9, 147-1916 Unterhaltungsblatt öes Vorwärts pfiüger unö Säer. Hinter Städten, Strömen, Sergen, Wäldern, Ueberwogt von wilden Schreckensfeuem, Hin und her auf kampfzerfetzten Feldern pflügt und fät ein zähes Welterneuern. Ueberm Haupt der pflüger und der Säer Kreist und jagt der Tod und sthleudert Srände, Doch fle schreiten, immer erntenäher, Zurchtlos kühn am Werk die festen Hände. ?n den Gliedern zuckt ein sehnig' Gifer: Urgewalten löst der Zwang der Nöte. Wer der Stärkere, wir werüen's weisen: Unser Saatwurf oder dein Getöte l Immer so im Kampf find fle geschritten, Zaust am Pflug und Wetterbrand vor Ttagen. Junge Zeucht, mit heiligem Slut erstritten, Glänzt im Sturmlicht auf: Ich werde taugen! frans Dtcderich. pogromgeschichten aus Rußland  . Es war am Vorabend des letzten Passahfestes. Vor dem Laden eines jüdischen Kaufmanns in Wilna   steht eine ältere Polin. Ihr zerlumpter schmutziger Kleiderrock hängt vorn bis auf den Boden, über den Kopf.hat sie ein zerschlissenes Tuch geschlagen. Unter dem Laden befindet sich ein Keller, zu dem eine Steintreppe wie in ein dunkles Loch hineinführt. Die Frau stiert in den Keller hinein, als ob sie dort unten etwas entdecken wollte. Einige Kin- der in der wenig belebten Straße bleiben stehen, schauen in das Loch. Zwei Männer kommen vorbei, die Frau hält sie an, erzählt ihnen etwas. Die Männer beugen sich in den Kellereingang hin- ein. Das Gebaren der Leute lockt auch noch einige Frauen an, olle sind erbärmlich gekleidet. Sie fragen; alle reden eifrig, heftig gestikulierend. Eine Frau droht mit geballter Faust gegen den Laden. Eine andere stößt die Ladentür auf, mehrere schreien hin- ein, auf polnisch. Die Leute werden immer erregter. Ein Mann geht einige Stufen der Kellertreppe hinab, steigt dann wieder her- auf. Der Ladeninhaber wirb aufmerksam, er kommt heraus. Aus den Nachbarhäusern stürzen noch mehr Juden auf die Straße. Der Besitzer des Labens spricht die Leute an, die schreien ihm wild durcheinander entgegen� stoßen mit den Armen nach ihm, zeigen auf den Keller. Von den anderen Juden erfährt man, was los ist. Die Leute wiederholen die Erzählung der Frau, im Keller läge ein ermordetes Christenkinb. Ein Nitualmord! Aus dem düsteren Mittelalter stammt die Legende, wonach die Juden gemäß ritueller Vorschrift das zum Passahfest vorgeschrie- bene Sauerbrot lMazze) mit dem Blut von Christenkindern tränk- ten. Die helle Gegenwart hat die Ausgeburt geistiger Finsternis noch nicht verscheucht. Alljährlich zur Zeit des jüdischenBe- freiungsfestes" veranstalteten fanatisierte Mengen in Rußland Ritualmordhetzen. Dabei kam es oft zu bösen Ausschreitungen, Mißhandlungen, Plündereien und selbst zu Mordtaten. Mit sol- chem Erfolg waren die Hetzer, die sich im Hintergrund hielten, zu­frieden. Dos Volk sollte an das Ritualmorbmärchen glauben, mit Haß gegen die Juden genährt werden, das genügte. Denn der Versuch, den Ritualmord als eine religiöse jüdische Einrichtung nachzuweisen, tonnte den Schwindel nur zu leicht aufdecken. Selbst dann, wenn voreingenommene Richter ein Urteil zu fällen hatten und Falscheide die Schuldwagschole der angeklagten Juden be- schwerte  . Man denke nur an den berüchtigten Beilisprozetz in Kiew  , der die Aufmerksamkeit der ganzen Welt erregte. Die auf jKitualmord lautende Anklage brach schmählich zusammen. Aber die Legende von der Ermordung kleiner Christenkinder zu Ehren des Passahfestes tat noch weiter ihre Schuldigkeit gegen die Juden. Die russischen Reaktionäre und Kriegshetzer machten, wie üblich die Juden für alles Ueble verantwortlich. Damit lenkte man die Aufmerksamkeit und Empörung der Bevölkerung ab, wenn sie Ursache hatte, über Mißwirtschaft erregt zu sein. Diesmal machten die böswilligen Hetzer die Juden für die kriegerischen Mißerfolge Warum! Von Leo Tolstoi  . IV. Mit der Gesundheit des alten Jatschelvski ging es schlechter und im Jahre 1832 siedelte die ganze Familie ins Ausland über. Wando traf in Baden einen reichen polnischen Emigranten und heiratete ihn. Die Krankheit des Alten der- schlimmerte sich schnell und Anfang 1833 starb er im Aus- lande in Albinas Armen l seiner Frau erlaubte er nicht, sich um ihn zu bekümmern; er konnte ihr bis zum letzten Augen- blick den Fehler nicht verzeihen, den er begangen, als er sie geheiratet. Frau Jatschcwoki kehrte mit Albina in ihr Torf zurück. Das Hauptinteresse im Leben Albinas bildete Mi- gurski. Er war in ihren Augen der größte Held und Mär- tyrer, dessen Dienst sie ihr Leben zu widmen entschlossen war. Schon vor ihrer Abreise ins Ausland war sie mit ihm in Korrespondenz getreten. Zuerst im Auftrage des Vaters, dann aus sich selbst. Nach dem Tode des Vaters und nach ihrer' Rückkehr nach Rußland   setzte sie den Briefwechsel�fort, und als sie achtzehn Jahre alt War, erklärte sie ihrer Stief- mutter, sie habe beschlossen, nach Uralsk   zu Migurski zu fahren, um ihn dort zu heiraten. Die Stiefmutter begann auf Migurski zu schelten, weil er in eigennütziger Absicht seine schwer zu ertragendeLage dadurch zu erleichtern suchte, daß er ein reiches Mädchen umgarnt hätte und sie nun zwänge, sein unglückliches Schicksal zu teilen. Albina wurde zornig und erklärte der Stiefmutter: nur sie könne einem Manne, der alles für sein Volk geopfert, solche Gedanken unterschieben; Migurski habe im Gegenteil die Hilfe, die sie angeboten, zurückgewiesen: und sie habe den unwiderruflichen Entschluß gefaßt, zu. ihm zu fahren und ihn zu heiraten, wenn er sie dieses Glückes würdigte. Albino war großjährig und besaß ein Vermögen von dreihunderttausend polnischen Gulden, die ein verstorbener Onkel seinen beiden Nichten hinterlassen hatte. So konnte also nichts sie zurückhalten. Im November 1833 verabschiedete sich Albina von den Hausbewohnern, die ihr, als ginge es in den Tod, mit Tränen das Geleit noch den, fernen unbekannten Bezirk des barba- rischen Rußland gaben; sie setzte sich mit der alten treu er- gebenen Wärterin Ludwika in den väterlichen Kutschschlitten, der für die weite Reise repariert war, und machte sich auf den Weg. der Russen verantwortlich. Ganz allgemein wurden sie der Spw- nage und des Verrats zugunsten der Deutschen   beschuldigt. Der Boden für ein Ritualmordhetzchen war gut vorbereitet. Plötzlich, wie aus unfaßbarer Dunkelheit, ohne Spur der Herkunst verbrei- tete sich das Gerücht: die Juden haben zum Passah ein Christenkind geschlachtet. Niemand frug: wann, wo, wie? Das Gerücht galt als vollgültiger Beweis. Fanatisierte rotteten sich zusammen, zer- trümmerten Läden, plünderten sie aus, mißhandelten die jüdischen Inhaber. Und nach kurzer Zeit wurden sämtliche Juden aus Kowno   vertrieben. Das Hetzchen in Wilna  , in diesem Jahre, erstickte im Beginn seines Aufflammens. Das Murren und Drohen schien schon be- denklich werden zu wollen. Vergeblich bat der Jude einen hinzu- gekommenen Milizmann, die Erregten zu beruhigen, sich im Keller davon zu überzeugen, daß ihr Verdacht unbegründet sei. Der Ord- nungshüter tat nichts. Da biegt um die Ecke der nächsten Straße ein Offizier. Der Jude läuft zu ihm, bittet mit großem Wort- schwoll um Hilfe. Der Offizier kommt herbei, die Leute reden polnisch auf ihn ein. Jemand erhält den Auftrag, von der nächsten Polizeistation einige Schutzleute zu holen. In eiligem Marsch kommen sie heran. Der Keller wird untersucht; selbstverständlich ist keine Spur von einem Ritualmord zu finden, nichts von einem geschlachteten Christenkind und abgezapftem Mensckienblut. Die\ Menge ist beruhigt, schwatzend zerstreut sie sich. Die Juden atmen erleichtert auf: Pogrome und Ritualmordhetzen haben sie nun wenigstens nicht mehr zu fürchten. Wir befinden uns in einem jüdischen Ort. Ein kleiner breit- schultriger Jude mit etwas schwammigem Gesicht, das ein ins Graue spielender Bart umrahmt, trägt eine ziemlich umfang­reiche Kiste. Dabei wäre nichts Absonderliches. Der Jude ist hier Arbeiter, Handwerker, Händler, er verrichtet jede körperliche Arbeit. Aber es war an einem Schabbestage. Nach ritueller Vor- schrist ist jedoch den Juden das öffentliche Tragen von Lasten, wie überhaupt jede Beschäftigung am Schabbes verboten. Und die Juden im besetzten Gebiet sind im allgemeinen sehr streng in der Beobachtung ritueller Gebräuche. Peinlich genau befolgen sie die vorgeschriebenen Gesetze. In swrven Formen erhalten sie auch das gewohnheitsmäßig Uebernommene. Die Anpassung, die der Jude in den Westländern entwickelt, wodurch er mit den modernen Ver- Hältnissen sich abfindet, ist seinem russischen Glaubensgenossen noch nicht eigen. Das wird noch kommen. Aber auch jetzt schon wissen kluge Leute den rituellen Zwang zu mildern, wenn er allzuschwer als Last und Hindernis empfuirden wird. Als solche Last ver- spürte man das Verbot, am Schabbestag außerhalb geschlossener Räume Gegenstände zu tragen. Was sollte man macheu? Das Gesetz übertreten? Nein, das durfte nicht geschehen! Heilig ist das Wort, unverletzlich das Gebot! Jedoch das Wort ist deutungs- fähig. Es ließ sich auslegen:Was ist ein geschlossener Raum? Meine Wohnung!"Nur meine Wohnung?"Nein, auch mein Hof."Also kann ich auch im Hofe tragen!" Aber daS reichte noch nicht. Der Deutler deutelt weiter:Ist nur der Hof ein geschlossener Raum? Nein, auch die ummauerte Stadt. Mithin darf man in der ganzen Stadt Gegenstände tragen." Der Begriff war noch etivas zu enggefaßt.Es muß ja keine Mauer sein, keine wirkliche Mauer, die symbolische Geschlossenheit genügt auch." Nun war die Sache einfach. Man spannte eine Schnur über die Straßen am Eingang des Ortes und die Ge- schlossenheit des Raumes, die das Gesetz verlangt, war hergestellt. Dergleichen symbolische Mauern sah man an verschiedenen Orten und die geschäftigen Juden konnten ohne Gewissensbedenken im Orte am Schabbes Lasten tragen. Im Kriege allerdings waren die luftigen Mauern oft in Gefahr und zuweilen wurden sie den Juden gefährlich. Deutsche Soldaten holten die Schnüre herunter, weil sie bei Telephon- und Telegraphenanlagen störten und weil sie deren Bedeutung nicht kannten. In solchen Fällen wurden die Ortskommandanten von den Juden bestürmt, die symbolische Mauer wiederherstellen zu lassen. Bösartiger verlief die Sache, wenn Russen die Schnüre bemerkten und sie als geheime Telephonaulagen jüdiscver Spionage betrachteten. Dann gab es Strafen und Verschickungen nach Sibirien  . Wilhelm Düwell. kleines Zeuilleton. Die Serliner Porzellanmanufaktur. Als ein schönes Zeichen ihrer Leistungsfähigkeit hat die Berliner  Porzellanmanufaktur draußen, in der Wegelystraße, dicht beim Bahn- bot Tiergarlen. ein neues, großes Verkautshaus gebaut. Die äußere Gestalt ist leicht klassizistisch; daS Innere beschränkt sich darauf, dem Zweck des Hauses, Porzellane zur Schau zu stellen, redlich zu dienen. Zweigeschossig, große, helle Säle, ringsum schlanke Fenster, durch die daS grüne Reflexlicht der daS Haus umfassenden Bäume dringt. Die tragenden Pfeiler sind ohne Schmuck. Auch sonst herrscht das schmucklose, versachlichende Weiß. Die Porzellane regieren; sie stehen auf langen Tischen, die mit violetten, grauen und grünen Decken überhangen sind. Die Wirkung ist solid und doch verführerisch. Der Reichtum der ausgestellten Modelle über- wiegt, ohne zu verwirren. Eine Oualitätsmesse. liebet solche Leistungsfähigkeit ist man erfreut; ärgert sich aber zugleich über die Gleichgültigkeit, die das deutsche Publikum noch immer diesen ausgezeichneten Berliner   Porzellanen, besonders den undekorierten weißen Stücken entgegenbringt. Immer noch kaufen die Leute ihre vielgeliebten bunten Wildheiten; sie finden die schlichten weißen Schüsseln und Tassen, wie sie hier in unübertrefflichen Formen zu finden sind, nicht vornehm genug. Die Gebrauchsporzellane der Berliner   Manufaktur sollten die Häuser be- Völkern; dies um so mehr, als sie außerordentlich preiswert sind. Man braucht nicht zu fürchten, hier nur Stücke für Millionäre zu finden; Käufer, die sich bisher nur in den billigen Bazar hinein- trauten, können getrost in den Tiergartentempel der Berliner  Porzellane hineingehen. Es ist sehr zu loben, daß die besten alten Formen des Gebrauchs- Porzellans, Stücke, wie sie Anfang des 19. Jahrhunderts gemacht worden sind, wieder auf den Markt gebracht werden; mit ihnen können wir beinahe ebenbürtig das beste Wedgwood entbehrlich machen. Daneben wollen dann noch die Porzellane deS künstlerischen Ehrgeizes, Figuren aller Art, amüsante Puppen, lockere Rokkoko- erinnerungen angeschaut werden. In diesem bunten Reigen sind auch einige Stücke moderner Künstler, zerbrechliche Fantasien von Wackerle, Amberg  , Schwegerle, zärtlich zu genießen. K. Br. Der Wiener   Helüenhakn. In der letzten Sitzung des Wiener   Gemeinderats wurden die Anträge des Bürgermeisters Dr. Weiskirchner auf Schaffung eines Heldenhains angenommen. Die erste Anregung dazu stammt von dem preußischen Gartenbauiinspektor W. Lange, das Wiener Pro- jekt vom Stadtbaudirektor Goldemund. Der Hain wird sich an der Stadtgrenze des Arbeiterbezirks Ottakring(Wien   XVI) ausdehnen und eine Fläche von 161000 Quadratmetern bedecken. Für die Grundankäufe wurden bisher 1313 000 Kronen aufgewendet, weitere 30 000 Kronen dürften noch erforderlich sein. Der Waldgrund soll mit hartem Rasen bepflanzt werden, der auch das Betreten ver- trägt. Ein großer Kinderspielplatz soll darin Platz finden. Die Bäume sollen sieben Meter voneinander gesetzt werden. Auch ein Heldendenkmal soll in dem Hain   Platz finden; die dichtbebaute und bereits mit zahlreichen Denkmälern geschmückte Ringstraße er- scheint für ein solches Denkmal nicht mehr geeignet. In der Ge- meinderatssitzung sprach sich der liberale Gemeinderat Maler Goltz unter Beifall gegen die Errichtung irgendwelcher stilisierten Denk­mäler in dem Eichenwalde aus. Er sagte, er habe letzthin auf der Hochfläche von L a f r a u n gesehen, wie der Mensch des Krieges in der Natur wüte, man solle nicht auch noch sehen, wie der Mensch des Friedens mit seiner Geschmacklosigkeit in der Natur wüten könne. Ein einfaches Kreuz sei die würdigste Erinnerung in einem stillen, hehren, deutschen Hain. Notize«. Vorträge. Freitag, den 30. Juni, abends 9 Uhr, hält in der Philharmonie Dr. C h a t t e r t o n- H i l l, der einzige für feine Heimat jetzt öffentlich in Deutschland   tätige Ire, einen Vor- trag überIrland und seine Bedeutung im Welt- kriege". Dr. Chatterton-Hill ist bereits als Verfasser eines in deutscher Sprache geschriebenen Werkes über Irland   hervorgetreten. Kunstchronik. Die Kunst halle Wilmersdorf  veranstaltet in dem Gebäude Pariser Str. 4S(am Ludwigkirchplatz) eine dauernde Ausstellung, deren Bestand nach je zwei Monaten wechselt. Die Ausstellung ist unentgeltlich täglich von 10 bis 6 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 12 bis 2 Uhr geöffnet und wird von den Mitgliedern der durch die Stadt Berlin-Wilmersdorf unter- stütztenKunsthalle  " unterhalten. Jsadora geht... Die Reform- und Barfußtänzerin Jsadora Duncan, für die sich einst auch Berlin   W. interessierte, ist aus Genf   nach Amerika   verzogen. Unter Hinterlassung ihrer Tanz- schule von 16 jungen Mädchen, die jetzt vor dem Nichts stehen und in ihre Heimat abgeschoben werden. Es sind auch deutsche   Mädchen darunter, wahrscheinlich auch Berlinerinnen. Das Heldeninädchcn gab während des Krieges lächerliche Gastrollen in Paris   und Athen  , wo sie die Griechen vergeblich durch einen Straßentanz für den Krieg zu begeistern versuchte. V. Migurski wohnte nicht in der Kaserne, sondern im Privat- quartier. Der Kaiser Nikolai Pawlowitsch verlangte, daß die degradierten Polen   nicht nur die ganze Schwere des harten Soldatenlebens ertrügen, sondern auch alle Demütigungen durchmachten, denen gemeine Soldaten damals ausgesetzt waren. Die Mehrzahl der schlichten Leute aber, die diese Be- fehle ausführen mußten, fühlten das Erdrückende in der Lage dieser Degradierten und vollzogen trotz der Gefahr, die damit für sie verbunden war, wo sie nur konnten, die Befehle des Kaisers nicht. Ter halbgebildete, vom Gemeinen avancierte Kommandeur des Bataillons, dem Migurski zugeteilt war, begriff die Lage des ehedem reichen, gebildeten jungen Mannes, der alles verloren hatte, empfand Mitleid mit ihm, schätzte ihn und verschaffte ihm alle möglichen Erleichterungen. Und Migurski konnte nicht anders, als den gutmütigen Oberst- leutnant mit weißem Backenbart im pausbäckigen Soldaten- gesicht hochschätzen, und um ihm seine Wohltaten zu ver- gelten, willigte er ein, seine Söhne, die sich auf das Kadetten- korps vorbereiteten, in Mathematik und französischer Sprache zu unterrichten. Migurskis Leben in Uralsk  , das nun schon sieben Monate dauerte, war nicht nur einförmig, trostlos und langweilig, sondern auch schwer. An Bekannten hatte er außer dem Ba- taillonskommandeur, von dem er sich möglichst fernzuhalten suchte, nur einen verbannten Polen  , einen wenig gebildeten, hinterlistigen, unangenehmen Menschen, der hier Fischhandel trieb. Die schwerste Lost im Leben Migurskis bestand aber garin, daß es ihm Mühe machte, sich an Entbehrungen zu gewöhnen. Mittel besaß er nach Einziehung seines Ver- mögens nicht, und er half sich nun mit dem Verkauf der goldenen Wertsachen, die ihm geblieben waren. Die einzige und größte Freude seines Lebens nach der Verbannung war der Briefwechsel mit Albina,� von der er sich aus der Zeit seines Besuches in Roshanka eine poetische, liebe Vorstellung im Herzen bewahrt hatte, die jetzt in der Verbannung immer schöner und schöner wurde. In einem ihrer ersten Briefe fragte sie ihn unter anderem, was die Worte in seinem letzten Briefe:Welche Wünsche und Träume er auch immer gehegt", zu bedeuten hätten. Er antwortete, er könne ihr jetzt gestehen, daß seine Träume dahin gegangen wären, sie sein Weib nennen zu dürfen. Sie antwortete ihm. daß sie ihn UMWMÄM WerM�as nicht zu schreiben, denn es sei für ihn schrecklich, an das zu denken, was hätte sein können und was jetzt unmöglich sei. Sie antwortete, es sei nicht nur möglich, sondern würde sicher ein- treten. Darauf er: Er könne ihr Opfer nicht annehmen; in seiner jetzigen Lage sei das unmöglich. Bald nach diesem Brief erhielt er eine Postanweisung auf zweitausend polnische Gulden. An dem Kuvertstenipel und an der Handschrift er- kannte er, daß die Sendung von Albina herrührte und er erinnerte sich, daß er in einem seiner ersten Briefe in scherz- haftem Tone das Vergnügen beschrieb, das er jetzt empfände, wo er durch Stundengebcn alles verdiente, was er nötig hatte Geld für Tee, Tabak und sogar Bücher. Er legte das Geld in ein anderes Kuvert und schickte es mit einem Briefe zurück, in dem er sie bat, ihre heiligen Beziehungen nicht durch Geld zu' verderben. Er hätte alles genügend, schrieb er, und sei vollkommen glücklich im Bewußtsein, eine Freundin wie sie zu besitzen. Damit ruhte ihr Briefwechsel. Im November saß Migurski beim Oberstleutnant und gab den Knaben Unterricht, als das Glockengeläut der näher- kommenden Post ertönte. Schlittenkufen auf dem gefrorenen Schnee knirschten und an der Treppe hielten. Die Kinder sprangen auf, um zu erfahren, wer da käme. Migurski blieb im Zimmer, blickte auf die Tür und erwartete die Rückkehr der Kinder; aber in die Tür trat die Frau Oberstleutnant in eigener Person. Jlan(Herr), da sind ein paar Damen gekommen, die nach Ihnen fragen," sagte sie.Es müssen Landsleute sein, sie sehen wie Polen   aus." Wenn man Migurski gefragt hätte, ob er es für möglich hielte, daß Albina zu ihm käme, würde er gesagt haben, das sei undenkbar: in der Tiefe seines Innern aber erwartete er sie. Das Blut schoß ihm zum Herzen und er lief atemlos auf den Flur. Im Flur wickelte ein dickes pockennarbiges Frauen- zimmer ein Tuch vom Kopfe. Ein anderes weibliches Wesen trat in die Tür der Oberstleutnantswohnung. Als sie Schritte hinter sich hörte, wandte sie sich um. Unter der Frauenmütze strahlten die lebenslustigen, breitstehenden, glänzenden Augen Albinas mit bereiften Wimpern. Er war wie versteinert und wußte nickt, wie er sie empfangen und begrüßen sollte.Jos6," rief sie und nannte ihn so. wie der Vater ihn genannt hatte, und wie sie ihn bei sich selbst nannte schlang die Arme um seinen Hals, lehnte ihr gerötetes kaltes Gesicht gegen das seinige und lachte und weinte.(Forts, folgt.,) ijutti fimonoiiegd aml s»n«u rm»u-liKst-..»c x.."t-