Dr. 196.- 1916.
Unterhaltungsblatt des Verwärts Dienstag, 22. Auguft.
Johnny O'Nellys Niederlage.
Kleine Bilder aus einem Kriegsgefangenenlager. Von Oswald Erbacher( im Felde).
Brennender Juli.
I.
Die arme junge Stadt aus Sand, Brettern, Dachpappe liegt breit hingestreckt, ohne Atem, im Mittagsschlaf.
Im strichschmalen Schatten der Baracken liegen schreiendbunte Uniformbündel hingeworfen. Klatschrote Hosen, englisches Wüstengelb, die alten plumpen, blauen Franzosenfräcke, das neue lichte Blaugrau eins am andern. Und alles mit Inhalt: schlafenden, schwißenden Menschen.
Unsere Schritte erfaufen lautlos im blendenden Seunesand. Aechzend wälzt ein himmelblauer belgischer Kavallerist seine himmellangen Beine irgendwo hinaus
lächeln mit dünnen Lippen. Sie sind durchaus nicht beleidigt, nicht die Spur. By Jove, der Jrentisch kann sie doch nicht beleidigen, der drollige Johnny schon gar nicht..
Jest ist O'Nelly etwas eingefallen. Mit komisch- wichtigem Stirnrunzeln baut er sich vor mir auf.
" Oh Sir I speak frangssäh!"
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Ach so! Ich hatte ihn einmal aufgezogen, darin sei er doch echtester Engländer- 5 Monate mit Hunderten von Franzosen in selben Lager und noch keine drei Worte Französisch aufgeschnappt. Jetzt markiere ich äußerste Zweifel, tiefste Ungläubigkeit. Oh, doch wirklich und wahrhaftig, Johnny lernt seit acht Tagen Französisch! Er wirft die Brust heraus wie ein Heldentenor, sieht in den zwinkernden Kreis, überlegt noch einmal, reißt die Clownaugen weit auf und spuckt dann schnell heraus, in zivci Absätzen, um sich ja nicht zu versprechen: " Donnez- moi une cigarette!"
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Die genügsame Baracke wackelt vor Lachen über den Wit Die einzige Bewegung. über den Witz, daß O'Nelly Französisch lernen wollte und O'Nelly lacht am herzlichsten. Und selbstverständlich bleibt dieser Eazz sein einziger franzö= sischer..
Oder nein, doch nicht. Da hinten sind noch zwei Turkos am Leben. Der eine bewickelt das mittlere Drittel des anderen mit der roten Tuchbahn, die 7 Meter lang und einen halben breit bei ihnen einen Gürtel vorstellt, und ohne die ein Turko kein Turko ist, sondern hm ein Mann im Negligé. Ein halber Soldat. Eine Turkoruine.
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Zitternde Stille sonst. Stören wir sie nicht: die Soldateska einer halben Welt träumt.( Will heißen: wenn man das noch Soldateska nennen mag, dieses Unkriegerische, was da übrig geblieben ist verschossene Uniformlappen und schwitzende Leiber zwischen Stacheldrähten.)
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Nachmittagsrundgang.
III.
In seiner Ede übt innings wieder, wie er jeden Vormittag, jeden Nachmittag seine zwei Stunden übt, pedantisch und unbeirrbar. Seit er im Lager ist, ist es ihm Lebenszwed, täglich feine Beit" zu springen. Ich sehe ihm wieder einmal zu, wie er seine dürren, nackten scheinlich hohe Seil schleniert. Der ganze Kerl hat kein Viertei Beine in der kurzen, weißen, weiten Sporthose über das unwahr Seil reißt oder nicht: stets kommt Finnings mit denselben aus pfund Fett und kein Lot Temperament im Leibe. Ob er das druckslosen Schellfischaugen im weißblonden Kugelkopf zurück. Höchstens, daß er phlegmatisch ein halbes Wort mit Simmonds tauscht der jünglingshafte Korporal der„ Kings owns" mit dem alten Sergeanten der„ Royal Scotchs", der Junior mit dem
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Erschöpfung überall, nach der Vormittagsarbeit und nur ja, wirklich in der Baracke 29 hält einer eine Rede. Redet frisch, frech, unbekümmertredet mit unverwüstlicher Phonographenstimme redet breitestes Dubliner Hafeninglisch. Und Lachen purzelt dahinter her, frafeeliges Lachen. Run natürlich! Das kann doch wieder einmal nur einer sein nur einer, den nicht einmal diese Hizze umbringt. Der Lager Spaßmacher, Und auch wir lächeln schon, eh' wir nach der Türklinke faffen. Trainer, in Finnings Sprache ausgedrüdt.
Bit, leise!
II.
der Lagerliebling!
Wir wollen uns den Scherz machen, ungesehen zuzuhören. Johnny O'Nelly redet und wenn er redet, sicht er uns so wenig wie der balzende Hahn den Jäger.
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Aha Johnny hält einen Vortrag über Politik. Ueber dem Brettertisch der größten Koje die etwa der Marktplatz ist in einer Puppenstubenstadt aus Zeltwänden, Kistendeckeln, ausgespannten Decken, Strohsäcken über dem dickumsessenen Brettertisch also facelt sein fnochiges Exzentrikclowngesicht hin und her. Er hat die Arme napoleonisch gekreuzt, die Augenbrauen hochgezogen, daß die kurze Stirn ganz unter die Stichelhaare geschlupft ift. Er ist immer Komödiant. Seine augenblickliche Rolle heißt: Der Volksredner. „ Ladies and Gentlemen, ich sage es noch einmal: diese Diplomaten find alle keinen Farthing wert. Leere Jamtöpfe sind sie alle zusammen; leer wie dieser da Meine Herren, ich falfuliere, dies steht fest: wenn diese Marmeladentöpfe nicht ihre verdammten Dummheiten gemacht hätten, dann säßen jezt nicht Irlands wackerste Jungens in dieser verdammten Barade. Hab' ich recht oder hab' ich recht, Jungens?"
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Lachende Zustimmung des Jrentischs. Meine Herren, ich sage nichts gegen unsere Diplomaten, selbstverständlich nicht. Alle Achtung vor ihren glorreichen Reden... Kullerndes Lachen.
" Aber, meine Herrn, wenn Sir Bethmän..." O'Nelly sicht fich vorsichtig um, sieht uns, zieht den Buckel krumm und fragt sich komisch verdattert hinterm Chr.
Der Lagerfeldwebel er war viele Jahre als Buchhändler drüben fällt ihm ins Konzept.
Meine Herren- ich fage nichts gegen Sergeant O'Nelly. Alle Achtung vor seinem großen Maul.. Donnerndes Gelächter. O'Nelly haut vor Vergnügen den Tisch taput. Seine Rede gilt für polizeilich geschlossen.
der
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Ich erwische den allzeit Hallodrigen an einem Uniformtnopf. „ Nanu, O'Nelly, das wußt' ich nicht, daß Sie als Englän Ah Johnny weiß schon. Eine Grimasse und schon hat er eine neue Walze eingelegt. Pose Entrüstung. Wie, Sir? Ich ein Engländer? Ich bin kein Engländer. Die Engländer sind ein langweiliges Pack. Da die da drüben das sind von diesen laufigen Engländern, Sir. Aber wir hier sind keine Engländer, Sir. Wir sind Iren, Sir." Der Jrentisch tobt vor Lachen.„ Die da drüben", ein paar Lancaster Fusileers, die auf ihren Habseligkeitskisten herumhocken,
2]
Jans Heimweh.
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Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf . „ Oder wie wär's, wenn Du jetzt auf und davon gingest," fing er wieder an. Du brauchst ja gar nicht länger hier siten zu bleiben, ießt, wo Du weißt, daß alles überstanden ist. Wie, wenn Du Katrine und den anderen Weibern drinnen zeigen würdest, was Du für ein Mann bist
Er wollte eben vom Hauklokt aufstehen, da erschien die Hofbäuerin von Falla unter dem Eingang des Schuppens. Sie verneigte sich gar zierlich und lud ihn ein, jezt ins Haus hereinzukommen und sich das Kind anzusehen.
Jetzf schlendert er langsam heran.
band beruben. Diese Ansicht scheint auch die einzig richtige zu sein, da, falls die Seebetten, wie Keilhock neuerdings meinte, vollständig dicht seien, man den Seen nur soviel Wasser zuzuführen brauchte, als sie durch Verdunstung verlieren. Dic Seen wurden auch reichlich aufgepumpt, aber in der Zeit von Anfang Wärz 1913 bis Ende Februar 1916 ist ein Wasserberg von nabezu 1600 Meter Höhe durch das Seebett in den Untergrund versunken. Der Verdunstungsverlust betrug täglich 0.9 Millimeter im Durch schnitt, während der Verlust durch Versicherung täglich 16 mal io groß ist, nämlich 41,5 Millimeter. Troßdem in den beiden vergangenen Wintern überhaupt kein Verdunstungsverlust stattfand, da die Niederschläge schr groß waren, mußte die Nachfüllung fortgesetzt werden, um eine ernente Senfung zu verhindern. Daraus ergibt sich, dan die Seebetten des Schlachtenfees und der Krummen Lante durchlässig sind, und daß das Abwandern des Seewassers nach dem abgesenkten Grundwasser den Rückgang der Grunewaldseen verurjacht.
Fortschritte der Feuerbestattung.
Die Feuerbestattung hat in der Zeit des großen Sterbens neuerdings erheblich zugenommen. Die Zahl der Strematorien im Deutschen Reich ist auf 50 angewachsen. In diesen fanden im Juni 1916 inse in einem Monat erreichte Zahl. Im gleichen Monat des Vorjahres gesamt 892 Leichenverbrennungen statt. Das ist die höchste bis jetzt waren es nur 816. Dem Religionsbekenntnis nach war der überwiegend größte Teil, nämlid 753, evangelich. Religiöie Feieru den Eingeäscherten befanden sich 10 Striegsteilnehmer. Bis Ende Juni fanden nur in 740, das ist in 83 Broz. der Bestattungen, statt. Unter 90 282. beträgt die Zahl aller im Deutschen Reich erfolgten Feuerbestattungen stattfanden. in Berlin , in dem im Juni 1916 zusammen 100 Einäicherungen Die größte Inanspruchnahme findet das Krematorium Dresden mit 52. Chemnitz mit 49, Goiha mit 45 usw. In Preußen Es folgte dann Leipzig mit 73, Bremen mit 38. ist die Feuerbestattung noch durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt, es sei nur erwähnt die Nachweisung einer diese Bestattung wünschenden legtwilligen Verfügung und die Feststellung der Todesuriache durch einen beamteten Arzt. In den letzten Wochen hat sich ein Verband der preußischen Feuer
" Wir wollen Sie einladen, Herr Dolmetscher. Zu dem bestattungsvereine" gebildet, dem bereits 41 Vereine mit Bogmecting am Sonntag."
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Dante schön. Boren Sie denn auch mit, Finnings?" „ Mit Sergeant O'Nelly, Sir." „ Ach. Na, was glauben Sie, wer wird da gewinnen?" " Ich, Sir." Finnings dreht sich mit freundlichen Schellfischaugen ab, aber er tann nicht gleich weiterüben.
Ich sehe ihm zu
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20 000 Mitgliedern angehören. Er hat sich zur besonderen Aufgabe gestellt, die genannten Erschwernisse zu bekämpfen. Angestrebt wird vor allem eine freiheitliche Regelung durch ein Reichsgcjezz.
Vem Eisernen Hindenburg in Berlin . W In dem 2. Augustheft des Deutschen Willens"( Kunstivart) lefen Ein Franzose hat im Vorbeigehen Lust bekommen, einmal seine wir: Zwei Berliner Herren, deren Namen nichts zur Sache tutt, roten Hosen über das Seil zu schwenken. Der springt oh la la! freiten sich mit öffentlichen Erklärungen darüber, wer der Urheber mit Lärm und Lachen und betrauert komisch schnatternd seinen und Schöpfer des Eisernen Hindenburg" jei. Wir hätten gedacht, der Mißerfolg. Verantwortliche würde den Göttern danken, wenn sie seine UrheberSolange wartet Finnings stoisch und dann springt er weiter und Schöpferidbait gütig verhüllt ließen. Ein offenes Wort bei dieter seine zwei Stunden ab, geschäftsmäßig, mit der grauen Ruhe eines Gelegenheit: Der Eiferne Hindenburg ist ein to fürchterlicher Striegevereidigten Beamten, ohne Blick nach rechts oder links, in tödlicher kitich, daß man ihn entweder irgendwo anders hinstellen oder unter Stereotypie. offenem Bekenntnis:„ das war ein Geblgrif", durch irgend etwas bewundere diesen eisernen Stumpf- anderes erichen sollte, und wär' es nur ein Holzstamm, wie das sinn- und spiele wohl mit dem Gedanken, ob diese zähe Beschränkt- Urbild all dieser eisernen Merkmale in Sien . Wer Nägel in den heit, diese beschränkte 3ähigkeit nicht auch mehr erreichen könnte Hindenburg bezahlt und geschlagen hat, der könne vielleicht ebenoals nur einen Reford im Hochsprung. viel in den neuen Stamm auf Guthaben bekommen. Aber diese Ob sie nicht vielleicht beteiligt war, als z. B. der Rekord im übelwollende Kolossaltarifatur eines Schlächtermeisters noch länger Landerwerb geholt wurde, seinerzeit bei der Siegessäule als einen angeblichen Hindenburg auszustellen, ( Schluß folgt.) das sollte man nicht tun. Hier, wo alle Reisenden der Welt vorbeilaufen! Und nahe dem Reichstagsgebäude eines Bolkes, das seinen wirtschaftlichen Ruf dem verdankt, daß es Rohmaterialen durch Bes arbeitung veredele! Was wollten wir dem Ausländer entgegnen, der uns fragte: veredelt ihr das schöne Holz und das nügliche Eisen so?
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Kleines Feuilleton.
Die verfickernden Grunewaldseen.
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Notizen.
Theater chronit. Im Theater des eft en s werden unter der Leitung von H. Stratosch vom 5. September an tlaiiiice Volksschauspiele" dargeboten werden. Man wird nachmittags zu billigen Preisen Meisterdramen und Volksstücke ipielen. Zunächst sind in Aussicht genonmmen:„ Tell"," Meincid bauer"," Goldene Eva“ und„ Königsleutnant".
Die von Jahr zu Jahr deutlicher zu beobachtende Tatsache, daß Eine Gartenstadt Besichtigung. Gartendirektor der Wasserstand der Grunewaldseen bei Berlin ständig abnimmt, Lesser- Steglitz wird am 24. August im Austrage der Deutschen wurde bisher mehrfach auf verschiedene Weise erklärt. Während Gartenbaugesellschaft eine Besichtigung der Gartenstadt Faltenberg einer der Erforscher dieses Problems, Steilhac, früher der Meinung bei Grünau leiten. Treffpunkt: Südlicher Ausgang des Bahnhofs war, daß der Wasserstand durch Senkung des Grundwasserspiegels Grünau nachm. 3 Ubr. Gäste willkommen. abgenommen habe. vertritt er neuerdings die Ansicht, daß die starte Verdunstung den Wasserrückgang verschuldet. Nun führt aber, wie der" Prometheus" berichtet, Steller auf Grund genauer Unterjuchungen eine neue Erklärung dieser Erscheinung aus. Bisher war man der Meinung, daß die Seenbetten durchlässig genug seien, um den Austausch zwischen dem sichtbaren Seewasser und dem un sichtbaren Grundwasser zu gestatten. Daher müsse früher oder später die Spiegelfläche der Seen sinken, wenn eine Senkung des umgeben den Grundwasserspiegels eingetreten wäre. Die letztere fönnte auf klimatischen Vorgängen oder auch auf dem Eingreifen von Menschensei. Und alle die anderen hielten auch ihre Augen auf ihn gerichtet, gleichsam Lob erheischend für alle die Mühe, die sie sich seinetwegen gemacht hatten.
Aber es ist nicht so leicht, frohen Herzens zu werden, wenn man einen ganzen Tag draußen gesessen und gefroren hat und schlechter Laune geworden ist. Jan konnte Erik in Fallas Miene nicht aus seinem Gesicht verbannen und blieb, ohne ein Wort zu sagen, mitten im Simmer stehen.
die Stube war nur so groß, daß sie mit diesem einzigen Da machte die Hebamme einen Schritt auf ihn zu. Und Schritt ganz dicht zu ihm hinkam und ihm das Kind in die Arme legen fonnte.
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Da fann Er ein kleines Mädchen sehen, das überdies ein Prachtmädel ist," sagte sie.
Da stand nun der arme Jan und hielt zwischen seinen Händen etwas, das sich warm und weich anfühlte und in ein Wenn es nicht die Mutter in Falla selbst gewesen wäre, großes Tuch eingewickelt war. Das Tuch war so weit zurückdie diese Einladung vorbrachte, dann ist es nicht gewiß, ob geschlagen, daß an das winzige, runglige Gesichtchen und die Jan Andersson in seiner aufgebrachten Stimmung hinein- verschrumpelten Händchen sehen konnte. gegangen wäre. Aber mit ihr ging er natürlich, doch ohne irgendwelche Eile an den Tag zu legen. Er gab sich alle Er stand unsicher da und fragte sich, was denn die Mühe, die Miene und Haltung anzunehmen, die Erik in Falla Frauenzimmer erwarteten, daß er mit diesem Ding, das ihm hatte, wenn er auf dem Rathaus nach der Wahlurne ging, um die Hebamme in die Arme gelegt hatte, anfangen werde, als seinen Wahlzettel hineinzulegen, und es gelang Jan Anders- er plötzlich einen Stoß erhielt, bei dem er und das Kind zu fon jetzt auch ganz gut, ebenso feierlich und finster auszusehen Stoß versetzt, aber ob er von dem kleinen Mädchen zu ihm sammenzuckten. Keines von den Anwesenden hatte ihm diesen wie jener. " Bitte, Jan!" sagte die Mutter in Falla, und damit kam oder von ihm zu dem kleinen Mädchen, das konnte Jan machte sie die Türe weit auf. Zugleich trat sie zur Seite und nicht herausbringen. ließ Jan vorausgehen.
Jan sah auf den ersten Blick, wie fein und sauber alles in der Stube gemacht worden war! Die Staffeekanne stand zum Abkühlen auf dem Rand der Herdplatte, und der Tisch am Fenster war mit Mutter in Fallas Kaffeetassen und einem schneeweißen Tuch gedeckt. Katrine lag im Bett, und zwei andere Frauen, die auch zur Hilfe da waren, drückten sich an die Wand, damit er einen freien Blick über alle Anordnungen haben könnte.
Dicht vor dem Kaffeetisch stand die Hebamme mit einem Bündel auf dem Arm.
Unmittelbar darauf fing das Herz in seiner Brust so heftig an zu klopfen, wie es noch nie geklopft hatte, und in demselben Augenblick fror Jan nicht mehr, und er fühlte sich nicht mehr verdrießlich noch befümmert noch ärgerlich, sondern alles war ganz gut. Nur eines beunruhigte ihn noch: er konnte nicht begreifen, warum es auf diese Weise in seiner Brust hämmerte und klopfte, da er doch den ganzen Tag weder getanzt hatte, noch schnell gelaufen oder einen steilen Berg hinaufgeklettert war.
Regt einmal Eure Hand hierher und fühlt!" sagte er zu der Hebamme.„ Mir ist, als schlüge mein Herz so sonderbar." " Ja, Ihr habt tüchtig Herzflopfen," sagte die Hebamme. Habt Ihr das öfters?"
Jan Andersson drängte sich unwillkürlich der Gedanke auf, daß es aussehe, als sei er hier bei dieser Sache einmal die Hauptperson. Katrine sah ihn mit einem freundlichen Blid an, wie wenn sie fragen wollte, ob er zufrieden mit ihr| niemals auf diese Weise."
Nein, ich hab's noch nie gehabt," versicherte Jan.„ Noch
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Kunst chronik. Vei Paul Cassirer . Viktoriaſtr. 33, wird am Dienstag, den 22. August, die Nachlaß- Ausstellung von Albert Weisgerber cröffnet. Gleichzeitig werden 60 Zeichnungen Waldemar Röslers vom westlichen Kriegsicbauplaz gezeigt.
Ist es Euch schlecht? Habt Ihr irgendwo Schmerzen?" fragte die Hebamme besorgt.
Nein, nein, es sei sonst alles in Ordnung. Da konnte die Hebamme nicht verstehen, was ihm schien könnte, und sie sagte:
" Ich will Euch jedenfalls das Kind abnehmen." Aber da überfam Jan ein neues Gefühl. Das Kind, nein, das wollte er nicht hergeben.
,, Nein, laßt mir das Kind!" sagte er.
Und in diesem Augenblick mußten die Frauen in seinen Augen etwas gelesen und aus seiner Stimme etwas heraus gehört haben, das sie froh machte, denn die Hebamme verzog den Mund, und die anderen brachen in lautes Lechen aus. ,, Ei Jan, habt Ihr noch nie jemand so lieb gehabt, daß Ihr seinetwegen Herzklopfen bekommen habt?" sagte die Hebamme.
Nei- n," antwortete Jan.
Und nun begriff er plöglich, was ihm das Herz jetzt eben. in Gang gesetzt und so stark zum Klopfen gebracht hatte. Und damit nicht genug, er begann auch zu ahnen, wo es bei ihm Zeit seines Lebens gehapert hatte: denn der Mensch, der sein Herz weder in Leid noch in Freude schlagen fühlt, der kann sicher nicht für einen richtigen Menschen gerechnet werden.
Klara Fina Gulleborg.
Am nächsten Tag stand Jan in Strolyda mehrere
Stunden lang unter seiner Haustür mit dem kleinen Mäd
chen auf dem Arm.
Auch das war eine lange Wartezeit; aber ickt war alles ganz anders als gestern. Jetzt stand er hier in guter Gesellschaft, und so wurde er weder müde noch verdrießlich.
Er konnte gar nicht beschreiben, welch ein wohliges Gefühl ihn überfam, während er unter der Tür stand und den warmen fleinen Körper an sich gedrückt hielt. Es kam ihmi vor, als sei er bisher auch gegen sich selbst immer recht widerwärtig und bitter gewesen, denn jetzt auf einmal empfand er nur Glück und Wonne in seinem Herzen. Noch nie hatte er gefühlt, wie geradezu beseligt man sein fann, einzig und allein dadurch, daß man jemand so recht herzlich lieb hat.
Jan hatte sich natürlich nicht ohne Absicht unter die Tür gestellt. Während er da stand, mußte eine gar wichtige Sache entschieden werden. ( Forts. folgt.)