Nr. 188.- 1916.

Unterhaltungsblatt des Vorwärts Sonnabend, 12. Auguft.

Ein neues Berliner   Theater.

Von Leo Heller  .

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Der Zufall ließ mich jüngst einen Herrn kennen lernen, der mir als Theaterdirektor vorgestellt wurde. Der Herr sprach im under­fälschten Berliner   Dialekt und hatte auf der rechten Hand das sieht man nicht bei allen Theaterdirektoren einen Anter ein­fätowiert. Auch seine Kleidung machte mich einigermaßen stubig: zu einem blauen Kragen und einer blauen Hemdbrust trug er eine ziegelrotfarbige Krawatte, in der eine Nadel stedte mit einem Diamanten, um den ihn wenn er echt gewesen wäre der Schah von Persien hätte beneiden können. Dieser Theaterdirektor tat mir gegenüber sehr wohlwollend, er ließ sich von mir mit Erfolg eine Zigarre anbieten und erhob auch feine Einwendung, als ich mich bereit erklärte, seinen Kaffee zu bezahlen. Er hatte auch nichts dagegen, als ich ihm vorschlug, ihn ein Stückchen Weges zu begleiten. Imma los!" hatte er gesagt und seinen Arm gemächlich unter meinen geschoben. 3d muß mir ibrigens beeilen," meinte er, denn in' ner hal­ben Stunde beginnt wieda   eene von meine Vorstellungen." Eine Ihrer Vorstellungen?" fragte ich. denn auch nachmittag?" " mma jlatt wech! Aba fefte spiele id am Nachmittach. Det is ja's Hauptjeschäft! Von zwei ab. Jede Stunde eene Vor­stellung."

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Ja, spielen

Sie

Auch eine Einwirkung des Kriegs. Und gewiß teine üble. An Blättern übernommen und eingehend kommentiert, und die Liberté" der Stelle, wo sonst die Großstadt zu raffinierten Genüssen ein- leistete sich sogar ein übriges, indem sie erklärte, daß sich für die ladet, eine der primitivsten Schaustellungen der Jahrmärkte. Und Wahrheit der Nachricht eine Person verbürgt hätte, an deren Glaub Eines der just wie wir damals, heute die Großstadtkinder, Jungen und würdigkeit nicht der geringste Zweifel gestattet sei. Mädel mit blassen, durchsichtigen Gesichtern, aber mit gleich großen wenigen Blätter, die nicht hereingefallen waren, deckt die Sache auf und verlangenden Augen. und nennt als den Züchter der fetten Ente den bekannten Humoristen

Auf dem großen runden Tisch die kleine freisförmige, weiße Victor Snell, den Herausgeber des Wigblattes Die gefesselte Bühne", auf der sich des Direktors Truppe in allen ihren Kunst- Ente", der mit gewohntem Ernst in seiner Zeitung die stüden zeigen soll. Und neben der Bühne", unter einem Glas- Geschichte erzählt hatte. Obwohl das Blatt an der Spizze sturz, die Mitglieder, die feinen Drathschlingen um den Hals und mit herzerfrischender Offenherzigkeit bekennt, daß es nur alle ihre Requisiten: der Wagen, das Karussell, das Fahrrad, die falsche Nachrichten veröffentliche, waren die Kollegen Victor Kanone Alles wie damals. Was für Ereignisse sind in- Snells doch ausnahmslos hereingefallen. Snell hatte die zwischen der Welt beschieden gewesen: Erfindungen und Ent- Absicht, in Fortsetzung des Spaßes in der nächsten Nummer deckungen sind gemacht worden, alte Einrichtungen sind gestürzt und weiter zu berichten, daß anfangs eine riesige Sardine den Hafen durch neue ersetzt worden, Europa   erbebt unter dem Gestampf des von Baltimore   gesperrt und daß nach Beseitigung dieses Hinder­größten aller Kriege, aber das Flohtheater ist so geblieben, wie es nisses Kapitän König nur noch auf den großen Walfisch gewartet gewesen ist. Die reichbegabten Flöhe find in ihrer Entwickelung habe, der bestimmt war, das Boot aus dem Hafen herauszuschleppen. stehen geblieben, und wenn auch seitens der Direktion" Der Floh Er verzichtete aber schließlich darauf, die Notiz zu bringen, weil er Heldentenor" angekündigt worden war, so war dies nur ein Mittel nach dem vorangegangenen Erfolge befürchten mußte, daß die Nach­gewesen, um das Theater desto dichter zu füllen. In Wirklichkeit richt unverzüglich unter den Lezten Nachrichten" des ernsthaften ist es feinem der Flöhe eingefallen, fich als Heldentenor zu pro- Temps" Aufnahme finden würde. duzieren. Sie begnügten sich damit, das zu tun, was sie schon in meinen Jugendjahren getan hatten: sie zogen Wagen und Kanone,

brehten das Starussell und zeigten sich, wenn sie vom Direktor an- Wie die Geschwindigkeit von Geschossen wird.

gehaucht wurden, als Ballettänzerinnen.

Der Direktor mit der Tätowierung an der Hand war bei der Vorführung in seinem Element. Er erzählte viel von den tessesten Schiebern auf dem Wedding  ". Dabei schien er auch in Jugend erinnerungen zu schwelgen. Ja damals! Der blaue Anker, der ,, Aber das muß ja schrecklich ermüdend sein." ,, Amüdend? Geschmack seiner Kleidung, der große Ring mit dem Riesen­diamanten, o, sie wußten mir eine ganze Menge zu erzählen. Js nich so arch. Minuten."

Wa spieľ'n imma nur zehn Behn Minuten? Ja, gibt es denn in Berlin   ein Theater, in dem die Vorstellungen nur so kurze Zeit währen? Das habe ich in der Tat nicht gewußt."

" Se ha'm noch manchet andre nich jewußt, mein Bieba," vers schte der Direktor mit einem Lächeln, aus dem Ueberlegenheit herauszulesen war. Na jut, Berlin   is jroß. Da kann man eben nich allet missen."

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Von Ihnen selbst Sie verzeihen, verehrter Herr Direktor, hatte ich auch nichts gewußt. Ich kenne Mar Reinhardt, Viktor Barnowsky

,, Du lieba Jott, nu heern Se man aba mit die uff! Mare Reinhardt und der andre mit de pol'schen Namen Doch so' ne Nummern! Wat soll ick mit die? Det sin keene Konkurrenten for mir. Jd habe mir uff janz mat andres valecht. Uff wat Feineret, Jeräuschloseret. Jck mache nischt mit die jroße Ausstattung. Bei mich is allet Natur? Vastehn Se? Natur. Jak bin nich for Schwindel. Nee, ick bin reell! Vastehn Se?"

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Wo ist denn Ihr Theater, wenn man fragen darf?"

" Wo soll't sind? Uff der Mödernbrüde? Unta de Linden natierlich!"

Und war's auch. Des Direktors ausgestreďte Hand, an deren einem Finger der dicke Ring mit dem faustgroßen Gablonzer Bril­lanten funtelte, wies nach einem Platat, auf dem in fetten Buch­Baben Großes Flohtheater" zu lesen war.

" Det is mein Unternehmen," sagte der Direktor, es nährt seinen Mann und der Mann nährt sein Personal. Jck lade Ihnen für die Vorstellung in. Se brauchen nur finfundzwanzich Fennje an der Kasse zu blechen. Bei mich jibt's teene Untaschiede nich. Jd bin nich de Hochbahn mit zweite un dritte Klasse. Bei mich is jeda jleich, alle um Tisch' rum!"

Seltsam, ich hatte nicht mehr gehofft, jemals wieder in ein Flohtheater zu kommen. Aus meinen Jugendjahren erinnerte ich mich dieser Art von Kunstunternehmungen". Unter den Buden, die zur Jahrmarktszeit auf dem Hauptplatz meiner lieben, fleinen Stadt standen, war stets ein Flohzirtus gewesen. D, wie nut er­innere ich mich der Riefendame, die, nachdem sie ihr fünstlerisches" Bensum bewältigt hatte, ihre Lieblinge vorführte, um sie zum Schluß auf einem ihrer molligen Riesenarme zu Ernährungs­zmeden plaßnehmen zu lassen.

Und min sollte ich in der Weltstadt Berlin  , an einem ber be­vorzugtesten Orte dieser Häusermassen, wieder so ein lohtheater zu sehen bekommen. Da stand ich schon vor dem Kaffentisch, ein flein, flein bißchen Rührung in mir.

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Für tot erklärt.

Von Ernst Wichert  .

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Der Apotheker drehte ein abgerissenes Blatt wie eine Pille zwischen den Fingern und ließ das zierliche Rügelchen auf der flachen Hand hin und her laufen. Bah!" rief er lächelnd, guter Rat kommt über Nacht, lieber Freund, ste wird sich besinnen. Es wäre das gescheiteste, wenn Ihr die Sache vernünftig nehmen und Euch und der jungen Frau das Leben nicht unnüz schwer machen wolltet. Das Unglück ist nun einmal geschehen, und geschehene Dinge sind nicht zu

ändern."

,, Meinen Sie?"

,, Laßt Euch ein gut Stück Geld vom Krüger geben, er wird damit nicht knausern. Die Welt ist weit, wie hr selbst am besten erfahren habt, und eine hübsche Frau ist auch noch anderwärts zu haben."

Der Matrose fuhr wild von seinem Blake auf. Ber­flucht meine Hand, wenn sie auch nur einen Pfennig an­nimmt. Ich will nichts als mein Weib."

Der Apotheker zuckte die Achseln. Ja, dann hättet Ihr hübsch zu Hause bleiben und nicht in Afrika   Entdeckungsreisen machen müssen. Es tut mir leid, daß Ihr gleich so aufbraust, wenn man Euch vernünftig zuredet; ich hätte gern für Euch bermittelt."

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Es läßt sich nichts vermitteln. Entweder oder!" Er zog die Augenbrauen finster zusammen und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Ich sage: entweder oder!" rief er heftig. Kehrt sie zu mir zurück- gut! Wo nicht, so bin ich entschlossen

Nun?"

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,, Rassen wir das!" Nach einer Weile sagte er ruhiger: Es wäre doch gut, wenn es nicht zum äußersten käme. Sie sagen, die Trauung ist fest, und der Pfarrer meint dasselbe. Aber wenn die Annika selbst nun los fein will- gibt's fein Mittel, als ihm ans Leben zu gehen?"

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Der Apotheker rückte entsegt einen Schritt weiter. Pfui, Peter Klars!" rief er, hr werdet doch nicht-!" Der Seemann schob den Hut aus der Stirn, auf der große Schweißtropfen perlten. Ich frage nur so be­ruhigte er, man muß doch an alles denken. Gibt's fein Mittel?" Sie

Ja, nun, wenn die Annika wirklich durchaus will? darf ja mur Grund zur Scheidung geben."

Hm! Zum Beispiel-"

Wenn sie ihrem Mann fortläuft."

Sie will fortgehen, aber mit seiner Bewilligung." ,, Dann ist's nichts."

" Nee," meinte eine der begeisterten Zuseherinnen, ein Mädel von acht Jahren, wenn so eener von de Kinstler uff mir huppt, denn muß ich mir de janze Nacht krahen!"

Und als der braune Kuropatkin  " und der nicht minder braune Cadorna" mit papierenen Säbeln ein Duell ausfochten, da kannte der Jubel kein Ende.

" Ja," erklärte der Theaterdirektor, det find lanter Menschen­flöhe, denn de Tierflöhe fin mich zu jebrauchen, weil se zu un­intellient sin. Wat id Ihnen hier vorzuführen die Ehre habe, sin lauter Serben. Jd habe se direkt von Kenich Peter bezojen.. Zum Schluß tam das Ertradouceur". Flohtheater. Berlin  , Unter den Linden   1916.

Kleines Feuilleton.

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gemessen Mit den Wunderwerken neuzeitlicher Feinmechanik ist es möglich, die außerordentlich großen Geschwindigkeiten der Geschosse genau zu messen. Die Photographie ist es, die das ermöglicht. Freilich hat auch sie, wie ein fesselnder Aufsatz des Diplomingenieurs Roland Betsch   über das Photographieren von fliegenden Geschossen im neuesten Heft der Zeitschrift ,, leber Land und Meer" berichtet, erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Man kann nämlich nur mit außerordentlich geringen Belichtungszeiten arbeiten, wenn tie erzeugen will, fie scharfe Bilder zum Messen

man

des Sea für

zurückgelegten Weges nötig find. Inerhalb einer funde durchfliegt das Infanteriegeschoß 880 Meter; 1 Millimeter braucht es also den 880 000. Teil einer Sekunde. Ernst Mach   war es, der das kurze Aufleuchten des elektrischen Funkens zum Hervorrufen so turzer Belichtungszeiten einführte, und Karl Cranz, einer unserer bedeutendsten Ballistiter, hat das Verfahren der Geschoßphotographie durch Heranziehen des Films, wie ihn die Kinematographie verwendet, so vervollkommnet, daß man zwischen 500 und 100 000 Bilder in der Sekunde herstellen kann, bei denen die Belichtungszeiten ganz verschwindend gering find. Der Film läuft dabei mit einer Geschwindigkeit von weit über 100 Meter in der Sekunde über elektrisch angetriebene Stahlrollen. Er ist dabei innerhalb eines Kastens mit einer Schlizblende angebracht, der Blende gegenüber befindet sich eine Beleuchtungsfunken strecke, die in furzen Abständen einen Funken aufleuchten läßt. Die Achse der Geschoßbahn fällt dabei mit der Richtung der Blende zusammen. Jedesmal, wenn ein Funke überspringt, wird auf dem Film hinter dem Schlitz ein Schattenriz des Geschosses abgebildet; da man weiß, mit welcher Geschwindigkeit der Film sich bewegt und in welchen Abständen die Funten aufleuchten, so braucht man nur den Abstand der einzelnen Bilder auf dem Film abzumessen, um dann aus den bekannten übrigen Zahlen die unbekannte, die Geschoß­geschwindigkeit, errechnen zu können. Es läßt sich damit eine Ge­nauigkeit erzielen, die höchstens um 1 Proz. von der Wirklichkeit ab­

Notizen.

Wie eine Zeitungsente flügge wird. Ueber die Herkunft der Ente, die der Daily Telegraph  " mit der Nachricht aufflattern ließ, daß das Handelsunterseeboot " Deutschland  " in auseinandergenommenem Zustand die Reise nach Amerika   an Bord eines Dampfers gemacht habe und bei der Ankunft erst wieder zusammengesetzt worden sei, berichtet ein Pariser Blatt interessante Einzelheiten. Sie sind der Wiedererzählung wert, be­weisen sie doch, mit welch' findlicher Harmlosigkeit die Pariser Bresse einem Spaßvogel auf dem Leim geht. Am 1. Auguſt hatte das ernsthafte Echo de Paris  " seine Leser mit folgender Sensations­nachricht überrascht, die es natürlich aus bester Quelle erhalten hatte: weicht. Mit Bezug auf die verzögerte Abreise der Deutschland  "" hat der " Dueft Eclai" aus zuverlässigster Quelle erfahren, daß die viel­besprochene Reise überhaupt nur ein Bluff" war. Das famose Boot hat die Reise über den Atlantischen Ozean   überhaupt nicht auf den hier in Nr. 179 hingewiesen wurde, muß dringend gewarnt gemacht, sondern es iſt abmontiert an Bord eines neutralen Schiffes werden. Der Leipziger   Veranstalter, der fostenlosen Unterricht ver­nach Amerika   befördert worden, Die Deutschland  " ist also in einzelnen Teilen an einem der unzähligen weltverlorenen Häfen an der lang- spricht, erhebt zunächst doch Gebühren und verzapft dann ein von geftredten amerikanischen   Stüfte angekommen, deren bersteckte arbeiter veranstaltet in Berlin   die Arbeiter- Esperantisten- Vereinigung ihm selbst angeblich verbessertes Esperanto. Lage fie indiskreten Blicken fo gut entzieht. Dort wurde Groß- Berlin. Auskunft erteilt A. Sproeck, N 87, Choriner Str. 45. das Boot dann wieder montiert und mit den Waren beladen, die gleichfalls an Bord des neutralen Schiffes nach Amerika  - Ein neuer Lehrstuhl für Zeitungswesen. Die befördert worden waren. Dann trat es die kurze Fahrt nach Stadt Köln   wird nach dem Kriege an ihren Hochschulen, der Baltimore   an, wo es den bekannten begeisterten Empfang fand, Handelshochschule und der Hochschule für kommunale und soziale obwohl es in Wahrheit nur wenige Meilen Weges auf dem Wasser Verwaltung, einen Lehrstuhl für Zeitungswefen errichten. Mit dem zurückgelegt hatte." Der Artikel wurde von allen großen Pariser Lehrstuhl soll ein Seminar verbunden werden.

,, Also etwas anderes."

AGIN

Ehebruch ist auch ein Scheidungsgrund." Ehebruch!"

" Ihr meint ja, daß sie Euch noch liebt."

"

Also wenn sie mich liebt

Seid nicht närrisch, ich spaße ja mur."

Aber ich spaße nicht. Also wenn sie mich liebt ihren Mann, das wäre genug?"

Bah, liebt-1"

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Vor dem brieflichen Esperanto- Unterricht,

Esperantokurse für

Die folgenden Tage gingen ohne wesentliche Verände rung der Sachlage hin. Der Matrose hatte im Dorfe sein Quartier aufgeschlagen und beobachtete sorgfältig den Krug, wie ein Soldat auf Vorposten. Er scheute sich auch nicht hineinzugehen, sich gleich den anderen an den eichenen Tisch zu sehen und sein Glas Bier zu fordern. Madame Hilgruber mich, vermied es, ihn anzusehen, wenn sie die Krugstube passieren mußte, und ging gravitätisch vorüber, als ob sie ein steifes Genick hätte; fie wollte ihrerseits Frieden haften, so schwer es ihr innerlich auch wurde, an sich zu halten. Er wird wieder gefund werden," tröstete sie sich, und dann ist's noch immer Beit, einmal in der Krugstube aufzuräumen; vorläufig muß der Kranke geschont werden." Wenn Peter Klars aber hoffte, auch einmal mit Annika zusammenzustoßen, so täuschte er sich; die Krügerin wußte es schon so einzurichten, daß sie nicht nötig hatte, die Krankenstube zu verlassen, am wenigsten, wenn so gefährliche Gesellschaft im Kruge   war.

Gut, ich verstehe, was Sie meinen. Es wäre, denke ich, feine Sünde, wenn sie mir gewährt, was sie mir schuldig ist." War, alter Freund. Und schließlich wäre das immer mur ein Scheidungsgrund auf seiten des Krügers."

Er wird kein Hund sein und dergleichen ruhig hin­nehmen."

Der Apotheker lachte. Ein Mann, der seine Frau ver­führt nicht übel!"

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Der Matrose sprang auf, sagte kurz Adieu und lief die Dorfstraße abwärts dem Kernge zu. In der Nähe desselben fam ihm das Fuhrwerk des Doktors entgegen. Derselbe ließ halten und rief ihn heran. Er teilte ihm mit, daß die Annika im Kruge   beim Kranken bleiben müsse, und fügte, als er die Aufregung bemerkte, in die ihn sofort diese Nachricht ver­fette, ohne einen Wutausbruch abzuwarten, hinzu, die Annika selbst lasse ihm sagen, er könne dieserhalb ganz ruhig sein, fie werde an ihrem früheren Entschluß unwandelbar festhalten. hr könnt in der Tat ganz ruhig sein," sagte der Doktor; Hilgruber ist Euch für jetzt nicht gefährlich." Dann fuhr er bis zu dem Hause, in welchem Annika die letzte Nacht zu­gebracht hatte, und gab Anordnung, daß der kleine Peter nach dem Kruge geschafft werden solle. Hier stieg auch der Apotheker auf, der sich von der Wirtsfrau den Vorfall von gestern abend nochmals ausführlich hatte erzählen lassen.

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DO

Aber daß der Heine Beter dem Vater durch seinen Froh finn die schleichende Zeit fürzen half, konnte sie doch nicht hindern. Der Junge langweilte fich oben, wo alles so ängst­lich still war und der franke bleiche Mann im Bett lag und feine Mutter, wenn jener schlief, so oft weinte. Wie sich nur eine Gelegenheit ergab, entwischte er, spielte in der Krug­stube mit den Hunden, die sich dort stets in großer Zahl zu­fammenfanden, oder machte auch eine Exkursion auf den Hof, wo ihn die Knechte im Stall auf die Pferde setzten oder sonst amüsierten. Er hatte vor dem braunen bärtigen Gesicht des Matrosen anfangs einige Scheu, merkte aber bald den guten Freund in ihm und ließ sich Süßigkeiten zustecken, mit denen Selars sich aus dem großen, weißen Glase des Gewürzkrämers versorgt hatte, das zwischen Kalkpfeifen, Tabakspäckchen und Liförflaschen an dem kleinen Schaufenster seines Ladens stand und die heimliche Sehnsucht der gesamten Dorfjugend in sich Den Auftrag, den der Doktor an Klars ausrichtete, hatte konzentrierte. Es ärgerte Klars wohl, wenn irgendein Nach­er von Annika wirklich erhalten. Auf Veranlassung der alten bar sagte: Sieh, Peter, das ist Dein Vater!" und der Junge Krügerin hatte er mit ihr gesprochen und freilich keine be- den Kopf schüttelte und zur Antwort gab: Bapa   liegt oben sondere Mühe gehabt, sie zu überzeugen, daß sie den Kranten im Bett und ist frank" aber er ließ sich gegen das Kind in seiner jebigen Lage nicht verlassen dürfe, zugleich aber nichts merken, sondern streichelte ihm das blonde Haar und auch aus ihren ängstlichen Andeutungen ihre Sorge erfannt, meinte: Er fann's ja nicht besser wissen, sie haben ihm das wie Peter Klars ihr Bleiben aufnehmen würde. Ich habe so eingeredet." Die ganze Liebe des Knaben gewann er sich ihm versprochen, nach der Nehrung zu gehen," hatte sie zulegt offen herausgesagt, und wenn ich nun nicht gehe, wird er glauben, daß ich nicht Wort halte. Das muß er aber glauben, sonst geschieht sicher ein Unglüd." Der Doktor hatte ver­sprochen, ihn zu beruhigen, und sich zugleich erkundigt, ob er den fleinen Beter herüberschicken solle. Ich weiß nicht, ob er's erlaubt," hatte sie traurig eingewendet, er hat jest darüber zu verfügen. Aber wenn Sie ihn fragen möchten das hatte der Doktor nun allerdings nicht für erforderlich erachtet.

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aber, als er ihm aus Korkholz ein kleines Schiffchen schnitte, von Schwefelhölzern Masten einsetzte und von Papier Segel darauf hing. Der Junge war ganz toll vor Freude darüber und lief sofort treppauf zur Mutter. Wer hat Dir das ge­geben?" fragte Annika. Der fremde, gute Mann," sagte er und fügte nach einer Weile ganz ernst, indem er sich zu Konrad wendete, hinzu:" Du bist wohl mein Papa, aber der ist mein Vater." Dem Kranken fuhr's wie ein Stich durchs Herz, aber er lächelte freundlich, und Annika wandte sich gegen das Fenster und unterdrückte einen Seufzer.( Forts. folgt.)