Nr. M.- im. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Freitag, 19. Mai. Die wttte. von Scholem Alejche». (Schluß) Ja, wo Halten wir denn eigentlich? Richtig, wie wir zu Taschier kamen. Das Komitee nämlich. Guten Morgen. Reb Jojell" Guten Morgen, gut Jahr! Nehmt Platz! Was gEWS?* Wir kommen um eine milde Gabe zu Euch." Das Auge schloß sich und die Wange zuckte: Eine milde Gabe! So plötzlich, ganz unerwartet, ein milde Gabe?" Ja, eine dringende." antwortete Froste, der Frechling, eine sehr dringende, Reb Jojel. Ihr habt ja wahrscheinlich schon ge- hart. Eine ganze Stadt abgebrannt. Draschne..." Was sagt Ihr? Draschne abgebrannt? Weh mir! Ich habe soviel Geld dort stecken! Ich bin ruiniert, zugrunde gerichtet...." Froste will ihn beruhigen. Seine Kommittenten hätten durch dos Feuer nicht gelitten.?tur arme Leute seien geschädigt worden. Aber umsonst! Der Mann will nicht hören, sondern rennt wie wahnsinnig im Zimuier auf und ab, ringt die chünde und schreit: So ein Unglück! Ich bin ruiniertl Redet jetzt nicht mit mir! Jbr habt mich um den Verstand gebracht, wie soll ich das aus- halten?..." Wir sitzen noch eine kurze Weile, dann stehen wir auf, sagen Guten Tag. Reb Jojel", küssen die Mesise(Pergamentröllchen am Türpfosten, dasHöre Israel!" enthaltend) und macheu uns auf die Beine. Draußen aber sagt Frojke: Hört, ich soll nicht Esroim Katz heißen, wenn ich von dem L>undet'erl nicht doch noch einen Hunderter für die Draschner Ab- drändler herauskriege!" Schwatz nicht, bist wohl verrückt?" Gar nicht! Ihr werdet ja sehen! Ich sag?», ich, Efroim Katz!" Und wirklich behielt er recht, wie Ihr gleich hören werdet. Einige Tage später fährt nämlich unser Jojel Taschker auf den Markt nach Toltschin. Kompanjewitsch ist im selben Coupe, ebenso viele andere Leute. Man spricht, man schwatzt, alles durch- einander, wie's schon so ist. Nur Jojel Taschker und Kom» panjewitsch sind still. Taschker sitzt wie versteckt in einem Winkel und blickt mit einem Auge in ein frommes Buch. Was hat er mit ollen den Leuten zu tun? Und gar mit Kompanjewitsch. Es ärgert ihn nur, daß dieser Mensch, dessen rasiertes Gesicht er nicht ausstehen kann, sich gerade ihm gegenüber hingesetzt hat. Herr Gott  , denkt er, wie wird man ihn los, den Schweinesress er? In die ziveite Klasse hinübergehen? Schade ums Geld. Da- bleiben? Sind ihm die rasierte Fratze und die Spitzbubenaugen zuwider... Während er so nachdenkt, tut Gott   ein Wunder und läßt ihm auf der nächsten Station einen Bekannten zusteigen. Wen denkt Ihr? Natürlick keinen andern als Frojke Schejgez. Unser Taschker ist ganz glücklich Er wird mit jemandem zu sprechen'haben. Wohin fahrt Ihr?" Und Ihr?" Tos Gespräch ist im Gong. Worüber? Heber die? und jenes und alles und nichts, dummes Zeug. Bis man auf einen Gegenstand kommt, der nach Jojel Taschker» Geschmack ist: Jugend bon beute, alberne Burschen, ausgelassene Töchter, eine zuchtlose Welt!" Frojke Schejgez wärmt eine alte Geschichte auf von der Schwiegertochter des Umaner Rebben, die mit einem £ ffizier davonlief." Dann noch eine Geschichte von einem jungen Mami, der in zwei Städten heiratete. Und schließlich noch en« dritte Geschichte, von einem Bürschlern, das nicht Tsilli» lege» wollte(die Gcbetriemen san Stirn und Arms anlegen), und als ihn der Vater dafür schlug, den Hieb zurückgab. Was. den Vater geschlagen? Den eigene» Vater geschlagen?" schrie es von allen Seiten. Das ganze Coupe ist w Aufregung und mehr al» all« Jojel Taschker: Ra, hob' ich nicht recht? Eine zuchtlos« Welt da»! Die jüdischen Kinder wollen nicht beten, nicht Tfillin legen..." Tfillin legen schenk' ich Euch," mischt sich jetzt plötzlich Kom- panjewitsch, der bisher geschwiegen hat, ein..da» wögt Ihr halten, wie Ihr wollt. Kümmert mich nicht. Dagegen, scht Ihr, einen Talles-kuten! Da kann ich mich darüber ausregen, daß ihn unsere jungen Leute nicht tragen. Nicht Tfillin zu legen, kann ich ver. stehen. Man bat Arbeit damit, muß sie anlege» und abnehmen. Aber einen TalleS-kuten, irgendwo unter dem Hemd tvage». Das ist doch gar nichts. Und wer sieht es?" Diese Worte sprach der Ketzer mit leiser Stimme, gemessen, und ernst. Wenn ein Blitz eingeschlage» hätte oder der Wagen umgefallen wäre, unser Taschker hätte nicht mehr überrascht sein können. Was hatte das zu bedeuten? Waren die Zeiten des Messias da? Daß ein solcher Schweinefresser von Talles-kutens redet... Und er wendet sich zu Frojke nicht etwa zu Kom- panjewitsch: Wie gefällt Dir der Heilige, he, he? Spricht auch von Talles-tutens!" Ja, warum denn nicht?" meint Frojke ganz naiv. Das war für Jojel Taschker schon zuviel. Hehehe," lacht er.Auch schon ein Jude! Einer, der am Sabbat einen Samowar aufstellt! Am Tischebuw Fleisch ißt! Nicht einmal das Geschirr für Pejßach waschen läßt! Und das spricht von Talles-kutens I" Ja, warum denn nicht?" sagt Frojke, wieder so unschuldig wie zuvor. Was hat das eine mit dem andern zu schaffen? Herr Kompanjewitsch mag vielleicht alles das tun, was Ihr da auf- zählt, und trotzdem kann ich mir ganz gut vorstellen, daß er unter dem Hemd einen Talles-kuten trägt. Wer, der Rasierte da," schreit der arme Taschker,der Iredcrliche Mensch,, der Gottesleugner?" Die Leute im Coupe sind ganz still geworden und blicken ge- spannt ans Kompanjewitsch. Der schweigt aber. Frojke auch. Bald fährt er jedoch auf, Frojke nämlich, wie ein Mensch, der sich entschlossen hat, etwas zu wagen: Ich will Euch was sagen, Reb Jojel," ruft er,ich--b von der Ansicht aus, daß man eine jüdische Seele nie unterschätzen darf. Wenn ein Jude von einem Talles-kuten mit Respekt spricht, dann trägt er wahrscheinlich selbst einen. Ich lege einen Hunderter für die Abbrändler von Draschne ein. Ihr legt ebensoviel ein. Und dann wollen wir Euern Herrn Mieter bitte», daß er in unserer Gegenwart den Rock und das Hemd öffne und uns zeige, ob er einen Talles-kuten trägt." Ganz richtig ganz richtig!" rufen alle ander» ereifert und machen Spektakel. Es wird recht lustig im Coupe. Kompanjewitsch aber sitzt still da, wie einer, der«it der Sache nichts zu tun hat. Und unser Jojel Taschker? Schwitzt mächtig! Er hat noch niemals in seinem Leben gewettet, auch nicht um zwei Groschen. Und soll nun plötzlich einen ganzen Hunderter ein- sehen? Wie, wenn der schlechte Kerl am Ende wirklich einen Talles-kuten trägt? Behüte Gott  ! Doch nein! Das ist ja gar nicht möglich, sagt er sich weiter. Kompanjewitsch und ein Talles-kuten! Nein! Er kann ruhig selbst feine» Kopf wagen. Und er faßt sich ein Herz und zieht«inen Hunderter hervor. Man wählt zwei bessere Leute aus, bei denen das Geld eingelegt wird. Dann erst nimmt man Kompanjewitsch in Arbeit. Er soll sich ausziehen. Aber es fällt ihm gar nicht ein, er will nicht. Was bin ich denn," ruft er plötzlich ganz gesprächig,ein Bub oder ein Komödiant? Daß ich mich hier im Coirpe am hellichten Tage vor einer ganzen Menge Menschen ausziehen soll...?" Jojel TaschkerS Antlitz strahlt. Aha," ruft er Frojke zu,wer hat recht? Ich oder Du? Ich kenne meine Leute. So ein Mensch spricht von TalleS-kutenS I Hchehe!" Alle dringen nu» in Kompanjewitsch. .Ihr müsset es tun! Bedenket doch! Wie e««»gehe»«ag. t» jedem Fall kriege» doch die unglücklichen Abbrändler einen Hunderter." Ja, für die unglücklichen Abbrändler," ruft Jojel Taschker de» andern, ohne Kompanjewitsch anzusehen. Die armen Leute liegen mit Weibern und Kinder» draußen im Freien," dringt man weiter in Kompanjewitsch Ach ja, draußen im Freien." wiederholt Jojel Taschker. Ein Jude soll doch Gott im Herzen tragen!" Gott   im Herzen tragen," sagt Jojel Taschker«ach. Nach langer Müh und Rede setzt man«S endlich bei Kom­panjewitsch durch daß er Rock. Weste und Heinde öffnet. Und nun stellt Euch vor, trug der Mensch wirklich einen TalleS-kuten nnterm Hemd. Und was für einen TalleS-kute»! Einen großen, kofchern, Berfchader Fabrikat, mit blauen Streife» und dicken, starten Zizzes, wie bei einem Ruw«Rabbis. Hohaha!... Nein, so was bringt rrur fo ein Gauner wie Frojke Schejgez fertig! Es hat ihn freilich Jojel TaschkerS Kundschaft gekostet, er darf ihm nicht mehr unter die Augen kommen. Dafür hat er aber den Ab- brändlern von Draschne einen Hunderter, einen ganzen Hunderter verschafft. Und von wem ihn herausgekriegt? Von einem Geiz- hals, einem Filz, der niemals in seinem Leben einem Armen ein Almosen, auch nicht einmal ein Stückchen Brot gegeben hat! Soll den Kerl nicht der Teufel holen? Ich meine natürlich den Frojke, mein' ich. (Aus dem Jüdtscheu überfetzt von Mathias Acher.)« Kleines Feuilleton. LePng-Theater: Gespenster�. Das Jbsen-Erbe Otto Brahm'S  , das nach dessen Tode mit dem Lessing-Theater an Barnowsky überging, ist in guten Händen. In dem Zyklus, in dem des Norwegers Werke jetzt wieder über diese Bühne ziehen, erschienen nunmehr, mit teilweis neuer Besetzung, die«Gespenster  ": das wohl gewaltigste Gebilde jenes großen Dich- ters, der im bürgerlichen Schauspiel die Tiefen und Schauer, die man im klassischen Schicksals- und Heldendrama vorbehalten glaubte, in anderer Art und mancbmal noch erschülternder herauf- beschwört. Die Tragik des aus dunklen Fernen der Vergangenheit unabwendbar nabenden, sich Zug um Zug enthüllenden Ge- schickes, das über Frau Alming hereinbricht, übergipsett in dem festeren Gefüge seiner Notwendigkeit die Wucht der alrberühmten größten griechischen Schicksalstragödie des«Königs Oedipus". Mit dem Grausen, das die Verkettung des blind natürlichen Ge- schebens auslöst, verbindet sich ein Gesühl der Erhebung, das frei- lich einzig aus der Freude an der künstlerischen Meisterschaft der Formung strömt. Es ist daS bvchste Lob der Aufführung, daß sie inmitten all der Qualen diese Begleitempfindung wachwerden ließ. Wunderbar malte sich in Ton und Mienen Bassermanns die innere Angst des jungen Alming. Das Aufflackeru der Hoffnung, die ausweglose Verzweiflung seines letzten Bekenntnisses. Furchtbar und doch künstlerisch gedämpft war der Zusammen- bruch, die lallend wiederholten Worte von der Sonne. Lina Lossen   erfüllte als Frau Alming die höchsten Erwartungen. Der Eindruck einer schwer erkämpften Reife und hoher menschlicher Bedeutsamkeit wurde aufs glücklichste vom Zauber des klangvoll ruhigen Organs und von dem warmen, ernsten Blick der Augen unterstützt, über die in dem Gespräch mit dem Prediger Manders oft auch ein stilles gütiges Lächeln huschte. Die komplizierte Mischung im Charakter dieses Seelenhirten, dessen zaghafte Behul- samkeit und einfältiges blindes Vertrauen bei leiser Komik doch die Achtung vor der Lauterkeil des Herzens nicht verdrängen dürfen, kam trefflich nuanciert im Spiele von Kurt Götz   heraus. Der heuchlerische Gauner Engstrand war höchst natürlich-überzeugend mit einer Maske, die den Stempel aller Niedrigkeiten trug, durch Herrn Valentin, Regines lockende Koketterie und Kälte eindringlich durch Else Bassermanu vertreten. ät- 1S0Z Der eben niedergeworfene Aufruhr in Irland   mit seinen Blut« opfern ruft die Erinnerung an frühere Aufstände auf der grünen Insel und an frühere Hinrichtungen in ihrem Gefolge wach. Ein solcher, der von Frankreich  , aber unzulänglich, uniersiützt wurde. war im Jahre 1803. Damals wurde Thomas Moores Freund, der erst 23 jährige Freiheitsheld Robert Emmett, hingerichtet. Der Dichter widmete seinem Andenken ttefempsundene Verse. die gewiß heute dort wieder in vieler Herzen, aus vieler Lippen leben. Wir geben sie hier nach der Uebersetzung in des Lange-Biographen O. A. Ellissen Büchlein»Aus frohe» und trübe» Stunden", S. 76: O nicht seinen Namen I Der schlummere xam, Wo kranzlos die Neste des Edelsten ruhn. Still rinne die zürnende Träne hinab, Dem Tau gleich, der mächtig benetzet sei» Grab. Doch schmücke der Tau, die Träne der Nacht, Das Grab des Verklärten in schimmernder Prachtz Erhalte die Träne, die schweigend wir weihn, Des Freundes Gedächtnis lebendig und reim! Notize». Bühne ngenofseuschaft und Bühnenverein  . die Organisationen der Thealerangestellten und-Unternehmer, die seit Jahren alle Beziehungen zu einander abgebrochen hatten, wollen diese jetzt wieder aufnehmen. Die Genossenschaft hatte die Jnitw- tive dazu ergriffen, der Bühnenverein hat jetzt auch zugestimmt, freilich mit der Unterstellung, daß die Annäherung des Bühnen- Vereins eine Zurücknahme der früheren schwere» Angriffe bedeute. DaS ist weder burgfriedlich noch richtig! Der totgesagt« Prof. Pawlow kebt«och. Die englischen Blätter, die seinen Tod gemeldet hatten, haben ihn mit einem Chirurgieprofessor gleichen Namens verwechselt. Man kann also hoffen, daß der berühmte Physiologe der Menschheit noch weitere Dienste durch seine Forschungen und Experimente erweisen wird. Erzählungen eines alten Tambours. 18s Von Edmund Hoefer  . »Da ivaren denn die Schleusen wieder gelöst, und es brach hervor wie ein Sturzbach, Jammer und Klagen, Fluche und Schmähungen, Drohen, Haß, Wut und Erbitterung, gegen sich selbst, alles durcheinander, ohne Maß. ohne Ziel, unbeschreiblich und undenkbar. Und dann schüttelte er die Ketten mit einer mehr als menschlichen Gewalt, daß ich dachte, sie müßten wie Staub von ihm abfallen. Und dann stand er wieder da, trotz Fetzen, Blut und Schmutz noch immer der Rolof. Ich erbebe noch jetzt vor der Erinnerung, und damals saß ich wie zerbrochen, sinnlos, unfähig mich zu rühren oder zu fassen, mit dem einzigen Gedanken: das ist's, was ich fürchtete, was mich wütend gemacht und zu Tränen gerührt hat. Ja, es war ein wilder Jammer, und der. und daß ich das alles ja vorausgesehen, stieß mir schier das Herz ab. Allmählich hatte Rolof sich denn doch ruhig geredet, so daß auch ich wieder zu mir selbst und zu Gedanken kommen konnte. Von diesem Diskurse mußte ich ihn ab- bringen, das sah ich wohl, und ich fragte ihn daher, wie das Unglück sich begeben, wie er so tollköpfig jetzt in die Falle gegangen mit der See vor und seinem guten Schiff unter sich? Erst wollte oder konnte er noch nicht, da noch immer anderes dazwischen kam; endlich aber gab er nach und sagte: ,Es ist weiter nichts Wunderbares dabei als meine Torheit und mein Leichtsinn.' Er erzählte darauf, wie er sich diese letzten Jahre hindurch wenig daheim aufgehalten, vielmehr meistentells auswärts, in England und Holland  gewesen sei. um eine Gelegenheit, eine Stelle zu suchen, wo er sein Brot verdienen könne. Was sich ihm jedoch dar- geboten, habe ihm nicht recht gefallen, und er sei daher vor einigen Tagen unverrichteter Sache mit einem Schmuggler zurückgekehrt. Der Vater habe ihm von den inzwischen an- gestellten Nachforschungen gesagt; jetzt sei zwar alles sicher. das Kommando fort, allein er solle vorerst nur abends ans Land kommen und zum Winter wieder abreisen. Zwei Tage lang sei es gut gegangen, am dritten Abend aber sei er bei des Oberkontrolicurs Hause angefallen worden, habe sich durchgeschlagen, sei jedoch verfolgt und im neuen Kampf unterlegen..Und da bin ich nun. Ohm,' schloß er. ,w Eisen, in Eisen! Aber der Oberkontrolleur, der Hundsfott, wird es auch schmecken, was ein Eisen zu sagen hat. Das ist mein Trost.' «.Das ist unchristlich, Rolof,' sagte ich, obgleich ich recht gut wußte, daß mein Reden doch vergebens und das Leben des Beamten keinen Dreier mehr wert war. ,das ist unchrist- lich, Bursch. Vielleicht ist er an dem Streich unschuldig; denn Korporal Heinzel ist ein alter, geriebener, schlauer Vogel und ganz gut imstande, dich ohne fremde Hilfe zu fangen.'.Dafür liegt er jetzt,' erwiderte der Junge. ,und vergessen wird er mich nicht. Den Oberkontrolleur aber, den Hund, Hab' ich erkannt trotz seiner Vermummung, und das Hab' ich meinem Vater auch sagen lassen. Der soll ihn mir nun aufheben und bewahren wie sein Augenlicht, denn der Bursche ist mein, mein, und wehe dem, der Hand an ihn legt! Denn, Ohm, versteht mich,' fuhr er fort und schüttelte seine Ketten wie rasend, ,wo die erst in ein Fleisch gehen, das ihrer nicht gewohnt und nicht für sie gewachsen ist, da hört Gott   und Christlichkeit auf und es regiert allein der Teufel. Ja in Eisen, ich! Das vergeh' ich nicht, und sollt' ich den jüngsten Tag erleben l' Ja die Ketten I Tie schnitten ihm nicht allein in Arm und Bein, sie waren ihm bis ans Leben, bis an die Seele gedrungen und hatten ihn, so zu sagen, ganz und gar um- hüllt. Da konnte all mein Zureden nur vergeblich sein; das sah ich ein und schwieg daher still und ließ ihn reden. Aber da ich ihn nun allgemach ruhiger werden sah, begann ich jetzt von der nächsten Zeit zu sprechen, wie er sich drein ergeben und sein Schicksal tragen müsse wie ein Mann; ich stellte ihm das Soldatenleben, den Dienst, seine neuen Pflichten so ge- lind und gut vor, wie ich es nur immer konnte, ohne offenbar zu lügen. Ich sagte ihm, an Freikommen sei zwar nicht zu denken, allein die Möglichkeit bleibe immer noch, daß der Oberst, der ihm augenscheinlich wohlwolle, in zwei oder drei Jahren ihn gehen lasse. Starrheit und Trotz helfe zu gar nichts, könne und müsse im Gegenteil sein Los nur ver- schlimmern; wenn er sich dagegen ruhig und männlich in das einmal Geschehene finde, sich bereit erkläre,� dem König als ein treuer und ehrlicher Soldat zu dienen, so verbürge ich mich, baß er, wo nicht heut abend, doch am nächste» Morgen gewiß aus den Eisen und in kurzer Zeit auch aus dem Arrest komme. Nur sein ungebärdiges Betragen habe ihm das alles zugezogen. Weiter sei nichts los. denn das übrige decke der Soldatenrock zu. Der Korporal sei nicht tot, und einen derben Schlag auf den Kopf kriege man bei dem Geschäft öfter. Der Korporal habe auch nichts zu sagen, denn Rolof komme zu meiner Kompagnie, wo der Kapitän mir wohlwolle, wo Feldwebel und Unteroffiziere mit mir alt geworden. .Die werden dir alle das Leben nicht sauer machen,' schloß ich. ,Du wohnst bei nur, du hast meine Hilfe und Anleitung, und so müßt' es ja mit dem Teufel zugehen. wenn wir uns da nicht ein Leben herausdrechseln, daß selbst du darüber guten Mutes wirst. Schlag ein, Rolof! ein bißchen guten Willen und Vernunft und es wird besser als wir beide dachten, und absonderlich kommst du aus den sackermentischen Eisen heraus.' ,Das ist es nicht, Ohm,' sagte er und schüttelte den Kopf. ,Ob ich das Zeug da loS- werde oder noch trage, ist mir egal. Wo aber die einmal gesessen haben, und sei's nur solange ein Ruder sich hebt, da tun die Knochen davon weh, bis sie verfault sind, und ich werd' es fühlen, solange noch ein Gedanke in meinem Kopfe ist.' So sprachen wir hin und her, und als ich endlich auf- brach, war das Ende noch immer kein leidliches, geschweige denn ein gutes. Doch mußte ich Wohl zufrieden sein, daß ich ihn zu einer gewissen Ruhe gebracht, daß er Speise und Trank nehmen wollte, daß der Unteroffizier der Wache für ihn zu sorgen, ihm für die Nacht ein menschliches Lager zu schaffen versprach. Ich hatte ihm wohl heiter und munter zugesprochen, allein mir selbst war bei Gott   ganz anders zu Mut, und wenn ich an unseren Major und seine Rede dachte. war mir grausam bang. Geschehen mußte etwas, selbst von mir armem, geringem Kerl, und ich ging daher zum Kapitän. Es war ein humaner Mann, nicht verheiratet, hübsch voll und breit, vor dem Feind ein Löwe, daheim ein guter Esser, noch besserer Trinker, und keiner Menschenseele Feind. Mir war er wohl gewogen, denn ich hatte ihm vor Zeiten einmal das Leben gerettet. Seine Fürsprache galt viel und er war der Bruder«jeres Obersten. Daher war von ihm das Beste zu hoffen. Goxtj. folgt)