»t. u2.-1916. Unterhaltungsblatt öes Vorzvarts �»2«-!«. Das„Walölanö'" Wolhpnien. Das Waldland, das jetzt wieder der Schauplatz schwerer Kämpfe geworden ist, trägt seinen Namen mit vollem Recht. Denn fast ein Drittel dieses unabsehbaren Gebiets ist mit Wäldern bedeckt, die an vielen Orlen noch etwas Urweltliches an sich tragen; kaum eine zweite Waldgegend erreicht die Dichtigkeit und den Reichtum dieser meilenweiten Forsten. Infolge des reichen Waldbestandcs hat in Wolhynien frühzeitig der Handel mit Brenn- und Bauholz großen Umfang angenommen; er bildet einen der Haupterwerbs- zweige der Bevölkerung. Auf geschickt gebauten Führwerken oder, in wasserreichen Gegenden, auf Flößen werden die gewaltigen Holz- mengen in die Sägereien oder an die Eisenbahnstationen befördert und von hier nach den großen Städten verfrachtet. Mittelpunkte des Holzhandels sind Rowno und Shitomir. Der waldreiche Boden Wolhymens dient den Bewohnern als sehr ergiebiges Ackerland. Fast 40 Proz. des gesamten Verwaltungsbereichs sind mit Getreide und anderen Kulturen bebaut. Dazu kommt noch etwa halb so viel an Wiesen und Weideplätzen, hauptsächlich im Norden, wo das Wasser des Pripet und seiner vielen schlammigen Nebenflüsse jähr- ltch große Ucberschwemmungen verursacht. Wolhynien. das schon in den ältesten Zeiten zu der russischen Geschichte in Beziehungen tritt, scheidet sich nach seiner Bodenbeschaffenheit deutlich in zwei Teile, in die nördliche, endlos erscheinende Ebene mit dem Wasser- netz des Pripet und das südliche, eigentliche Kernland, in das die Ausläufer der galizischen und podolischen Hügelzüge allmählich ab- flachen und die den Rokitnosümpfen zustrebenden Flüsse entsenden. Diese geographische Scheidung gibt sich auch in der Geschichte des Landes sehr deutlich kund. Der südliche Teil ist der historisch bei weitem interessantere. Im Norden wären schon wegen der vielen Steppen Und Moräste größere dauernde Ansiedelungen nicht möglich gewesen, während der klimatisch günstigere Süden schon die frühesten Nomadenvölker zu längerem Verweilen einlud. Hier sind auch die größeren Städte entstanden, die zum Teil auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken können. Sehr alten Ursprungs ist Wladimir Wolynskij an der Luga, einem Zufluß des Bug. Sie muß einmal ein Kernpunkt slawischer Kultur gewesen sein, ist dann aber im Laufe der Zeiten von Mongolen, Tataren und Kosaken wiederholt in Asche gelegt worden und infolgedessen Wirt- schaftlich gesunken. Ebenso reich an historischen Erinnerungen wie Wladimir ist das südöstlich davon gelegene Kremenez im äußeren Pripetgebiet. Kremenez war eine Feste, die auch dem stärksten Feinde Trotz zu bieten wagte. Kremenez war der Ausgang der ukrainischen Bewegung, die dem Zarentum von jeher ein Dorn im Auge gewesen �ist. Nach der politischen Umwälzung von 1832 wurde die höhere Schule von Kremenez, wo die Freiheitsideen den besten Nährboden gefunden hatten, nach Kiew verlegt; die Be- strebungen zur Loslösung der Ukraine vom russischen Reich wurden seither mit allen Mitteln unterdrückt. Am Gerin, einem Neben- fluß des Pripet, liegt Ostrog, früher Hauptstadt eines selbständigen Fürstentums und ein Herd slawischer Kunst und Wissenschaft. In Ostrog wurde die erste kleinruffische Unterrichtdanstalt gegründet; sie wurde später von den Jesuiten übernommen. Mit dem Namen Ostrog verknüpft sich ferner die erste slawische Bibelübersetzung, die 1581 hier zur Ausgabe gelangte. Zu erwähnen wär noch das vielgenannte wolhynische Festungsdreieck: Dubno , Luck, Rowno . Dubno , das auf drei Seiten von der Jkwa umflossen wird, ist an sich eine wenig bedeutende, größtenteils von Juden bewohnte Stadt. Luck am Styr war ehemals Hauptstadt eines wolhynischen Fürstentums. Auf einein Kongreß versammelten sich hier i>n Jahre 1429 die osteuropäischen Fürsten zu gemeinsamer Beratung. Tie drittte befestigte Stadt, Rowno , hat auch nur als Festung be- sondere Geltung.(r) kleines Zeuilleton. Oer Vieüerersatz großer Menfchenverluste. Die Masserwerluste an Menschenleben, die uns der europäische Weltbrand seit nun bald zwei Jahren gebracht hat und noch bringt, verbreiten Wehe und Leid in allen Schichten der Bevölkerung. Eine Art Verzagtheit aber hat die Aerzte ergriffen, die bis dahin gewohnt waren und gelernt hatten, ihr ganzes Wissen und Können mit der Erhaltung des einzelnen Individuums zu verknüpfen und die nun Tausende der Besten dahinsinken sehen müssen. Doch mit dem Klagen ist nichts getan. Es heißt, den Tatsachen ins Auge sehen und an die Zukunft denken. Und da drängt sich die Frage auf, wie wohl diese gewaltigen Lücken in der Menschheit wieder ausgefüllt werden können. Wenn wir uns in der Geschichte nach Belehrung Erzählungen eines alten Tambours. 43j Bon Edmund Hoefer . „Der Christine kam er einstweilen auch nicht in den Weg, da seine und unsere Kompagnie nicht zusammenlagen, das Mädchen beim Kapitän und mir im Quartier war und bei etwaiger Gelegenheit sich richtig abseits hielt. Zu uns ins Haus kam er nicht, da der alte Arbesser nicht von seinem Schlage war. gefragt hatte er aber nach der Dirne, wie mir Moski erzählte. „Der war mir damals auch ein Stein auf dem Herzen, da ich nicht kleinkriegen konnte, ob er's mehr mit Leo oder mit Richard hielt. Und das war doch nicht gleichgültig, denn der alte störrische Bursch wußte ja alles so gut wie ich selbst. „Endlich brachen wir wieder ernstlich auf, und als das Regiment sich sammelte und ich auf dem Rendczvousplatze noch einige Augenblicke bei Christinens Karren stand, trat auch der Herr von Steinsoll heran. ,Nun, Christine, du kleiner Engel/ sagte er und legte seinen Arm um ihren Leib, ,wie lang Hab' ich dich nicht gesehen! Hast du auch hübsch an mich gedacht, als ich verwundet war? Wie geht es dir denn?"— ,D, ich danke/ entgegnete sie und niachte sich glühend und hastig los,.der Herr Leutnant sind sehr freund- lich. Ich gratuliere auch zur Braut/ In dem Augenblick hieß es aber: ,an die Gewehre!' und so konnte er nur rot werden und uns beiden einen bösen Blick zuwerfen, bevor er davoneilte..Christine/ flüsterte ich noch schnell,.das war brav, du bist ein Goldkind, bleibe so!' und lief dann auch an meine Stelle. Bon der Zeit au sah ich sie nicht mehr beisammen und freute mich, daß alles in Ordnung sei; wir marschierten, klopften uns. ein bißchen und marschierten wieder, bis wir im Anfang des Februar in Brüssel ein- ruckten, wo wir drei Ruhetage erhalten sollten, denn es ging von da nach Frankreich zum alten Blücher . Der Bataillons- kommandeur, mein Kapitän, die Christine und ich lagen in einem Hause im Quartier, und zwar die beiden Herren in der schier fürstlichen Wohnung des Hauses, wir zwei anderen dagegen in zwei kleinen Kammern eines Hofgebäudes, wo sie Pferd und Wagen hübsch nahbei und unter Aufsicht hatte. „Am folgenden Tage paradierte unser Regiment zum Einzug des alten Bülow und des Herzogs von Weimar Durchlaucht, und als wir das hinter uns hatten, machten wir uns wieder auf, die Stadt zu besehen. Nun, es ist eine stolze Stadt und manche Stunde sind wir umhergelaufen� über diese Fragen umsehen, so steht uns nur sehr wenig Material zur Verfügung. Alle Verluste in vergangenen Kriegen verschwinden ja neben den Riesenzahlen des Weltkrieges; auch große Katastrophen der Natur, wie Erdbeben, Sturmfluten usw., können nicht zum Ver- gleich herange.zogen werden, und so bleiben schließlich nur die ?Nenschenverluste durch Krankheiten und Epidemien übrig. Doch selbst in den großen Epidemien der Vergangenbeit erscheint der Tod nur als Zwerg gegenüber dem Riesen, der in diesem Weltkriege wütet. Nur eine einzige Seuche hat Opfer an Menschenleben ge- fordert, die die jetzigen erreichen, ja sogar noch übersteigen. Das war die P e st, der schwarze Tod des 14. Jahrhunderts. Die Verluste an Menschenleben durch die Pest unterscheiden sich aber von den beutigen dadurch, daß an ibnen die gesamte Be- völkerung und nicht nur der männliche Teil beteiligt war; sodann können die uns überlieferten Zahlen nicht als ganz einwandfrei gelten, da es eine Statistik im Mittelalter noch nicht gab. Jedoch werden die Zablen annähernd richtig sein, und sie offenbaren ein geradezu furchtbares Bild von dem ungeheuren Aderlaß, den die Menschheit damals erlitten. So zählten nach den Angaben von Hecker in seinem Werk„Die großen Volkskrankheiten des Mittel- alters" London mindestens 199 999 Tote, Venedig fast ebensoviel, Siena 79 999, Florenz und Avignon je 69 999, Stratzburg und Erfurt mindestens je 16 999 Tote. Die Zabl der Todesfälle wird für Deutschland insgesamt auf 1 244 434 Todesfälle berechnet, einen ge- waltigen Prozentsatz bei. der damaligen Bevölkerung des Landes. Drei Viertel der ganzen Einwohnerschaft wurden in Venedig durch die Pest fortgerafst; die anderen hatten sich auf die Lagunen ge- flüchtet. Ganz besonders schwer wurde England heimgesucht. Nach sicherlich übertriebenen Angaben soll nur der zehnte Teil der Be- völkerung übrig geblieben fein. Dem Papst Clemens wurde nach Avignon berichtet, daß im„Orient" mit Ausnahme von China 23 849 999 Menschen dem schwarzen Tod anheimgefallen seien. Die Pest wütete in Europa — Rußland ausgenommen— 4 Jahre, von 1347 bis 1359. Versucht man einen ungesäbren Neberblick über die Gesamtzahlen der Todesfälle, die durch die Pest in Europa hervor- gerufen wurden, zu gewinnen, so mutz man nach vorsichtigen Schätzungen annehmen, daß ein Viertel aller Erwachsenen gestorben ist, also bei einer Gesamtmenge von 119 Millionen betragen die Verluste an Menschen 27,5 Millionen. Trotzdem ist Europa nicht zugrunde gegangen. Es ist dies der überzeugendste Beweis für die Unverwüstlichkeit der menschlichen Kultur und die nicht zu erschütternde Widerstandskraft des Völker- lebens. Europa hat diesen gewaltigen Schaden überwunden und schneller überwunden, als man annehmen konnte. Wie üer Hamster hamstert. Der Hamster ist in der letzten Zeit zu einer der volkstümlichsten Tierfiguren geworden, wenn es auch nicht gerade ein schmeichelhafter Zusammenhang ist, in dem er genannt wird. Sein Name wird jenen menschlichen„Hamstern" beigelegt, die ihr Pfund vergraben, anstatt es der Allgemeinheit zu öffnen, die überflüssige und schäd- liche Vorräte aufstapeln. In der Zeitschrift„lieber Land und Meer" plaudert Wilhelm Bölsche von diesem Urbild alles Aufspeicherns. Der Hamster ist ein Eindringling aus dem Osten, der von Rußland her in zunehmendem Maße bei uns eindrang und seit 59 Jahren auf seinem„Zug nach dem Westen" über die Vogesen hinaus bis nach Paris vorgedrungen ist. Er ist ein Schädling für unsere Landwirtschaft, ein frecher Kerl, der sich seit Jahrtausenden mit seinem„Hamstern" im Recht fühlt und wohl gar von dem Menschen glaubt, er mache ihm einen urangestammten Besitz streitig, wenn er die Früchte des Feldes für sich beansprucht. Aber wenn er auch stieblt, so muß man ihm doch lassen, daß er „elegant stiehlt",«olch ein richtig bestellter Hamsterbau ist ein Schmuckstück von Akkuratesse und vorsorgender Klugheit. Mitten im Felde schlägt der Hamster einen tiefen Schacht, wühlt nicht etwa bloß an der Oberfläche herum, sondern stattet seine unterirdische Scheuer vortrefflich aus, in die er dann einen Zentner bester Frucht einfährt, um sich zwischen längeren Schlafpallien be- haglich zu mästen, wenn der Winterwind oben über die Stoppeln pseist. Ganz wundervoll ist so ein Bau eingerichtet:„Bis zu zwei Meter tief liegt der Betrieb im Grunde. Ein senkrechtes Falloch führt in einen kurzen Korridor vor der kleinen Wohnstube. Zwischen den sorgsam geglätteten Wänden, möchte man's homerisch beschreiben, liegt dort das reinlichste, weichste Strohlager. Ein zweiter, verwickelterer Schlupfgang lenkt dann nochmals von hier ins Freie, andere Stollen aber münden in die Vorratskammern, falls deren, wie bei alten Hamsterherren, mehrere vorhanden sind. Das nun sind Räume wie großen Rindsblasen, bis zum Rande nach der Sommer- und Herbsttracht mit allem Guten gefüllt. Je nach der Reife einzeln gehäuft und aufs sorglichste von solchen älteren Onkeln ohne uns satt zu sehen, damals war es auch schon einige Zeitlang dunkel geworden, bevor wir daran dachten, einmal wieder unsere Quartiere aufzusuchen. Als ich endlich nach und nach von den anderen Kameraden verlassen worden und allein in die Straße eintrat, wo unser Haus lag. kam plötzlich ein hastiger Schritt mir nach, ein hochgewachsener Mensch in blauer Bluse trat an mich heran, schlug mir auf die Schulter und sagte:.Endlich habe ich dich eingeholt, Ralow! guten Abend denn, da bin ich wieder/—.Ist's möglich, Richard?' rief ich und fuhr zurück, denn ich erschrak.— ,Nun, was hast du denn?" sprach er, ,ich bin kein Geist, sondern Gott sei Dank noch bei Fleisch und Blut und komme eben aus der Gefangenschaft. Meinst du, ich solle dort ewig bleiben?'—.Unsinn!" versetzte ich, ,das ist für die andern. bei mir ist's jedoch unnötig. Gottlob, daß du da bist. Und nun flink, wie ist es dir ergangen, mein Junge?"—.Komm', murmelte er, faßte mich unter den Arm und zog mich die Straße wieder hinab. ,Jch will erzählen." Es war etwas Starres und Finsteres an und in ihm, im Wesen, in der Sprache, das mich erschreckte. Und als ich nun seinen Bericht hörte, ward es mir ganz flau. „Er war glücklich nach Hause gelangt, hatte die Familien aber weit auseinander gefunden und bitter verfeindet, viel schlimmer, als sie damals geschrieben. Ueber ihn kur- sierten die seltsamsten Gerüchte, bald, er sei zum Feinde über- gelausen, bald, er sei vom Regiment gejagt oder habe sich einer harten Strafe durch die Flucht entzöge«, ohne daß man genau anzugeben wußte, weshalb dies alles geschehen; dann, er sei mit der Christine, die als eine schnell ruinierte Person geschildert wurde, so eng und genau vereint gewesen wie mög- lich. Sogar seine Familie war gegen ihn cingenomnien und er fand Mühe genug, sich in deren Augen zu recht- fertigen; weiter dürft' er's ja nicht einmal, da niemand weiter von seiner Anwesenheit wußte. Lucie aber hatte seiner Schwester gesagt, mit einem solchen Menschen könne sie nichts mehr gemein baben, er sei tot für sie. Darauf hatte sie sich nach dem Willen der Eltern mit Hans von Pochlitz verlobt, und Leo sei brieflich mit dessen Schwester Helene ver- sprechen worden. Woher die Gerüchte gekommen, ob von Leo allein, oder auch von noch anderen, wer und was alles zu ihrer anscheinenden Bestätigung, zu ihrer Verbreitung bei- getragen, war nicht recht zu ermitteln. Ihr müßt nur wissen, daß der Kommerzienrat selbst viele Neider und Feinde hatte; der Grund davon gehört indessen nicht hierher. Kurz, die Historie war so wie so einmal im Gange und bös genug. Und das Uebelste war. daß Richard ja auch jetzt noch nicht geschichtet, liegt da die durchweg enthülste, sozusagen fertig aus- gedroschene Frucht in Erstgualität, der Weizen, der Hafer. der Roggen, die Gerste, dann die besonders beliebten Erbsen, die Puffbohnen, geschrotete Möhren, Kleewurzeln. Leinknoten, alles blitzblank und ein Muster von Ordnung. Selbst eine kleine Beguemlichkeil, ein„Klösterli", ist daneben in Gestalt einer besonderen Schachtnische nicht vergessen." Auw die Methode, mit der der Hamster seine Ernte einfährt, ist sehr sinnreich: mit den Pfötchen biegt er die hohen Kornhalme, mit den langen Vorderzähnen schneidet er die Aehren wie mir einer scharfen Sense ab. dann entkörnt er sie und trägt die Körner in den großen Backemaschen als in seinen natürlichen Säcken zu seinem Loch. Man sieht also: der Naturhamster ist in manchem dem Menschenhamster überlegen, und auch hier bewahrheitet sich Mephistos Wort:„Der häßliche Mensch ist tierischer als jedes Tier." Shaw unü Chesterton als Filmschauspieler. Im Rahmen der zahlreichen Bühnenveranstallungen, die in London zu KriegswohlfahrtSzwecken in Szene gesetzt werden, wurde dem Publikum ein ganz besonderes Schauspiel geboten, nämlich die Gelegenheit, die zwei bekanntesten modernen englischen Schrist- steller Bernard Shaw und G. K. Chesterton zum ersten und wohl einzigen Male als Filmschauspieler bewundern zn können. Diese Sensation bildete den Mittelpunkt einer Wohltätigkeitsvorstellung im Londoner Colosseum, in der auch sonst alles Mögliche geboten wurde, um das zahlungsfähige Publikum zugunsten der hilfsbedürftigen Verwundeten anzulocken. Den Glanzpunkt bildete ein Film, in dem Shaw und Chesterton durch akrobausche Kunststücke verblüfften. Die beiden Dichter erschienen auf der Lein- wand auf rollenden Fässern, die sie, nach Art von Zirkiisclowns, mit den Füßen fortbewegten. Hierauf zeigten sie sich als Wildwest- reiler und schließlich sogar als Kunstmolorradfahrer. Sie fuhren auf einem schmalen Pfad zwischen Felsklippeu in einer Küstenlandschaft, und der Beifall des Publikums erreichte den Höhepunkt, als Chesterton bei einer scharfen Biegung des Klippenweges ebenso plötzlich wie unfreiwillig in höchst körperliche Berührung mit dem Erdboden kam. Man muß es den beiden Dichtern lassen, daß sie für den patriotischen Zweck in diesem Falle wirklich viel Selbst- Verleugnung bewiesen haben._ Notize«. —(Sin Schullichtthealer hat die Stadt Erfurt in einer neuerbauten Turnhalle eingerichtet, um den Unterricht durch Vor- führung von Film- und Lichtbildern zu beleben und zu ergänzen. Es sind dafür vornehmlich die obersten Volksschulktassen in Aussicht genommen. Es sollen Aufnahmen aus der Natur, wissenschaftlichen Gebieten und von den Kriegsschauplätzen vorgesührt werden. Da- neben soll die Einrichtung der Jugendpflege und den Elternabenden zur Verfügung stehen. — Iwan Franko , der ukrainische Dichter und Volksführer, ist mitten in dem Kriege, von dem auch sein zarisch geknechtetes Volk Befreiung erhofft, gestorben. Die„Ukrainischen Nachrichten", die ihm eine ganze Nummer widmen, nennen ihn in ihrem Nachruf: „den größten von den lebenden Söhnen der Ukraina, den an- gesehensten Dichter nach Schewtschenko, den stärksten und einfluß- reichsten politischen Ideologen nach Drahomamw, einen der bedeutendsten Gelehrten— einen Dichter von Gottes Gnaden und Propheten des Volkes, einen Bahnbrecher und Volksführer von größter Popularität." Als Sohn eines galizischen Grobschmiedes am 15. August 1856 geboren, hat Franko seinen Weg durch Entbehrungen und Ver-, 'folgungen suchen müssen. Ein reiches und sruchtbares Werk hat er getan, das den Pulsschlag des Volkes hatte. Seine Kampflieder sozialen und nationalen Inhalts, seine Novellen, seine Arlikel, die Demokratie und Volksemanzipation predigten, seine geitschristen („Leben und Wort"), seine Uebersetzungen aus den Kultursprachen ldarunier Faust. Don Ouixote, Byron, Heine), sein großes poetisches Vermächtnis„Moses ",— alles diente der modernen kulturellen Hebung und Befreiung des ukrainischen Volkes. — Die Wasserkräfte in Preußen. Im Vergleich mit anderen Ländern und auch mit den südlicheren Teilen des Deutschen Reiches sind die preußischen Lande zwar verhältnismäßig arm an Wasserkräften, immerhin aber sind nach einer von der Landes- anstatt für Gewässerkunde bearbeiteten Aufstellung der Wasserkräfte des preußischen Berg- und Hügellandes hier etwa 1,8 Millionen Pferde- kräfte an Wasserkräften vorhanden, von denen zurzeit 9,447 Millionen Pferdekräfle, also kaum 25 Proz. ausgenutzt werden. Am besten ausgenutzt sind die Gebiete der Elbe (40 Proz.), während die Rheinkräfte nur zu 29 Proz. und die der Saar nur zu 1,3 Proz. ausgebeutet werden. dagegen auftreten durfte, sondern erst die verabredeten Briefe von Haus abwarten mußte, um ernstlich vorgehen zu können. Das alles erzählte er. ,Gott behüte!' sagt' ich endlich, ,wie ist es nur möglich, daß Leute sich aus solcher törichten Einbildung, wegen solcher Narrheit also ändern oder so werden, daß sie, wenn auch nicht das alles selbst in Gang bringen, doch es glauben und darauf fußen! Und wie ist es nun mit deiner Schwester, dem armen Kinde, Richard? Wie trägt die ihre Not, und wissen die Eltern davon?' Er faßte und preßte meine Hand, daß ich dachte, er zerbräche mir die Finger. ,Du'. erwiderte er dann mit heiserer, kaum vernehmbarer Stünnie, ,und wenn der Schurke sonst überall schuldlos wäre, hier sitzt er fest. Du, die erwartet zum Frühling einen schreienden Beweis von seiner Nichtswürdigkeit und ihrer Schwäche.' —.Nein!' rief ich beinah' laut und schauerte zusammen.— .Doch!' sprach er im gleichen Ton. ,Jch ahnete so was aus ihren Briefen, das arme Ding wußte ja nicht, wohin damit, und das vorzüglich trieb mich nach Hause. Nun, es ist richtig; bis jetzt ahnt man's noch nicht, aber in vier Wochen— bah!' ,Du mein Herr und Jesus !' mumelte ich verzweiflungs- voll und faltete und preßte meine Hände zusammen. ,Da hat sich's was zu herrjesusjen," versetzte er finster,.sag' lieber: beim Satan! das stimmt besser, denn zu dem fährr er, so wahr ich Frohnreich heiße". „Ich schwieg; dagegen konnte und wollte ich nichts sagen. da ich selbst gerade so gedacht und gehandelt hätte..Und nun," fuhr er nach einer Pause fort, ,wo wohnt der Rom - mandeur und der Kapitän? Ich will mich schnell melden, damit alles in Ordnung ist. Schon morgen kann meines Vaters Brief an den Kommandanten da sein, der ihm die über mich verbreiteten Gerüchte mitteilt und um Aufklärung bittet."—.Komm," antwortete ich,.sie wohnen in einem Quartier mit mir; du kannst dich bei mir erst ein wenig ausruhen."—.Was treibt der Schuft jetzt?" fragte er.— /Davon"weiß und hör' ich nichts," gab ich zur Antwort,.wir finden uns nicht zusammen/— ,Uub die Christine?' war seine neue Frage.—.Das ist vorbei," erwiderte ich..Die haben wir herumgebracht, sie wohnt stets bei einem von uns. diesmal bei mir."— ,So/ bemerkte er und folgte mir zum Hause. Den Posten vor der Tür,— es war ein Bursch von der siebenten Kompagnie,— ftagte ich wie gewöhnlich, ob auch was vorgefallen sei? und auf seine verneinende Antwort traten wir ein und durchschritten den Flur. tLvits. joIflU
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33 (20.6.1916) 142
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