Nr. 162.- 1916. Unterhaltungsblatt des vorwärts Douverstag, 13. Juli. Gustav Zreptag. Zu seinem hundertsten Geburtstage. An diesem 13. Juli jährt sich?ium hundertsten Male der Tag, an dem in einem schlesischen Landstädtchen als Sohn eines Arztes Gustav Freytag geboren tyurde. Die Zahl derer, die ihn feiern als einen der größten Gestalter des vergangenen Jahr- Hunderts, ist nicht gering; die Gemeinde, die seine Werke mit Hin» gebung liest, ist auch heute noch reich an Gliedern. Die Bewunderung, die besonders die bürgerliche Welt Gustav Freytag zollt, ist begreiflich. Aus seinen Werken spricht eine nicht gewöhnliche Fahrigkeit anschaulicher, lebhafter Gestaltung, gute Beobachtungsgabe eim sich in ihnen mit freundlichem Humor. Aber ihr Schöpfer ist kein Himmelsstürmer, ringt nicht mit neuen Welten, scheut hinreißenden Ueberschwang, weit eher Philister als Revolu« tionär. So bleibt er mit seinem Schaffen im Gesichts« und Jnteressenkreis des ruhliebenden Bürgers. Das Nüchterne. Solide, Behagliche, allem Gewalisamen und Ungewöhnlichen Abgeneigte seiner Art weckt hier eben solche Sympathien, wie die bunte Ab« wechselung der Bilder, die er zeichnet, die spannende Folge der Ge- schehnisse, die er zusammenfügt, die Kraft der Kontraste, die er gegeneinanderstellt, wohl den Eindruck hervorrufen können, einen großen Könner, wenn nicht gar Künstler, sprechen zu hören. Nicht zum wenigsten mußten auch die Stoffe, denen er sich zu- wandle, ihm die Zustimmung und dos Interesse eines großen Publi­kums sichern. In dem besten und berühmtesten seiner Romane, in .Soll und Haben ", griff er mit geschickler Hand in den Werktag ehrsamer, rühiger KausmannSarbeit, wie sie die bürgerliche Welt um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als höchste und schönste Verkörperung strebsamen Fleißes und gesunder Kraft sah, schuf ein buntfarbenes Gemälde dieses werktägigen Lebens und Treiben? mit einem Helden inmitten, in dem sich alle bürgerliche» Tugenden sozusagen ein Stelldichein gaben, dazu reizvolle Schlaglichter auf brüchigen Landadel, unehrliches Wuchererrum und nationale Kämpfe im Grenzgebiet... In dem bedeutendsten seiner dramatischen Werke, dem Lustspiel.Die Journalisten", zeichnete Freytag ein Genrebildchen der publizistischen Anfänge jener Zeit mit ein paar Typen kleiner Zeitungsschreiberlein, hier hoch« gesinnt und wagelustig, dort von jener zweifelhaften Art. für die das Geschöslchen alles ist, ohne doch die Gegensätze wuchtig auf- einander prallen zu lassen, eine Welt, so harmlos und so kom- promisselnd, daß der Leser über ihre Schwächen lächelt, aber keinen Stachel in sich zurückbehält.... In seinen �Bildern auS der deutschen Vergangenheit", dem wertvollsten seiner kulturgeschichtlichen Werke, gab Gustav Freylag seinen Lesern endlich eine Fülle von Stimmen aus verflossenen Jahrhunderten, wirkungsvoll zu neuem Leben erweckt, eine Sinfonie zum Preise deutscher Kraft und Art, wie sie den deutschen Patrioten wohl mit Stolz erfüllen konnte. Die Zeit hat den Glanz seiner Werke stark verblassen lasten. Und vollends die Arbeiterschaft wird nicht immer fassen können, was ihnen für so viele ihre hohe Bedeutung gab und heute noch gibt. Wenn Gustav Freytag es sich in.Soll und Haben" zu seiner Auf- gäbe setzte, das.Volk bei feiner Arbeit" aufzusuchen, so rst heute jene Welt der Arbeit, die er zeichnet, längst dahin: der ehrsame Kleinbürger von ehedem hat sein Geschäft abgegeben an die A.-G. mit Direktoren und AufsichtSräten, und alle Gegensätze, die Gustav Freytag sah, treten weil zurück hinler dem einen, den er noch gar nicht kennt, dem zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Unternehmertum und Proletariat. Die Publizistik, die Gustav Frey- tag in seinem.Journalisten" auf die Bühne brachte, hat gleicher- maßen längst einer anderen Platz gemacht: auch hier herrscht heute der Großbetrieb, neue Probleme, neue Entwicklungen rufen nach der Geißel rücksichtsloser Satire und sträuben sich gegen jenen harmlos- liebenswürdigen Scherz, der in den �Journalisten" Freytags seine versöhnende Sprache führt. Der bürgerliche Stolz, die hausbackene Tugend, die diesem bürgerlichen Sinn als Ideal vorschwebt, seine Beschränkung auf das Enge, sein Zurückschrecken vor den letzten Kon- fequenzen, das alles läßt uns mit eiuer gewissen Kühl« zu Gustav Freytags Werken Stellung nehmen. Doch darf es nicht hindern, daß auch wir das anerkennen, was Gustav Freytag an Tüchtigem und Beachtenswertem leistete. Die Anichaulichkeit seiner Darstellung, der Reiz, der dem technisch sehr geschickten Aufbau seiner Arbeiten entspricht, die Ehrlichkeit und die Liebenswürdigkert, die sie auszeichnet, daS alles hebt sein Werk über den Durchschnitt des literarischen Schaffens; und die iultur- geschichtlichen Forschungen, dje neben den.Bildern au« der deutschen Vergangenheit" auch die Romanreihe.Die Ahnen" geboren haben, behalten ihren Wert, auch wenn man die Geschichte ganz anders sieht als Gustav Freytag . Auch wir wollen nicht verkennen, daß in ollen Werken, die er schuf, fleißige Arbeit und technisches Können steckt, mag uns ihr Schöpfer gleich nicht als überragender Geist und nicht als Künstler in des Wortes eigentlicher Bedeutung er« scheinen. Die Werke spiegeln den Menschen. Aufrecht schritt er durchs Leben, immer voll Jntereste für seine Gegenwart, ihre kulturellen und politischen Bestrebungen, ohne doch ein Wegebahner zu werden und über ein.gemäßigt liberal" hinauszukommen, voller Hingabe an seine wissenschaftliche Arbeit, ohne doch ein Grübler und Stuben« Hocker zu sein. Als er in jungen Jahren an der Breslauer Universität dozierte und mit einem Jugendwerk.Der Ge- lehrte" das Mißfallen der hohen Behörden erregte, da opferte er lieber feine akademische Laufbahn, als daß er sich geduckt hätte. Aber es war nicht seine Art, sich jetzt als Märtyrer zu fühlen, noch auch, frei geworden, den Kampf mit seinen Wider« sachern fortzuführen Auch die politische Verfolgung, die ihm einige Jahre später wegen einer unvorsichtigen Zeitungsnotiz durch die preußische Reaktion drohte, der er nur durch ein entschlosteneS Ein- greifen des Herzogs von Gotha entging, entflammte ihn nicht zum rücksichtslosen Kämpfer für die Freiheit. Mit Julian Schmidt seit 1848 Leiter der angesehenen.Grenzboten", von 1867 bis 1876 auch Vertreter Erfurts im Parlament des Norddeutschen Bundes , begnügte er sich, eine maßvoll liberale Politik zu unterstützen. Er hielt sich frei von manchen liberalen Schwärmereien und trat gewissen Jllu- sionen, die sich um die Gestalt des unglücklichen Kaisers Friedrich spönnen, in einer Schrift entgegen, die seinen nahen Beziehungen zu diesem Fürsten entsprungen war und manche Erörterungen hervor- rief. Aber er nahm es auch wieder ernster mit seinem Libe- ralismus als mancher andere. Als sein Freund, der Herzog von Gotha , ihm gelegentlich einen Orden zugedacht hatte, ichrieb er ihm zurück:.Ihren Orden teilen Sie manchem zu. den ich gering achte, und Sie wisten recht gut. daß eS für mich nicht die höchste Ehre ist. mit dem Schelm T oder dem Gründer D die Auszeichnung zu teilen." Und als ihm zu seinem 76. Geburtstag er erreichte ein Alter von fast 86 Jahren der Adel verlieben werden sollte, lehnte er gleichfalls ab: der Adel würde seinen Ruf nicht besiern; und auch sein Sohn solle bleiben,.was sein Vater war, ohne die erbliche Trennung vom Volke: bürgerlich." So steht Gustav Freytag vor uns als eine achtunggebietende Persönlichkeit, die wir ehren können, auch wenn er, wie sein Werk, in einem Boden wurzelt, der nicht der unserige ist. 17. kleines Feuilleton. Der Aussatz öer Ruinen. In der Tozpjouser.Depiche" schreibt Jean Renaud:.Nach« dem ich von Ruine zu Ruine gesprungen, um die Kirche gebogen und beim Hospital herumgeirrt war, kam ich in den Bezirk der Lebenden dorthin,»o die Genesenden umherwandelnd ihre Beine nachschleppen und die Züge jener vorbeimarschieren, die der dort am Horizont heulenden Schlacht entgegengehen. Und plötzlich, ohne Uebergang, befand ich mich zwischen restaurierten Häusern, die sich aus den Trümmerhaufen erhoben und über deren Türen die Wirts- hauszeichen schwankten. Hier, auf dieser Seit«, gibt es nichts anderes. Schamlos an die halb auseinandergeborstenen Mauern geklammert, nichts als Hütyen, wo man trinkt und im Getümmel mit vollen Händen plündernd aus der Geldtasche von Leuten schöpft, die nicht rechnen, weil sie ent- weder dem Tod entgegengehen oder ihm entgangen sind und darum auf das Geld pfeifen. Wer hundert- und tausendmal ziehe ich die Bilder der Verzweiflung, die ich gestern gesehen habe, vor die Traurigkeit der sterbenden menschlichen Wohnstätten in den ver- kohlenden Häusern. Denn dort fehlte die Band«, deren bloße Gegenwart schon beschmutzt, der Auswurf, der Aasgeiern und Kara« wanenplündererq gleicht: die.mercrnti. Sie haben sich dort eingenistet, wo sie sich unentbehrlich fühlen und sich den Anschein der Dienstfertigkeit geben konnten, indem sie Eltern, die zum Bett des verwundeten Sohne? oder zum Grabe des Wien kamen,«in Obdach gaben und dem Soldaten, dem eS mitunter am Nötigsten mangelt, unter die Arme griffen. Ich habe sie da und dort gesehen, in anderen Städten und zwischen den verstreuten Ruinen an der Front, wo sie, gleich Tieren niedergeduckt, dem Soldaten entgegenlauern, der bei ihnen eintritt, um da» Vergnügen, zu kaufen, teuer zu bezahlen. Sie haben die Gesichter von Menschen, und man möchte sie auf den ersten Blick für Franzose« halten. Manche von ihnen haben die versprechenden und salbungsvollen Gebärden von Händlern, die mit zweideutigen Photographien hausieren. Ihr Tonfall ist tränen« schwer wie der von Leuten, die der Krieg niederdrückt und die sich ohne die Genugtuung des Verstandenwerdens aufopfern. Andere sind dreister in ihrem Auftreten. Diese fühlen sich schon stark, weil sich im Hintevladen Geldscheine und Bargeld aufhäufen, wie sie es in den schönsten Tagen ihres Lebensvor dem verfluchten Krieg" nie erträumt haben. Dann werden sie hart und unverschämt gegen den armen Teufel von Soldaten, der sich erst empören möchte, aber schließlich mit hinaufgezogenen Schultern davongeht, voll Wut und Staunen über den Preis, den er sich seine Laune hat kosten lassen und über die Art, wie er aufgenommen worden ist. Die Salbigen und die Brutalen sie sind die Sippe, die man den Aussatz der Front" nennt;mercanti", Schacherer, Piraten wäre zu wenig.Aussatz " ja, das stimmt.... Sehen Sie," sagte ein Soldat zu mir.Wir können nichts gegen sie machen, und vielleicht kann es keiner. Indes gebe es doch ein Mittel: man müßte, ohne zu schießen, eineTaube" herkommen und wieber fortfliegen lassen, die ihnen ihre Bomben auf den Schädel besorgte."..._(z) Luft gegen Sranöung. Heber einen eigenartigen Wellenbrecher berichtetThe Engineer". Durch eine auf dem Meeresgrund bis außerhalb der Brandung ver« legte Rohrleitung wird einem Siebrohr Luft zugeführt, wobei die aufsteigenden Lustblasen durch ihre Elastizität die Fortpflanzung der Wellenbewegung hindern sollen. Auf diese Weise wurde in El Se« gundo in Kalifornien ein Bollwerk der Standard Oil Company ge- schützt, nachdem mehrfache Sturmverheerungen schon beinahe zur Preisgabe der dortigen Landungsplätze gezwungen hatten. Die Er« zeugung der erforderlichen Druckluft kostete während eines 23stündigen Sturmes, der andernfalls voraussichtlich das Bollwerk zerstört hätte, nur rund 56 M. Das Verfahren erscheint besonders dann empfehlenswert, wenn eS sich um den vorübergehenden Schutz von Uferstrecken handelt, etwa während des Baues dauernder Ufer- befestigungeu, Pfeilergründungen, beim Bergen von gestrandeten Schiffen und dergleichen._ Rottze». Goethe in England. Die berühmte englische 'Dores Preß" kündigt das Erscheinen eines Luxusdruckes an; er wirdAus- erlesene Lieder, Gedichte und Balladen" von Goethe entHallen und zwar in deutscher Sprache. Diese Tatsache nimmt eine viel abgedruckte Korrespondenz zum Anlaß eines giftigen Ausfalls gegen England. Sie erscheint ihr hinreichend zum Beweise, daß man nur in Deutschland auf Absatz rechne:.Denn welcher»Gentle« man" wird jetzt ein Werl von Goethe kaufen, noch dazu in der Barbarensprache?" heißt es. Das.Wie" des angeblich beabsichtigten Absatzes in Deutschland macht dem Schreiber keine Sorge, lind wenn gleichzeitig Eugen Diederichs in Jena eine Prachtausgabe des .Hamlet" im englischen Originaltext herausbringt, so steht bei ihr natürlich fest, daß nur die Deutschen Käufer sein werden. Statt an der englischen Goeihe-Ausgabe zu lernen, daß es auch jensens des Kanals ruhig denkende, um wahre Kultur bemühte Kreiie gibt, benutzt man ihr Erscheinen unter Zuhilfenahme einer plumpen Ver« dächtigung als neuen.Beweis" niedriger Gesinnung. Em typisches Beispiel, wie gewissen Leuten alle Dinge zum.besten" dienen müssen l Teueres.Altpapier". Bei einer Versteigerung einer großen Sammlung wurde kürzlich in London für ein dünnes Hestchen von vierzig Blättern, eine.Kurze Geschichte des Krieges gegen die Indianer", gedruckt in Boston 1673, ein Preis von 8666 M. bezahlt. Eine andere Flugschrift zur Geschichte der Jndianerkriege gus dem Jahre 1714 brachte es aus 5366 M. Der bisherige Eigen- tümer hatte vor einigen Jahrzehnten dafür 466 beziehungsweise 26 M. bezahlt. Gasangriffe find keine Erfindung diese» Krieges. Die amerikanischen Plantagenbesitzer bedienten sich ihrer schon früher, und die kalifornischen Landwirte bekommen neuerdings sogar das Material für ihre Gaskämpfe von der Regierung geliefert. Diese amerikanischen Gasangriffe richteten und richten sich freilich nur gegen da» den Pflanzungen schädliche Ungeziefer. Das dabei benutzte GaS wird erzeugt, indem man Tabletten aus Sodiumzyanid in Schwefelsäure auflöst. Schon ganz kleine Mengen genügen, um außerordentliche Wirkungen hervorzurufen. Besonders sollen die Gase Verwendung finden im Kampf gegen die gewaltigen Heu- schreckenschwärme, deren Gefräßigkeit in südlichen Ländern mitunter die Ernte weiter Gebiete zum Opfer fällt. Aus solchem Gebrauch der giftigen Gase erwachsen der Kultur sicher mehr Vorteile als aus den Gaskämpfen dieses Krieges. Zur tot erklärt. Von Ernst Wichert . 7] Die Augm wurden ihr sofort wieder naß und ein paar große Tranen perlten herunter; aber sie ließ ihm ihre Hand und hielt sich ruhig. Warum bist Du auf einmal so verändert?" fuhr er fort. Wir sind ja doch einig darüber gewesen, daß ich zur See fahren sollte, solange mein Vater noch der Fischerei vorstehen kann. Habe ich denn nun etwas anderes gewollt? Wenn man Dich sieht, muß man glauben, daß ich Dich schwer ge» kränkt habe und etwas Unbilliges von Dir verlange. Und doch will ich nur auf meinem Wege weitergehen, den Du selbst gutgeheißen hast. Was hast Du gegen mich?" Das war früher," antwortete sie weinerlich;da waren wir noch allein. Glaube mir nur, es hat mir im stillen Sorge genug gemacht, wenn es draußen über die Seeberge stürmte, daß unser kleines Haus zitterte, und ich Dich auf der grau» sigen See wußte; wenn ich Dich verloren hätte, was wäre aus mir geworden? Aber was lag auch viel an mir? Nun freilich ist's anders. Du hast ein Kind, an das Du denken sollst. Wenn Du dem den Vater nimmst, so ist'S eine schwere Sünde, die Du gar nicht verantworten kannst, Peter." Ter Seemann hob tief bewegt den Knaben von ihrem Schoß und drückte ihn cm sich.Ich habe den Hungen so lieb wie Du." sagte er.und ich denke gerade an ihn, wenn ich nicht zu Hause bleiben und faulenzen will, sondern für ihn arbeite, damit er's einmal im Leben nicht schwer hat. Was wir bisher erspart haben, reicht nicht weit und geht leicht wieder drauf, wenn's nicht vermehrt wird. Ich bin doch nun einmal ein Fischer und kein Landmann, muß mich dem Wasser vertrauen und mein Leben in Gottes Hand stellen. Viele tausend Männer gehen jährlich zu Schiff, die Frau und Kind zu Hause lassen müssen, Senn es ist einmql ihr Lebensepvwrb» und ein ehrerüvertet GtzVerb. Lieben sie alle die Ihrigen nicht, wie sie sollten? Das hast Tu Dir nicht gut überlegt, Annika. Auf der ganzen Welt ist nichts, was ich lieber hätte, als Euch beide! Wenn Du daran zweifeln kannst, so hast Du kein gutes Herz. Ich weiß, daß Du mich nicht vergessen kannst, auch wenn ich fern bin' und Du sollst auch von mir glauben, daß sich bei mir nichts ändert, wenn ich Euch verlasse, um desto besser für Euch zu sorgen." Er küßte den Knaben und sah sie so treuherzig und bittend an, daß sie nicht länger widerstehen konnte.Ich glaub's auch," sagte sie und drückte seine Hand;aber wir könnten nun so schön zusammen leben und unser Glück mit- einander genießen. Gehst Du zur See, so ist wieder alles ge- stört, und wir können unseres Lebens nicht froh werden." Aber nach einigen Jahren um so besser," fiel er lebhaft ein.Wenn diese Entbehrungen hinter uns sind, wenn wir nicht mehr ängstlich und mühselig für unser tägliches Brot zu sorgen haben, dann wird die Frende um so größer sein. Ich habe mir's nun einmal zugeschworen schon da- mals, als ich Dir sagte, daß auch der reiche Konrad Hilgruber ein Auge auf Dich habe, und Du doch dem armen Nehrunger Fischer die Hand reichtest ich habe mir's zugeschworen, daß ich Dir auch ein hübsche? Haus und einen grünen Garten schaffen will. Und nun kommt noch unser Peter dazu; der darf hier auf der Nehrung nicht bleiben. Soll der arme Junge auch, wie ich einmal, meilenweit laufen müssen, um die Schule zu besuchen, wa doch wenig genug zu erlernen ist? Drüben zum Präzentor muß er, wie der Konrad, und viel- leicht gar nach der Stadt, wenn er größer geworden ist. Wenn man in die Welt hinauskommt, wie ich, merkt man erst, was das für einen Unterschied macht, ob einer etwa» gelernt hat oder nicht. Der Klars könnte einen guten Steuermann ab- geben, hat mein Kapitän oft genug gesagt, wenn er nur eine bessere Schule gehabt hätte! Siehst Du, das kränkt einen; und wenn man ein Kind hat, so will man doch nicht, daß es ihm ebenso gehe. Da muß man sich'» nicht sauer werden lassen als Vater oder Mutter, und nicht fragen, wa» am an- genehmsten, sondern wa» am nützlichsten ist. Und darum bitte ich Dich, Annika, sei freundlich, wenn ich tue, was ich muß." Sie stand auf, legte die Hände auf seine Schultern und gab ihm einen herzlichen Kuß. Dann nahm sie ihm das Kind ab, drückte sein Köpfchen an ihr Gesicht, um ihre.Rüwning Picherbergen, und ging in die Stube wiegend und ein Schlaf- Ii® smume�d auf und ab...- Peter Klars erwarte keine Antwort; er KuPe, daß sie nun wieder ganz ausgesöhnt waren und baß er Freiheit hätte, zu handeln. Er übereilte seine Abreise nicht; aber als er dann nach einigen Wochen, als das Haff eisfrei geworden war, erklärte, nach der Seestadt fahren zu wollen, gab sie ihm dafür auch den Wunsch auf den Weg, daß er ein gutes Schiff und einen freundlichen Kapitän finden möchte. Der eigentliche Abschted freMch, als er schon nach wenigen Tagen zurückkam und die Nachricht brachte, daß er durch Ver- günstigung eines bekannten Reeders auf dessen ganz neuer, aber bereits segelfertiger Barke als Matrose für eine weite Reise angenommen worden sei. war noch schwer genug. Annika bestand darauf, ihn diesmal bis zur Stadt zu begleiten, so viel auch ihr Mann abredete. Sie war gegen alle Gründe taub und hatte immer nur die eine Antwort:Aufs Schiff kann ich Dir nicht folgen, aber von hier bis dahin ist noch ein Tag, und an dem soll unser Peter seinen Vater nicht missen!" So machte sich denn eines Morgens frühe die ganze Familie aus dem kleinen Fischerhause auf den Weg. Der alte Klars hatte das große Boot neu gestrichen und mit einem neuen Wimpel versehen, so daß es recht stattlich aussah und auch von der ganzen am Haffufer versammelten Dorfschaft ge- bührend bewundert wurde. Da gab es ein Händedrücken und Glückwünschen von allen Seiten. Der greise Hans Niels konnte mit der ganzen Begebenheit nicht recht fertig werden, ließ sich hundertmal wiederholen, daß der Peter Klars zur See gehe, erinnerte sich nun, gehört zu haben, daß er heiraten wolle, und ermahnte ihn mit zitternder Stimme nachdrücklich, nicht das Nachhausekommen zu vergessen, damit seine Braut kein Herzeleid habe.Das ist ja meine Frau, Großpapa Niels," lachte der Seemann ,mit ihrem Jungen dazu." Die blöden Augen des Alten suchten vergebens im Kreise herum, während er die linke Hand wie ein Hörrohr ums Ohr legte und sich an seinem Stabe zu Klars überbeugte.Ja, ja, jung." sagte er sonst lächelnd,sie ist noch sehr jung und kann ein paar Jahre warten, aber mach's nicht zu lange, mein Sohn nicht zu lange, sonst kann der alte Hans Niels nicht mehr zu Deiner Hochzeit." Darüber gab's ein Lachen und Kichern unter Männer und Frauen, und der Alte lachte herz- lich mit, als ob er wüßte, warum. Großvater Klars stand schon mit seinen hohen, blankgetranten Wasserstiefeln am Boot, das nicht bis dicht ans Land gebracht werden konnte, und mabnte zur Eile. Und nun hob der Matrose sein schönes Weib mitsamt dem Knaben hoch auf den Arm, trug sie kräftig und Wer durchs Wasser pmd setzte sie unter dem Hrrarufen des LMchens ans die Maswank ab um einem herzhaften Kuß natürlich, der bis ans Ufer hin schallte. Der alte Klars gab dem Fahrzeug eine Wendung mit der Spitze ins offene Haff hinaus, und dann einen Stoß vorwärts, sprang hinten hinein, ergriff den Bootshaken und schob mit ihm den Kahn weiter. Nach wenigen Minuten legte sich schon der Wind hinein und fort ging es nach Norden, daß das Wasser am Vordersteven rauschte und die Wellen überspritzten. (Forts, folgt.)