Nr. 97.- 1916.Unterhaltungsblatt Zes VorwärtsMittwoch, 26. April.Neue KütozieldEeht c$ den meisten von unZ mit dem Kino nicht ähnlich, wietS Eltern mit einem geliebten aber entarteten Kinde geht? Wohlnur wenige Menschen können sich dem geheimnisvollen Zauber ganzentziehen, der von der bewegten Leinwand in den Zuschauerraumhinabströmt. Etwas an sich Totes, die ErsSeinung der flüchtigenSekunde in der Erstarrung flir alle Zeiten Festhaltendes:die Photographie, sängt plötzlich an zu leben, täuscht unsdas wirkliche Leben vor. Aber doch nicht ganz das wirkliche Leben,sondern dieses Leben in einer gewissen Abstraktion, reduziert aus dieschwarz-weiße Farblosigkeit. die flächenhaste Körperlosigkeit, die ab-solute Stummheit, eine Abstraktion, in der vielleicht gerade ein Teildes Reizes liegt. Darum zieht es uns immer wieder in das Kinovor die flimmernde Leinwand, das wir dann in den allermeistenFällen mit einem Geiühl der Beschämung, angeekelt von all demBrutalen, Kitschigen, Unwahren, das wir sehen mußten, verlassen.Muß das so sein? Kann das Kino überhaupt keine Kunstbieten? Viele haben diese Frage schon gestellt und sie bejaht.Nachdem große Schriftsteller sogenannte„Autorenfilms"' geschriebenhaben und große Schauspieler darin austraten, nachdem alle Wunderder Regiekunst, der Beleuchtungs-, der photographischen Technik ver-sucht wurden und doch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nichtsanderes aus alledem herauskam, als ein— etwas besserer Kitsch, da hatman erklärt: der künstlerische Film ist unmöglich; die Kinematographie hat ausschließlich im Dienste der Wissenschaft, derTechnik, der Volksbildung ihre Berechtigung. Freilich werdenin letzter Zeit auch Stimmen laut, die darauf hinwiesen, daß dieseitherige künstlerische Unzulänglichkeit des Films nur darin ihreUrsache habe, daß es bis jetzt noch nicht gelungen sei, den demInstrumente des Kinematographen entsprechenden künstlerischen Stilzu finden, einen Stil, der die scheinbaren Mängel der Kinemato-graphie nicht als Mängel empfinden läßt und ihre Vorzüge vollausnützt. Einer solchen Kinokunst würden sich ungeahnte Möglich-leiten eröffnen.Einen Einblick in diese Möglichkeiten gewährte uns PaulWegen er vom Deutschen Theater in einem hochinteressanten Vor-trag, den der Künstler in der Singakademie hielt. Er knüpfte andie Worte an, die jener biedere kölnische Mechaniker aus dem Leip-ziger Lustschifferkongreß vor vier Jahren der durch die vielen Unfälledes vorhergehenden Jahres stark bedrückten Versammlung zurief:»Wenn dar so scheint, als ob dat noch recht schlecht wäre undimmer schlechter würde, so liegt dat nur an uns; dat Ding isjutl" Dasselbe gelte auch für das Kino. Warum das Kino soschlecht geworden wäre und heut noch so schlecht sei, daiürführte Wegener eine ganze Reihe von Gründen an. Zunächst dasMenschenmaterial, das sich ursprünglich im Kinogewerbe zusammen-fand. Lange Zeit war dieses Gewerbe nur eine Sammelstätte fürverkrachte Existenzen aller Art, die sich unbeschwert von künstlerischenBedenken und Bestrebungen um diese ergiebige Goldquelle drängten.Daß hierbei nichts für die Kunst herauskommen konnte, war selbst-verständlich� Statt das Publikum zu erziehen, ließ man sich von demschlechtesten Sensationsgeschmack leiten und schmeichelte diesem, umGeldzu verdienen. In den letzten Jahren, in denen auch ein anspruchs-volleres Publikum die teilweise luxuriös ausgestatteten Kinos zu be-suchen begann, machte sich vielfach das Bestreben geltend, besseres zubieten. Schauspieler mit großen Namen, denen man als Honorarein Vermögen bot, wurden engagiert; bekannte Schriftsteller mußtenfür das Kino ihre beliebtesten Dramen oder Romane verfilmen; dieFilmphotographie ist auf einer außerordentlichen Höhe angelangtund leistet ibildmäßig) wirklich Künstlerisches. Und doch ist das Ge-samtresultat ein unbefriedigendes. Warum? Weil auch diese Stücke,trotz bester Absicht, an dem Fehler kranken, daß sie nicht film-technisch richtig gedacht sind. Sie wollen die Lorgänge der Bühne.des Romans auf den Film übertragen und leiden nun unterdem Mangel des gesprochenen oder geschriebenen Wortes, das imDrama oder im Roman erst die feinere psychologische Motivierungermöglicht. Der zwischen die Bilder eingeschobene Text, der nochdazu meist in wenig einwandfreiem Deutsch abgefaßt ist, vermagdie Sache nicht zu retten, ist nur ein kläglicher Notbehelf. So mutzim Film alles vergröbert werden. Eine übertriebene Mimik mußdie mangelnde Sprache ersetzen; statt Individualitäten gibt dasKino Klischees. Wegener läßt von den jetzigen Kinosiücken nur denKolportage- und den Trickfilm gelten. Umer ersterem versteht erdie unsere Verstandestäligkeit reizenden besseren Detektivfilmsund die Wildwestfilms, in denen wir ein Slück Na'.urleben kennenlernen und in denen wirklich etwas vom Atem der Prärie weht.Vielleicht könnte man auch noch dem auf reine Heiterkeitseffekte ge-stellten, auf alle künstlerischen Ansprüche verzichtenden Groteskfilmeine gewisse Berechtigung einräumen. Und auch die italienischenKolossalfilms sKleopotra,<�nc> vacli-?, Julius Caesar), die mit ab-soluter historischer Treue, unterstützt von erstklassigen Darstellernein Stück vergangener Kultur in Bildern von unerhörter Pracht undhinreißender Nalurschönheit erstehen lassen, möchten wir von demVerdammungsurteil ausgenommen haben.Welchen Weg hat nun der Film zu gehen, um zur Kunst zuwerden? Er soll darauf verzichten, andere Kunstarten zu imitieren,wobei er stets Schiffbruch erleiden muß und er soll das bieten, waser kraft der Eigenart seiner Technik allein zu bieten vermag. DieseEigenart besteht aber in der Befreiung von fast allen Hemmungender Körperlichkeit, der Möglichkeit wunderbarer Verwandlungen, vonIllusionen der verschiedensten Art, Doppelgängerbildern, Visionen,Uebereinander- und Nebeneinanderphotographieren von Dingen inverschiedenen Größenmaßstäben, Zusammenziehung von zeitlichweiter auSeinanderlicgenden Entwickelungsphasen in solche vonkürzester Zeitdauer, Rückwärtslaufenlassen von Ereignissen usw.Alle diese Möglichkeiten wurden bisher fast nur im Trickfilm aus-genützt, der aber nicht mehr als eine amüsante technischeSpielerei war. Sie können aber auch zum Ausdrucksmittel einerwahren Kunst mit ganz neuen, bisher unerhörten Wirkungen werden.Da ist zunächst das Märchen. Wegener zeigte in dem zweiten Teileseines Bortrages bei der Verlesung des Manuskripts zu einemneuen, jetzt in Vorbereitung befindlichen Film.Rübezahl unddas Elschen", welch' toller Phantasiespuk, den kein Theater derWelt, auch selbst eine Reinhardtbllhne nicht wiedergeben könnte, sichim Film verwirklichen läßt. Der Weg ins Phantasiereich könntebis zur Befreiung von allem real Gegebenen gehen. Bilder einesBöcklin mit einem Phantasiemeer und Phantasiegeschöpfen darin,könnten in Bewegung gesetzt werden. Eine ganz eigenartige neueErfindung ermöglicht es, solche Bewegungen zu photographieren, ohnedaß es nötig wäre, jede einzelne Phase dieser Be-wegung zunächst malerisch zu fixieren. Endlich könnteder Film überhaupt zur reinen„kinetischen Lyrik"werden. Figuren, Ornamente könnten vor unseren Augenentstehen, sich wandeln, vergehen, so daß ein solcher Film an unseremAuge vorüberrauschen würde, wie ein Musikstück an unserem Ohr,reine ästhetischen Empfindungen auslösend. Eine Möglichkeit deskünstlerischen Films scheint uns auch darin zu liegen, daß erinnere Erlebnisse zum Ausdruck bringt, etwa die beimAnhören einer Sinfonie in uns auftauchenden wechselnden Bilderund Einpfindungen, also das verwirklicht, was die expressionistischeMalerei mit dem in diesem Falle unzulänglichen Mittel deS starrenBildes nicht lösen konnte.Bei den eigenartigen Verhältnissen im Kinogewerbe, die einenFilm nur dann rentabel erscheinen lassen, wenn er einen Massen-erfolg hat, kann freilich die dünne Schicht der sogenannten Gebildetenallein eine Filmkunst nicht tragen. Das wäre aber auch gar nichtnötig, denn für eine wirkliche Filmkunst würden sich auch heule schondie großen Massen der von den sozialistischen Bildungsbestrebungenerfaßten Arbeiter interessieren, die bis jetzt noch dem Kino ablehnendgegenüberstehen.kleines Zeuilleton.Der-kluge tzans� von öer 5elüpost.Wir kamen auf dem Marsche spät abends ins Ouartier. Glück-lich fanden sich noch für mich und die Sekretäre meiner Feldpost-anstalt zwei kleine Stuben. Zwei Tische, eine Bank, zwei Stühleund eine Kinderbettstelle bildeten ihr Mobiliar. Daneben hatte esnoch eine leere Küche sowie einen Abschlag, in dem eine Strohschüttelag. Zwei weitere Räume waren meinen Feldpostschaffnern undFcldpostillionen zugedacht. Aber diese erklärten, lieber im Freien inden Feldpostwagen schlafen zu wollen, da sie keine Lust verspürten,nach dem anstrengenden Tagesmärsche noch Schlachten mit demKleingetier zu schlagen, das sie wohl nicht mit Unrecht in demStroh und in den Ritzen der Fußböden und Wände der Behausungvermuteten. Für die Pferde hatten wir noch nichts Passendes aus-findig machen können. Eine unangenehme Sache in der stockfinsterenNacht! Es blieb nichts anderes übrig, als sie abzuspannen und dieSuche mit vereinten Kräften fortzuietzen. Vorerst aber trat ich inunser Hau-, um dort eine Stearinkerze auf einem Tisch aufzu-pflanzen und anzustecken als weithin leuchtendes Zeichen für etwaigeandere Ankömmlinge, daß diese Stätte für die Nacht schon ver-mietet sei. Derweilen trat hinter mir noch jemand ins Haus undpolterte fürchterlich.„Zu tappig", dachte ich bei mir, ohne mich um-zudrehen,„die paar Treppenstufen kann man doch schließlich auchnoch im Dunkeln sehen, ohne so entsetzlich stolpern zumüssen." Aber statt aufzuhören, nahm das Getapse immer nochzu. Da wurde ich süchtig und drehte mich um mit einem ganz ge-hörigen Anpfeiser auf der Zunge und erblickte nur eine Handbreitevor meinem Gesicht... einen Pferdekopf. Dem Gaul mochte dasWarten draußen zu langweilig geworden sein. Vielleicht auch hatteer mich in der Dunkelheit für seinen Pserdepfleger gehalten undunser Quartier für einen Stall. Viel besser war es auch nicht. Sowar er mir einfach nachgestiefelt. Im ersten Augenblick hatte michdieser nächtliche Zusammenstoß nicht wenig verblüfft. Dann abermußte ich herzlich darüber lachen, wie selbständig solch ein Gaulsein kann und wie rasch in seinen Entschlüssen. Und in An-erkennung dessen wies ich dem klugen Hans von der Feldpost denRaum mit der Strohschütte als Nachtquartier zu. Postwendendnahm er ihn an._Ms üer Geschichte üer Ieuenverfer.Ein arabisches Werk,„Der Schlüssel der Wissenschaft" desChowaresmiereS M a f a t i h al Ulum macht uns bereits mit einerNaphthaspritze bekannt, deren Klappenventile das Rohöl auf ziemlichweite Entferimng zu werfen gestalteten, worauf dann ein Brandpfeildie benetzte Stelle in Feuer auflodern machte. Das brachte natür-lich einen ganz anderen Effekt als die alten Feuerpfeile, die beiAmmianus Marcellinus und Vegetius eine Rolle spielen. Aber be-reitS im neunten nachchristlichen Jahrhundert werden Anweisungenerteilt, wie man explosive Brandsätze herstellen soll. Zuvor schonbewahrte das Kriegsanit von Byzanz das Geheimnis jener furcht-baren Mischung, die als griechisches Feuer im früheren Mittelalterzu hoher Berühmtheit gelangt war. Ob man es durch Spritzen oderRaketen versandte, ist noch eine offene Frage.Notize».— Im L e s s i n g- M u s e u m(Brüderstr. 13) liest Donnerstag,den 27. April, Karl Vogt„Die Perser" des Aeschylos in derneuen Uebcrsetzung von Lion Feuchtwanger.— Sonnabend, den29. April, liest Karl Leop old Mayer eigene Dichtungen. Seinlyrisches Drama„Der Raub der Europa" wird von IrmaStrunz vorgetragen. Drei Lieder singt Hedwig Sevcik.— Spiritusgewinnung aus Aepfeln. Die Knapp-heit an Spiritus zwingt die Franzosen, aus den Aepfeln statt wiebisher ihren Zider. jetzt Spiritus zu erzeugen. Wie Truelle in einerSitzung der Akademie d'Agreculture berichtete, ist die Alkohol-ausbeute dem Zuckergehalt der zu verarbeitenden Früchte pro-portional. Dieser Zuckergehalt schwankt zwischen 8 bis 22 Graminfür 100 Pülpe. Die theoretische Ausbeute von 100 Litern reinenAlkohols aus 100 Kilo Zucker wird in Wirklichkeit nicht erreicht. DerVerarbeitung von Aepfeln in gleicher Weise wie von Rüben stellensich Schwierigkeiten insofern entgegen, als die Aepfel zur Marmelade-bildung neigen. Des weiteren läßt sich die Aepfelpülpe nicht fürFutterzwecke verwenden._16]Cnörik Kraupatis.Eine litauische Geschichte von Ernst Wichert.Er stieß sie unsanft zurück.„Besinne Dich doch einmal," fuhr sie fort, ohne sich beirrenzu lassen.„Gestern hott' ich so viel nehmen können, daß ichDich für lange Zeit nicht mehr brauchte und heut hätte laufenlassen können. Hab' ich's genommen?"„Wozu dann aber—?"„Es ist nicht gut. daß Du das viele Geld da in der Rock-tosche mit Dir herumträgst, Endrik. Das ist bald bekannt. Dubist manchmal betrunken und weißt dann von Deinen Sinnennicht. Es kann Dir einer die Brieftasche herausziehen, Du hastnicht einmal eine Ahnung, wer es gewesen sein möchte. Ichtraue auch dem Buckligen nicht— er hat einen falschen Blick.Lei mir ist Dein Geld ganz sicher."Dabei blieb sie, er mochte bitten oder schelten, wie er wollte.Sie hatte im Grunde Recht: das Geld war bei ihm schlecht auf-gehoben. Wer es Kar doch sein Geld und er konnte damitmachen, was ihm gefiel. Warum hinderte Jlsze ihn daran?Er meinte, wenn sie ihm die Sache gut vorgestM haben würde,hätte er ihr die Briestasche freiwillig in Verwahrung gegeben.Aber dann wäre ihm doch auch bekannt geworden, wo sie ver-steckt lag, und es hätte in seinem Belieben gestanden, ob undwie lange sie da bliebe. Jetzt übte Jlsze gegen ihn einen uner-träglichen Zwang. Daß sie ihn„bevormundete", wäre nochzu leiden gewesen, wenn sieb gut meinte. Aber meinte jic'swirklich gut? Verwahrte sie wirklich nur dos Geld für ibn oderhatte jie's für sich selbst in Sicherheit gebracht? Dieser Zweifelveinigte ihn fürchterlich. Das war ja das Geld, für das er einMenschenleben auf dem Gewissen hatte! sollte er sich's sounter der Hand fortziehen lassen müssen und nicht einmalschreien dürfen? Sollte er sich am Ende gar selbst auslachen,daß er der Dumme gewesen, der einer so liederlichen, unzuver-lässigen Person Vertrauen schenken konnte? Wenn sie ihn umden Gewinn seiner bösen Tat betrog und er vermöchte sich nichteinmal zu rächen, da seine Mutter geschont werden mußte! Daslag ihm schwer in den Gliedern. Achtundvierzig Stunden ent-fernte er sich gar nicht aus dem Hirtenhause, ließ er Jlsze nichtaus den Augen. � Immer wieder imternahm er einen Sturmauf ihre Festigkeit. Er fing an. das Haus zu durchsuchen, faßtein jedes Wandloch, in jeden Hohlraum über den Balken undSparren— vergeblich. Jlsze sah ihm mit dem vergnügtestenGesicht zu, als ob sie ein launiges Vcrsteckspiel vorhätten, um sichdie Zeit zu kürzen. Er wurde wild, schlug sie. Auch das führtenicht zum Ziel. Sie setzte sich in einen Winkel und weinte.„Duweißt nicht. Endrik, wie gut ich Dir bin."Er mußte endlich wieder unter die Leute gehen. Es warbekannt geworden, daß er die Versicherungssumme gezahlt er-halten. Man war nun der Meinung, daß er in diesem Herbstwenigstens noch das Material zum Umbau heranschaffen werde,und bestürmte ihn mit Anerbietungen aller Art. Es gefiel chrn,so der Gegenstand allgemeiner Auftnerksamkeit zu sein, aber erhütete sich, init irgend jemand fest abzuschließen. Die neueMühle müßte, wie er sich ausdrückte,„mit allen Schikanen"gebaut und eingerichtet werden; er wolle sich erst noch genauerinformieren. In Wirklichkeit wurde es ihm täglich gewisser,daß er nicht bauen werde. Er vermochte nur nicht zu über-sehen, was dann geschehen solle. Er war nicht mehr Herr seinerEntschlüsse.Jlsze sprach sich auch gar nicht für den Bau aus.„Waswillst Du mst der Mühle," sagte sie,„wenn Du nicht eine netteMüllerin darin baden kannst? Mit der griesgrämigen kranken,im Kopf verdrehten Frau zu hausen, daS denk' ich mir als keinVergnügen. Mich aber kannst Du da nicht babcn, auch wennDu sie loS wirst. Man weiß von unS in diesem Vest zu viel.Die Weiber sind hochnäsig una werden mich nicht neben sichgellen lassen wollen. Davon hallest Du nur ewigen Aergerund könntest es doch nicht ändern. Rein, das ist nichts für ims,Endrik. Wir müssen fort in die weite Welt und da unser Glücksuchen. Das war ja auch Deine Meinung."Sie ließ es an Zörtsichkeit nicht fehlen und umarmte ihnso fest, daß er schon nicht mehr die Hände frei regen konnte.Daß ihr Schicksal nun einmal niiteinander verkettet sei, daranmußte er wobl glauben. Aber dieser Glaube machte kaum nochin Augendlicken des wüstesten Sinnentaumels selig. Er mußtesich gestchen, Furcht vor der üppigen und listigen Teuselin zuempfinden, die ihn ganz in ihrer Gewalt hatte. Noch einenVersuch stellte er an. sie zu überlisten. Er tat, als ob er völligüberzeugt sei, daß sie fürs ganze Leben zueinander gehörten.herzte und küßte sie und sagte:„Du hast recht. Jlsze, wirmüssen fort. Wir wollen zusammen nach Amerika, je eher jelieber. Wenn Du einverstanden bist, noch diese Nacht. Gibmir das Geld und mache Dich bereit. Wir fahren mit meinemWagen bis zur nächsten Eisenbahnstation und dann gleich bisHamburg. Da finden wir immer ein Schist."Aber sie schien zu merken, daß es ihm doch mehr ums Geldzu tun sei als um sie, und antwortete:„Ich kann Dir dochnicht trauen, wie ich möchte, Endrik. Wenn Du erst die Brief-tasche heraus hast, tust Du, was Du willst, und wirst mich dafürstrafen, daß ich sie Dir so lange vorenthalten habe. Nein, sogeht's nicht."„Aber Tu kannst meinetwegen selbst die Brieftasche beiDir behalten, bis wir drüben wieder ans Land steigen," ent-gegnete er.„Da hätte ich auch was Rechtes," meinte sie, mit denFingern ein Schnippchen schlagend.„Du bist stärker als ich—die Brieftasche hättest Du mir schon fortgenommen, bevor wirzur Station gelangt wären."„Das fürchte nicht."„Und drüben in Amerika könntest Du mich laufen lasten,sobald es Dir gefiele."„Wer wie könnte mir so etwas einfallen? Ich werde dochnicht in mein eigen Fleisch schneiden."„So ungeschickt ist man manchmal doch. Nein, nein!Wenn ich mit Dir gehe, muß ich ganz sicher sein, daß uns nichtsvoneinander bringen kann."Er wurde ungeduldig.„Was verlangst Du denn?"Jlsze schmiegte sich an ihn.„Wir müssen Mann undFrau sein."Nun erschrak er.„Wie kann das geschehen? Ich bin ver-heiratet."„Jawohl— noch bist Du verheiratet."„Meine Frau läßt sich nicht scheiden. Gegen sie Hab' ichkeinen Grund."„Auch der Tod scheidet," sagte Jlsze ganz ruhig, als ob esdas Gleichgültigste wäre.Kraupat sprang entfetzt auf.„Der Tod—?"„Du sagst doch, sie sei krank mw auch nickst gesund im Kopf.Solchen Menschen stößt leicht etwas zu."„Ja, aber—" das Herz schlug ihm laut.„Sie ist Deinem Glück sehr im Wege," fuhr Jlsze fort.„Ich denke. Du liebst sie nicht."„Aber daS ist doch kein Grund—"„Höre, Endrik. die Briestasche mit dem Geldc bekommst Tunicht, solange sie lebt. Ihr könntet Euch wieder aussöhnen."Kraupat schnaubte wild.„Das also war Dein Plan?"„Es ist so am besten für Dick, Endrik. Wenn die Müllerintot ist und ich Derne Frau bin, hast Du Ruhe— sonst nicht."„Aber wie soll—?"Sie faßte seinen Kopf unid zog sein Ohr an ihren Mund.„Ich will Dir ein weißes Pulver geben, Endrik, das kannst Tuihr heimlich—"„Bestie!" schrie er auf.„Du brauchst ja gar nicht zu wisten, was es ist. EineMedizin—"Er wandte sich entsetzt ab.„Ich meine Frau— nein, umGottes willen, nein!"Jlsze zuckie die Achseln.„Ich rate nicht dazu. Ich sagenur, was geschehen muß, damit Du ruhig leben und DeinesGeldes froh sein kannst."„Kein Wort mehr davon," befahl er und eilte fort. Aberer kam wieder.Und Jlsze ließ sich den Mund nicht schließen.„Es ist dachrecht erbärmlich," sagte sie,„daß einer über so mancherlei Be-denken hinwegkommt und vor dem letzten Schritt zurückscheut,ohne den er doch nichts erreicht. Als ob j5a für den Teufel einUnterschied ist, wenn er doch einmal die Seele greift."Er wurde schwach.„Tu Du's," entgegnete er,Sic schüttelte den Kopf.„Das kann nicht sein, Endrik.Wenn ich's täte, würd' ich Dir verhaßt werden, und Du hättesteinen Grund, mich zu verwerfen. Du mußt es selbst ttm, sonstist etwas zwischen uns, das ich nicht bewältigen kann. Aber ichgebe Dir das Weiße Pulver."Es durchrieselte ihn eiskalt, aber er widersprach nicht mehr.Am anderen Morgen steckte ihm Jlsze, ohne ein Wort zusagen, ein kleines Päckchen in die Hand und gab ihm einen Kuß.(Forts, folgt.)