»t 203-1916 Unterhaltungsblatt öes Vorwärts viermal zwei Geschützen liegt auf unS. Zwei leichte Schrapnells und zwei mittlere Granaten kommen von vorn, zwei lö-Zentimeter« Geschütze, die uns mit Gasgranaten beschießen und zwei noch schwerere, die uns und die hinter uns stehenden lö-Zenrimeter- Batterien zu treffen suchen, beschießen uns von der linken Flanke her. Verluste haben wir heute bis jetzt zwei Kanoniere. Das geht raaatsch, ratsch, bang, bang, hinter die Batterie, vor die Batterie, rechts und links der Batterie. Oft so nahe, daß die Sprengstücke um die Geschütze fliegen. Aus der Wiese, auf der wir stehen, ist ein umgepflügtes Feld geworden. Lebhaft feuern wir. Die Rohre dampfen; mit Glhcerin und Oel ist das ganze Geschütz bespritzt. Von unserem Schutzschild hat ein schweres Sprengstück eine gute Ecke herausgerissen. Das Rohr des ersten von rechts geht nicht mehr ordnungsmäßig vor. Trotzdem: es muß weiter gefeuert werden. Eine schwere Granate krepiert am zweiten Geschützstand, reißt die eine Wand fast ganz fort, ein Sprengstück zerschmettert einem Kanonier den Fuß, ein anderes schlägt die Richimiitel entzwei; das Rohr bewegt sich nicht mehr. Die Batterie schießt mit drei Geschützen weiter..Sperr« feuer, schneller feuern�, brüllt der Batterieoffizier. Die Briten greifen auf der ganzen Front an. Beim ersten Geschütz von rechts haben sich die Verschraubungen gelockert, der Lafetienschwanz zittert bei jedem Schuß wie Espenlaub, bei jedem Schuß kann das Geschütz auseinandersprmgen, der Abzugskanonier bindet eine Stalleine an den Nbzugshebel und zieht von einem b Meter entfernten Schußloch her ab. Aber die Batterie feuert mit der wenigen Bedienung, mit den abgenutzten Geschützen so schnell und wirkungsvoll wie vorher. Kaum hört man bei dem schnellen eigenen Feuer, dem Gebrüll der Nachbarbatterien, dem Einschlagen der feindlichen Granaten die Kom« mandos. Manchmal scheint es, als ob jemand etwas abbekommen hat. »Lebhafter feuern 1* Schuß aus Schuß heult herüber. Der Geruch von verbranntem Pulver. Schwefel und Kolophonium be- klemmt und reizt gleichzeitig, die Augen tränen von dem Gas. »Au N Jetzt hat's auch mich erwischt. War das ein Schlag gegen die linke Schulter, und schwer ist sie wie Blei. Doch, schrie da nicht noch jemand. Richtig, da hält sich mein Kamerad den Oberschenkel. »Sanitäter, Sanitäter 1* Der kommt eilends angelaufen.»Was ist mit Euch?*»Sieh mal meine Schulter nach, da habe ich wo» ab- bekommen."»Das ist nicht weiter schlimm. Und Du?"— »Menschenskind, Heimatsschuß. Da siehst Du, durch den Ober- schenke!, glatt durch das dicke Fleisch. Rein und rauS. Na, nun ver- zieht Euch man, grüßt Deutschland !" Mein Arm bekommt eine Schlinge. Ein kurzer Abschied den Kameraden, die schon wieder eifrig schießen. Der Leutnant wünscht gute Besserung, gibt uns die Hand, und dann humpeln wir davon.»Halbrechts müßt Ihr Euch halten, auf den Strauch zu, da haben sie noch gar nicht hingeschoffen," ruft uns der Sanitäts- Unteroffizier nach. Also los, auf den Strauch zu. Wenn wir nur erst aus dem Feuer heraus wären, denken wir beide. Ekelhaft wäre es, nachdem man glimpflich davongekommen ist, noch etwas dazu zu bekommen. Glücklich gelangen wir bis in das Hintere Dorf, bis zur Stellung einer schweren Batterie. Die Geschütze fliegen in die Häuser; die Straße ist mit Steinbröckel bepflastert. Da, hurra, ein Munitionskarren, der Munition nach vorn gebracht hat, kommt angejagt.»Kameraden, nehmt uns mir!" »Schnell, schnell, hier ist dicke Luft!" Kaum sitzen wir oben, da geht es los. Galopp, Galopp. Auf der mit Trümmern besäten Straße schleudert der federlose Wagen, daß man manchmal vor Schmerz laut auffchreit. Tut nichts, nur weiter, je schneller, desto bester. Ein paarmal spritzt uns Schutt und Staub inS Gesicht. Doch da sind wir auch schon wieder auf der Landstraße und bald aus dem Bereich des feindlichen Feuers. Der Fahrer wendet sich zurück:»Habt Ihr auSgehalten?".»Ja, ja, fahr man zu, und wennS gleich bis nach Hause geht!" Lachend läßt er die Pferde antraben. Meine Schulter schmerzt ja sehr, aber dafür gibt es ja auch bessere Tage. Endlose Züge von Reserven. Infanterie und Artillerie ziehen an uns vorüber, nach vorn; ein deutsches Luft- geschwader surrt den englischen Stellunge» zu. Endlich!»Lebt wohl, Kameraden! Machts gut!"(«) kleines Feuilleton. Das Telegraphon. Eine, wie es den Anschein hat, außerordentlich wertvolle Ver- befferung und Ergänzung des Fernsprechers, die dem Zwecke dient, das Telephon auch dann benutzbar zu machen, weun der Angerufene nicht zu Hause ist, ist den beiden Berliner Ingenieuren Seelau und Newman gelungen. Die Erfindung heißt das»Telegraphon". Sie besteht darin, daß sich am Telephonapparat ein zweiter Apparat be- findet, der jeden Augenblick durch einen Hebel mit dem Telephon verbunden werden kann. Verläßt der Teilnehmer den Raum oder das Haus, dann verbindet er einfach die beiden Apparate miteinander und das Telegraphon setzt sich, sobald der Teilnehmer angerufen wird, selbsttätig in Bewegung, d. h., die Sprechwalzen, auf denen die Mitteilung verzeichnet wird, beginnen sich zu bewegen. Vorher aber hört der Anrufer durch den Apparat die Nachricht, die der Telegraphonbesitzer für die Anrufenden hinterlaffen hat. Z. B.: »Hier Wilhelm Müllerl ist nicht zu Hause. Herr Müller ist zwischen 9 und 19 Uhr unter Amt Zentrum 58S zu erreichen. Aber bitte, sprechen Sie, der Apparat nimmt Ihr Gespräch entgegen." Nun kann der Anrufende so lange sprechen, wie er nur will; das Tele- graphon zeichnet alles auf. In dem Augenblick aber, in dem der Sprecher seinen Hörer wieder anhängt, steht auch das Telegraphon still und die Verbindung löst sich automatisch. Ueberdies erfolgen sämtliche Funktionen des Apparats selbsttätig ohne jede Mitwirkung des Fernsprechamtes: es können auch beliebig viel Anrufe erfolgen. Kehrt der während seiner Abwesenheit angerufene Teilnehmer zurück, so kann er mit Leichtigkeit die eingelaufenen Gespräche ab- hören, und er hat nichts versäumt. Damit unberufene Ohren die Walzen nicht abhören können, ist der Apparat verschließbar. Wenn man jedoch selbst ein Gespräch führt, kann man gleichfalls das Tele« graphon einschalten, so daß die lelephonischen Abbmachungen beider Teile in Originalstimme festgelegt werden können. Damit gewinnen die Gespräche gewiffermaßen urkundlichen Wert und große Be- deutung für die Rechtsprechung. Schon vor dreißig Jahren hat Josegh Kohler, der Berliner Rechtslehrer, darauf hingewiesen, wie wertvoll es sein würde, wenn es möglich wäre, die telephonischen Gespräche in irgend einer Form automatisch schriftlich zu fixieren. Nun ist Kohlers Gedanke Wirklichkeit geworden. Ursprung öes Schlangengiftes. Der italienische Forscher Dr. G. di Christina hat durch eine Reihe von Versuchen die Frage der eigentlichen Bedeutung der Gift- drüsen bei den Schlangen zu lösen versucht. Eines seiner Experi« mente bestand darin, bei zwei Bipern die Drüsen zu entfernen. Die Tiere starben kurz darauf. Der Tod trat auch dann ein, wenn er durch Zerschneiden des Absonderungskanals die Absonderung des Giftes verhinderte. Hieraus zog er den Schluß, daß die Giftdrüsen der Schlangen nicht nur ein Mittel der Verteidigung für die Tiere bilden, sondern daß sie auch noch die wichtige Funklion erfüllen, sie von dem im Körper bereiteten und angesammelten Gifte zu befreien. Behält die Schlange dieses Gift, so geht sie unfehlbar ein. Es scheint, daß man den Ursprung des Schlangengiftes im Darm- kanal suchen muß, der ja bei fast allen Tieren mehr oder weniger ein Herd zur Bildung giftiger Stoffe ist. Die Schlangen verdauen ihre Nahrung sehr langsam, so daß im Darmkanal eine starke Gä« rung enistehr. Wenn die Bildung des Giftes im Zusammenhang mit dem Verdauungsprozeß steht, so müssen nach Dr. Christina Verände- rungen enistehen, je nachdem da« Tier fastet oder verdaut. Solche Veränderungen sind auch talsächlich sestgestelll worden. So ist zum Beispiel das Gift einer Viper, die regelmäßig Nahrung erhält, absolui tödlich für Frösche. Läßt man dagegen die Schlange längere Zeit fasten, so ist das Sekret der Giftdrüsen den Fröschen nicht mehr gefährlich. Dies beweist also deutlich, daß zwffchen der Verdauung und der Giftigkeit der Drüsenausscheidung ein Zusammenhang besteht. Bei einer fastenden Viper kann anscheinend kein weiteres VerdauungSgift abgesondert werden, weil nach vollendeter Ver- dauung die Bildung des Giftes nicht möglich scheint; oder aber die Drüsen scheiden deshalb kein Gift aus, weil ihrem Blut eine Substanz fehlt, die die giftabsondernden Zellen zur Tätigkeit reizen kann. Dr. Christina hat auch beobachtet, daß das Gift weniger schäd« lich wirkt, wenn die Schlange mit leicht verdaulichem Futter genährt wird; er ist deshalb geneigt, die erstgenannte Hypothese anzunehmen und schließt daraus, daß die Giftdrüsen der Schlange teilweise die Funktionen der Nieren erfüllen und die Aufgabe haben, den Körper von den Giftstoffen zu befreien, die sich während der Verdauung bilden. Dieses würde also die hauptsächlichste Funftion der Gift- drüsen sein, während sie als Verteidigungsmittel erst in zweiter Linie kommt. Skotize». -- Kunstchronik. Im Kupfer st ichkabinett sind graphische Werke von Menzel, Käthe Kollwitz sowie die aus der Sammlung von Beckerath erworbenen Zeichnungen alter Meister aus» gestellt.(Zugang nur mittels des Aufzuges im Neuen Museums. — Der Verband für Theaterkultur, der in Hildes« heim gegründet wurde und fein Wirken über ganz Deutschland er« strecken will, beabsichtigt die Hebung und Förderung des deutschen Theaters als Pflegeslälte der Kunst im Geiste deutscher Bildung und Gesittung. Er will das Theater ollen Schichten des deutschen Volkes zugänglich machen und Mißstände im Tbealerwesen bekämpfen. Der Verein will zu diesem Zwecke u. a. den staatlichen und städtischen Eigenbetrieb fördern, Volksbühnen-Verbands- und Landschaftstheater einrichten und fördern sowie verschärfte Maßnahmen gegen die reinen GeschäflStheater und Unterhaltungsbühnen ohne höheres Kunstintereffe erzielen. /tos öer Sommesihlacht. (Schluß.) Die direkte Verbindung mit der Batterie ist wieder hergestellt. Meldung auf Meldung schickt der Batterieoffizier. Daß die Batterie von den Engländern stark beschosien werde. Daß der Kanonier und der Unteroffizier gefallen. Den mußten wir eben forttragen, schwer verwundet. Ein Geschütz hat einen Volltreffer bekommen, ist un- brauchbar geworden; ein Kanonier, ein Unteroffizier tot, ein Kano- mer verwundet. Doch weiter schießt die Batterie mit den übrigen Geschützen auf die immer neu heranbrausende kakhigelbe Welle. Ungeheuer sind die Verluste der Engländer, doch endlich fasten sie in den zerschoffenen, von den letzten Infanteristen bis zur letzten Handgranate und Patrone verteidigten Gräben Fuß. Da sämtliche Leitungen wieder gestört sind, gehen die letzten beiden verfügbaren Telephonisten auf Leitungspatrouille. Der Hauptmann sieht durch das Glas. Sieht immer neue gelbe Truppen über das Feld eilen, sieht einige stürzen, sieht ingrimmig trotz der deutschen Schiapnellwölkchen gelbe Gestalten in den deutschen vordersten Gräben verschwinden. Voll Grimm hören die Artilleristen das Jnsanteriefeuer schwächer werden. Eine Leuchtkugel nach der andern schießen sie ab. eine Leuchtkugel nach der andern fliegt aus den Gräben hoch. Mühsam beherrscht Wender sich der Hauptmann zu den Telephonisten:»Noch keine Verbindung?"»Nein, Herr Hauptmann." Der murmelt wieder am Fernrohr:»Links scheinen sie ziemlich weit drin zu sein. Da kommt ein Offizier von unserer Infanterie zurück!" Er eilt hinaus, um sich von ihm über die Lage zu unterrichten. Ernst kommt er zurück. Jauchzend ruft ihm der Telephonist schon vom weitem zu:»Herr Hauptmann, die Verbindung ist da!" So- fort jagen im Draht Meldungen über die augenblickliche Lage, Feuerkorrekluren zurück.--»Donnerwetter, sind die wahnsinnig?" Bestürzt ruft es der Hauptmann.»Da marschiert ein ganzes Bataillon Engländer geschloffen vor. Nein, meine Herren, soweit find wir doch noch nicht." Der Feuerbefehl geht an die Batterie. Ueber dem Bataillon, das in Kolonnen über die zweite englische Stellung hin« wegzieht, ballen sich die gelbweißen Sprengwolken der Lang- granaten. Wie Korn unter der Sense knicken die Reihen um. Eine grenzenlose Verwirrung entsteht. Einige rennen den Gräben zu, ein Offizier ruft mit gezogenen Säbel zum Sammeln, unschlüssig zaudernd marschiert ein Trupp weiter. Furchtbar mähen die nächsten Salven, bis das Bataillon verschwunden ist. Tie gelben Körper decken das Grün des Rasens, das Hell des Bodens. Jnsanleristen erzählten später, einen Offizier und ungefähr zehn Mann hätten sie zurücklaufen sehen, einige wären nachgekrochen. Das andere lag.— »Herr Hauptmann, die Verbindung ist gestört." Unmöglich ist es, die Leitung zu flicken, denn die Engländer, die anscheinend selbst nicht wissen, wie weil ihre Infanterie vor ist, legen ihr ganzes Arlilleriefeuer auf Hintergelände und Artilleriestellungen. Ver- wundete Deutsche kommen zurück, verkriechen sich in den Unterständen der Ausnahmestellungen. Andere schleppen Sandiäcke und Hand- granaten mit nach vorn. Aber immer neue Trupps Briten kommen, nicht achtend der Verluste, herüber in die deutschen Gräben.»Ja, wir müssen versuchen, zur Batterie zu gelangen, hier sind wir un- nütz," bemerkt der Hauptmann. Wieder tritt er zum Glas. Erregt verfolgen alle das stetige Vordringen der Engländer. Sollte es der Uebermacht gelingen---? Endlich, das heißersehnte Bild, Kopf an Kops drängt es in den Laufgräben nach vorn, die ein- rückenden Verstärkungen. Als der Abend kommt, find die Briten in den vordersten Gräben eingedrungen, alles andere ist ihnen im Gegenstoß wieder enl- rissen worden. Sie haben uns raus. Wenigstens wiffen sie das Hundertmeterquadrat, in dem unsere Batterie steht, und da sie nicht mir Munition sparen, setzen sie mit allen Kalibern von 25 zu 25 Minuten einen Schuß ab. Einer muß ja treffen. Gestern haben sie uns sogar mit 28-Zeniimeter-Haubitzen beharlt. Ein Flieger beobachtete in un- gefähr 1000 Meter Höhe über der Batterie kreisend. Einen Wohn- unterstand, in dem glücklicherweise niemand war, haben sie einge- hauen. Alles, was darin war, wie Mantel, Kochtöpfe, Koppel, Stiefel ist natürlich zum Deibel. Die Geschützstände haben sie nicht erreicht. Aber hinler und vor diesen sind drei Meter liefe und zwei Dkeier breite Löcher, so daß es ein Kunststück ist, zu ihnen zu ge- langen. Nachdem sie am Nachmittage noch die anderen Batterien, deren Stellung sie ungefähr wußten, unter Feuer genommen, setzte gegen Abend ein heftiges, die vorangegangenen an Stärke noch übertreffendes Trommelfeuer ein. Nun ist es morgens neun Uhr und sie trommeln immer noch. Zweimal sind sie gegen das Wäldchen links vor uns vorgebrochen und beide Male brach der Angriff in unserem Sperrfeuer zu- sammen. Gespannten Gesichts mit umgehängten Gasmasken stehen wir an den Geschützen. Die ganze Nacht haben wir geschossen, einmal Schnellfeuer abgegeben, als eine starke Welle Engländer gegen unsere Stellung vor dem Torfe anlief. Das Feuer von 9] �ans Heimweh. Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf . Der Besuch in dem Bauernhof. Als das kleine Mädchen in Skrolycka in ihr fünftes Jahr ging, nahm sie Jan Andersson an einem Sonntagnachmittag bei der Hand, und sie wanderten miteinander dem Walde zu. Sie gingen an schattigen Birkenwäldchen vorüber, wo sie sich sonst niederließen, sie gingen auch an dem Erdbeerhügel vorüber, ja sie gingen sogar, ohne anzuhalten, an dem kleinen sich dahinschlängelftden Bach, wo die Wäsche gewaschen wurde, vorüber. Hand in Hand wanderten sie dahin, still und ernsthast, wie um zu zeigen, daß ihnen etwas Feierliches bevorstand. Sie verschwanden in� östlicher Richtung im allertiefsten Walde; aber auch da hielten sie nicht an, sondern kamen schließlich über Loby auf einem bewaldeten Hügel wieder zum Vorschein. Von da gingen sie über die Wegscheide, wo die Landstraße und die Dorfstraße sich kreuzten, und jetzt mußte es sich doch endlich zeigen, wohin sie zu gehen beabsichtigten. Aber sie gingen nicht nach Nästa hinein �und auch nicht nach Nysta, auch sahen sie sich wieder nach Där-Fram noch nach Pa-Valln um. Weiter und weiter wanderten sie das Dorf entlang. Nun erschien es fast unverständlich, wohin sie gehen wollten. Denn sie konnten doch unmöglich im Sinne haben, bei Björn Hindriksson in Loby einen Besuch machen zu wollen? Wahr war allerdings, daß Björn Hindrikssons Frau die Halbschwester von Jans Mutter war; Jan war also wirklich mit den reichsten Bauern im Kirchspiel verwandt und hatte das Recht. Björn Hindriksson und seine Frau Tante und Oheim zu nennen. Aber bis jetzt hatte Jan getan, als wisse er gar nichts von der Sache, selbst mit Katrin« hatte er kaum je von der so vornehmen Verwandtschaft gesprochen. Er war im Gegenteil Björn Hindriksson immer aus dem Weg ge- gangen. Rtöt einmal auf dem Platz vor der Kirche pflegte er zu ihm hin zu gehen, um ihn zu begrüßen und ihm die Hand zu geben. Aber jetzt, wo Jan eine so merkwürdige kleine Tochter Hatte, war er nicht mehr nur ein armer Taglöhner. Jetzt haste er einen Schatz vorzuweisen und eine Blume, mit der er sich schmücken konnte. Jetzt war er reich mit den Reichen und mächtig mit den Mächtigen. Jetzt ging er geradenwegs auf Björn Hindrikssons großes Wohnhaus zu, um zum erstenmal in seinem Leben bei den vornehmen Verwandten einen Be- such zu machen. « Lange währte der Besuch im Bauernhof nicht. In weniger als einer Stunde ging Jan mit seinem kleinen Mäd- chen wieder über den Hofplatz nach der Pforte. Aber als Jan so West gekommen war, hielt er an und schaute zurück, wie wenn er Lust hätte, noch einmal hinein- zugehen. Er hatte indes gar keinen Grund, zu bereuen, daß er hin- gegangen war. Nein, so war es nicht, er war mit der Kleinen in jeder Beziehung gut aufgenommen worden. Björn Hindrikssons Frau hatte das Kind gleich mit sich an den blau angemalten Schrank genommen, der mitten an der Längs- wand des Zimmers stand, und ihr einen Zwieback und ein Stück Zucker gegeben. Und Björn Hindriksson selbst hatte sie gefragt, wie alt sie sei und wie sie heiße. Dann hatte er den großen Lederbeutel aufgemacht, den er in seiner Hosentasche trug, und ihr ein blankes Bierschillingsstück geschenkt. Jan war mit Kaffee bewirtet worden, und seine Stief- tante hatte nach Katrins gefragt und sich erkundigt, ob sie eine Kuh oder ein Schwein hätten, ob ihr Haus im Winter sehr kalt sei und ob er auch von Erik in Falla so viel Lohn be- komme, daß sie von dem Verdienst leben könnten, ohne Schulden machen zu müssen? Nein, an dem Besuch selbst war nichts, was Jan Kummer machen konnte. Nachdem er sich eine Weile mit Hindrikssons unterhalten hatte, sagten diese, sie seien zum Abend einge- laden und müßten in einer halben Stunde�wegfahren. Da hatte Jan ja eingesehen, daß sie diese halbe Stunde brauchten, um sich fertig zu machen, und so war er aufgestanden und hatte sich verabschiedet. Aber da war die Hausfrau rasch an den Speiseschrank gegangen und hatte Butter und Speck herausgeholt, auch einen kleinen Beutel mit Grütze und wieder einen mit Mehl gefüllt und dann alles in ein Tuch zu einem Bündel zu- sammengebunden, das sie Jan beim Abschied in die Hand gab und sagte, das sei ein kleines Geschenk für Katrine. Sie habe< wohl eine kleine Belohnung verdient, weil sie zu Hause ge- blieben sei und das Haus bewacht habe. Und dieses Bündel war es, das Jan jetzt viel Kopfzer- brechen verursachte. Er wußte ja recht Wohl, in diesem Bündel war alles mög- liche Gute und Prächtige, lauter Sachen, an die die Leute in Skrolycka bei jeder Mahlzeit sehnsüchtig dachten; aber Jan hatte das Gefühl, als begehe er gleichsam ein Unrecht gegen das kleine Mädchen, wenn er diese Sachen annahm. Nein, nein, er war nicht als Bettler zu Björn Hindriks- son gekommen, sondern als einer, der seine Verwandten be- grüßen will. Hindrikssons sollten die Sache nicht falsch auf- fassen, nein, das sollten sie nicht! Er hatte an all dies schon gleich in der Stube gedacht, aber die Ehrfurcht vor Björn Hindriksson und seiner Frau war zu groß, und so hatte er nicht gewagt, das Bündel zu- rückzuweisen. Nun ging er von der Pforte wieder zurück und legte das Biintel neben der Stallecke nieder, wo die Hausleute immer vorüberkamen und nicht anders konnten, als es zu bemerken. Es tat ihm ordentlich weh, die Sachen zurückzulassen; aber seine kleine Klara war kein Bettelmädchen. Niemand sollte das Recht haben, von ihr und ihrem Vater zu glauben, daß sie herumgingen und bettelten. Das Schulexamen. Als das kleine Mädchen sechs Jahre alt war, ging Jan in Skrolycka an einem Werktag nach dem Oestenbyer Schul- haus, um das Schuleramen mitanzuhören. Es war das erste Schulhaus im Kirchspiel, und alle Leute freuten sich darüber, daß sie nun ein Schulhaus hatten. Früher war dem Küster Svartling nichts anderes übrig- geblieben, als mit seinen Schülern von einem Hof zum andern zu wandern. Bis zum Jahre 1860, wo das neue Schulhaus fertig war, hatte er alle vierzehn Tage die Schulstube wechseln müssen, und oft, oft hatte er mit seinen kleinen Schulkindern in einer Stube sitzen müssen, wo die Hausmutter das Essen kochte oder der Hausvater an der Hobelbank stand und schrei- nerte, während daneben alte Leute den ganzen Tag im Bett lagen und die Hühner ihre kleinen Ställe unter der Bank an der Wand hatten. EorLs. folaU
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