»r 155-m Unterhaltungsblatt öes Vorwärts iw»Der Mann an öer Zräse.Von Ret Marut.ES war ein Wunderwerk, die gewaltige Fräsmaschine. Tie hatteein Vermögen gekostet. Aber dafür bcsab diese wunderbore Maschineauch Fähigkeiten, die jeden in Erstaunen setzten, der sie bei der Ar«beit sah. Wenn man den Koloß betrachtete, so konnte man nichtglauben, daß er imstande war, an Setzmaschinen, an Maschinen fürOptik und mikrometrische Instrumente, an Maschinen, bei denen einehaargenaue automatische Auslösung von solcher Bedeutung war, daßbei einem Versagen die monaielang« Arbeit vieler tüchtiger Männerwerllos wurde, Nuten, Marken und Rillen von einer Feinheit undbewundernswerten Genauigkeit zu fräsen, wie fie kein noch so genialerArbeiler fertiggebracht hälie.Diese Maschine war der Stolz der Rtesensabrik, wo zwischenall' den gewaltigen Dampfhämmern, Pressen und Walzmaschinen e««ine Fräsmaschine wahrlich schwer hatte, die Aufmerksamkeit in be«sonderem Maße auf sich zu lenken.Von dem Arbeiter, der die Maschine bediente, konnte man wohlsagen, daß er in der Fabrik eine seltene Ausnahmestellung ein-nahm. AuS der Art und Weise, wie der Direktor mit ihm ver«kehrie, durste man schließen, daß er mindestens im Range eine»niittleren Fabrikbeamten stünde. Selbst seine Kameraden, die sonstnicht so leicht vor etwa» Respekt haben, betrachteten den.Mann ander großen Fräse" beinahe mit Ehrsurcht. Weil er immer, auchwährend der Arbeit,«inen gestärkten Kragen trug und weil er mitseiner Maschine einen großen, spiegelblank gehaltenen Raum für sichganz allein hatte.Er kannte die Maschine durch und durch und hatte von Anfangan, beim Bau der Maschine gearbeitet. E» hatte einmal eine Zeitgegeben, wo dieser Arbeiter der wichtigste Milschöpser und somit derHerr der Maschine gewesen war. Aber seit die Maschin« hier imDienst stand, war der Arbeiter zuerst Freund, dann Gesellschafter,dann Mitarbeiter, hierauf Gehilfe der Maschine gewesen, um zuguter Letzt als ihr armseliger Knecht zu enden, der in rücksicht»«losester Weise von ihr tyrannisiert wurde.Dabei wurde der Arbeiter natürlich auch älter. Und eine»Tage» mochte der Direktor die Entdeckung, daß der Arbeiterstammunbedingt verjüngt werden müßte, weil Arbeiter, über vierzig Jahrealt, für die Industrie untaugliche Wertobjekte seien.Stolz brauchte der Direktor auf seine Entdeckung nicht zu sein,denn unsere über vierzig Jahre alten Landstürmer, die sich allen,auch den schwersten Strapazen des Kriege« gewachsen zeigen, be-weisen zur Genüge, daß diese»Entdeckung" offenkundiger Un-sinn war.Unter diejenigen, die der Verjüngung zum Opfer fielen, gehörteauch der.Mann an der Fräse".Alles war erstaunt. Die ArbeitSkamcraden, die Beamten undder Herr Direktor. Denn sie sahen alle ganz urplötzlich, daß dieserMann, den sie bisher als etwa» ganz Besondere« angestaunt undbewundert hatten, ein ganz gewöhnlicher und einfacher Arbeiter war.So bedeutungslos, wie ein ungelernter Fabrikarbeiter. Jetzt, wo ernicht mehr in dem dreimal geheiligten Raum der großen Maschin«stand.Und ein anderer Mann trat an seine Stelle. Ein jüngerer,der auch viel weniger Lohn bekam und seine Arbeit ebenso-gut machte.Seine Arbeit? Wie lacherlich IEs war doch die Arbeil der Maschine. Er brauchte ja nur auf-zupassen. Alles andere tat die Maschine von selbst. Der Direktorwar wütend, daß er den bisherigen Mann so überschätzt und ihmalle die vielen Jahre da« große Gehalt gezahlt hatte. Und er be-lobte sich selbst dafür, daß er diese unnötige Verschwendung nochrechtzeitig eingesehen hatte.Die Maschine tat ihre Arbeit. Tagein, tagau«. Und gut undsauber wie immer.Dann kam der Krieg. Ein paar Tage daraus auch mit Eng-land. Und als man einsah, daß gegen diesen rücksichtslosen Feinddie vorläufig wirkungsvollste Waffe da« Unterseeboot wurde, kamentüchtige Leute und verfeinerten und verbesierten diese Waffe in dervortrefflichsten Weise.Aber für die neukonstruierte Art der Boote wurde ein MechaniS-muS nötig, der sich infolg« seiner komplizierten Zusammenarbeitnicht herstellen ließ. Und daran scheiterte die ganze so wundervolleNeukonstruktion.Eine Maschine allein hätte helfen können. Aber die Herstellungdieser Maschine erforderte selbst bei der durchdachtesten Arbeits-Verteilung wenigstens zwei Jahre. Und da besann sich ein Marine»Ingenieur auf die große FraSmaschine, Vit in ihrer Art einzig inder Welt dastand.Der Ingenieur reiste sofort hin und er traf ein« Riesenfabrikin schwersten Nöten. Da« Wunderwerk der Fabrik lag auf den Toddanieder.Die Fabrik hatte eilige Torpedoteile in Auftrag bekommen, diesehr genau gearbeitet sein mußten. ES wäre auch gerade die richtigeArbeit für die Maschine gewesen. Aber plötzlich sagte die Maschine:»Ach, waS I" und blieb stehen. De» jung« Arbeiter behauptet», siehätte.Knack" gemacht. Er yerstand da» nicht beffer.Und nun war alles in hellster Verzweiflung. Die geschicktestenTechniker de« Werke» waren zugegen und quälten sich ab wie Hand«longer. Selbst der Direkror haue den Rock ausgezogen, die weißenManschetten zurückgeschlagen und klopfie mit einem Hammer überallherum. So ging das Tage NNd Tage.Aber die Maschine rührte sich nickt. Und wenn sie mal ein paarArmbewegungen tat. so waren die Materialteile, die sit bearbeitensollte, auch gleich in Fetzen gerissen.Niemand wußte mehr Rat. Der Direktor wurde cholerisch vorNervosität, und als er einen Arbeiter an der Tür zu dem geheiligtenRaum herumlungern sah, brüllte er ihn so furchtbar an, daß erbeinahe den Schreikrampf bekam. Aber der Arbeiter blieb ganzruhig und sagte:.Ja. Herr Direktor, wenn Sie mich so angrunzen,dann soll mir auch alle» egal fem. Was kümmert mich denn IhreMaschine."»Bleiben Sie hier. Was meinen Sie denn?".Ich meine nur, Herr Direktor, man sollte mal zu Rukowtkinschicken, der weiß sicher Bescheid damit, darauf können Sie sich ver-lassen.".Ist ja wahr. Daß ich auch darauf noch nicht gekommen bin."Rukowski war der»gewesene" Mann an der Fräse.Er kam.So liebenswürdig wie jetzt der Direktor zu ihm war, ist er inseinem ganzen Leben noch zu keinem Menschen gewesen..Herr Rukowski," solange er Direktor war, hatte er noch nie zueinem Arbeiler.Herr" gesagt. Aber jetzt..Also, Herr Rukowski.Sie sehen, wir sind in großer Verlegenheit. ES handelt sich umeine eilige HeereSlicferung. Und die Maschine will nicht. WisienSie nicht vielleicht Bescheid? Mir zuliebe werden Sie es ja nichttun, aber tun Sie e« dem Vaterlande zuliebe, wenn Sie können."Rukowski halte seine Mutz« aufbeballen und seine Hände inden Hosentaschen vergraben. Er rührte sich nicht und sah nur ganzironisch zu, wie sich die Ingenieure abrackerten. Dann sagte ertrocken:»Jawoll, Herr Direktor, jetzt kommen Sie mir mit dem Vater-land. Vorher habt Ihr das ganz vergessen gehabt, daß wir da«.selbe Vaterland haben wie Ihr. Wenn Ihr uns braucht, dannwißt Ihr uns schon zu finden. Sonst können wir zusehen, wo wirbleiben."Der Direktor sagte kein Wort darauf. Er stand da, als wäreer der Arbeiter und Rukowski der Direktor. Denn Rukowski hattenoch immer die Mütze auf dem Kopfe und die Hände in den Hosen-tascheu.Nun kam der Direktor ganz dicht zu ihm heran und sagte ineiner so verbindlichen Form, ol« spräche er mit den Herren des Auf-sichtSrateS:»Bitte, lieber Herr Rukowski, sehen Sie doch mal nach,vielleicht finden Sie den Haken."Rukowski langte in seine innere Brusttasche nach einer Zigarren«tüte und steckte sich eine Zigarre in den Mund. Dann sagte er:»Ach, bitt schön, Herr Direktor, können Sie mir nicht etwa« Feuergeben?"»Aber gewiß doch", versetzte der Direktor eilfertig und hielt ihmein brennendes Streichbolz hin..So", sagte dann Rukowski,»nun lasten Sie alle mich mal alleinmit der Maschine."Auf einen Wink entfernten sich die Ingenieure. AI« ober derDirektor in der Tür stehen bleiben wollte, ging Rukowski hin undsagte:»Nö, nö, nischt zu machen. Abgucken gibt'S nicht. Sodumm war ick nur einmal und nicht wieder." Dann schob er denDirektor zur Tür hinaus und drehte den Schlüstel um.Nach drei Stunden schickte er zu dem Direktor.Die Maschine ging.»Das haben Sie ja gut gemacht, Rukowski, woran lage« denn?".Ach", sagte Rukowski,»an einer Kleinigkeit. ES war nicht derRede wert. Und hier ist meine Rechnung."Der Direktor las auf einem Notizblatte mit Bleistift geschrieben:Eine Fräsmaschine wieder in Gang gebracht,S Stunden Arbeit, die Stunde 80 Pf.... 2,40 M.Weil ich gewußt habe, wie es gemacht wird undworan eS gelegen hat......... 1000.00»Summa 1002,40 M.„Eine etwas eigenartige Rechnung ist ist es ja", sagte derDirektor lackend,»aber selbsiverständlick wird sie Ihnen bezahlt."Unterdessen ließ Rukowski die Maschine laufen und einigeStücke in spielerischer Weise bearbeiten, bis ihn der Direktor unter-brach:»Hören Sie, Rukowski, wir haben da eine schwierige Arbeit vor.Wollen Sie sich die nicht einmal ansehen?"Sie gingen beide in das Privatkontor de« Direktor«. DerDirektor ließ im Hotel, wo der Marine-Jngenier wohnte, anrufen,und bald kam der Ingenieur. Er zeigte Rukowski die Zeichnungenund fragte ihn. ob es möglich sei. daß diese Stücke auf der großenFräsmaschine in der gewünschten Form bearbeitet werden könnten.Rukowski überlegte und dann sagte er. er wolle den Versuchmachen, in einer Stunde könne er bestimmten Bescheid geben.Nach Ablauf dieser Zeit, die er mit»seiner" Maschine wiederallein verbrachte, kam er mit dem bearbeiteten Stück und zeigte eSden beiden Herren. Der Ingenieur verglich und maß und bereck-nete und sagte dann zu dem Direktor:»ES ist besser, als wir eSnötig haben. Wenn Sie imstande sind, alle Stücke mit der gleichenGenauigkeit zu liesern, sind wir einig."»Blite, Herr Direktor," unterbrach jetzt Rukowski da» Gespräch;»hier ist meine Rechnung."»Schon wieder eine?"»Ander« tu' ich es nicht mehr/Der Direktor las:Für ein Stück Arbeit, da» außer mir kein Mensch fertig kriegenkann, 5000 M.»Da« ist mir aber zu bunt," sagte der Direktor ernst,»Sieglauben doch nicht etwa, daß ich Ihnen das bezahle?"»Nein, da» glaube ich auch nicht, daß Sie mir da» bezahlen,gutwillig nickt. Aber Sie werden eS zahlen müssen, wenn Sie einzweites Stück von dieser Arbeit bekommen wollen."Der Direktor ließ ihm die erste Rechnung auszahlen, die zweitestrich er ihm jedoch. Aber am nächsten Tage gegen Mittag schickteder Direkror einen Boten zu ihm mit den öOOO M. für»ein zweiresStück so wie das gestrige".Dann kam Rukowski wieder endgültig zu seiner Maschine. Aberda» Verhältnis halte sich nun geändert. Jetzt war er der Herr unddie Maschine sein Knecht._kleines Zeuilieton.Eine Ausstellung öes Henter Vorruit.In Gent, wo vor kurzem eine Bauausstellung staltfand, hat jetztdie Arbeilergenossenschasi.Vooruit"(Vorwärts) eine Kunst- und Gc«Werbeausstellung eröffnet, die eine außerordentlich bemerkenswerteKriegsleistung darstellt. Das neue hohe Festhau« des.Vooruit",architektonisch zwar keine glückliche Bereicherung der Haupistadt Ost«flandern«, immerhin jedoch interessant als ein Versuch in nickt aus-gefahrenen Gleisen zu wandeln, ist von unten bis oben mit Gegen-ständen verschiedenster Art gefüllt. Man will eine Ueberstckt überdie augenblickliche gewerbliche und künstlerische Tätigkeit in Gentgeben. Die einzelnen Abteilungen sind bescheiden im Umfang, abermit Liebe und Sorgsalt hergerichtet. Man spürt überall den gutenZweck der Genossenschaft, belebend und anregend auf die Hand-sertigkeit und Industrie der Genter Arbeiterschaft zu wirken undden Künstlern ein« Gelegenheit zu bieten, ihre Arbeiten dem Publi-kum zu zeigen.Eine kleine Garienbauabteilung mit einer wechselnden AuSstrllungvyn Blumen- und Blattpflanzen, für die Gent berühmt ist, bildeteinen freundlichen Austakt.Dann präsentiert sich die Genossenschaft.Vooruit" durch Bei«spiel« au» den verschiedenen Gebieten ihrer vielseitigen segensreichenTätigkeit. Die Fachschule»OnS Huis", die vom.Voorutt' im Ok«toSer 1916 errichtet wurde und uNler Leitung eines Schneidermeisters120 Arbeiterinnen gründliche Ausbildung und zugleich lohnende Be«schästigung während de« Krieges bietet, zeigt Arbeiten, die ihreSchüler nach achtmonatigem Unterricht selbständig fertigstellten.Eingemachte Gemüse. Sinderkleider. Leinenarbeiten gehören zuden Leistungen der ebenfalls vom.Vooruit" eingerichteten Haus-haltungsschule, die in einem dreijährigen Lehrgang Unterricht inHaushalt, Naturkunde. Gesundheitspflege. Kinderpflege und der fürFlandern wichtigen praktischen Kenntnis de« Webens erteilt, sowieKurie in der niederländischen und französischen Sprache, in Rechnenund Buchführung abhält.»Ds beroepsschool kweekt den adeldomdes Arbeid�"(»Die Berufsschule züchtet den Adelsstand der Arbeit")steht als Inschrift über den Vitrinen.Die Wanderung durch die Bezirke prallischer und gewerblicherTätigkeit wird unterbrochen durch eine umfangreiche Kunstschau.Neben belanglosen Erzeugnissen enthält sie eine ganze Reihe vonArbeiten die in ihrer gediegenen und ernsthaslen Art wesentlich mehrgeben als die eleganteren Werke, die in den Brüsseler Kunstsalons die Ge«lellschasl der Hauplstadt zu interessieren Pflegen. Von einer sozialistischenKunst wird man nicht sprechen können, Arbeiterbilder find kaumzahlreicher vertreten als auf anderen Ausstellungen, aber Kraft undAnschaulichkeit der bildnerischen Sprache, ein handwerklicher Anstandund ein liebevolles Erfassen der Aufgabe lassen doch einen gewissenZusammenhang mit dem Geist des Hauses erkennen, in dem sie aus-gestellt sind. Namentlich Zeichnungen und kleine Plastiken gehörenin diese Kategorie. Von bekannten Namen— es sind fast aus-nahmsloS Genler Künstler vertreten— ist der Bildhauer GeorgesMinne zu nennen, der sich setzt in London aufhält, und von demman einige seiner älteren sympathischen Werke beigebracht hat.Weniger erfreulich als die Bildabteilung wirkt der Gesamtem-druck der sich anschließenden Archileklurausstellung. Mit der Bau-kunst steht e» im Heuligen Belgien nicht zum besten. DaS zeigendie in den letzten Jahren vor dem Kriege entstandenen Neubauten.da» bestätigen die meisten Entwürfe, die man gegenwärtig aus AuS«stellungen und in Veröffentlichungen zum Wiederaufbau Belgienszu Gesicht bekommt. Am schlimmsten ist eS mit dem Monumentalbaubestellt. Entwürfe, wie die zn einer Festhalls mit einem großen Ge-schäftShauS, mit dem Dalum dieses JahreS. blähen sich in einempompösen und geistlosen Thcaterbarock. Auf anderen Blättern be-gegnet man dem auch sonst im Lande noch nicht über-wundenen»Jugendstil", der, wie eS scheint, in Belgien als die»freiere Richtung" betrachtet wird. Namentlich einige während dcSKrieges entstandene Entwürfe sür Villenkolonie» zeigen in der Gc-samthcit und der Parstellung des einzelnen Gebäudes einen er-schreckenden Tiefstand des Geschmacks. Auch der Enlwurs zu einergroßen Kattun- und Acroplanstoff-Fabrik wirkt im Vergleich zu dem,was in Deutschland im Industriebau neuerdings geleistet wird,rückständig. Vernünftige Gedanken werden lediglich in einigen Eni-würfen sür landwirtschaftliche Gebäude und kleine Arbeiterwohn-Häuser entwickelt, auf Grund englischer Anregungen.In einer Abteilung sür Bauhandwerk bestätigt der Blick in eineArbeiterwohnstube und Arbeilerküche, daß auf diesem Gebiete Be-achtenswertes geleistet wird.In den weiteren Sälen, Zimmern und Gängen trifft man aufeine Ausstellung für Druckgcwerbe, für Buchbinderei,«ine J!IuS-stellung Genter Photographen, eine Sammlung von Gegenständenaus dem Besitz des Genter Arbeiter-Theatervereins.Muliaruli-ring".und schließlich enthält der»Domsaal' des Festhauies eine AuS-stellang von Maschinen, HauShaltungsgegenständen, sowie Beispielevon Genler Möbeln, die leider im allgemeinen ebenso wie die Er-zeugnisse der bekannten Mechelner Möbelindustrie noch aus demStandpunkt billiger und schlechter»Stilmöbel" verharren.Auf einem Treppenpodest bat man ein Diorama aufgebaut: diegroße Figur eines flämischen Arbeiters schreitet als Sämann überdie magisch beleuchtete Stadt Gent und spendet ihr seine Gaben.»Materielle und sittliche Entwicklung des Volkes", das ist da« Zielder 1881 gegründeten Genossenschaft.Vooruit". die mit dieser AuS-stellung bewiesen hat. ivie viel Kraft und UnternchmungSgerst ihrauch unter den gegenwärtigen Zeitumständen innewohnt.Kleines Theater:„Dieprinzesim unö öie ganzeVelt"'.Der hübsche Einfall, den alS technisches Wunder hochgepriesenenund ob seiner oft so primitiven Kunslsremdbeit ebenso verlästertenFilmbetrieb satirisch auf der Bühne zu behandeln, verpufft mdiesem Stückchen deS Dänen Edgar Hoher ziemlich wirkungslos.Mit dem Blumenthalschen„HanS Huckebein", der vor Jahren, alssich die Sache noch im Embryostadium befand, das dankbare Tdemain lustiger Schwanklaune streifte, kann sich Hogers Komödienicht im entferntesten vergleichen. Die Erfindungskraft kommtüber Allernächstes nickt hinaus, bringt es nicht weiter als zur Dar-stellung einer Kinoprobe, die den Schauspielern Gelegenheit gibt,die Kolportagenrimik der beliebte» Senfations- und Schauer- Bild-dramcir drastisck zu verulken. Das Drum und Dran bleibt äußerstmager. Da ist ein junger, eleganter Tnnichtgat(von GeorgAlexander mit liebenswürdig seinem Eharme gespielt), demsein seelisch stammverwandter Herr Papa(Albert Paul)mit sreundlichem Humor erklärt, daß man ihn unter Kuratelgestellt und der Sprößling, statt weiter väterliche Wechselzu bezieben, nun sehen müsse, Ivie er selber Geld verdiene. Sosortist auch ein mit Tausendmarlscheinen gespickter, ideal Vertrauens-seliger Filmdireklor(Lupu Pick) als Rettungsengel da, dem seineInspiration verkündet, daß der Schatz de« jungen ManneS(Frl.M e n a l d y) die Anlagen zu einer Asta Nielsen m sich birgt. DerLiebhaber wird Filmdramarturge und ebenso auch dessenSchützling, ein Mime, der sonst nie auf einen grünenZweig gekommen wäre(Heinz S a r n o w). im Ramschverlragezu hohen Summen mitengagiert. Auf dem. Landguiedes alten Bonvivant a. D., der seine aristokratisch« Kammerherrn-Verachtung des Gewerbes im Angesicht der Ehrfurcht gebietendenGagen schleunig abschwört, hält dann das Völlchen eine seinerProben ab, deren dramatische Entführungsszenen, zur Nachahmunganfeuernd, einem spröden Pärcken ans dem Verwandrenkreise zurfälligen Verlobung verhelfen. DaS Publikum nahm die Geschichtefreundlich auf._ dtVegwarte lZlchorie).Nun leuchtet sie wieder mit ihren lichtblauen Augen dem Wandererdaußcn entgegen, die schlanke Wegwart— in Wahrheit eine Wariedes WegeS. Wie hätte die sagenbildende Sinnigkeil des„Volkes derDichter" nicht auch um sie ein Geflecht winden sollen I Natürlichgeht sie dabei von dem Worte warten auS. Der Volksglaube des16. Jahrhunderts läßt die Pflanze ursprünglich«ine Jungfrau sein,deren Liebster in die Ferne gezogen ist. Sie hat nun Tag sür Tagam Wege gestanden und mit ihren großen blauen Augen sehnsüchtighinauSgcschaut. um den Heimkehrenden zu erspähen. Allein nimmerbat er sich zeigen wollen, und zuletzt hat man— wahrscheinlich derunvermeidlich harte Vater— in sie gedrungen, doch endlich demWeinen, Härmen und Warten ein Ende zu machen und ihr Herzeiner neuen Minne zu öffnen. Da aber soll sie in Tränen zerfließendausgerufen haben:Eh' als ich laß da» Weinen stehn,Will ich lieber auf die Wegscheid gehn,Ein' Feldblum' dort zu werden.Und siehe, die Gottheit erbarmt sich ihrer und verwandelt sie inunsere Wcgwartblume.Vergessen bat sie der wilde Knab,Und wo sie gewartet, da fand sie ihr Grab,Ein Blümlein sprießet am Wege,Wegwart, Wegwart IAuch als Blume schaut sie mit ihren blauen Augen sehnsüchtigdie Straße entlang in die Ferne, als ob sie noch immer de« Ge-liebten warte. Denn, sobald er heimkehrt, wird sie entzaubert werdenund zu neuem Menschenleben erwachen. Vergebens!Der Sommer kommt und der Somnier geht,Der Herbstwind über die Heide weht,Da§ Blümlcin wartet am Wege—Wegwart, Wegwart I(Scheffel.)Nokize«.— Der neue Tizian in Berlin. Die TizianischeVenu«, über deren Anlauf noch verhandelt wird, ist bereit« imKaiser-Friedrick-Musenm eingetroffen. Vor einer prächtigen oder-italienischen Landschaft lagert die nackte Göttin auf rotem Damast,mit dem Amorknaben liebkosend. Zu Füßen ihres Lagers befindetsich ein Kavalier, ein Hündchen umspielt eS. Das Bild staniml ausTizians reifer Zeit, es ist in schönen warmen Tönen gehalten lindalmet den Geist der vollentwickelten Renaissance: Verherrlichungnackter Schönheit in weicher(nicht mehr plastischer) malerischer Aus-fassung.— AuS dem Universitätsleben. Der Prof. derNationalökonomie Karl Bücher, will im Herbst von seiner Lehr-tätigkeit an der Leipziger Universität zurücktreten. Er ist 1847 gc-boren. Seine statistischen und wirlschastsgeschichllichen Arbeilensichern ihm noch lange Bedeutung. Seine„Entstehung der Volks-wirtSschaft" ist noch immer die beste Einführung in die Wirtschafts-Wissenschaft. In schöner Vielseitigkeil hat Bücher seiner Wissenschaftmanches Neuland erschlossen: in seinen Grundlagen der Unter-suchung über»Arbeit und Rhythmus" hat er uns tiefe Einblicke in dasWeien und die Entstehung der menschlichen Arbeit tun lassen.Sehr beachtet sind auch seine Beiträge zum Buchhandel undZeilungSwesen.— Professor Werner S ombart, der bisher ander Berliner Handelshochschule docierte, aber an der Universitätnicht zugelassen wurde, soll nach der»Voss. Ztg." als NachfolgerAdolf Wagners an der Universität auSeriehen sein. Wir glaubennicht, daß der Kampf zwischen dem modernen FeuilletoniSmuS undder soliden Pedgiuerie schon zugunsten des rrsteren entschieden ist.