Das Eigentümliche de« winzigen Organismus ist nun sein Ver«halten zu Lichteindriicken: ein nicht zu starkes Licht ist für ibn ein§ol. der ihn anzieht und dem er zuschwimmt, lind zwar sucht diechwärnizelle dabei immer Stellen höheren BelichiungSgradeS auf,nähert sich also auch der Wasseroberfläche. Nachdem sie diese mög-lichst scharf erreicht hat. preßt sie auS ihrem kngel-oder besser pfirsichförmigen Körper eine Spitze gegendie Wasferhaut. bis diese durchgestoßen ist. Dann zwängtsich das ganze Tier sozusagen durch diesen selbstgeschaffenen Nebcr«gangskanal in die freie Luft, tndem c» sich an der Stelle derWasseroberfläche gürtelförmig zusammenschnürt, wobei der Körper-teil unterhalb des Wassers dabei immer kleiner wird, bis das ganzeTier auf der Wasserebene angelangt ist. Dort steht es dann aufeinem ganz kurzen Galleitstielchen aufrecht. Die gallertartige MasiedeS kugeligen Geschöpfes sammelt nun wie eine Glaskugel alleauftreflenden Sonnenstrahlen und biegt sie wie die Augenlinse auseine Stelle ab, an die der braune Farbstoffkörper wandert.Dadurch vermag der kleine Körper ein Höchstquantnm anLicht aufzusaugen, das er in genau der entgegengesetzten Seite dereinströmenden Lichtrichiung zurückwirft. Diese Richtung gewährtdann auch dem Beschauer den Anblick jenes herrlichen weichen Gold-schimmerS, der das ganze Becken mit Wasser zum elfischen Gold-tümpel werden läßt. Wer da« Gold freilich schöpfen wollte, derwürde dieselbe Enttäuschung erleben wie der Wandei er de« Märchens.der trotz des Verbotes der gütigen Bergfee das geschöpfte Goldneugierig betrachtet— und nur Wasser findet.Notize«.— Macbuleh im ZirkuL Schumann. Rcinhardt's Vor-bild, Dramen zu verzirkusjen. hat ivieder einmal Nachfolge gesunden.ES galt, zugunsten des türkischen Rolen Kreuzes einen türkischenStoff de»t Massenbetricb deö Zirkus(mit wogenden Volksmasjen.festlichem Gepränge, Tänzen und HimmelSlichternj dienstbar zumachen. Man wählte das Drama einer deutschen Generalsfrau(Mariav. Hobe), die einen türkischen Legendenstoff von der keuschen Heiligenim echten Epigonenstil verarbeitet hat. Die Heilige erinnert bald aneinen Volkötribunen, bald an�die Schillersche Jungfrau von Orleans.Sie erliegt ihrer Liebe zum Sultan, aber heroisch opfert sie sich undder geläuterte Herrscher wird das(türkische) Vaterland zu Ruhm undGröße führen.... Die Mitwirkenden auszuzählen und alle Künsteder Regie zu erörtern, erübrigt sich. Frl. Dietrich(die statuartsch-würdevolle, aber monotone Heilige) und Herr Bonn(diesmal alsberitiener Sultan) haben ja in der gleichen Arena schon die Feuer-probe bestanden.... In seiner Art ist der Zirku» etwas immernoch wertvolles, auch das rein« Ausstattungsstück und vielleicht diePantomime im Zirku» hat ihren Wirkungskreis, aber da» Theatersoll man beim Theater lassen.— G u st a v F a l k e. der stille feine Lyriker, ist— als ob erin diese Welt des Krieges nicht mehr hineittgehöre— am Dienstagin Groß-Borstel bei Hamburg gestorben. 63 Jahre alt. Er warder echte deutsche Dichter, voll musikalischen Wohllaut« und ganz inseiner Jchwelt lebend. ES ging ihm auch fast zeitlebens so, wie essich für solche Menschen des innern Glückes ziemt; die äußern Gütermieden ihn. Er gab Klavierftunden und blieb doch, der er war.Mit der naturalistischen Welle kam auch er in den neunziger Jahrennach oben, obwohl er einer ganz für sich war. Sein Dichten, dasErleben und kunstgerechte Formgeben zu glücklichem Bunde zu einenverstand, war wie heller Sonnenschein, der nun noch weiter leuchtenwird...von den FikuSbäumen.... Sie beben und bluten noch;ihre Augen bleiben bis zum Tode blank: kurze Zeit noch, bisihre Schwingen und das warmwcichc Muskelspicl an Brust-dein und Keulen steif und hölzern werden. Dann sinkt eutviolettes Häutchen über den heiteren, schwarzen Blick, derKopf Pendelt, und der rote Schnabel öffnet sich halb...O, das zarte Leben ist bald geraubt: Aber was weiß einerdavon, wie leicht sie fliegen, wie schlank und behend sie dieLuft durchpfcilen, welch ein leises, stolzes Flügclknattern siedahinschnellt, wie ausdauernd, wie zierlich sie waren undwelch ein Rhythmus das wundervoll gebaute Tierchen beseelte!Und wer kennt die Störche, die Störche über dem Nil!Als die Knaben sie sahen, zogen sie in ovaler Ordnung,wie eine flüchtige Verfinsterung des droben lohenden Lichtes,in riesiger Höhe langsam dahin. Das Geschwader(es warenan dreihundert Vögel) bettete sich auf die Lust, mit cnt-breiteten Schwingen. Sie flogen nicht— sie trieben dahin.Kein Flügelschlag war wahrnehmbar. Ein stummes Gesetzkettete die Tiere aneinander, ein stummer Rhythmus der Kon-zentration. Der große Haufe zog wimmelnd, doch als Ganzesbetrachtet, wie eine leichte, zartgetriebenc Daune durch dasBlau. Sie waren eine einzige Macht. Ihre Losung hieß:Norden und diese Richtung behielten sie in gerader Liniebei, unter sich den schlängelnden, metallisch blitzendenNil, der ihre Sehnsucht als ewiger gewaltiger Wegweiserförderte...Mvrgen waren sie in Rosette oder Alexandrien— über-morgen schon schwebten sie, die flachen Schwingen gleichSchirmen entbleitet, über dem Mittelländischen Meer undsahen die großen Ostasiendampfer wie weiße Milben durchdas schwarze Blau der Wasserwüste kriechen. Das warendie Störche: O Gedanke, den ihr, o Schottlandstörche, verkörpert! Ihr habt etwas Weltumspannendes, etwas Länder-verkittendes, etwas Brausend-Allgemcines, ja Internationales:ihr erhebt euch in der Kalahari, am Tschadsee, am Tafelberg,in fetter Wiesenpfründe des Kaps, und überschwebt diesenriesigen Kontinent, diesen Klotz von Ouadratmeilen, dies Un-geheuer, das Breitengrade frißt und gemästet ist von Sand,Steppen, strotzendem Tropentum und reichbegnadeten Süß-wassern— nur um eurer Sehnsucht willen, im Norden, jaim Norden Frösche zu fangen und auf dem Dach gleichgültigerDorfkirchen eure verlassenen Nester des verflossenen Sommerszu bestellen I l(Forts, folgt.)