Hr. 236.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts 5onnabtlld, 7. Oktober. Strdfzüge öurch öas Nahrungsmittel- gebiet. Hamster und Fälscher sind nicht auszurotten. Man sollte es kaum glauben, wo doch schon fast alle wichtigen Nahrungsmittel durch Karten in gleichmäßiger Verteilung in die Kreise der Ver- braucher laufen. Aber, was ein richtiger Hamster ist, findet immer auch einen Gegenstand für seine Sammelwut. Jetzt hat Herr oder oder Frau Hamster entdeckt, daß man Kochsalzverräte anlegen könnte, warum sollte denn Salz nicht auch knapp werden? Dabei rührt es ihn gar nicht, daß wir aus unseren heimischen Solzlagerstätten die ganze Welt versorgen können; gewiß, sagt der Hamster, auch bei Zucker war das der Fall, und Zucker ist doch knapp geworden. Aber zunächst mutz Zucker jedes Jahr neu aus der Rübenernte gewonnen werden, während das Salz immer da ist und nur abgebaut zu werden braucht. Dann ist unser eigener Zucker- verbrauch ganz bedeutend gestiegen, beim Salzverbrauch kann davon keine Rede sein. Ja, der Hamster sieht das alles ein, aber Arbeitermangel könnte eintreten. Glücklicherweise ist nun aber gerade in der letzten Zeit in der Technik der Gewinnung des Koch- ialzes durch die Erzeugung des sogenannten Hüitensalzes ein großer Fortschritt erreicht worden. Das Siedesalz wurde durch den Sud gewonnen. Für das Hüttensalz geschieht dies nach hüttenmännischen Grundsätzen. Automatisch werden in einen Riesenschmelzofen Stein- salzstücke gefüllt und dort durch Schmelzen gereinigt. Das ge« schmolzene Kochsalz kommt zu einem Rührwerk, wird gekörnt und gelangt, von keines Menschen Hand berührt, schließlich in die Lager- räume. Ob die Salzhamster jetzt überzeugt sein werden, wer will das wisien? Begreiflich ist, daß sich die Marmelade zurzeit ganz besonderer Werlschätzung erfreut. Das hat, wie Professor Beythien, der Vor« sleher des chemischen Untersuckungsamtes der Stadt Dresden , be- richtet, eine ganz merkwürdige Fabrikation ins Leben gerufen. Man könnte die so hergestellten Marmeladen am besten als Kleister- Marmeladen bezeichnen. Sie bestehen in der Hauptsache aus einem künstlich gefärbten versüßten und aromatisierten Mehlkleister mit sehr geringen Zusätzen von Fruchtfleisch; manchmal fehlt dies auch ganz. Man sieht, daß diese Marmeladen sehr wenig gemein haben mit den Dingen, die die Hausfrau sonst als Marmelade zu be- zeichnen pflegte. Der Laie wird daher erstaunt sein, wenn er hört, daß Behtbien empfiehlt, trotz mancherlei Schwierigkeiten, die sich aus dem Wortlaute der Bekanntmachung des Bundesrats betreffend Marmelade ergeben, diese Erzeugnisse unter Marmeladen einzureiben. Das hat seinen Grund darin, daß hier für die bekannten fünf Marmeladensorten Höchstpreise sestgesetzr sind. Würden die Nah- rungsmittelchemiker den fraglichen Erzeugniffen den Marmeladen« charakter absprechen, dann würden sie dem Publikum unter viel- versprechenden Phantasienamen zu erhöhten Preisen angeboten werden. So sind und bleiben diese Stoffe Kunstmarmelade und dürfen, wie die Gerichte schon verschiedentlich anerkannt haben, keinen Hinweis aus irgendeine Fruchlarr in ihrem Namensschild führen. Recht interessant sind auch die verschiedenen Bestrebungen dem P. T. Publikum die fehlende Wurst zu ersetzen. Als Paste mit dem Aussehen von Leberwurst wurde ein solcher Wurstersatz verkauft, der die Bezeichnung.Wurst aus Muschelfleisch mit Mehlzusatz" zu führen ein Recht harte. Eine nach Art der bekannten Erbswurst hergestellte Krebswurst war weiter nicht zu beanstanden. Sie war nur un- genießbar, so daß es Beythien dringend erwünscht erscheint, die Krabben, die zu ihrer Herstellung dienten, möchten wieder in un- veränderter Form im Handel erscheinen kleines Feuilleton. Sjörnsons Paul Lange und Tora Parsberg im Theater in der Königgrätzer Straße. Friedrich Kahßler und Helene Fehdmer ent- wickelten in diesem Björnson-Drama, das vor etwa anderthalb Jahrzehnten hier in Berlin zuerst gespielt wurde und damals vor allem als politische Satire interessierte, eine erlesene Kunst seelischer Feinmalcrei. Kayßler, den man lange nur als Repräsentanten herb schroffer Männlichkeit gekannt, bewies hier wieder, wie früher schon in seiner wundervollen Verkörperung des Psarrers Sang in Björn- sonsHeber unsere Kraft", daß ihm die Klangfarbe weltfremd liefer Innerlichkeit in gleicher Fülle und mit gleicher Kraft der Ueber- zeugung zu Gebote steht. Ter völligen Sicherheit gesellschaftlicher Formen und überlegener Intelligenz, die den hochgestiegenen Politiker kennzeichnen, verband sich ein herzgewinnendes, seltsam liebenswürdiges Lächeln, und in den Szenen mit der angebeteten Frau der Eindruck einer jünglingshaft rührenden Schwärmerei, die schüchtern an das Glück der Gegenliebe kaum zu glauben wagt. Die Erfahrungen, die Lange im politischen Kampf gewonnen, daß die großen Worte, mit denen da gestritten wird, meist bloße Dekorationsmittel bedeuten, haben ihn nicht verbittert. Mitten drinnen in dieser Welt und selber von Natur zu rechnenden Kompromissen neigend, wider- strebt ihm der moralische Entrüstungssturm, welchen seine eigene Partei gegen den Ministerpräsidenten, der srüher manches Gute durchgeführt hat, plant. Er schwankt, ob er nickt zur Verteidigung des allen Mannes selbst eine Rede halten soll, läßt sich von Kraft, dem Freunde und enthusiastischen Draufgänger, das Versprechen ab- locken, zu schweigen und tritt dann dennoch, unter dem Drucke sehr verschlungener Motive, für den Angegriffenen ein. Man weiß nicht, tut er es, weil Tora es so wünscht oder weil er in ihren Worten das, was ihm selber Recht und Pflicht dünkt, wiederfindet; die Art von psychologischer Notwendigkeil, die ihn zur Tat treibt, bleibt unklar. So sehr das Stück in seinen Liebesszenen fesselte, so lebensvoll hier im Zusammenspiele der Kontrast des von ewigen Bedenken hin- und hergeworfenen Mannes zur gradgewachsenen, gläubig starken Liebe Tora« hervortrat, in dieser Unbestimmtheit der Motive liegt ein die Teilnahme erlältcndes Moment, das sich nach dem dramatisch bewegten Miltelakt in der tragischen Wendung des Ausgangs noch verstärkt. Der Dichter will uns glauben machen, daß dieser Mensch dem Flehen der geliebten Frau zum Trotz in seinem Ehrgefühl so jämmerlich gebunden sei, daß er, um nicht als so Befleckter den Bund mit ihr zu knüpfen, sich eine Kugel durch den Kopf schießt. Die Vortrefflichkeit der Darstellung, die Herzens- wärme, mit der Frau Fehdmers Tora sich den düsteren Wahn- gedanken des Gebrochenen entgegenwirft, mußten diese Lösung nur noch willkürlicher erscheinen lassen. Die bedeutenderen Nebenrollen waren durch die Herren Let- tinger, Hartau, Herzseid eindringlich markant vertreten. Sehr gut gelangen auch die Politikerszenen, deren Stileinheit aber noch gewinnen könnte, wenn Herr Richard Leopold seiner Lust am Karikieren straffere Zügel anlegt. dt. Tagore über Europas Kultur. Anläßlich einer Reise nach Japan hat der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete indische Dichter und Denker Rabindranath Tagore in der Universität zu Tokio eine Vorlesung gehalten, die für das Ver- hältnis, in dem ein moderner Orientale zur europäischen Kultur steht, überaus lehrreich ist. Asien hat, so sagt Tagore , lange in Träumen an seine Vorzeit gelegen, immer nur zurückgeblickt und nickt an seine Entwicklung gedacht. aus diesem Traum aufgewacht mäßigen Anstrengung sich die gemacht hat. Damit hat eS Zeichen zuin Erwachen gegeben, und nun ist es die Frage, ob Japan sich die mechanische Kultur des Westens aneignen kann, ohne Schaden an seiner eigenen Seele zu nehmen. Diese Kultur hat nach Tagore wohl Probleme aufgeworfen, aber sie nicht zu lösen vermocht. Die Konflikte zwischen Staat und Persönlichkeit, Kapital und Arbeit, Mann und Frau, materiellem und geistigem Leben, Eigen- nutz und Menschheitsideal und Achnliches mehr sind aufgestellt, aber in keiner Weise von Europa ? Kultur gelöst. Auf Japan lastet die ungeheuere Verantwortung, ob es den Weg zu diesen Lösungen finden, ob es ihm gelingen wird, dem, was jetzt eine tote Maschine ist, lebendiges Leben einzuhauchen, das menschliche Herz auf den Hochsitz zu setzen, der jetzt vom kalten Eigennutze ein« genommen wird und das unendliche Streben nach Macht und ma- lcriellem Fortschritt gegen ein harmonisches und lebendiges Wachs- tum, gegen Wahrheit und Schönheit zurücktreten zu lassen. So oft die Europäer auf sremde Rassen stießen, haben sie sie als Neben- bubler betrachtet und einfach ausgerottet. Das bezeugen Amerika und Australien , das bezeugt heute der Ausschluß farbiger Ein- Wanderer, den die angelsächsische Raffe in Kalifornien , Kanada und Australien durchzuführen versucht. Hierin hat die europäische Kultur emsach Kannibalentendenzen gezeigt. Kriege hat es natürltch auw vor ihr gegeben, aber nicht eine so ungeheure Maschinerie zur vollständigen Verwüstung, nicht so furcht» bare Gedanken von Neid und Haß, nicht so barbarische Versuche, einander zu vernichten und zu verzehren. Die poliftsche Zivilisation Europas ist wissenschaftlich, aber nicht menschlich. Sie kann keinen Bestand haben, weil es in der Welt ein moralisches Gesetz gibt, das auf die Dauer nicht ungestraft übertreten wird. Der Osten kann mit seinen Idealen ruhig warten, während der Westen im Kampfe des krassen Eigennutzes immer weiter jagt, bis ihm der Atem ausgeht und er stehen bleiben muß. Der Osten weiß, daß er ewig ist, daß er in der Geschichte des Menschen­geschlechtes wieder auftreten und ihm ein neues Leben geben wird. Europa wirft in seiner Jagd nach dem Mammon durch daS Wagen« Japan war eS, das zuerst ist und mit einer riefen- europäische Kultur zu eigen dem ganzen Orient das fenster verächtliche Blicke auf den still und ruhig arbeitenden Mann auf dem Felde, den es in seinem Schnellzugsrausche für ein zurückgebliebenes Geschöpf ansieht. Schließlich aber verlieren die Ziele dieser sogenannten 5hrltur ihre Bedeutung, und die hungrige Menschheit ruft nach Nahrung. Dann erscheint der ein- fache Mann aus dem Felde in einem neuen Lichte. Die Gewinn- sucht kann nicht warten, das Geschäftsleben kann nicht warten, die Genußsucht kann nicht warten. Aber die Liebe kann warten, und ebenso kann es die Schönheit und die Weisheit des Leidens. So kann auch nach Tagore der Osten warten, bis seine Zeit kommt. Asiens Zivilisation wird sozial, nicht politisch sein. Sie wird eine Zivilisaiion des Geistes und auf der Ungleichheit der Menschen aus- gebaut sein. Czernp als krebsbekämpfer. ES war auf der Naturforscherversammlung in Münster , wo der jüngst verstorbene Prof. Czerny, der Begründer des Heidelberger Krebsinstituts, sich ausführlich über.Die nichtoperative Behandlung der Geschwülste" äußerte. Er sprach in der allgemeinen Versamm- lung und wies darauf hin, daß hier nur selten dem Therapeuten das' Wort erteilt werde. Es ist das. so fuhr er fort, ein Zeichen, wie groß das Jnleresse der Naturforscher und Aerzte an der Entwicklung dieses Teiles der Heilkunde ist, und eine Konzession an das Publikum, das mit Begierde jede Zeitungsnotiz auf- greift, welche die Hoffnung erweckt, daß wir dem Problem der Krebsheilung näher gerückt sind. Wie oft ist diese Hoffnung enttäuscht worden I Denn nur langsam reifen die Früchte der Heilkunst, viel zu langsam für den bangenden, hangenden Kranken und seine Angehörigen, die durch Monate von der hoffnungs- losen Krankheit gequält, auf ein neues Heilmittel wie auf den Er- löser warten. Darum betonte Czerny gleich am Beginne des Vortrages, daß er zwar nicht mit leeren Händen komme, daß aber ein spezifisches Heilmittel gegen den Krebs bisher nicht gefunden sei. Wir wissen es heute, daß wir auch in der Bekämpfung des KrebseS nicht unwichtige Fortschritte zu verzeichnen haben, daß wir nicht zuletzt eben durch Czerny in der Strahlungstherapie, sei es mit Radium- oder Röntgen- strahlen, einen bedeutenden Heilgehilfen besitzen. Wie wichtig es aber ist, die Behandlungsmethoden des Krebsleidens zu bessern, seinen Ursachen nachzuspüren, die weitere Ausbreilung zu verhindern, wird ersichtlich daraus, daß jetzt etwa bOOOV Menschen jährlich im Deutschen Reiche dieser Krankheit erliegen. Wenn wir bedenken, daß die durchschnittliche Dauer des Leidens etwa zwei Jahre beträgt, daß ferner von zahlreichen operierten Krebskranken vielleicht ein Drittel vom Rückfall verschont bleibt und an anderen Krankheiten stirbt, so leben sicher über hunderttausend Krebskranke dauernd unter uns und hoffen mit Sehnsucht, daß eS ärztlicher Kunst gelingen möge, die Heilresultate des schrecklichen Leidens zu verbessern. Nottze». Die klassischen Volksschauspiele, die Hunold Strakosch nachmittags zu billigen Preisen im Theater des Westens veranstaltet, brachten am Donnerstag»Die Räuber " von Schiller in erträglicher Besetzung und leidlicher Aufführung heraus. Nur der Pater war fehl am Ort. Viel kriegswunde Soldaten saßen im Zuschauerraum; atemlos folgten sie den Vorgängen des Sturm- und Drangstücks, deffen feurige Wildheit wohl in manchem von ihnen Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit mag wach- gerufen haben. Prof. Wilhelm Waideher, der als Lehrer wie Forscher gleich bedeutende Anatom der Berliner Universität, beging am Freitag feinen öS. Geburtstag. Er bekleidet feit 83 Jahren die Berliner Professur, die er zu Ende deS Semesters niederzulegen gedenkt. Der bayerische S e e l v w. Betriebsame Leute ftitd dabei, das Kleinod der bayerischen Berge, den Königssee , durch ein Riefenrelief eines bayerischen Kriegslöwen zu verschandeln. Er- freulicherweise hat sich gegen daS Vorhaben aber alsbald ein so starker Einspruch durchgesetzt, daß der Seelöw nur ein Fabeltier bleibt. Die»Münch. Post" verspottet diese Gedenksucht bei der Ge- legenheit also: Viele unserer Bildhauer sind durch den Krieg brotlos geworden. GebirgSkriegswahrzeichen eröffnen ihnen da eine bessere Aussicht in die Zukunft. DaS Steinrelief am Königsee dürfte natürlich nur den Anfang bilden; allmählich müßten die bayerischen Alpen in Kriegs- Wahrzeichen umgearbeitet werden. An Motiven fehlt es nicht; wir haben genug große Männer, die sich im Kriege einen Namen gc- macht haben. Auch sie müffen verewigt werden. Die Bildhauer mögen sich daher schleunigst ein Verzeichnis der bayerischen Berg« gipfel anschaffen und sich einen entsprechenden Berg aussuchen. Ter geeignete berühmte Mann zum Aushauen wird sich mühelos dazu finden laffen. 42] ?ans Heimweh. Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf . Absetzung. Lange, ehe sich Lars Gunnarsson mit Anna, der Tochter Eriks in Falla, verheiratet hatte, war er einmal bei einer Auktion anwesend gewesen. Eine arme Familie hatte die Auktion gehalten, und vielleicht hatte sie den Käufern keine verlockenden Gegenstände zu bieten, denn es war merkwürdig, wie schlecht der Handel ging. Mit allem Recht hätte man einen besseren Ausfall erwarten können, denn Jöns von Kisterud war der Ausrufer, und er war ein solcher Spaßmacher, daß die Leute zu den Auktionen liefen, nur um ihn zu hören. Aber merkwürdig, obgleich Jöns mit allen seinen bekannten Spaßen herausrückte, vermochte er doch keinen richtigen Zug in das Bieten zu bringen. Zum Schluß wußte er sich nicht mehr anders zu helfen, als daß er den Hammer weglegte und behauptete, er sei ganz heiser geworden und könne nicht mehr ausrufen. Herr Reichstagsabgeordncter, Sie müssen einen anderen Ausrufer anstellen," sagte er zu Karl Karlsson von Storvik, der die Auktion leitete.Ich Hab mich an den Holzklötzen, die da herumstehen, so heiser geschrien, daß ich nach Hause gehen und mehrere Wochen lang den Mund halten muß, eh' ich wieder eine Stimme bekomme." Für den Reichstagsabgeordneten war es eine ernste Sache, ohne Ausrufer zu sein, da ja die meisten Gegenstände noch unverkauft waren, und er machte verschiedene Versuche, Jöns in Kisterud zu überreden, weiter zu machen. Dieser aber konnte nicht nachgeben, das war sonnenklar. Er wollte seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen, indem er eine schlechte Auktion abhielt, und er wurde mit einem Male so heiser, daß er kaum noch flüstern konnte; er zischte nur noch. Ist nicht vielleicht unter den Anwesenden jemand, der, während sich Jöns ein wenig ausruht, die Waren ausrufen könnte?" fragte der Reichstagsabgeordnete. Ohne große Hoffnung, einen Heller zu finden, schaute er sich unter der Menge um; da drängte sich Plötzlich Lars Gunnarsson bis zu ihm hin durch und sagte, er sei bereit, einen Versuch zu ntachen. Lars sah damals überaus jung aus; Karl Karlsson lachte ihm gerade ins Gesicht und sagte, er könne keinen Jungen brauchen, der noch nicht einmal gedient, und bat so eifrig, den Hammer schwingen zu dürfen, daß der Reichstagsabgeordnete schließlich nachgab. Na ja, wir können dich ja die Sache einmal versuchen laffen," meinte er.Schlechter, als es seither gegangen ist, kann's auch nicht gehen." Lars stieg nun auf JönS erhöhten Platz hinauf und nahm einen alten Butterkübel in die Hand, um ihn auszu- bieten. Doch plötzlich hielt er inne, blieb ganz ruhig stehen und betrachtete nur den Kübel von allen Seiten. Er drehte ihn hin und her, beklopfte den Boden und die Seiten, machte dann eine höchst verwunderte Miene, weil er nicht den klein- sten Fehler daran finden konnte, und rief ihn zuletzt mit be- trübter Stimme aus, wie unglücklich darüber, daß er notge- drungen ein so wertvolles Stück verkaufen mußte. Er für seine Person hätte es augenscheinlich am liebsten gesehen, wenn auf den Kübel gar nicht geboten wurde. Er glaubte offenbar, es wäre für den Eigentümer am besten, wenn niemand erkannte, was für ein misgezetchncter Butterkübel das war, so daß er ihn behalten durfte. Als nun ein Gebot dem andern folgte, konnte man beut lich merken, wie weh ihm das tat. Es ging noch an, so lange die Angebote so niedrig waren, daß er nicht darauf einzugehen brauchte; aber als sie nun höher und höher wurden, verzerrte sich sein Gesicht vor Kummer. Es war offenbar ein schweres Opfer, das er brachte, als er sich endlich herbeiließ, den alten sauren Butterkübel loszuschlagen. Hernach kam die Reihe an Wassereimer, Züber und Wasch- fäffer. Lars Gunnarsson war etwas zugänglicher, so lange es sich um die älteren Stücke handelte, und verkaufte sie ohne allzu großes Seufzen. Aber andere, die etwas neuer waren, wollte er überhaupt nicht ausbieten. Die sind noch viel zu gut," sagte er zu dem Eigentümer. Sie sind ja so wenig gebraucht, daß Ihr sie auf dem Markt als neu verkaufen könnt." Die Umherstehenden wußten nicht, wie eS zuging, aber sie boten eifriger und eifriger. Lars Gunnarsson war so entsetzt über jedes neue Angebot, und es geschah gewiß nicht ihm zu Gefallen, wenn jetzt tüchtig geboten wurde. Aber irgendwie waren die Leute zu der Einsicht gelangt, daß hier tatsächlich wertvolle Stücke ausgeboten wurden, und da fanden sie, daß sie das eine oder das andere daheim dringend nötig hätten. Hier waren wirklich gute Geschäfte zu machen; jetzt wurde nicht mehr nur des Spaßes wegen gekaust, wie wenn konfirmiert sei. Aber Lars erwiderte, er habe sogar schon I Jöns von Kisterud der Versteigerer war. Nach diesem Meisterstück wurde Lars Gunnarsson immer und überall darum angegangen, bei den Versteigerungen den Ausrufer zu machen. Seit er den Hammer führte, war es auf den Auktionen nicht mehr so lustig wie früher, aber niemand hatte eine solche Gabe wie er, den Leuten geradezu Sehnsucht einzuflößen, Eigentümer von altem unnützem Ge- rüntpcl zu werden, oder ein paar Großbauern zu verlocken, auf Sachen, die sie durchaus nicht nötig hatten, einander um die Wette zu überbieten, nur um zu zeigen, daß sie sich's etwas kosten lassen konnten. Lars Gunnarsson pflegte auch auf allen Auktionen, wo er den Hammer schwang, alles Rump und Stump auszuver- kaufen. Nur ein einziges Mal wäre es ihm beinahe schlecht ergangen, und das war bei der Auksion nach dem Tode von Sven Oesterberg in Storstuga in Bergvik. Dort hatte Lars eine prächtige Haushältung auszubietcn, und viele Leute waren versammelt. Obgleich der Herbst schon weit vor- geschritten war, herrschte doch noch schönes Wetter, und die Auktion konnte im Freien vorgenommen werden, aber trotz- dem wollte der Verkauf nicht recht in Zug kommen. Lars konnte die Leute nicht dazu bringen, ordentlich auf sein Aus- rufen zu achten oder zu bieten. Es sah aus, als sollte es ihm nicht besser gehen als damals Jöns in Kisterud, wo Lars an dessen Stelle den Hammer hatte übernehmen müssen. Allein Lars hatte keine Lust, das Geschäft einem andern zu überlassen, sondern suchte herauszubringen, warum demt die Leute so zerstreut waren und keine Lust hatten, Geschäfte zu machen. Und eS währte auch nicht lange, da war er der Sache auf den Grund gekommen. Lars hatte sich aus einen Tisch gestellt, damit jedermann sehen konnte, was er ausbot, und von diesem Platze aus war es nicht schwer für ihn, zu entdecken, daß der neugebackene Kaiser, der in der kleinen Falla zunächstliegendcn Kätncrhütte wohnte und all seiner Lebtage in Taglohn gegangen war, unter der Menge herumging. Lars sah, wie er mit gnä- digem Lächeln nach rechts und links grüßte und die Leute seinen prächtigen Stock und seine Sterne betrachten ließ. Ein langer Zug von Kindern und jungen Leuten folgte ihm überall hin-dicht auf deu Fersen, und auch alte Leute hielten sich nicht für zu gut dazu, ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Es war nicht zu verwundern, daß die Auktion schlecht ging. wenn ein so vornehmer Mann in bor Nähe war und die Aus- merksamkest auf sich zog. Worts.{olßU