gr 156-1916 Ltnterhaltungsblatt öes Vorwärts-i.�W Die golöenen Türme. Da unten am Seeufer war das. wo Wilm fein Panoptikum hatte. t In die kleine Landzunge da vorne, in Sand und Kiefern- kuscheln, hatten die Zwölfzentrimetrigen damals ihren L-Stand versteckt. Und dort war es, wo Wilm Witkop hauste,— breit, ruhig, flachsblond; Wilm Witkop, mit dem ich gute Nachbarschaft hielt lange Zeit. Wieso wir gut Freund geworden waren, Wilm und ich?— Nun, eben so... Wilm war Westfälinger, die anderen von seiner Batterie waren lauter Ostpreußen ; einen.Lands' muß der Mensch aber doch haben im Feld— und so nahm er eben mich dafür. Als Surrogat. Ich war durchaus nicht aus Recklinghausen , aber ich war doch einmal durchgefahren, ich wußte doch wenigstens, wo WilmS Heimat lag,— das war immerhin etwas, nicht wahr? Jeden Nachmittag kam ich damals zu WilmS.'n bißken'raus'. Du lieber Gott: je nachdem wälzt man im Stellungskrieg manch- mal sein Leben wie ein pensionierter Rechnungsrat. Oder wenig- stens wie ein halb zur Disposition gestellter. Der regelmäßige Arbeitsdienst, das regelmäßige Wacheschieben, die regelmäßige Gulaschkanone, der regelmäßige, winzige Nachmittagsspaziergang, das regelmäßige Gerede, wann es Frieden gibt--: Summa Summarum ein wirklich regelmäßiger Stumpffinn..Kampf' in bureaukratischer Puddingform. Trägheit als Pflicht. Geistige Verstopfung als Epidemie. Ereignisse, Unterhaltung, Ziele gab'S nicht,— da freute sich so ein armer Gefangener des StellungS- kriegeS schon, wenn er ab und zu einmal bei Wilm durchs Scherenfernrohr sehen, sich aus der gezwungenen Kloster- enge ein bißchen in die Welt hinaus- und fortgucke» konnte.... »» . Nämlich: im L�tand der Zwölfzentimetrigen war allerhand zu sehen. Aber allemall Wilm hatte seine richtigen Sehens» Würdigkeiten und war stolz auf fie. Er hatte sein.P a n o p» t i k u m', wie er eS am liebsten nannte, in drei Abteilungen geteilt, und wer zu ihm kam, der bekam diese drei Abteilungen in wohlerwogener Reihenfolge vorgeführt. Dann glänzte Wilm in der Sorgfalt eines Regisseurs, in der Betriebsamkeit eines Mehbuden- besitzers; ja, er hatte sich— in Erfüllung des letztgenannten Neben- berufs— schon eine ganz unwestfälische Redefixigkeit angeschafft. .Zuerst— bitte, mein Herr: Äino-Vorstellung. Derneueste Kriegs film.' Wilm drehte das Scherenfernrohr ganz nach rechts, suchte— über den ganzen, weiten See hinweg— das Russenufer..So, bitte sehr..." Gelbbraune Limberge quollen buckelig in« Sehfeld. Weißliche Punkte— so wie die, mit denen Fliegen ein altersbraunes Bild zu verzieren belieben— saßen darauf, nein, bewegten fich schwach... Russen, die hemdärmelig in der dünnen Frühlingssonne schanzten..Au, verdammt,— da läuft einer mitten durchs GlaSI' schrie der Besucher. Und Wilm lächelte, im Stolz über die selbst- verständlich-glänzende Leiswng seines Panoptikums. .Nummer zwei— ebne Nachzahlung, bitte— das Wachs- figurenkabinett...' Wilm visierte mitten auf den mattbehauchten Spiegel des Sees hinaus. Mattes Weiß füllte den runden Ausschnitt. Winzig- dunkle Stäbchen erschienen, zufällig über die milchige Fläche zer- treut... Tote Russen. Ueberbleibsel eines nächtlichen Pattouillen- zefechts auf dem Eis. Die Köpfe gegen daS deutsche Ufer, lagen ie, in Regen und Schmelzwasser und Sonne, bis der See sie chlucken wurde.— Wilm ließ den Besucher sie zählen und fteute ich, wenn es stimmte. Jawohl, elf waren's. „So— und jetzt die dritte Abteilung, wenn ich bitten darf— Abteilung: Geographie und Kunst...' Wilm drehte, der Besucher aaah— te— und Wilm trat beglückt etwas zurück. Tja— das war aber auch wa» Wunderschöne». Wie ein dustiges Märchen schwebte da etwa» in den Bildkrei» und stand. Vom Fernendunst verschleiert blühten da weiße Mauern und Türme, goldene Kuppeln zwiebelten sich zierlich,— nein, wirklich, eS war wunderschön...(Nun ja, Ihr, die Ihr zu Hause in den steinernen Städten sitzt, Ihr wäret vielleicht nicht so aus dem Häuschen geraten; aber wenn man seit einem halben Jahr oder Jahr kein Steinhaus mehr gesehen hat, immer nur die paar trübgrauen, mannshohen Panjebuden....) Ich glaube wirklich, ich werde nie das süße Bildchen vergessen: die schleierzarten, fernen, mädchenweitzen Türme und die golden lächelnden Zwiebeln darauf. Wir waren— meiner Seel'— alle drin verliebt. Und Wilm, als der.Besitzer', natürlich am meisten. «» Später freilich— das mutz noch erzählt werden— ging das Panoptikum doch in Trümmer. Wilm verlor Nummer eins und zwei seines Programms. Der Kriegsfilm lief nicht mehr, seit ein glücklicher Angriff die Fliegentapfen von ihren schönen gelben Hügeln hinunter in den Sumpf geworfen hatte. Und das Wachs- figurenkabinett ersoff sachte, als das Eis in der russischen April- fonne endlich zerging. Aber ich bin sicher: diese beiden Verluste haben Wilm lange nicht so geärgert, lange nicht, als ihn der Tod der Abteilung drei geschmerzt hätte. Denn— oh, sie waren wirk- I i ch etwas so Wunderschönes, jene goldenen Türme... Aber davon könnt Ihr Euch eben schlecht eine Vorstellung machen, Ihr zu Hause, die Ihr die Türme ja haufenweise habt....(z) O. E. kleines Zeuilleton. Neue �orsihungen über öen Ameisenlöwen. Eines der merkwürdigsten Tiere unserer Heimat, der Ameisen- löwe— die Larvenform einer Libellenart— wird gegenwärtig noch immer so betrachtet, wie der größte ältere Jnsektenförscher Deutsch- lands, Rüsel von Rosenhos, es vor 150 Jahren tat. Den»listigen und geschickten Ameisenräuber' Rösels hat nun auch der aus« gezeichnete Freiburger Tierbiologe Prof. Doflein eine Reihe von Jahren hindurch im Freien wie im wissenschaftlichen Laboratorium beobachtet, und dabei ist er zu wichtigen Ergebnissen gelangt, die er in einer schönen Studie unter deni Titel»Der Ameisenlöwe' bei Gustav Fischer in Jena darlegt. Von.List und Geschicklichkeit' ist danach beim Ameisenlöwen nicht die Rede, sondern die Herstellung des Jagdtrichters und das Herabschießen seiner Beute mit Sand- körnchen beruht auf dem sägenartigen Körperbau mit seinen ebenso eigenartigen Reflexen. Wie stellt der Ameisenlöwe diesen Trichter nun her? Anders als man nach der Rvselichen Darstellung annehmen muß, auf der sich noch alle heutigen Darstellungen ausbauen. Zunächst bohrt er sich— auf Grund eines Reflexes— rückwärts ein; sind Rumpf und Hals und meistens auch der größte Teil der beiden vorderen Bein- paare im Sande verschwunden, so beginnt der Kopf auch einzu- tauchen, und sobald sich einige Sandkörner auf der Oberfläche des KopfeS angesammelt haben, führt das Tier eine eigentümliche Be- wegung aus, durch die der Sand emporgeschleudert wird. Diese Be« wegung, eine plötzliche, ruckweise erfolgende Umbiegung des Kopfes, de» Halses und der ersten Rumpfsegmente nach oben und hinten, erfolgt reflektorisch. Auf Grund eines Schleuderreflexes, den Doflein festgestellt hat, schleudert der Ameisenlöwe alle Sandkörnchen hinaus, die allmählich nachstürzen, und so wird der Trichter immer tiefer und größer. Die Kraftleistung des winzigan Tierchens ist nicht unerheblich, denn ein Ameisenlöwe von 10 Millimeter Gesamt- länge, der etwa 22 Mlligramm wiegt, kann Sandkörnchen zwischen 4 und 40 Milligramm ausschleudern. Der gleiche Schleuderreflex ist eS, der zur Erjagung der Beute führt; das Tier schleudert Sand, einerlei, wodurch ein Sandkörnchen ihm auf den Kops ge- warfen wird, ob durch eine Ameise oder ein anderes Insekt, das den Trichterrand betritt, oder durch irgendeinen Zufall. Stürzt das Beutetier nicht gleich bis zum Grunde des Trichters, so streut es bei den Fluchtversuchen dem Ameisenlöwen Sandkörnchen auf den Kops, eS erfolgt erneutes Schleudern und so wird vermöge des Schleuderreflexes das Beutetier schließlich heruntergeschossen. Sobald es den Ameisenlöwen an seinen Freßwerkzeugen berührt, klappen die Mandibeln(Freßzangen) zusammen. Auch dies ist ein Reflex, der.Schnappreflex', wie sich leicht nachweisen läßt, denn die Mandibeln klappen auch dann zusammen, wenn man ihre Jnnerseite mit einer Nadel, einem Stückchen Holz oder einem Faden berührt. Schnappt der Ameisenlöwe mit den Mandibeln um einen Faden zu- sammen, so kann man ihn daran wie an einer Angel herausziehen, Zur tot erklärt. 1] Von Ernst Wichert . I. Auf der Kurischen Nehrung �— Wer von den Lesern kennt die Kurische Nehrung ? AIS man in Deutschland noch von den Eisenbahnen nichts wußte, die jetzt das weite Land mit ihren Netzen überspannen und selbst nach den fernsten Grenzen ihre Doppelsäden ausstrecken, als man in Ostpreußen selbst die Chausseen nur vom Hören- sagen kannte, führte die große Poststraße, welche hauptsächlich den Personen, und Güterverkehr mit Riga und Peters- bürg Vermittelle, über die Kurische Nehrung . Königsberg und Memel waren die Hauptstationsorte dieser belebten und doch so einsamen Straße. Jetzt sind die alten Wagengleise längst vom Flugsande verweht, die struppigen Weidenstämme, welche zu beiden Seiten den Weg über die Sandberge hin bezeich- neten, bis auf geringe Reste ausgestorben und begraben. Kurze Strecken ausgenommen, deren festerer Untergrund bleibendere Eindrücke gestattet, muß jeder folgende Wanderer sich einen neuen Pfad, an der Schälung der See entlang oder durch den tiefen und losen Sand der Dünen, nach dem Haff- ufer hinüber suchen. Aber selten genug sehen die Bewohner der wenigen Ortschaften, welche in meilenweiten Entfer- nungen voneinandr anzutreffen sind, einen Gast, es müßte sich denn einmal ein wißbegieriger Tourist den Strapazen einer so wenig erquicklichen Strandreise aussetzen, um etwa seine geologischen Studien zu vervollständigen, wozu diese eigenartige Wüstenei allerdings reiches Material gibt. Handlungsreisende, die in der freundlichen und bölebten Seestadt Memel ansprechen wollen, treffen im Sommer täg- lich ein Dampsboot, das sie in sechs Stunden über die ganze Lange des Kurischen Haffs trägt. Die frihrt geht meistens ziemlich nahe der Nehrung entlang, deren Konturen sich daher gut beobachten lassen. Das Auge findet wenig Abwechselung. Lichter und lichter wird der schwarze Tannenwald, der in der ersten Stunde die Anhöhen bedeckt und sich bis zum Haff hinabzieht. Dann heben fich die blendendweißen, langge- streckten, kahlen Sandberge höher und höher und scheinen endlos auseinander zu folgen Düne an Düne und kein Leben darauf erkennbar, es müßte denn ein scharfer Nordwest den Flugsand von den Kämmen abwehen und in Staubwirbeln vor(ich hintreiben nach dem Haffufer hinunter, oder bei klarem Wetter der Schatten der vereinzelt am Himmel hin- ziehenden Wolken wie eine dunkle Riesengestalt über die im Sonnenlicht grell leuchtenden weiten Flächen wandern. Nur hin und her machen sich in tieferen Taleinsenkungen oder am Saum des Haffs entlang kleine Weideplätze bemerklich, deren fahles Grün dem geblendeten Auge recht freundlich erscheint. Ein paar kleine und magere Pferde grasen dort, der nächsten Dorfschast gehörig, die mit einigen niedrigen Fffchevhütten, meist von Hol� und ohne Rauchfang, eine Stunde später ficht- bar wird. Tiefe Einsamkeit ist der Charakter der Gegend. Das jenseitige User ist anfangs entfernt, so enffernt, daß der Blick kaum dahin reicht. Aber je weiter wir nordwärts steuern, desto näher tritt es uns. Schon erkennen wir hinter den schwarzbraunen, mit glitzernden Wassergräben durch- zogenen Torfmooren auf den sanft ansteigenden Anhöhen Wälder, Felder, Häusergruppen und Kirchtürme. Gegen die Einöde zur Linken erscheint jene Gegend wie ein ferner Paradiesgarten. Aber die flachshaarigen Fischcrkinder, die sich nahe dem Haffstrande in ihren heimatlichen Sand einge- wühlt haben und aus kleinen Binsenstückchen einen Garten abstecken oder auf einer vom letzten Hochwasser zurückgeblie- benen Pfütze ihre Korkschisfchen schwimmen lassen, sehen nicht sehnsüchfig hinüber. Ihnen ist die Welt auch hier schön. DaS Dorf zieht sich mit seinen zehn oder zwölf einzeln stehenden hölzernen Fischerhäusern lang am Haffstrande hin. Das Stroh der Dächer ist grau und verwittert, stellenweise mit braungrünem Moos bewachsen; die kleinen Fenster mit grünglasigen Scheiben lassen nur spärlich das Sonnenlicht in den inneren Raum. Hin und her beschattet ein Weidenbaum den Haupteingang oder einen kleinen eingehegten Platz seit- wärts. Stangengerüste zum Aushängen� und Trocknen der Netze reichen bis zum Wasser und teilweise in dasselbe hinein. Auch einige Fischkasten schwimmen dort. Hinter den Hütten versucht eine schmale Schonung von niedrigem Ellerngebüsch den Flugsand aufzuhalten. Aber im Norden hat sich bereits eine mächtige, mehr als hundert Fuß hohe Dune weit vor- geschoben und das letzte Haus halb eingesargt. Sie wandert in jedem Jahre weiter und wird nach kaum einem Menschen- alter vielleicht das ganze Dorf bedeckt haben. Es wäre nicht das erste, das auf solche Weise von der Nehrung der- schwunden ist. Das letzte Haus ist halb verschüttet. Es wird nicht mehr bewohnt und hat das Aussehen einer Ruine. Das morsche Dach ist zur Hälfte unter der Last des Sandes eingesunken. die Verbindung der Balken aus der entgegengesetzten Seite stark gelockert. Fenster und Türe zeigen sich mit einigen Brettern verschlagen, die sich aber zum Teil ebenfalls schon wieder von den verrosteten Nägeln losgemacht haben und ihr Spiel im Winde treiben. Warum bricht man das alte un- brauchbare Haus nicht lieber ganz ab und verwendet das Material anderweitig? Vielleicht scheut man sich, der drohen- den Düne den letzten Widerstand aus dem Wege zu räumen; vielleicht hat's damit noch eine andere Bewandtnis. Vor mehreren Jahren war der Sandberg noch ziemlich fern; dieses letzte Haus galt für das sauberste in der ganzen Reihe. Es hatte damals sogar blau gestrichene Fensterläden, und auf dem freien Platz vor der Tür war ein mit langem, rotem Wimpel gezierter Mastbaum in den Boden eingelassen und mit Takelage versehen, als ob er einem kleinen Schiffe angehörte. In dem Hause wohnte der alte Peter Klars und denn er hält außerordentlich fest. Falls er sein Beutetier nicht in der richtigen Lage erfaßt bat, läßt er es zuweilen wieder los. Während es dann aus dem Trichter zu entkommen sucht, wird es durch den Hagel von Sandkörnern, der den ganzen Trichter bc- streicht, wieder heruntergeschossen. DaS Fresse» erfolgt in der Weise, daß der Ameisenlöwe seine Beute.aussaugt'. Doflein hat eine größere Anzahl ausgesaugter Ameisen unleriucht: dabei hat er im Innern ihres Chitinpanzers keine Organe irgendwelcher Art mehr gefunden. Dies legt die Vermutung nahe, daß es sich nicht um ein Aussaugen im eigentlichen Sinne handelt, sondern daß eine Art Vorverdauung außerhalb des Körpers statifindet, ivie man sie beispielsweise von den gefräßigen Larven des Wasserkäfers kennt, die durch ihre Mandibelröhren der Beute einen enzymhattigen Sast einspritzen, der die Gewebe auflöst, so daß alles Nahrhafte schließlich in flüssigein ustande eingesogen werden kann. Was der Ameisenlöwe aus der merse heraussaugt, wird mit geringen Resten seiner Ernährung zu- geführt. Der Magendarmkanal endet nämlich nach hinten blind und erst die ausschlüpfende.Landlibclle', wie Rösel von Rosenhos das fertige Insekt nannte, gibt die unverdauten Reste auf einmal von sich._ Zur Geschichte öer Schulferien. vis weit in das 16. Jahrhundert hinein gab es in den Schulen Ferien der jetzigen Art überhaupt nicht, sondern es wurden nur einzelne Tage freigegeben. Die Festsetzung richtete sich überall nach örtlichen und kirchlichen Interessen. So hatten die Schüler gewöhn- lich frei an den Tagen, während der die Jahrmärkte abgehallen wurden, am Erntedanktag, zu den Kirmesfeiern, die sich gewöhnlich auf drei bis vier Tage ausdehnten und während der Faschings- Vergnügungen. Auch die älteste Schulordnung des Grauen Klosters in Berlin schrieb vor, daß die Schulferien in die Zeit des Jahrmarkts fallen müßten. Eine bestimmte Ferienordnung gab es jedoch nicht, sondern die Festsetzung der freien Tage war ganz dem Ermessen des Schulleiters überlassen. In einer alten Schulordnung deS Gymnasiums zu Nordhausen vom Jahre 1583 hieß es:.Ob man woll den Prae- ceptoribus gerne gönnet, das sie bisweilen ruhe haben und remissiones, muS doch solches auch seine maße haben, damit die knaben nicht vorwcnet oder zu sehr verseumet werden. Demnach sollen alle anderen Ferien, die inen die Collegae gemacht, genplichcn abgeschnitten sein, on allein folgende, welche inen sollen vorgunnet werden, nemlich...' Und nun folgen einige freie Schultagc. Man hielt eine Freizeit für Lehrer und Schüler für so wenig not- wendig, daß sogar noch unter Friedrich II, in Berlin auch an Mitt- woch- und Sonnabendnachmitlagen in den Schulen unterrichtet wurde, wodurch die bekannte Anekdote vom Allen Fritz und den Berliner Rangen, die den König auslachten, weil er nicht wisse, daß am Sonnabendnachmitlag keine Schule sei, in das Gebiet der Fabel verwiesen wird. Eigentliche Sommerserien, schulfreie Zeiten, die nur wegen der sommerlichen Hitze und um Lehrern und Schülern eine längere Erholung zu göniren, eingeführt wurden, scheint es bis zum 17. Jahrhundert überhaupt nicht gegeben zu haben, und eine genauere Ordnung der Schulserieu brachte wohl allgemein erst da? vergangene Jahrhundert._ Nottzea. — Unsere neue Erzählung stammt wieder von Ernst Wichert und spielt wie die im April abgedruckte Novelle.Endrik Kraupatis' in der Nordostecke Preußens. Das Problem— das Wiedererscheinen eines für tot Erklärten und die daraus hervor« gehenden Konflikte— hat heute wieder aktuelle Bedeutung ge- Wonnen. — B o r t r ä g e. In der Urania wird am Donnerstag, den 6. Juli, abends 8 Uhr, Prof. Schwahn einen Vortrag über„Nor- wegen, das Land der Mitternachtssonne' halten(mit sarbigen Licht- bUdern). — K u n st ch r o n i k. In der SommerauSstellung bei Paul Cassirer wurde ein neues Werk von August Gaul , ein in Muschel- kalkstein modellierter Biber, aufgestellt.— Der Charlottenburger Magistrat beschloß die Erwerbung deS von Prof. Schulte im Hof gemalten Porträts des früheren Bürgermeisters Matting. seine Schlviegertochter, die schöne Annika, mit ihrem kleinen Söhnchen. Ihr Mann, der junge Peter Klars, fuhr auf einem Memeler Schiff als Matrose und brachte von Zeit zu Zeit seine Ersparnisse heim, auch wohl hübsche rote Tüchter aus England, mit denen Annika sich gern schmückte, besonders wenn sie mit Fischen zu Markt oder Sonntags einmal nach ihrem litauischen Heimatsdorf übers Haff fuhr. Die Klars konnten in ihrer Art für wohlhabend gelten. Damals war der alte Klars trotz seiner achtnndsechzig Jahre noch rüstig genug, den großen offenen Fischerkahn, auf den er sich bei Abtretung des Häuschens an seinen Sohn ein Mitbenutzungsrecht als Ausgedinge vorbehalten hatte, mit ge- übter Hand durch den Sturm zu steuern, tage- und nächtelang aus offenem Wasser umherzutreiben und die schweren Netze aufzunehmen. Es war ihm lieb gewesen, als sein Sohn nicht lange nach der Hochzeit den Versuch aufgegeben hatte, sich in das Kleinleben eines Nehrunger Fischers wieder hinein- zugewöhnen, und ihm eines Tages, als sie vergebens auf eine gute Brise Wind lauerten, seinen Entschluß kundtat, noch einige Zeit in See zu gehen, da es für sie zwei hier doch nicht genug zu tun gäbe. Er hatte seinen Peter, als er heiratete, unbedenklich schon bei Lebzeiten in sein Erbe eingesetzt, aber da er nun nicht Gebrauch davon machen wollte, kam es dem Alten recht gelegen, wieder die Führung übernehmen zli können und in gewohnter Weise fortzuwirtschaftcn. Freilich nicht ganz in gewohnter Weise; denn die junge Schwieger- tochter blieb ihm im Hause und sorgte für seine Bequemlich- keit viel aufmerksamer, als seine alte Barbe es je verstand, die nun schon lange unter dem Sande schlief. Es wurde ihm noch einmal recht behaglich in der niedrigen Stube mit den braunen Holzwänden und der schweren Balkendecke, wenn er heimkehrte und den Fußboden mit feinem, weißem Sande aus- gestreut und den Tisch sauber gescheuert fand, oder wenn die hübsche Frau abends neben ihm am Spinnrade saß und ihm ein Kapitel aus einer alten Familienbibel vorlas. Er war ordentlich ein wenig verliebt in die hübsche Frau und suchte ihr's an den Augen abzusehen.— Als nun gar einmal, nach- dem er wieder wochenlang mit dem Kahn auswärts gewesen war, zwischen den roten und blauen Astern am Fenster ei» ganz kleines Kindergesicht erschien und mit munteren Augen auf den blanken Wasserspiegel hinaussah, und er vor Freuden wie versteint stehen blieb und gar nicht eintreten konnte, und die junge bleiche Mutter nun bis zur Tür kam, und ihm den prächtigen Buben auf den Arm legte, da war es ihm, als ob er nicht einmal so gerührt gewesen, als seine Frau ihm vor fünfundzwanzig Jahren seinen eigenen Sohn brachte, nach- dem er auf Kindersegen in seiner Ehe schon gar nicht mehr gehofft hatte. Nun betrachtete er sich in allem nur als Ver- walter des jungen Herrn, der natürlich ebenfalls Peter ge- tauff werden mußte, � wie's seit unvordenklicher Zeit in dem letzten Fischerhause immer nur Peter Klars gegeben hatte urtd natürlich in alle Ewigkeit geben sollte.(Forff. folgt.)
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33 (6.7.1916) 156
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