Nr. 137.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Mttwsch, iL Zaai. vlamifche Dichtung. Wir haben vor dem Kriege von Flandern   und dem vlömischen Schrifttum wenig gewußt, das im letzten Jahrhundert empor» geolüht, und in dem inditschen Tonen" die Seele eines unver» brauchten, arttreuen Volkes sich offenbart. Erst jetzt lernen wix einiges von ihm kennen, und wir bewundern die Werke in der Kraft' ihres freiheitlich-demokratischen Geistes; in dem unbeugsamen Stolze de? Volksbewutztseins, das noch heute die Männer der Goldenen« Sporta-Schlacht, den Weber de Köninck und den Schlächter Breydel heilig hält, und das sich in der Gestalt des de CosterschenUlen» spiegel" einen Ausdruck seines Wesens schuf, wie ihn wenige Nationen haben. Eines der ersten Werke der neueren vlämischen Dichtung ist der 1838 geschriebeneLöwe von Flandern" von Heinrich Conscience  sdtsch. bei Wilh. Borngräber, Berlin  ). Es ist die Verherrlichung deS Kampfes der Klauwarts gegen Philipp den Schönen und die flandrischen Edlinge, die Leliarts. Man kann dieses Werk nicht der Bibel des VlamentumS, dem unsterblichen Ulenspiegel, vergleichen. Die Dar» stellung der Menschen ist alte Schule, glatt und romantisch ver» schönt, wie das ehemals in Geschichtzerzählungen üblich war. Aber wo Conscience die Not des Volkes, die Erhebung und den wilden Kampf schildert, ist die Seele Flanderns   in ihrem unbeug- famen Freiheitswillen in ihm und wird heiße Flamme und lodernde Schönheit in dem Gemälde der Schlacht auf dem Groningenfelde. Hier fühlt man, was das Volk der Vlamen bewegt in feinem Innersten, und aus Conscience? Roman versteht man de Costers Epos, das die größte Schöpfung des vlämischen Volksgeistes ist. De CostersUlenspiegel"(Uebersetzungen bei DiederichS, im Jnfelverlag und bei Borngräber) ist eins jener ganz großen Ge- dichte, in dem eine Nation sich selber anschaut. ES läßt sich nur den bedeutendsten Werken der Weltliteratur vergleichen. In ihm ist die Seele Flanderns   und seiner Geschichte; Geist und Körper. Es ist ein Tendenzwerk, aber die Tendenz ist hier das Leben selber. Wie Goethe die Gestalt des Faust ergriff und sie zur Vollkommenheit der Idee erhob, so nahm der belgische Dichter die plattkomische Figur des Ulenspiegel und machte sie zur Verkörperung des innersten Gedankens seines Volkes, wie ihn die Not aus der Stumpfheit der Sättigung herausgepreßt. Ulenspiegel ist ganz das Kind des Volkes: derb, breit, voll anima» lischer Lust und übermütigem Humor. Aber der Uebermut der Mächtigen drängt ihn hinaus aus seiner vegetativen Behaglichkeit. und am Widerstand wächst er empor zu dem großen Geusen. Er wird Geist und Wille und beseelende Kraft. Er wird die Seele deS Volkes. Im Lande brennen die Scheiterhaufen. UlenspiegelS Vater, Klaas, haben sie am Feuer langsam zu Tode gemartert, weil er einen Kalvinisten beherbergt. Die Mutter ist im Schmerz gestorben. Ausbeuter und Peiniger sind über den Armen. Da erwacht Ulen- spiegel. Heimlich, um den Häschern zu entgehen, durchzieht er das Land und wirbt für den Freiheitskampf, bis die Flammen überall emporschlagen und das Volk die Ketten sprengt. In Ulenspiegel bat der Dichter eine Gestalt geschaffen, die mit breiten, festen Gliedern auf der Erde steht. Das Haupt aber ragt in den Himmel. In dem Werke sind alle Geister de» Lachen» und des Uebermutes; Szenen eines blulvollen VollshumorS neben den Schrecken der Hölle und dem Grauen der Verdammnis. Daraus hervor aber sprießt wie eine wunderbar zarte Himmelsblume der Geist der Freiheit. Man hat diese« einzige Werk, an das der Ver- fasser sich ganz auSgab, die Bibel des VlamentumS genannt. Aber der Vlame, der es'schrieb, fand nicht den Mut, eS in der Sprache seines Volkes zu schreiben. Er gab der germanischen Seele den französischen   Leib der Sprache Rabelais  ' und Montaigne  «. Ein bei uns bisher weniger bekanntes, im flandrischen Belgien  aber viel gelesenes Buch hat der Jnsel-Verlag in einer Uebersetzung von Anton Kippenberg   herausgebracht:Advokat Ernst Staas" von Anton Bergmann  . Es sind Bilder au« einem kleinen Leben, idyllisch zart und fein in der Farbe: die Jugendgeschichte eines Juristen. Kleine fteundliche Zimmer eineS altjüngferlichen HeimeS; stille Beguinenhöfe; kindliche HerzenSerlebniffe; Studentenerinnerungen, in die die jungvlamiaganlische Bewegung einen kämpferischen Ton bringt. Alles sehr lieb und sauber. Aber dann, als StaaS ins praktische Leben hinauslritt, werden die Bilder schärfer. Der Armen- advokat lernt das soziale Problem kennen und das Problem Belgien  . Seine Worte bekommen eine anklägerische Farbe. Sie wenden sich gegen daS französische   Gesetz. daS die alten Volksrechte verdrängt«. und das an Stelle der Landessprache da« Französisch setzte, so das breite Volk der Willkür der Rechtsprechenden ausliefernd. Das Sprachenproblem ist in Belgien   von großer Bedeutsamkeit. Die neuere vlamische Dicktung ist aus dem Widerspruch gegen die Erzählungen eines alten Tambours. 38) Von Edmund Hoefer  . .Schiebt die Bretter wieder hinüber,' sprach er endlich. ,Das wenigstens will ich vertreten, so lange ich hier kom- mandiere.' Und während die Leute rasch den Befehl aus- führten, dessen Notwendigkeit sie einsahen, trat er zu mir und sagte:.Nun, was sagst du?'.Ich hab's dir lange gesagt, doch du hast mir nicht glauben wollen,' antwortete ich. ,Jch verstehe nur, daß er unmöglich allein wegen meines Verhältnisses mit Lucien so komplett töricht sein kann,' bemerkte er gedankenvoll. ,So aus heiler Haut weg, wie du zu denken scheinst, kann es auch nicht sein. Es muß da noch waS anderes wirken, aber was nur? Dazu kommt,' fuhr er fort,.daß er mit meiner Schwester Luise gerade so steht wie ich mit der seinen. Das weiß ich wohl; und um so weniger begreife ich dieS Wesen gegen mich. Du hast mir vorhin mit der Helene einen Zfloh ins Ohr gesetzt, Ralow. Aber das Reden nützt nun doch nichts. Komm mit hinüber, wir wollen horchen.' Der Posten meldete, daß er eben in der Ferne ein dumpfes Rollen zu vernehmen gemeint habe, und da wir selbst horchten, hörten wir's auch und sahen gleich darauf die ausgesandte Patrouille zurückkehren, indem die Leute im Schatten eines BaumeS aus dem Seitengraben der Straße sprangen und zu uns herüberschlichen. Ihr Bericht war, daß die Spitze des Feindes eben aus dem nächsten Dorf ziehe und in einer halben Stunde hier sein könne; der Transport selbst folge unmittelbar, sie marschierten gedrängt und an- scheinend ziemlich sorglos, wenigstens nicht still. Frohnreich schickte die Meldung alsbald ins Holz zum Kapitän, zog die Posten ein, ließ die Bretter zurücknehmen und die Leute sich verbergen und parat halten. Und als dann nach kurzer Zeit die beiden Leute aus dem Walde zu uns zurückgekehrt waren, saßen wir still und harrten lautlos. In der Ferne ver- nahmen wir jetzt schon deutlich das Rollen der Wagen, einen klappernden Pferdehuf, hin und wieder sogar auch andere Töne, wie von sorglos plaudernden und lachenden Stimmen. Sehen aber konnten wir nichts, denn der Mond war bereits hinab und der Himmel hatte sich hie und da bezogen, so » wir kaum die einzelnen Bäume und Büsche auf dem Felde drüben und am Wege recht zu unterscheiden vermochten. Verwelschung hervorgegangen.Spreek Spreek, hebben wie en taal?" fragt K. Ledegantz. Ein Bild der Sprache, dasDitsch", das der Rheinländer, der Friese, der Westfale, mühelos versteht, gibt eine lyrische Sammlung:Vlämische Dichtung," die bei DiederichS er- ichienen ist. Man lernt hier Namen kennen, wie Gezelle, de Mont, abbrecht. Rodenbach  , Bermeiren. Und man gewinnt ein inneres Ver- halwis zum Fühlen und Schauen des niederdeutschen Brudervolkes. Der Kreis, den die Gedichte umschreiben, ist der allgemeine der Lyrik. Am kräftiasten aber werden die Töne, wenn die Dichter vonderHeimat singen, und wenn wie am Tage von Kortrijk   der Ruf ertönt:Blaandern den Leeuw! wat walsch is, falsch is I" Das Gefühl ihrer Geschichte ist stark in diesen Männern, die das Land lieben,waar Maas   en Scheide vloien, de Nordsee bruist en stormt". Männer, Männer der Freiheit, die noch heute bereit sind, ihre Heimat gegen Knechtschaft zu verteidigen, daS ist der Eindruck, den man von diesen vlämischen Dichter» gewinnt.Begräbt man Ulenspiegel, den Geist, und Nele, daS Herz der Mutter Flandern  ?" heißt es zum Schluß des Ulen- spiegel. Sie können schlafen- aber sterben, nein! Der große Geuse lebl l L. E. /ws öer Chemie öes Obstes. Das Obst, das jetzt in größeren Mengen auf dem Markte zu erscheinen beginnt, bildet in frischem Zustande roh oder gekocht wie als Dauerware einen ebenso wichtigen, wie unentbehrlichen Be- standteil unserer Ernährung; es ist erfrischend und nahrhaft und wegen seiner pflanzensauren Salze in manchen Fällen auch heil- kräftig. Bei der gegenwärtigen Knappheit mancher anderer Nah- rungsmittel spielt nun das Obst eine besondere Rolle, so daß ein kurzer Ueberblick über seine Chemie wohl am Platze ist. Alles Wesentliche hierüber enthält das großangelegte, von der«Akademi- scheu Verlagsgesellschaft" in Leipzig   herausgegebene Werk v. Buchkas über die Lebensmittelgewerbe, dessen zweiter Band jetzt abgeschlossen ist, in dem Abschnitte überGemüse- und Obstbauer- waren", der von dem Berliner   Professor E. Baier stammt. Bei der Zusammensetzung des Obstes steht, ganz wie beim Gemüse, das Wasser obenan, und der Wassergehalt ist von dem der Gemüse auch nicht erheblich verschieden. Es finden sich in Kirschen 79 bis 81 Proz., in Erdbeeren 83 bis 87 Proz., in Stachelbeeren 84 bis 86 Proz., in Johannisbeeren 83 bis 85 Proz. Die wesentlichsten Bestandteile der fleischigen Früchte sind die Zuckerarten, nament- lich der Invertzucker, ferner treten neben ganz geringen Eiweiß- mengen Fruchtsäuren, Pektinstoffe, Faser-, Gerb-, Mineral- und Bukettstoffe auf. Wie sich diese einzelnen Stoffe bei der Reifung bilden, ist noch nicht genau erforscht. Vom Rohrzucker vermutet man mit größter Wahrscheinlichkeit, daß er zum Teile durch Stärke enffteht, die in vielen Pflanzenteilen vorkommt. Die beim Nach- reifen der Obst- und Beerenfrüchte entstehende größere Süße beruht nach Versuchen nicht allein auf einer Vermehrung des Zuckers durch Neubildung aus vorhandener Stärke, sondern auf der Verschiebung der Verhältnisse von Zucker und Saure. Der Stärkegehalt des Obstes verschwindet bei der Nachreife vollständig. Ueber den Zuckergehalt der Früchte sind zahlreiche Wissenschaft- liche Untersuchungen angestellt. Der Rohrzucker spielt gegenüber den übrigen Zuckerarten eine untergeordnete Rolle, abgesehen von wenigen Obstarien, zum Beispiel Pfirsichen, Aprikosen und Pflau- men, in denen 3,5 bis 7,5 Proz. Rohrzucker festgestellt worden sind. Bei Johannisbeeren, Kirschen, Erdbeeren und Stachelbeeren findet sich etwa ein halbes Prozent oder wenigeip Der Gehalt der Früchte an Invertzucker ist manchmal recht erheblich. Apvikoseu enthalten davon 1,8 bis 4L Proz., Erdbeeren 5,63 Proz., Himbeeren 4 bis 5L Proz., Johannisbeeren 6,4 Proz., Kirschen 8L5 bis 10,72 Proz. und Stachelbeeren 6,93 bis 7,16 Proz. An Fruchtsäuren findet sich meistens Apfelsäure. Meistens handelt es sich nur um Spuren dieser Fruchtsäuren; so fanden sich in 100 Kubikzentimeter Erdbeersaft etwa IL Gramm Zitronensäure und etwa IL Gramm Apfelsäure, während bei Zitronen der Säuregehalt rund 7 Proz. betrögt. Der Eiweißgehalt der Früchte ist zwar gering, doch ist er etwas WesenllicheS für die Gallertbildung; die Stickstoffsubstanzen Pflanzeneiweitz sind ferner für die Vergärung der Fruchtsäfte von erheblicher Bedeutung, da sie für die Hefen aus Nährstoffe dienen. Für die Herstellung von Fruchtgallert(Gelee) sind die Pektinstoffe, die im ganzen Pflanzenreiche verbreitet sind, von größerer Bedeutung. Sie haben die Eigenschaft, mit Wasser bei Gegenwart von Eiweiß gallertartige Lösungen zu bilden. Durch längeres Erwärmen dies ist für die Geleebildung wichtig, namentlich unter der Einwirkung von Fruchtsänren und ebenso beim Vergären, verlieren die Pektinkörper die Eigenschaft, zu gelati- nieren. Mit dem Forffchreiten des ReffezustandeS der Frucht nehmen die Pektinstoffe wahrscheinlich ab, was mit der Erfahrung übereinstimmt, daß sich unreifes Obst besser zur Geleebereitung eignet, als reifes. Was die Menge dieser Pektinstoffe anlangt, so finden sie sich besonders reichlich in schwarzen Johannisbeeren, deren Saft 0,66 Gramm in 100 Kubikzentimeter bei der Analyse ergab, während Sauerkirschen nur 0,09 enthalten. Bei der Aromabildung der Früchte spielen wahrscheinlich ein paar besondere Stoffe eine Rolle, die in ganz geringen Mengen auftreten, Benzoesäure sowie Salizylsäure. Ein Liter Erdbeersaft enthält etwa 2,5 Milligramm Salizylsäure. Kirschen, Aprikosen, Johannisbeeren, Stachelbeeren und Pfirsiche enthalten nach den bisherigen Untersuchungen keine Salizylsäuren, dagegen findet sich in unreifen Kirschen neben Apfel- und Zitronensäure auch Bern  - steinsäure. Die sogenannten Bnketfftoffe sind wahrscheinlich ester­artige Körper, Aldehyde, Ketone sowie ätherische Oele. Hierüber liegen so gut wie gar keine Untersuchungen vor. Die Aschenbestand- teile der Früchte, die noch übrig bleiben, spielen keine besondere Rolle. Kleines Zeuilleton. die Ausbesserung eines Schlachtschiffes. Ein Berichterstatter derTimes" schildert, waS sich begibt, wenn ein Schlachtschiff im Gefecht oder durch Minen beschädigt wurde und nach dem Hasen zurückkehren mutz, um ausgebessert zu werden:Diese großen Schiffe," schreibt er,kommen nicht immer unter eigenem Dampf so voll Selbstvertrauen den Kanal herauf- gedampft. Zuweilen kommen sie hinkend in den Hafen zurück, mit quer hängendem, arg zerzaustem Deck, und dann öffnen sich die großen Docks und lassen das Schiff in denKrankensaal" ein. Ein gewaltiges eisernes Tor dreht sich langsam in seinen Angeln, um da?siech" gewordene Schiff durchzulassen. Mit unsäglicher Ge- duld wird es nach seinem Platz geschleppt, mit dem Bug genau nach der Mitte des anderen Dockendes gerichtet. Gegen Abend liegt es dann in seiner ganzen gewaltigen Größe da, mit seinem unge- heuren Rumpf und seinen gehörig gestützten Riesenschrauben, so daß man sich einen richtigen Begriff von seiner Kraft und Schncllig- keit bilden kann. Weit unten �auf dem Boden des Docks schlagen Zwergmännchen mit mächtigen Hämmern die Kielblöcke mit Keilen fest. In dieser ungeheuren Schlupfhöhle hat der Erzbischof von Aork unlängst zu 60 000 Matrosen gesprochen, und selbst diese Menschenmenge vermochte nur einen kleinen Teil des zur Ver- fügung stehenden Raumes zu füllen. Der Boden des Kriegsschiffes ruht seiner ganzen Länge nach auf riesigen Holzblöcken. Ein feind- sicher Kanonier hat entweder durch seine Schietzfertigkeit oder durch Zufall treffend diese ganze Arbeit nötig gemacht und in der großen Maschinenwerkstatt arbeiten Männer schwer keuchend unter dem unübersehbaren Glasdach, um die Platten, die das Schiff wieder gesund machen sollen, zu schneiden, zu biegen und zu bohren. Es arbeiten Tausende von Männern in der Nähe von solch einem Dock. Auf den ersten Blick könnte man meinen, daß hier über- Haupt keine Aufficht geübt werde. Wenn man sich nach einem Auf- seher umblickt, merkt man zu seiner Verwunderung, daß hier nie- mand Anweisungen zu geben scheint. In Wirklichkeit aber wird alles äußerst scharf bsauffichtigt, und es wird kein Nagel einge- schlagen, bevor alles genau nachgesehen und untersucht worden ist. In den Werkstätten herrscht«in scheinbares Chaos von Maschinen. Hier steht eine, der jemand gut zuzureden scheint, während sie Bronze und Eisen abhackt mit derselben Ruhe, mit der ein Holz. schneider den Meißel in die Hand nimmt, um Holz wegzuschlagen. Dort wieder eine, die Stahlplatten abbeißt und die abgebissenen einem Arbeiter vor die Füße wirft. Drüben eine, die in dicke Stahlplatten Löcher schneidet, wie man mit einem Durchlöcherer Papier   durchlöchert, das in Mappen ausbewahrt werden soll. Eine stählerne Bandsäge fährt tief in einen eisernen Stab von einem halben Fuß Dicke, offenbar mit derselben Leichtigkeit, mit der die Laubsäge eines Schuljungen durch Zedernholz fährt. Und die Männer, die diese Maschinen bedienen, unterhalten sich mitein- ander und führen mitten in dem Höllenlärm ein gemütliches Ge- sprach...._(z) Rotize». Musikchronik. Mittwochabend S1/» Uhr findet im Stadt- tbeater Moabit  , Alt-Moabit 47/48, ein Volks-Sinfoniekonzert des Blüthner-OrchesterS statt. Als Solistin wirkt Jlonka von Pathy mit. Noten für« Feld. Bon der Königlichen Hausbibliothek, Berlin   L 2. Königliche» Schloß, werden Notenspenden an Truppen- teile im Felde und in den Lazaretten auf Verlangen kostenlos ab- gegeben. Und das war nicht angenehm, wie es das Warten niemals ist. Für uns kam noch überdies die Ungewißheit hinzu, wie viel oder wenig wir bei der Sache zu tun haben würden. Unser einziger Schutz gegen das Entdecktwerden bestand darin, daß der Bach nicht leicht überschritten werden konnte und sich vor uns scharf schräg auf die Waldecke an der Straße zuwandte, diese unter einer massiven Brücke durchschnitt und sich dann gegenüber ins Holz verlor. Es war daher glaublich, daß die Seitenpatrouillen zu faul oder zu sorglos sein würden, um zuerst die Brücke zu überschreiten und dann wenigstens drei bis vierhundert Schritt retour sich nach den alten Mühlenruinen umzusehen. DaS sagte ich Richard und ich hatte recht gehabt. Da kamen sie endlich den Weg entlang, drei Mann wirklich über das Feld bis zum Bach, an dessen Ufern sie nun standen, spähten und in ihrer dummen, fremden Weise fluchten, die kein Mensch verstehen kann, alS sie selbst. Wir rührten uns indessen nicht, sie verloren endlich die Geduld und spazierten die Ufer hinab zum Wege; für uns kam nun eigentlich der entscheidende Augenblick, da sich alsbald zeigen mußte, ob sie im Bogen durch den Wald zu uns vordringen würden. Allein eS ging Minute auf Minute vorbei und in­zwischen rollten bereits die Wagen vorüber und ins Holz hinein. So ging es vielleicht eine Viertelstunde sott und es folgte schon das schließende Pikett, als es drinnen laut wurde, unser Kavalleriesignal zum Angriff rief und die ersten Schüsse laut knallend durch die Stille der Stacht fielen. Da brachen denn auch wir hinaus und taten, was unseres Amtes war. Und um das Ding nicht länger zu machen als nötig, will ich nur noch hinzufügen, daß nach wieder einer Viertelstunde der Feind tot, gefangen oder versprengt war und daß wir mit ungefähr zwanzig Wagen auf den nächsten Wegen der Elbe zueilten. Die übrigen fünfzehn Fuhrwerke mußten wir, da die Bespannung das Weite ge- sucht oder zu Schaden gekommen, leider Gottes zurücklassen und anzünden. Während des Gefechts hatten wir einen kaum nennenswerten Verlust gehabt. Auf dem Rückmarsch jedoch verloren wir durch Schüsse der in den Busch geflüchteten Feinde noch sechs oder sieben Mann, und unter ihnen befand sich Leo, dem von einer Kugel der Arm durchschossen und die Brust gestreift wurde. Nun, das alles hätte übel genug werden können, zumal uns auch bei dem Austtitt aus dem Busch polnische Lancicrs auf den Hals kamen, die der Heiden- spektakel inzwischen berbeigerusen hatte. Da jedoch kam unS auch schon ein Bataillon unseres eigenen Regiments entgegen und hielt uns das Gesindel vom Leibe, bis wir den Trans- Sort auf Flößen mühsam genug übers Wasser geschafft hatten. her das ging alles vorüber, und als wir dann morgens im neuen Ouartter wieder alle bei einander waren und alles überlegten, waren wir kreuzfidel, drückten unS die Hände. sprangen und tanzten auf neuen Schuhen und lachten wie die Kinder. Nie ward ein ähnlicher Streich besser ausgesonnen, berechnet und durchgeführt. ES klippte und klappte alles nur so zusammen. Ein bißchen Uebel kam indessen auch nach. Leo hatte vor seiner Verwundung bereits Anzeige von unserem insub- ordinattonsmäßigen Reden gemacht und wir kamen mit einem gehörigen Kreuzdonnerwetter und einigem Arrest nur des- wegen davon, weil wir sonst tadellos unseren Dienst ver- sahen und weil Frohnreich mtt dem Leutnant ganz besonders bekannt gewesen sei. Richard aber ward außerdem nicht Offizier, obgleich ihn der Oberstleutnant zur dieser Expedition expreß ausgesucht, damit er sich auszeichnen könne. Doch auch dies ward verschmerzt, und als wir kurze Zeit darauf wieder einmal scharf mtt dem Feinde zusammengeneten, schlug er sich mit solcher Bravour und handelte mtt solcher Tapfer- keit und Geistesgegenwart, daß alles vergeben und vergessen wurde und er noch vor Leipzig   seinen neuen Rang erhielt. In der Schlacht holte er sich dann zur Besiegelung seines Patents eine Wunde, die ihn jedoch nicht auszutreten zwang, und marschierte darauf mit uns durch Deutschland   nach Holland  . Wir standen wieder bei der Avantgarde, und daS, ihr Herren, ist ein lustiger Dienst, wenn es vorwärts geht. Und vorwärts ging's dazumal, der alte Bülow.trieb Tag und Nacht, und wir liefen wie ums Botengeld und freuten uns wie die Schneekönige, daß wir endlich einmal unter uns und ohne all das fremde Geklapper waren. Die paar Russen bei uns waren nicht der Rede wert, ihr General stand unter dem unseren, und seine Truppen na, die standen unter uns." Der alte Tambour machte eine Pause, stand auf und ging ins Haus, um für frisches heißes Wasser zu sorgen; die anderen drei sprachen unterdessen über das Gehörte und manches Weitere hin und her, sahen sich auch die Gegend an, die im letzten Abendsonnenglanz so friedlich vor ihnen lag und bereiteten dann nach der Rückkehr des Alten Gettänk und Zigarren, um seiner Geschichte ohne Störung lauschen zu können. (Forts, folgt)