Nr. 214.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts Diellstllg, 13. Zeptember. Die Sintflut öes Sanöss. Von Dr. Paul Landau. Vor undenklichen Zeiten ragten da. wo jetzt da-5 Kurische Haff seine kurzen kleinen Wellchen in eintönigem Rhtzlhmus binrollen läßt, bewaldete Steilufer über die Ostfee empor,� wie sie jetzt noch die Küste des Samlandes umkränzen. Eine allmähliche aber unaushalt« same Senkung de« BodenS   ließ die Meeresflutcn die Küsten be­graben, nur an der Stelle der heutigen Nehrungen ragten noch einige Jnieln heraus, an die die rastlose Arbeit der See nun wieder Sand anspülte, bis sie mit einander verbunden waren. Durch stete An» jchwemmungen, durch Bodenhebungen, in denen das Meer einen Teil des Geraubten wiedergab, entstand ein fruchtbarer Lehm- und Mergelboden, dem ein üppiger Pflanzenreichtum entwuchs und auf dem endlich auch der Mensch heimisch wurde. Diese ersten Menschen der Kurischen Nehrung, die in der jüngeren Steinzeit und den folgenden Zeiten eine nicht unbedeutende Kultur entfalteten, müssen sich, nach der ziemlich dichten Bevölkerung zu schließen, recht wohl befunden haben, und Romantiker dürften wohl in dieser Epoche das goldene Zeilalter des Landstriches sehen, eine ferne, weltgeschichtliche Welt, von der nur zahlreicheScherbenstellcn, Abfallstätlen von Urväter HauSrat, Steinäxte, Tonurnen und seltsamer Bernsteinschmuck, be- sonders die merkwürdigen Menschenfigürchen aus Bernstein  " dunkle Kunde geben. Ter steinzeitliche Urwald verschwand im Sand, versank rm Meer, und mit ihm das Geschlecht der vorgeschichtlichen Nehrungsbewohner. Als noch einer Entvölkerung des Landes, die vielleicht mit neuen Erdverschicbungen zusammenhing, zu Anfang der christlichen Zeit eine Zuwanderung von Letten, Deutschen   und Litauern begann und der heutige Stamm der Nehrungcr sich bildete, da war der Ausbau des Landstriches vollendet, und wieder deckte Wald den Boden, dichter, schöner Wald, dessen Reste noch heut« als würdige Zeugen einer zweiten fruchtbaren Epoche in die Gegenwart ragen. Diese mächtigen Stämme des»alten" Waldes, erwachsen über dem »alteren" der Urzeit, gemahnen uns an das»silberne Zeitalter", daS mit der Ordenszeil begann und bis inS 18. Jahrhundert dauerte. Damals gab es noch Forstmeister und Jäger und Wildwärter auf der Kurischen Nehrung: Das Rotwild war im 17. Jahrhundert so zahlreich, daß es in einem großen Treiben von dem. Landstrich heruntergescheucht wurde. Es war ein schönes, blühendes, üppigeS Eiland, das Jjeute zur»ostprcußischen Wüste" geworden ist. Von den Nachklängen dieser Herrlichkeit, die den NehrungSwandercr wie Grüße auS anderer Welt so freundlich berühren, sind die Be- stände des Cranzer Reviers bis Sarlau und die alten Kiefern hinler der Niddener Kirche gleichsam nur die Vorbereitung auf die Wunder Schwarzorts, wo nahe am Schluß der Nehrung als das jubelnde Finale dieser Wüstensinfonie die einstige Pracht der Nehrung in einem unvergeßlichen Eindruck erhalten ist. Wie eine blühende Insel der Seligen, die über toten Sand und öde Flut im prangenden Glanz des reichsten Leben» triumphiert, ragen die Riesenkiefern von Schwarzort im Schimmer ihrer rötlich leuchtenden Stämme mit den breiten dunkelgrünen Kronen gebietend auf und bilden den farbigen Nahmen für den schönen Badeort, der sich in ihre Hut schmiegt. Im Schwarzorter Walde steht man an einzelnen Stellen Plötz- lich vor einer seltsamen Erscheinung: mächtige Kiefernstämme steigen ohne jeden Wurzelansatz aus dem Boden und tragen wenige Meter hoch breite Kronen; wie Niesen ohne Beine sehen sie aus, die nur noch Oberkörper und Kopf haben. Die Bäume stecken bis zu zehn Meter tief im Sande; bis zum Hals ist manchmal die Sandflut ge« stiegen, aber die Versandung ging so langsam vor sich, daß die Wurzeln Zeit fanden, nach oben zu wachsen, und die in den Boden dringende Luit so doch aufnehmen konnten. Hätten die Wurzeln nicht die Kraft gehabt, sich der Luft zu nähern, dann wären auch die heute als Naturwunder gezeigten Schwarzorter versandeten Kiefern erstickt. Die Wanderdünen haben mit ihrer stillen Toten- gräberarbeit die Wälder begraben und auch die Häuser und die Dörfer. Wie der»alte Wald" verschwand? Man hat viel berichtet von den umfangreichen Abholzungen, die seit der Ordenszeit, bis zu dem Einfall der Schweden   und Ruffen, die schönen alten Bestände ge- lichtet hätten. Aber dieser Mangel an Waldschutz allein hätte die dichten Baummassen nicht vom Erdboden wegfegen können; er half nur, dem vernichtenden Ansturm des Sandes die Bahn zu öffnen. Nachdem einmal die Bresche in den Wald, dies Bollwerk der Natur gegen die vordringenden Dünen, gelegt worden, war da» TodeS- urteil über die Nehrung ausgesprochen. Die gierigen Wellen dieses körnigen MeereS prallten nun ungehindert gegen die Stämme und verschüttete sie. Die Düne wächst und wächst durch da» tolle Spiel der Sandkörner, die der Wind vom Meere her über den Kamm des Berges jagt, bis sie auf der andern Seite herunterrieseln. Die Düne »wandert" so, vom Seewind getrieben, unaufhaltsam dem Haff zu, um sich in ihm zu»ersäufen", aber auf ihrem Wege begräbt diese träge Lawine mit dem stillen, unaufhörlich ruhelosen Leben in sich, alles Lebende unter ihrer Last. Ein hartes, gläsernes Klingen der sich reibenden feinen Körner gibt die gespenstische Begleitmusik; helle, klare.Rauchfahnen" des.dampfenden" aufgewirbelten Sandes ziehen voraus; rieselnd, kreiselnd gleiten die Massen von der Sturz« düne, der steilen Böschung des Sandberges nach der Landseite bin, hinab. Das so unschuldig aussehende, liebliche Spiel der Wellen hat an» winzigen Körnchen, die es plätschernd ans Land warf, einen grimmigen Dämon entfesselt, der alles unter sich begräbt. Die Geschichte der Nehrungsortschaften in den letzten Jahr« Hunderten ist die Geschichte ihrer Versandung, ihrer Erstickung durch die Dünen, die erst die Wälder auffraßen und dann die Häuser be- gruben, ganz langsam, so daß die Menschen sich retten konnten, aber die öde, leere Wüste, das kalte, weiße Leichentuch de? Sandes über die Ansiedlungen breitend. Die Sintflut des Sandes hätte nichts verschont. Sie bedrohte auch Nidden   und Schwarzort, wenn nicht der Menschengeist die Nawr, die den Landstrich vernichtet, zu seiner Rettung aufgeboten hätte. Der Schutzwall des Waldes, der so lange die Neljrung vor den verwüstenden Gewalten bewahrt, er sollte künstlich wiederhergestellt werden, und so ward seit etwa 100 Jahren daS großartige Werk der Dünen« befestigung durchgeführt: Anpflanzungen und Aufforstungen bändigten den Sand, brachten die Düne durch die zäh festhaltende Kraft der Bäume zum Stehen. So ist ein»dritter Wald" von malerischen Bergkiefern auf der Nehrung entstanden als ein trofweicheS Zeichen dafür, daß keine zweite»Sintflut" den Frieden der blühenden, lieb- lichcn Nehrungsorte vernichten wird. Ein paar der gewaltigsten Wanderdünen, wie die»hohe Düne' bei Nidden   mit dem urweltlich grandiosen»Tal des Schweigens", die nicht minder mächtig wirkende »tote Düne" bei Schwarzori bleiben in ihrer kahlen Wüstengröße erhalten als ewige Naturdenkmäler und Wahrzeichen der Kurischen Nehrung, deren Sandmeer heute seine Schrecken verloren hat und nur noch seine Erhabenheit offenbart. kleines Zeullleton. ,Rose Sernö� im Deutschen   Theater. Da» Lessing-Theater hat einen Teil der vrahmfchen Erbschaf an da» Deutsche Theater abtreten müffen: Gerhart Hauptmann  . ES werden hier nach und nach seine Dramen neueinstudiert in den Spielplan übernommen, und die Kritik hätte Gelegenheit, des Dichter» Art und Bedeutung aufs neue festzustellen. Aber solche Erörterungen haben aufgehört, Hauptmann genießt bereits die Rechte des Klassiker». DaS Problematische bleibt unerledigt, die Schwächen werden leicht in den Kauf genommen und bei jeder Neueinstudierung auch der weniger gelungenen Werke erstrahlt da» Dauernd- Bedeutende in hellerem Glänze. Bei der»Rose Bernd  " kann man es zufrieden sein. Nach der ersten Aufführung im Jahre 1903 war der dramatische Wert noch sehr bestritten, bei der Revision im Jabre 1912 war der Sieg schon gesichert und jetzt war eS beinahe ein Triumph, der wie alle diese lärmenden Hervorrufszenen immer etwa? Peinliches behält. Das Erscheinen des Autors im Theater hat sich ja leider bei den Premieren eingebürgert. Es sollte billigerweise auch auf diese Ge- legenheit beschränkt bleiben. Unbeschadet aller dramatischen Unzulänglichkeiten, epischer Breiten und vielfachen technischen Mängeln, trotz der Sentimentalitäten, rührt und ergreift uns dieses Stück Menschenleben in? Innerste. Dieses erdgebundene Bauernmädchen muh die fürchterliche Tragödie der Gejchlechtshörigkeit erfahren, weil sie in Jugendkrast, der Stimme de« Blute» folgte, es wird zur gehetzten Männerbeute und findet in seiner Dumpfheit nicht mehr aus der Wirrnis, nachdem ihm der Weg in die büßende Sühneehe verlegt ist. Sie wird das Opfer derer. die sich in Mitleid um sie mühen, weil niemand sie versteht, ihr bleibt nur der Schrei der Gefesselten, die Schuldtat der Gehetzten und der Wahnsinn der Verlassenen. Wo hat ein Dichter je die unendliche seelische Einöde der an allem und allen Jrrgewordenen so gestaltet? Wo find die Schmerzen der Kreatur so unsagbar und doch so furchtbar lebendig geworden? Die Innerlichkeit der leiderfüllten Dichtung gewann in der mit aller naturalistischen Treue durchgeführten Zuständlichkeit der Auf- fllhrung das gebührende Nebergewicht. In Lucie Höflich   hat Else Lehmann   die würdigste Nachfolgerin erhalten; sie hat all daS Jnstinktmäßige, die ganze Natursrische, die Herbigkeit und Dumpfheit der Rose. Ihr Schrei kam aus der Tiefe und ihre hilflose Verbiestertheit war packend. Da» hohe Lied ftaulichen Mitleids und Mütterlichteit klang au» dem Munde der Rosa B e r t e n s sFrau Flamm) zwar nicht ganz schlesisch echt, aber überzeugend-klug. Zwei wirksam« Gestalten kraftvoller Männlichkeit boten Winter st ein sFlamm) und Janning» sStreckmann). Die herrnhutische Welt hatte in W. Krauß einen prächtig patriarchalischen Vater Bernd und in Max G ü l st o r f f, der den demütigen Keil auch mit schauspieleri- scher Selbstverleugnung verkörperte, vollwichtige Vertreter. r. hapdns �ahreszelten� Im Volkschor. Seitdem der schweizerische Naturforscher und Dichter Albrecht v. Haller   die Alpen   in seinem Lehrgedicht gefeiert halte, hebt eine neue Epoche der poetischen Weltliteratur an. Deutsche   und englische Poeten besingen die Reize der Natur und des ländlichen Lebens. Vorerst.malen" sie, was sie sehen, mit akademisch wohlgesetzten Worten. DaS Idyllische steht obenan. Daneben tritt die religiöse und moralische Nutzanwendung. Der Engländer Thomson stand ein ganzes Zeitalter hindurch in Mode und fand auch bei uns be« wundernde Nachahmer. Einem epischen Gedicht von ihm ist die textliche Unterlage zu Joseph Haydns JabreSzeilen entnommen. Zwei deutsche Komponisten: Gluck(Orpheus) und Haydns sind die ersten, die der Musik die Natur gewannen. Zeitlich wie künst- lerisch steht Haydens SchöpfunjjSoratorium natürlich vor seinen Jahreszeiten. Sie sind eigentlich sein allerletztes Werk. Dennoch trägt fast alle» darin das Gepräge einer noch unversiegten Schöpferkraft. Hinreißende Chöre wechseln ab mit schwung- vollen Arien, selbst Rezitativen und prachtvoll malerischen Orchesterstücken. Der Sommer bildet den Gipfelpunkt des Ganzen. Einige» im Frühling und Herbst ist jener Musik eben- bürtig. Am schwächsten wirkt wohl daS Schlußstück: Der Winter. Aber hier liegt der Fehler am unpoetischen Text. Es widerstrebte der tiefreligiösen, doch zugleich so erdenfrohen Natur Haydns, alle- gorisch und moralethisch anmutende Kanzclreden in Musik zu setzen. Dank seinem tiefen Naturgefühl und der greisbar plastischen Malerei wirkt Haydn  » Musik noch heute unvergänglich frisch. Die Aufführung am letzten Sonntag in der Garnisonkirche ist verdienstlich zu nennen. In da» sichere Gelingen teilen sich mit dem Volkschor und dem Philharmonischen Orchester Wilhelm Scholz  am Cembalo Friedrich P l a s ch k e, Birgit E n g e l l und Rudolf Laubenthal   als hervorragende Vertreter der Solopartien des Werke». Musikdirektor Max E s ch k e dirigierte an Stelle Ernst Zander», der ja dem Ruf WS Feld gefolgt ist, mit Umsicht, Schwung und Kraft._ ek. Eine Ausstellung öeotscher Krlegsgefangenen-�rbeiten. Au» Zürich   wird geschrieben: Eine der interessantesten Aus- stellungen, die wir innerhalb der letzten Jahre hier zu sehen be- kamen, wurde für die Dauer einiger Tage hier eröffnet. Es bandelt sich um eine Ausstellung von Arbeiten kranker deutscher   Kriegs- gefangener während der Zeit ihrer Gefangenschaft in England oder Frankreich  , oder seit ihrem Aufenthalt in der Schweiz  , wo sie zur Genesung weilen. Es sind Arbeiten, die nicht das Ver- langen kundgeben, künstlerischen Absichten Genüge zu leisten. In den meisten Fällen verdanken sie ihre Entstehung dem Bedürfnis, sich auf möglichst anregende Weise die Zeit zu vcr« treiben und die Oual dcS NichtStunkönnen» zu verkur-eg. Und so pfuschte einer dem anderen inS Handwerk: Schneider und Tischler versuchten sich in Drechslerarbeiten, der baut sich einen Schmuckkasten, der versuchte, eine Decke zu sticken; andere hämmerten sich metallene Dinge zusammen, wiederum andere stellten ihr Talent mit Knüpfarbeiten auf die Probe. Und merkwürdig, was sich dem betrachtenden Blicke des AusstellungsbesucherS zeigt, ist oft sehr wertvoll, bisweilen sogar glaubt man, Arbeiten von Kunstgewerblern vom Fache vor sich zu sehen. Selbstverständlich bringt man der Ausstellung in Zürich   da» verdiente Interesse ent- gegen. Der Erlös ist für die Arbeiten de» Komitees?ro Laptivis� (für die Gefangenen) bestimmt, während der Reinertrag eines Chor- konzerte» deutscher Internierter in Luzern   von diesen selbst sür kraul« schweizerische Wehrmänner bestimmt wurde. Notize». Friedrich Gernsheim  , der als Tonsetzer, Dirigent und akademischer Lehrer für Klavierspiel und Musiktheorie eine viel- fältige Tätigkeit früher in Köln   und Rotterdam   und schließlich in Berlin   ausübte, ist 77 Jahre alt gestorben. Seine eigenen Schöp- fungen, unter den eine Reihe von Chorwerken, Kammermusiken und Sinfonien zu nennen sind, bewegen sich in den durch Beethoven  , Schumann, Brahms gekennzeichneten Bahnen. Der. Nährwert des Herings. In der»Zeitschrift für Fleisch« und Milchhygiene" verbreitet sich der holländische Schlacht- Hofdirektor Beel über den Hering als menschliches Nahrungsmittel. Der Herina besitzt nach B. den größten Nährwert unter allen Fischen. nur noch Aal und Salm stehen ihm gleich. Ein Pfund Hering hat mehr Nährwert als zwei Pfund Kabeljau oder Schellfisch, so daß der Hering unstreitig als der billigste und nahrhafteste Fisch zu be« zeichnen sei. 20) Jans helmweh. Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf  . Die ganze Zeit über hatte Katrine das Wort geführt. Jan hatte noch gar nichts gesagt. Er saß still da und fah nur immer Klara Gulla an, sah sie an und wartete. Ihm war vollständig klar und deutlich, all dieS war ihretwegen so eingerichtet worden, damit sie Gelegenheit bekäme, zu zeigen, was sie leisten konnte. Wenn man dem Armen sein HauS nimmt, dann ist es zu Ende mit ihm I" jammerte Katrine. Ich will Euch ja Euer HauS gar nicht nehmen," ver- teidigte sich Lars Gunnarsson wieder.Ich will nur die Sache in Ordnung gebracht haben." Solange der Arme ein HauS hat, fühlt er sich ebensogut wie alle andern. Wer aber kein eigenes Heim hat, fühlt sich nicht mehr als rechter Mensch." Jan dachte, Katrine habe in allem, waS sie sagte, voll- kommen recht. Das Haus war aus alten Balken gebaut, und eS war im Winter sehr kalt, es neigte sich auch auf dem schlechten Untergrund auf die Seite, und eng und klein war es auch, und doch war es ihnen, als sei es aus mit ihnen, wenn sie es verlören. Jan glaubte indeS nicht einen Augenblick, daß eS ihnen so schlimm gehen würde. Da saß ja Klara Gulla, und jetzt sah er auch in ihren Augen einen hellen Strahl aufleuchten. Im nächsten Augenblick würde sie sicher ein Wort sagen oder etwas tun, wodurch die beiden Plagegeister vertrieben wurden. Ja, ihr müßt wohl Zeit haben, euch die Sache zu über- legen," sagte der neue Hosbesitzer.Aber vergeßt nicht, ent- weder ihr zieht am ersten Oktober aus, oder der Handels- mann erhält seine volle Bezahlung. Und ich bekomme meine hundert Neichstaler für das Grundstück." Katrine rang ihre alten abgearbeiteten Hände. Sie war ganz außer sich und redete mit sich selbst, ohne sich darum zu kümmern, wer ihr zuhörte. Wie soll ich noch in die Kirche gehen können und wie soll ich es noch wagen, mich unter den Leuten zu zeigen, wenn es mir so schlecht geht, daß ich nicht einmal mehr ein eigenes Dach über dem Kopf habe?" Jan dachte an anderes. Er dachte an alle die schönen Erinnerungen, die mit dem Häuschen zusammenhingen. Hier auf dieser Stelle hatte ihm damals die Hebamme daS Kind in die Arme gelegt. Dort unter der Tür hatte er gestanden, als die Sonne durch die Wolken brach und damit dem kleinen Mädchen ihren Namen gab. Das Häuschen war ein» mit ihm und Klara Gulla und Katrine, sie konnten eS nicht auf­geben. Jetzt ballte Klara Gulla ihre eine Hand zur'Faust, er sah es deutlich. O, sie würde ihnen gewiß bald zu Hilfe kommen l Lars Gunnarsson und der Ladengehilfe standen auf und gingen nach der Tür. Dann sagten sie guten Tag und damit verließen sie das HauS. Aber keines von denen, die in der Stube zurückblieben, erwiderte ihren Gruß. Sobald die beiden gegangen waren, warf daS junge Mädchen mit einer stolzen Bewegung den Kopf zurück, stand von ihrem Stuhl auf und sagte: Wie, wenn ihr mich in die Welt hwausließet!" Da hörte Katrine auf. vor sich hin zu reden und die Hände zu ringen. Die Worte hatten eine schwache Hoffnung in ihr erweckt. Es wird wohl nicht ganz unmöglich sein, bis zum ersten Oktober zweihundert ReichStaler zu verdienen," sagte Klara Gulla.Wenn ihr mich nur nach Stockholm  gehen lasset und ich dort in einen Dienst komme, so soll das Haus hier sicherlich euer eigen bleiben, das verspreche ich euch." Als Jan AnderSson diese Worte hörte, erblaßte er. und sein 5lopf sank zurück, wie wenn er das Bewußtsein verlieren würde. Wie schön war daS von dem kleinen Mädchen I Ja, darauf hatte er die ganze Zeit über gewartet; aber wie, wie sollte er weiterleben können, wenn seine Klara Gulla von ihm ging? Der Gtorsnipa. Jan von Skrolycka wanderte auf demselben Waldweg da- hin, den er mit Kattine und Klara Gulla noch vor ein paar Stunden auf dem Heimweg von der Kirche froh' und glücklich zurückgelegt hatte. Er hatte mit Katrine lange hin und her beraten, und schließlich waren sie überein gekommen, vorerst die Tochter nicht fortzuschicken oder sonst etwas in der Sache zu tun, son- dern Jan sollte zu dem ReichstagSpbgeordneten Karl Karlsson in Storvik gehen und ihn fragen, ob LarS Gunnarsson das Recht habe, ihnen das Häuschen zu nehmen. Im ganzen Svartsjöer Kirchspiel wußte niemand so gut Bescheid im Gesetz und in allen Verordnungen wie der Reichs- tagsabgeordnete von Storvik. Wer immer so klug war, ihn bei Erbteilungen und Verkäufen, bei Inventaraufnahmen und Auktionen oder beim Aufsetzen eines Testaments zu Hilfe zu nehmen, der konnte ganz sicher sein, daß alles gesetzmäßig und richtig gemacht wurde, und daß nachher niemand mit Prozessen und Spitzfindigkeiten an der Sache rütteln konnte. Aber der Reichstagsabgeordnete war ein strenger, herrischer Mann, von barschem Aussehen und mit einer harten Stimme, und Jan war es bei der Aussicht, zu ihm gehen zu müssen, gar nicht froh zumute. .Wenn ich komme, wird er mir zu allererst eine Straf- predigt halten, weil ich nichts Schriftliches von Erik in Fall« habe,' dachte er. ,Es gibt viele, die er gleich von Anfang an so eingeschüchtert hat, daß sie'S gar nicht mehr gewagt haben, ihn über die eigentliche Sache um Rat zu fragen.' Jan war in übergroßer Hast von Hause weggegangen, und so hatte er da gar keine Zeit gehabt, daran zu denken, welchem gefürchteten Manne er unter die Augen treten sollte. Aber als er durch die Waldstrccken von Askedalarna dem Hoch- Wald zuwanderte, da überkam ihn die alte Angst mit neuer Stärke, und er dachte, es sei recht dumm von ihm, daß er Klara Gulla nicht mitgenommen habe. Als er von Hause wegging, hatte er daS Mädchen nirgends gesehen. Sic war vielleicht fortgelaufen und hatte einen ein- samen Platz im Walde aufgesucht, um da ihren Schmerz aus- zuweinen. Von jeher wollte sie es niemand sehen lassen, wenn sie betrübt war. AlS Jan eben in den Wald einbiegen wollte, hörte er rechts von sich höher oben auf dem Berge jemand singen und jodeln. Er blieb stehen und lauschte. ES war eine Frauenstimme, die da oben sang. Aber was war daS? Die Stimme kam ihm merkwürdig bekannt vor. Und doch es war nicht möglich, es konnte nicht sein! Jedenfalls wollte er, ehe er weiterging, wissen, wie es sich verhielt. Der Gesang klang jetzt ganz hell und deutlich, aber der Wald verdeckte die Aussicht auf die Sängerin. (Loxtj. foIgU