Nr. 165.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Abschied.

Schatten fielen über die Wege wie breite Schwerter, tief stöhnte der Wald,

die glänzenden Sonnenlichter war'n plöglich verschwunden wie von überraschenden Feinden hinweggeknallt. Aus einem kleinen Haus, das wie ein Nest unterm Walde hing, kam feldmarschmäßig bepackt ein ernster Soldat, sah über das Meer der Felder, die unter'm Winde bebten, sah über die Grenzen der Berge hinaus und wußte plöglich

über die schimmernde Saat,

dort hinten, wo das dunkle Gewölk den blauen Himmel zerbrach,

die ungeheuren Städte in Schatten ertrinken, die Hinterhäuser von Menschen wimmelnd bis unter's Dach, von Menschen, die Sehnsucht haben nach grünen Wäldern und Bergluft, die täglich die schweißigen Mauern bestiern, von Kindern, die überall auf der Erde   Geschwister haben und oft gefchlagen werden und hungern und friern, wußte, daß irgendwo jetzt ein Soldat seine Braut zum letzten

Male auf beide Augen füßt,

daß ein junger Freiwilliger seine Verwegenheit mit un­erträglicher Blindheit büßt,

wußte heulende Kanonaden über brandroten Städten, Schreck und Schrei unter berstender Luft,

wußte die Stimme der wahnsinnigen Frau im Keller, die wimmernd nach ihrem gefallenen Kinde ruft.

Und er wollte sich über die Berge recken, ein riesengroßes Panier, ein Turm,

wollte mit einer Stimme, die Dzeane überrollend, von allen Bergen der Erde widerhallend, mit einer Stimme wie Sturm,

über die blutgetränkten Länder und Meere und Inseln und Städte rufen den göttlichen Brudergruß,

der in allen Herzen einmal wie jüngstes Gericht, wie ewiger Frieden aufflammen muß.

Und legte, versunkenen Blicks, auf das lockige Haupt seines Kindes zum Abschied die schwielige Hand, und fühlte sich glücklich in diesem Augenblick wie ein Säer, Samen streuend in köstliches Saatland.

Sprach leise: Aus unserer elenden Nacktheit, Tierheit schimmert der göttliche Funken ewig in unserer Brust, von dem einst Christus und jeder Soldat, jeder Bettler und jede verlassene Dirne gewußt;

wir dürfen ihn nicht verleugnen, wir müssen ihn fühlen und tragen als Licht in unserer furchtbaren Nacht, als Altar, vor dem unsere Seele fniet, als Wächter, der über unsere mordgierigen Hände wacht, wir müssen ihn uns flammend entgegenhalten, Wahrzeichen unserer göttlichen Herkunft, Brudergruß, Geist vom Geist, der uns nachts auf unsere armen Siniee und uns alle, Brüder, zusammenreißt!

Er nahm sein Kind auf den Arm und hob es zum Himmel wie seiner Seele heißes Gebet,

das unschuldige Kind, das jeder einmal war, das auch in keinem der Schiffe verfentt und Gräben zersprengt, jemals bergeht!

Und füßte es auf die reine Stirn und füßte die Mutter, die neben ihm stand,

und von Mutter und Kind ging es wie ein breiter Lichtstrom hinaus ins dunkelnde Land.. Hans Gathmann.

Atos Glück.

Nach dem Holländischen des Otto 8eegers.

< Schluß.)

( z)

Es war weit außerhalb der Stadt. In einem der neuesten und vornehmsten Viertel. Die Straße hatte einen ganz fremden Namen, von dem er noch niemals gehört hatte. Aber ein Briefträger hatte ihm erklärt, wo sie wäre. Und jezt würde er sie wohl so finden.

10]

Für tot erklärt.

Von Ernst Wichert  .

Der nächste Sommer stellte ihn wieder einigermaßen her. Da die alte Lene, eine Ausgedingerin, sich gegen geringe Ber­gütung für ihren Ausfall am Spinnverdienst des kleinen Beter annahm, so begleitete die Fischersfrau den Alten auf seinen Haffahrten und suchte ihm die Arbeit möglichst zu er­leichtern. Aber sie selbst war viel zu zart gebaut und zu wenig an die Strapazen des Fischerlebens gewöhnt, um aus­reichende Dienste leisten zu können. Es blieb ein gequältes Dasein ohne entsprechenden Erfolg; die früheren Ersparnisse mußten schon angegriffen werden, wovon freilich der Alte nichts wissen durfte.

Und dann kam noch ein Herbst mit seinen Nordwest­stürmen und Regengüssen und noch ein langer Winter mit seinen eisigen Nebeln und Schneetreiben. Vater Klars war an das Bett gefesselt und konnte sich kaum rühren. Oft über­fam ihn der Krampfhusten so stark, daß er mehrere Minuten ganz weg blieb und Annika schon fürchtete, sein Ende sei ge­fommen. Sie scheute den meilenweiten Gang über das ge­frorene Haff nicht, um ihm aus der Apotheke des Marktortes Tee mitzubringen, aber er hatte nur geringe Erleichterung davon. Als die Krankheit sich zusehends verschlimmerte, suchte sie auch den Arzt auf, der ein Rezept verschrieb. Das Tränk­chen schmeckte dem Alten so gut, daß er es nicht nach Verord­nung löffelweise nahm, sondern auf einen Zug austrank. Annika ließ es so oft als möglich neu bereiten; er war findisch geworden und dachte nicht mehr an die Kosten, die er ver­ursachte.

In dem unablässig niederrauschenden Regen eilte er dahin. Den Brief des Vorstehers hatte er rasch besorgt. Das war mitten in der Altstadt. Wenn er jetzt immer die Gracht hinunter lief und dann unter dem Reichsmuseum durch und dann nur immer gradeaus, immer gradeaus, hatte der Postbote gesagt...

Das Wasser lief ihm mit einem kleinen Strahl von der Mütze. Sein Anzug war wie mit Silberperlen bedeckt durch die Nässe, die immer dichter um ihn niederging.

Und er spann seine Gedanken:

-

-

Dreitausend Gulden. Was würde der Herr wohl sagen! was würde der froh sein, wenn er es ihm jest zurückbrachte! Viel­Was würde der in Angst gesessen baben wegen des Geldes! Und leicht hatte er es schon angezeigt bei der Polizei. Er müßte so was nie behalten, hatte Vater so oft gefagt. Es käme immer heraus früher oder später. Und ehrlich währt am längsten. Was würde er nun wohl kriegen? Er las es so oft in der Zeitung: Verloren, das oder das. Gegen hohe Belohnung ab­zugeben da oder da. Und dann war es noch immer nur eine Uhr oder eine Brosche gewesen. Und hier- hier waren es dreitausend hundert Gulden? Bilde Dir so was ein! Hundert Gulden! War ... dreitausend Gulden. Da würde er doch sicher wohl er verrückt? Sie würden ihm da so hundert Gulden geben, bloß weil er von Hauptbahnhof bis in dieſes neue Biertel

...

Noch keine fünfzig natürlich. Nein, fünfzig würden auch noch zu viel sein.... Oder nicht?

Wenn er jegt dreitausend Gulden, dreitausend Gulden ver­loren hätte und auf einmal wieder zurückkriegte, ohne einen Pfennig Verlust... Waren dann fünfzig Gulden Belohnung... Abwarten! Wo war er denn jetzt?

auch schon so ein unbekannter Name. Aber wenn er richtig gehört Beim Licht einer Bogenlampe las er ein Namensschild. Es war hatte, dann hatte der Briefträger diesen Namen genannt, und er mußte jetzt dicht bei seiner Adresse sein.

Er lief voran.

Und ein Stück weiter... ja, da hatte er den Namen, hier mußte es sein, Nummer zehn.

Nun zauderte er vor der Pracht des Hauses. Es war ein schönes Gitter um einen großen Garten, und dort hinten drin sah

er eine Villa, eine Villa mit Eingängen

-

D, was fühlte er sich klein und ängstlich bedrückt... Aber er überwand feine Schüchternheit, und wiewohl noch zögernd und scheu- betrat er den Garten.

Er erschrak vor dem schrillen Geläut der elektrischen Glocke, als ob er eine Freveltat begangen hätte, indem er seinen Finger auf den Knopf der Klingel drückte, auf dem er in kleinen Buchstaben ge­lesen hatte: Drücken! Plötzlich wurde Licht im Hause.

Und er sah in eine große, prächtige Vorhalle mit dicken Läufern und Teppichen und herrlichen Gewächsen und schönen Möbeln und bronzenen Statuen..

Das Dienstmädchen öffnete.

Na, Junge?"

" Empfehlung von der Afo, und Sie möchten doch dies Ding dem Herrn geben und den Herrn fragen, ob er das nicht verloren hätte, und ob ich vielleicht solange warten soll..." haspelte er seine unterwegs gelernte Bestellung herunter.

Das Mädchen ging die Treppe hinauf.

Jacke flopfte.

Der Ako" stand auf der Türmatte, die naffe Müße in der Hand. Er hörte, wie sein Herz mit heftigen Schlägen unter seiner Mit offenem Munde starrte er nach einer großen Standuhr, auf der ein Mond freundlich lächelnd Ausquc hielt über Schiffe, die auf dunkelgrünen Bogen tanzten. Und plöglich begann die Uhr zu schlagen. So füß... so füß...

Da tam das Mädchen wieder.

Und nun war es, als ob er schwindlig würde.

Denn nun tam es. Vielleicht mußte er nach oben kommen. Und wie sollte er sich dann verhalten? Oder vielleicht gab das mädchen ihm jezt fünf- zig. fünf- und- zwanzig zehn.. Der Herr läßt danken. Es ist in Ordnung. Und dies für Deine Mühe."

Damit schob sie ihn hinaus und drückte etwas in seine Hand. Ato wagte nicht zu sehen.

Er fühlte etwas Kaltes, etwas Hartes, etwas kleines. Endlich, draußen vor dem Gitter, beim Schein einer großen Bogenlampe, öffnete er seine Hand und

..

Zwei große, dide Tränen sprangen ihm jah in die Augen und mengten sich mit dem Regen, der aus seinen Haaren troff... Er hatte einen Fünfziger.

( Uebersetzt von S. Nestriepke.)

Du Dich an mich wenden würdest, Annika; denn ich höre, daß es Euch schlecht geht. Aufdringen habe ich mich nicht wollen." Sie sah eine Weile schweigend vor sich hin; ihre bleichen Wangen röteten sich wieder ein wenig. Ich weiß, daß Sie gut sind," antwortete sie endlich beklommen, aber wir haben noch, was wir brauchen. Ich danke Ihnen."

Du sagst mir nicht die Wahrheit, Annika," wendete er ein. Dein Vater hat so wenig Fische zu Markt gebracht, daß hr von der Einnahme nicht leben könnt. Auch weiß ich, daß Du schon Sachen im Dorfe verkauft hast, die Dir sonst lieb waren. Warum gehst Du an mir vorbei?"

Sie wischte mit dem Rücken der Hand ein paar Tränen fort, die sich ihr aus den Augen stahlen, und kehrte das Ge­ficht von ihm ab. Ich will feinem Menschen beschwerlich fallen," sagte sie leise, und Ihnen am wenigsten."

"

Warum mir am wenigsten?" fragte er schnell. Da sie schwieg, legte er seine Hand auf ihre Schulter und wiederholte nochmals mild und freundlich seine Frage: Warum mir am wenigsten, Annika?"

Weil ich weiß, daß Sie mir nichts abschlagen würden," gab sie zur Antwort, und daß ich Ihnen feine Vergütung anbieten könnte; wir sind noch nicht Bettler."

"

,, Aber wenn Ihr zu stolz seid, von Euren Freunden Silfe anzunehmen, fönnt Ihr's werden," sagte er ernst. Es würde mir eine Freude sein, Dir von meinem Ueberfluß mit­teilen zu können. Sage mir aufrichtig, brauchst Du Geld?" - Sie schüttelte den Kopf.

-

Du sollst es nicht geschenkt nehmen. Ich will Dir's dar­leihen bis auf bessere Zeiten, und Du magst mir als Zinsen hin und her ein Gericht Fische bringen."

Es kommen keine besseren Zeiten," erwiderte sie, und Endlich stellte sich in einer Nacht eine völlige Lähmung ich leihe nicht, wenn ich nicht zurüdzahlen kann." der einen Seite ein. In ihrer Angst machte sich die Fischers- Er zog sie ein wenig zu sich herum und faßte ihre Hand. frau wieder auf den Weg, verirrte sich aber im Nebel und Kann ich Dir denn gar keine Gefälligkeit erweisen?" fragte fam ganz erschöpft drüben im Dorfe an, daß sie auf der er eindringlich. Sieh, es wäre mir eine rechte Freude, Dir Straße niedersank und von mitleidigen Menschen nach dem mit irgend etwas dienen zu können." Kruge   geschafft werden mußte, den sie sonst stets gemieden Sie besann sich und lächelte verschämt. Ich möchte schon hatte. Konrad Hilgruber, der jetzt die äußere Wirtschaft etwas bitten," sagte sie zögernd und ein wenig die Augen zu führte, nahm sich ihrer freundlich an und sorgte dafür, daß ihm aufschlagend. Aber Sie müssen mir ganz bestimmt feine Mutter ihr trockene Kleider und eine fräftige warme sagen, wenn es Ihnen nicht paẞt." Suppe gab. Du scheinst ganz vergessen zu haben," sagte er ihr, als sie allein am Ofen faßen, daß Dein verstorbener Der alte Klars ist letzte Nacht schwer erkrankt und Mann mein Freund war. I babe beraebens gebofft, daß ich will deshalb zum Doktor. Wenn Sie mir nun ein Fuhr­

Gewiß, gewiß! Sprich nur!"

Sonntag, 16. Juli.

Kleines Feuilleton.

du nie mon Die Pikardie.

Un­

Bei den furchtbaren Kämpfen zwischen dem deutschen Heere und den Franzosen und Engländern an der Somme   wird wieder einer der fruchtbarsten und schönsten Landstriche Frankreichs   in Mitleiden­schaft gezogen. Dem landschaftlichen Aussehen nach erinnert die Bikardie an die Gebiete, die den Spreewald umschließen, und Pikardie schon oft hervorgehoben, daß man sich in manchen Bezirken Deutsche, die den Spreewald kennen, haben bei Reisen durch die dieses Landstrichs mitten in den Spreewald versetzt fühlen könnte. Berühmt ist die Pikardie in ganz Frankreich   wegen ihrer intensiven Bodenkultur. Auf dem sehr humusreichen Boden hat sich schon seit langer Zeit eine sehr ausgebreitete Gemüsezucht entwickelt. zählige Eisenbahnwagen der verschiedensten Gemüsearten gehen zu den Haupterntezeiten mit Gemüse nach Paris  . Namentlich die Gurke wird in großen Mengen gezogen. Auch das Beerenobst, das von dort Gemüseanbau und zur Obstzucht ausgenugt. Die Gemüsebauern tommt, gilt als besonders gut. Fast jedes Fleckchen Band wird zum sind zu einer großen angesehenen Zunft zusammengeschlossen, die in Amiens  , der Hauptstadt der Pikardie ihren Siz hat. Noch heute hat sie in der Kathedrale von Amiens   ihre eigene Kapelle. Mindestens ebenso wie als Gemüseland ist die Pikardie berühmt als das Land der besten Entenpasteten. Ein französisches Sprichwort sagt: Die Madeleines   von Commerch Und die Reimser Tafelbiskuits, Und die Entenpasteten von Amiens  Verlohnen sich schon den Besuch.

Luftschraubenboot im Postdienst.

In Amerika   beginnen jezt Luftschraubenboote praktische Ver­wendung zu finden. So berichtet Motorschiff und Motorboot", daß auf dem Magdalenenstrom   in Kolumbia   derartige Boote den regelmäßigen Postdienst versehen. Der Magdalenenstrom ist flach und start verkrautet, ſo daß zeitweise der Verkehr recht erschwert ist.

Das für den Postdienst gebaute Luftschraubenboot besteht eigentlich ist, so daß der Tiefgang 10 Zentimeter nicht überschreitet. Durch nur aus einer Plattform, die aus zylindrischen Hohlkörpern gebildet den Antrieb mit Luftschrauben wird auch das im Fluß wuchernde durch zwei sechszylindrige Motore von je 50 P. S. Straut nicht sehr hinderlich. Der Antrieb der Schrauben erfolgt Das Boot ber­sorgt die 1000 Stilometer lange Strecke von Bogota   bis Baranquilla. Während früher die Post 12 Tage ging, ist jetzt die Beförderung in 3 Tagen möglich geworden.

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Achtzig Jahre Eisenbahn  - Güterverkehr.

Im Jahre 1835 wurde bekanntlich zwischen Nürnberg   und Fürth  die erste deutsche Eisenbahn in Betrieb genommen, wobei aber die Schwierigkeit eines Güterverkehrs zunächst zu groß erschien, um ihn zu ermöglichen. Und so wurde noch im Mai 1886 ein Antrag, die Benutzung der Ludwigsbahn zum Waren- und Gütertransport zuzu­laffen, abgelehnt. Wie die Tageszeitung für Brauerei" berichtet, wurde aber am 11. Juli 1836 der Brauerei Lederer wenigstens ge­stattet, täglich zwei Fäßchen Bier gegen Vergütung von 6 Kreuzern mit der Eisenbahn zu versenden. Bedingung war, daß der Empfänger das Bier sofort beim Eintreffen in Empfang nähme. Der Direktorialfommissär Dr. Löhner erhielt den Auftrag, darauf zu achten, daß diefer Güterverkehr ordnungsgemäß sich abwidle, um folchen vielleicht später ins Große ausdehnen zu fönnen". So war also vor achtzig Jahren der Güterverkehr auf der ersten deutschen. Eisenbahn mit zwei Fäßchen Bier eröffnet worden. Wie sehr er fich in den nun bergangenen achtzig Jahren ins Große ausgedehnt, Das beweisen die Leistungen unserer Eisenbahn in der Kriegszeit.

Notizen.

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Eine deutsch- belgische Monatsschrift Der Belfried" fündigt der Inselverlag an. Die Ankündigung erklärt, daß die Zeitschrift feinem bestimmten politischen Zweck dienen", fondern nur aufklärendes Material über alle wichtigen Fragen des gegenwärtigen und vergangenen Lebens der belgischen Niederlande  " bieten werde.

- Städtische Künstler fürsorge. Der Bürgerausschuß der Stadt Mannheim   beschloß, an die Hoftheatermitglieder 50 000 m. Entschädigungen für Gehaltstürzungen auszuzahlen.

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Der Dichter Berndt Lie ist in Kristiania   an einer Lungenentzündung gestorben.

werk geben wollten, daß ich ihn einmal mit hinübernehmen fönnte aber das ist eine unverschämte Bitte."

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,, Nichts weniger als das," rief er aufspringend. Die Pferde stehen ja faul im Stall; ich lasse sogleich anspannen und fahre selbst."

Annika wollte Einspruch tun, aber er hatte schon das Zimmer verlassen, ehe sie zu Worte kommen konnte.

Wohin?" fragte die Krügersfrau verwundert, als sie ihren Sohn nach dem Stalle laufen sah.

Ich werde die Annika Klars zum Doktor fahren," ant­wortete er schnell und ohne sich aufzuhalten. Du selbst?"

Ich selbst!"

Das möchte sich denn doch schlecht schicken! Wir haben. ja noch einen Knecht, wenn denn schon das Fuhrwerk gegeben werden soll."

Ich weiß, was ich zu tun habe, Mutter," sagte er ernst und sehr bestimmt. Der alte Klars ist zum Tode krank," setzte er hinzu, gleichsam um seine Eile zu entschuldigen. Die Krügersfrau blieb noch eine Weile in der offenen Türe stehen, schüttelte verdrießlich den Kopf und biß die Lippe. ,, Das kommt ja recht hübsch," murmelte sie, der Herr Sohn fängt an, selbständig zu werden." Dann trat sie ein und schlug die Haustür hinter sich zu.

Annika hörte die ganze Unterredung. Das darf nicht geschehen, daß er selbst mitfährt! fuhr ihr sofort blitzschnell Surch den Kopf. Sie überlegte einen Augenblick, wie sie's hindern könne. Daß ich doch lieber ganz geschwiegen hätte," sprach sie halblaut vor sich hin. Endlich faßte sie sich kurz, zog ihr wollenes Tuch fest um den Kopf, schlich zur Hintertür hinaus und eilte auf der Dorfstraße weiter.

Kaum aber hatte sie die letzten Häuser.hinter sich, als sie, ein Schellengeläute vernahm, das sich ihr mehr und mehr näherte. Sie beflügelte ihren Schritt, aber der tiefe Schnee hielt fie auf. Nach wenigen Minuten schnauften schon die Pferde ihr im Rücken, und eine bekannte Stimme rief: Warum läufst Du denn fort, Annika? Hat Dir das An­spannen zu lange gedauert? Nun schnell hinein!" Sie trat zur Seite und ließ den Schlitten vorfahren. Ich steige nicht ein," sagte sie.

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Sei nicht närrisch, Frau. Weshalb nicht?" " Weil Sie sich selbst bemühen." Ich tu's gern."

( Forts. folgt.)