jt. 239. 1916. Unterhaltungsblatt öes Vorwärts Eine Epifoüe. Von Joseph Adler. ,DaS ist schon schlimm mit den Weibern," Mrnte der Meister. »Wo bleibt heute wieder Frau Kolbe V Ein Haufen Arbeit auf dem Tisch und kein Stück fertig. Nicht weniger als dreimal Hab ich ihr's gesagt, daß der Posten beute raus mutz. Jetzt ist es acht. Wenn sie bis neun nicht hier ist, lasse ich die Arbeil von einer anderen fertig machen. Ich habe wahrbaftig keine Lust, mich jeden Tag von dem Ollen anblaffen zu lassen." »Vielleicht ist Frau Kolbe krank." sagte ein Mädchen hinter dem Rücken des Meisters.»Ihr war gestern nicht ganz gut." »Ach wat, krank. Ich bin auch krank und komme doch. Heute Hab ich's wieder dermaßen in den Beinen, daß ich gar nicht laufen kann." Er machte einen krummen Rücken und rieb sich mit den Hand- flächen die Kniescheiben.Wie oft man aber auch am Tage", klagte er,»die olle Hühnertreppe rauf und runter muß. Nee! Furchtbar ist so waS, mit een Wort gesagt." Mit kurzen Schritten zog er sich in seineKabuse" zurück. Ließ ein Mädchen rufen, das in einem Nebenraum arbeitete, und gab ihr den Auftrag, sich nach der Frühstückspause auf Frau Kolbes Platz zu setzen und die angefangene Arbeit so schnell wie möglich fertig zu machen. Aber Frau Kolbe kann doch noch kommen bis Frühstück, denke ich," sagte das Mädchen. »Sie haben gar nischt zu denken," schnauzte der Meister,»Sie haben nur zu tun, was ich anordne. Verstanden?" Und tatsächlich trat Frau Kolbe eine halbe Stunde später, als es zur ersten Pause klingelte, in den Saal, darin es durch das An- halten der Maschinen plötzlich still wurde. »Frau Kolbe ist hier", rief einer, der einzige Arbeiter im Saale, über mehrere Tische hinweg dem Meister zu. Da und dort erhob sich eine Arbeiterin von ihrem Schemel. Frau Kolbe stand an der Türe in einer Haltung, als getraute sie sich nicht, noch einen Schritt zu tun. Sie war schwarz gekleidet. Gestern noch und an allen anderen Tagen war sie in einem hellen Kleide zur Arbeit gekommen. Sie blickte mit feuchten Augen zu Boden und drückte ein Taschentuch an ihren Mund. Die Mädchen und Frauen hielten den Atem an. Sie griffen nach ihrem Herzen. Ein Bangen befiel sie. Hart trat der Vorbote des Sibmerzes auf die Stnnenschwelle. Frau Kolbes Mann ist gefallen. So dachte jede. Und sie erschraken heftig vor dem einfachen, klaren Gedanken. Eine Arbeiterin, eine kleine, der- wachsen« Person, ging aus Frau Kolbe zu. Was ist geschehen, Hedwig? Warum weinst Du?" fragte sie. Ihr Kopf lag auf der rechten Schulter und vor dem weitgeöffnetcn Munde standen die auseinander gespreizten dürren Finger. Frau Kolbe ritz ihr die Hand vom Munde fort, preßte sie an ihre Brust und sagte mit heiserer Stimme:Mein Mann ist gefallen." Das könnt ich mir doch denken. Natürlich. Aber das ist ja schrecklich," schrie die Kleine.Das ist ja ganz schrecklich." Sie taumelte zurück und schlug die Hände zusammen, daß es klatschte. Und im nächsten Augenblick scharten sich etwa fünfzehn Mädchen und Frauen um die Unglückliche. Ebensoviele blieben auf dem halben Wege stehen. Eine nahm sie an der Hand und führte sie an ihren Tisch. Sie ging wie eine Blinde. Eine andere drückte sie mit sausten Händen auf den Schemel nieder. Eine dritte nahm ihr den schwarzen Hut vom Kopfe und glättete ihr das Haar. Frau Kolbe stützte die Arme auf die Tischplalte und legte die Hände vor ihr Gesicht, das über Nacht grau und schmal geworden war. In den Augen der Frauen und Mädchen ringsum hingen die Tränen. Alles dieser Krieg", sagte eine.Mord und Totschlag. Nichts als Mord und Totschlag. Und kcen Ende, keen Ende." Aber warum bist Du denn nicht zu Hause geblieben?" fragte die Bucklige. Frau Kolbe schüttelte den Kopf und sagte:»Ich kann'S zu Hause nicht aushalten. Und die Arbeit soll doch heute raus. Hat der Meister vielleicht schon geichimpft?" Keine der Arbeiterinnen gab Antwort auf die Frage, denn der Meister trat in ihren Kreis. Er legte seine Hand auf Frau Kolbes Schulter und sagte ihr, ob- gleich er noch an einem Bissen würgte, einige schöne Worte der Anteilnahme. Sie kehrte sich um. ergriff seine Hand und dankte. Von wem wissen Sie es denn, daß er gefallen ist?" fragte er. Der Kompagnieführer hat's mir geschrieben. Ich werde den Brief morgen mitbringen. Ich wollte ihn in die Tasche stecken, hab's aber vergessen. Mit der letzten Post ist er gekommen. Ge- rcrde wollte ich mich hinsetzen und ein paar Zeilen an ihn schreiben. Gar nicht in den Kops will's mir, gar nicht in den Kopf. Es will drin nicht sitzen bleiben und mutz doch. Und mutz doch." Sie schlug mit der flachen Hand gegen ihre Slirne, als wollte sie den schreck- 451 Jam Heimweh. Eine Geschichte aus dem Wärmland von Selma Lagerlöf . Der Pfarrer sah froh und erfreut aus, als sein Blick auf der alten Mutter und ihren Kindern ruhte. Eines nur flößte ihm etwas Unbehagen ein; die alte Frau weinte noch immer zum Herzbrechen. Noch nie war es ihm gelungen, bei irgendeinem seiner Gemeindeglieder eine solche Rührung hervorzurufen. Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: Ja, es ist nicht schwer, das vierte Gebot zu halten, so lange wir jung sind und unter der Normundschaft der Eltern stehen, aber später, da kostet es Anstrengung. Wenn wir selbst erwachsen und mündig geworden sind und meinen, wir seien ebenso klug" Hier wurde der Pfarrer abermals von Jan unterbrochen, der sich nun schließlich bis zur Türe durchgedrückt, sie geöffnet hatte und hinausgetreten war. Und Jan hatte mehr Glück als die anderen. Man hörte, wie er zu jemand, der draußeu im Flur stand, guten Tag sagte. Aller Augen richteten sich auf die Türe, um zu sehen, wer während der ganzen Christenlehre da draußen gestanden und nicht gewagt hatte, hereinzukommen. Sie hörten, wie Jan den draußen inständig bat. einzutreten, und sie sahen ihn auch die Türe weit zurückschlagen; aber der Drautzenstehende sträubte sich offenbar immer noch. Schließlich zog Jan die Türe wieder zu und trat allein ins Zimmer herein. Aber er ging nicht an seinen vorigen Platz zurück, sondern drängte sich mit großer Mühe bis zu dem Tisch vor, an dem der Pfarrer saß. Nun. Jan, werden wir nun erfahren, wer uns den ganzen Abend hindurch gestört hat?" sagte der Pfarrer etwas ungeduldig. Der alte Hofbauer von Falla ist draußen gewesen," verkündigte Jan, ohne auch nur eine Spur von Verwunde- rung oder Erstaunen über das, was er mitzuteilen hatte, an den Tag zu legen.Er wollte nicht hereinkommen, hat mir aber aufgetragen, Lars Gunnarsson zu sagen, er solle sich vor dem ersten Sonntag nach dem Johannisfest in acht nehmen." Iiichen Gedanken in den Kopf bineinhämmem. Bog ihn zurück und stierte in das Grau der Saoldecke. Zu Weihnachten wollte er auf Urlaub kommen. Wir wollten zu seiner Mutter nach Schlesien fahren. Jeden Tag hat sie dem Kleen' von seinem Vater erzählen müffen, der im Kriege ist. Und nun hat er keinen Vater mehr. Warum nur ist das alles? Warum nur?" Sie legte das Gesicht auf die Tischplatte, ballte die Hände über dem Nacken und schluchzte:Warum nur das alles?" Geht doch auf Euere Plätze," sagte der Meister zu den Arbeilerinnen. Er drängte die eine und die andere zur Seite. Machte so energisch Luft, als vermeinte er, mit solchem Tun die Unglückliche trösten und ausmuntern zu können. Die Bucklige war tückisch geworden, weil sie als erste hatte weichen müssen, und rief: Hedwig, soll ich Dir eine Tasse Kaffee bringen?" Die anderen freuten sich über ihre Wut, den, Meister eins auszuwischen. Frau Kolbe aber hob den Kopf und sagte:Ja, bringe mir eine." Ich babe nichts im Magen." Der Meister legte wieder seine Hand auf ihre Schulter und bat sie, nach Hause zu gehen und erst mal zu sich zu kommen. Davon wollte Frau Kolbe nichts wissen.»Nein. Ich will lieber hier bleiben," sagte sie.Zu Hause ist es schlimmer als hier. Zu Hause erinnert mich jedes Stück an ihn." Vielleicht liegt eine Verwechselung vor." sagte ein Mädchen. Vielleicht ist ihr Mann gar nicht gefallen." Und als sie von einigen verwundert angesehen wurde," sagte sie noch kurz:»Nun ja. Warum sollte das nicht möglich sein?" Mein Mann ist gefallen," sagte Frau Kolbe.Es traf ihn, als er aus Posten stand. Es steht was von einem Volltreffer in dem Brief. Sicherlich ist er in Stücke zerrissen worden. Aber ich will nicht daran denken. Nein. Ich will nicht! Ich darf nicht!" sie streckte die Hände weit von sich, neigte den Kopf zur Seite, erschauerte, verlor die Besinnung und fiel zu Boden. Die Mädchen schrien auf und wichen zurück, die Frauen aber beeilten sich, ihr zu belfen. Sie legten sie auf den Tisch, näßten ihr die Stirne mit Waffer und beklagten ihr Schicksal. Die Bucklige streichelte ihr die Wangen wie einem Kinde. Nach einigen Minuten öffnete Frau Kolbe die Augen wieder. Errötete, schämte sich, sprang vom Tisch und ging schnell auf den Meister zu, der sich schier sein bärtiges Kinn ab- drehen wollte. »Ich bin schon wieder ganz vernünftig," sagte sie zu ihm. Das war nur ein kleiner Schwächeanfall. Bei der schmalen Kost jetzt haben Sie keine Angst von wegen der Arbeit, daß sie nicht fertig wird. Die kriegen Sie zur Zeit." Er wünschte, daß sie sich von zwei Kolleginnen nach Hause bringen lasse; sie aber setzte sich auf ihren Platz und begann zu arbeiten. Es klingelte. Man ließ sie mit ihrer Arbeil allein. Sie ging ihr bald so schnell wie sonst von der Hand, aber es kam kein Stück aus ihrer Hand, worauf nicht eine Träne fiel.(e) kleines Feuilleton. Cine neue Oper von Sittner. Felix Weingartner brachte im Darmstädter Hoftheater sehr erfolgreich dasdeutsche Singspiel"»Das höllisch Gold" zur Uraufführung. Deutsches Singspiel, nun ja; der Appell an die politische Konjunktur ist billig und tut nicht weh. Singspiel? Nein, seinem ganzen Stil und Wesen nach ist das einaktige Werk vielmehr Mysterium wie Singspiel, denn es läßt das Treiben der Menschen sehr energisch korrigieren durch himmlische und höllische Mächte. Bittner , der hier zum fünften Male mit wechselndem Erfolge sein eigener Dichterkomponist ist(voraus gingen die»Rote Gret", der Musikant", der.Bergsee" und»Der Abenteurer"), bringt in drama- tisch knapper und schlagkräftiger, in theatralisch spannender und wirkungsvoller Weise fünf Typen: Mann, Frau, Teufel. Hexe, Juden- knabe Ephraim in ein tragisch-burleskes Spiel und Gegenspiel, dessen Regisseur der Teufel und das von ihm zum Guten und zum Schlechten gelenkte Gold ist. Er hält auch musikalisch die Stilmischung aus Tragisch und Satirisch bewußt fest und erzielt aus dieser außer- gewöhnlichen Verbindung Bach und Offenbach beträchtliche konträre, aber auch künstlerische Wirkungen. Sattelfest war Julius Bittner von je im Choral und im Gebet, und er schießt auch damit hier den Vogel ab. Höher fast als das tragische Element der Musik will mir der Anlauf zu grotesk-frohen, ja genialen Couplets im parodistischen Stile Offenbachs scheinen und ich glaube, wir haben in dem ur- wüchsigen Wiener Talent den kommenden Mann des modernen deutschen Musiklustspiels vor uns. m. Der �allmächtige hausöieb Rußlanös�. In einer interesianten Darlegung derRutzkija Wjedomosti" wird den Quellen der Teuerung in den russischen Hauptstädten nach- Im ersten Augenblick verstanden die Leute nicht, was diese Worte bedeuteten. Auf den hinteren Bänken hatte man nicht recht verstehen können, was Jan gesagt hatte; aber man sah, daß der Pfarrer heftig zusammenfuhr, und da merkten die Leute wohl, daß Jan etwas Schreckliches gesagt haben mußte. Sie sprangen von ihren Sitzen auf, drängten näher herbei und fragten nach rechts und links, von wem denn ums Himmels willen Jan seinen Auftrag erhalten habe. Aber Jan!" rief der Pfarrer mit strenger Stimme. Weißt du denn, was du sagst?" Gewiß, weiß ich's," versetzte Jan und nickte dem Pfarrer zur Bestätigung seiner Worte zu.Denn ich hatt'i hn ja schon die ganze Zeit draußen gehört. Ich Hab ihn gebeten, hereinzukommen, aber er hat nicht gewollt, sondern hat mir nur den Austrag an seinen Schwiegcr- söhn gegeben; dann ist er gleich fortgegangen.'.Sag ihm', hat er gesagt,.nicht ich wolle ihm etwas Böses antun, weil er mich in meinem elenden Zustand im Schnee draußen liegen gelassen hat und mir nicht zur rechten Zeit zu Hilfe ge- kommen ist; aber das vierte Gebot sei ein strenges Gebot. Grüß ihn von mir und sag ihm, er solle bekennen und be- reuen, das sei das beste für ihn. Er habe noch Zeit bis zum ersten Sonntag nach dem Johannisfest'." Da Jan ganz vernünftig redete und den merkwürdigen Auftrag vollkommen glaubwürdig vorbrachte, waren sowohl der Pfarrer und auch alle die andern mehrere Sekunden lang in dem Wahne befangen, Erik von Falla habe tatsächlich vor der Zimmertür seines Hauses gestanden und mit dem alten Häusler geredet. Und unwillkürlich richteten sich aller Augen auf Lars Gunnarsson, um zu sehen, welche Wirkung Jans Worte auf ihn hätten. Aber Lars begann zu lachen und sagte: Ich Hab Jan bis jetzt für klug gehalten, sonst hätt' ich ihn nicht an der Christenlehre teilnehmen lassen. Der Herr Pfarrer muß so gut sein und die Störungen entschuldigen. Der Irrsinn bricht wieder bei ihm hervor." Der Pfarrer fuhr sich mit der Hand über die Stirne und sagte erleichtert:Ja, ja, so ist es!" Er war nahe daran gewesen, an etwas Uebernatürliches zu glauben. Aber nun handelte es sich vielleicht nur um das Wahngebilde eines Geisteskranken; das war eine große Be- ruhigung. gegangen, wobei sich ganz überraschende Zusammenhänge enthüllen. Auf dem Tolkutschmarkt in Moskau und ebenso in Petersburg wird für ein Ferkel z. B. ein Preis bis 28 Rubel verlangt, während vor dem Kriege etwa Istz Rubel dafür gezahlt wurden. Die Preis- steigerung hat sich aber durchschnittlich in wenigen Wochen vollzogen, und ganz merkwürdig ist es noch, daß dasselbe Ferkel auf einem anderen Markte in der Großstadt jür 15 Rubel erhältlich ist! Genau so geht es mit Brot und mit Eiern, Butter usw. Im Dorfe weiß man ganz genau Bescheid, und die Leute lassen sich oft von ihren Angehörigen in den Hauptstädten Lebensmittel schicken und versichern: In Moskau und Petersburg sind immer noch billige Waren auf manchen Märkten aufzutreiben". Ein Geistlicher in Kiew , dem diese rätselhaften Preisunterschiede auffielen, erhielt aus Befragen von einem Stadtverordneten die folgende unumwundene Erklärung des geheimnisvollen Vorganges:Bei uns gibt es gar leinen billigen Markt, weil unsere ganze Stadtverwaltung fast nur aus Anhängern desSchwarzen Hunderl" besteht I" Wer die Teuerungsfrage in Rußland gründlich erforscht, wird auf den Hauvtmärkten immer einem geschäftigen Männlein begegnen, der den Verkäufern nahe- legt:»Was, für i Rubel willst Du die Pilze das Pud abgeben? Du kannst doch für 1 Pfund soviel bekommen! Sei nicht dumm und füttere mit Deinem Gut noch die gefährlichenParteilosen". Unter dieser Bezeichnung sind alle Elemente zu verstehen, die vom Schwarzen Hundert " verfolgt werden. Der Bauer lächelt oft selbst über die unverschämten Preise, die er fordert,� aber er wagt es nicht, sich jenem Männlein und seiner Zungenfertigkeit zu wider- setzen, weil das Männlein an maßgebender Stelle in der Verwal- tung eine grotze Rolle spielt und ihm in ungeahnter Weise Schädigungen verursachen kann.Wohin soll das führen, wenn das Männlein des»Schwarzen Hundert" sich als allmächtiger Hausdicb Rußlands. behauptet und die Bevölkerung aushungert?" so lautet die traurige Frage am Schlüsse der Betrachtung. Notize». Das Charlottenburger Schiller-Theater hat SchillersRäuber" tn einer wirksam inszenierten und gutgespielten Aufführung herausgebracht. Der Schillersche Feuerbrand zündete. Geisendörfer(Franz Moor) uns Paeschke(Karl Moor) standen in vorderster Reihe; aber auch in den kleineren Rollen wurde Gutes geleistet, zu nennen ist besonders die Amalie des Fräul. Stasiewski. Auch in den Massenszenen war Leben und Bewegung. Das mei st gelesene Buch in Paris . Den größten Erfolg unter allen Veröffentlichungen des französischen Buchhandels hat gegenwärtig die in Buchform erschienene Rede des Pariser Rechtsanwalts Paul Meunier, die er zur Verteidigung des Zuaven Deschamps vor dem Kriegsgericht von Tours hielt. Der Soldat Descbamps war wegen Ungehorsams angeklagt worden, da er sich geweigcrr hatie, sich der ungesetzlichen, mit Quälerei identischen Be- bandlung durch einen Regimentsarzt zu unterwerfen. Die Rede des Rechtsanwalts, die auch zum Freispruch führte, war eine flammende Anklage gegen die unmenschlichen Uebergriffe der französischen Heeresleitung. Seide als Wurstpelle. Wurst ohne Fleisch ist schon gar keine UeberrasÄung mehr, also kann Wurst ohneDarm" erst recht nichts Neues sein. Tatsächlich sind künstliche Därme schon in Friedenszeiten verwendet worden, jedoch ausschließlich zu Roh- und Dauerwurst. Diese Därme waren aus pergamentartigem Papier gefertigt, fanden aber wenig Absatz; andere Fabrikate konnten noch weniger Verwendung finden. Jetzt hat nach demFleischer " eine Bandsabrik in Elberfeld ein neues Fabrikat als Darmersatz, Seiden- schlauche, in Verkehr gebracht! Diese sollen sich auch zu Kochwurst eignen. Der Preis soll verhältnismäßig niedrig, die Qualität gut, und der Seidenschlauch soll sogar verdaulich sein. Die blonden Eskimos. Der»Daily Telegraph " be- richtet aus Kanada von der Auffindung eines blonden Volksstammes in der arktischen Region. Schon vor mehreren Jahren hat ein amerikanischer Forscher von ihrer Existenz Mitteilung gemacht. Der Missionar H. Girling teilt nun mit, daß er die blonden Bewohner der Eiszone am 10. Oktober 1S16 zehn Meilen von Cockburn Point erreicht und einige Zeit unter ihnen zugebracht hat. Hiermit wäre ein ethnologisches Rätsel gelöst, mit dem sich verschiedene Expeditionen erfolglos beschäftigt haben. Aluminiummünzen in Frankreich . Der Mangel an Wechselgeld hat in Frankreich bereits dazu geführt, den Handels- kammern der großen Städte die Ermächtigung zur Prägung von kleinen Münzen zu erteilen, die allerdings nur für den örtlich be- schränkten Umlauf bestimmt sind. So hat jetzt die Handelskammer von Marseille Aluminiummünzen im Werte von 6 und 10 Centimes in den Verkehr gebracht, um den Mangel an Scheidemünzen zu be- heben. Bisher wurden 75 000 Münzen zu 10 Centimes und 25 000 zu 5 Centimes ausgegeben. Der Herr Pfarrer muß nämlich wissen, daß Jan keine besondere Liebe für mich empfindet," fuhr Lars in seiner Er- klärung fort;und das berrät er jetzt, weil er den Verstand nicht mehr hat, es zu verbergen. Und eins muß ich ja auch zugeben; wenn man genau zusieht, so bin ich schuld dran, daß die Tochter fort mußte, um Geld zu verdienen. Und das ist's, was Jan mir nie verzeihen kann." Der Pfarrer verwunderte sich wohl etwas über den eifrigen Ton. Seine tiefen blauen Augen richteten sich forschend auf Lars Gunnarsson. Und Lars konnte diesen Blick nicht aushalten, sondern wendete sich weg. Aber er fühlte, daß dies unrichtig war, und gab sich deshalb alle Mühe, dem Pfarrer ins Gesicht zu sehen, konnte es jedoch nicht, und so wendete er sich mit einem Fluch ab. Lars Gunnarsson!" rief der Pfarrer.WaS habt Ihr denn?" LarS faßte sich rasch. Kann ich denn diesen verrückten Kerl nicht loS werden I" sagte er, wie wenn er über Jan geflucht hätte.Da steht nun der Herr Pfarrer mit allen meinen Nachbarn, und man hält mich für einen Mörder, nur weil ein Narr einen alten Groll gegen mich hegt. Ich Hab ja schon gesagt, wie's ist. Wegen der Tochter will er mir zu Leib. Aber ich Hab doch nicht wissen können, daß sie ins Unglück rennen würde, weil ich meine Ansprüche erhoben hatte. Ist denn hier keiner, der für Jan sorgt, damit wir anderen unsere Andacht fort- setzen können. Nach einmal strich sich der junge Pfarrer mit der Hand über die Stirn. Er fühlte sich von Lars' Wdrten peinlich be- rührt, konnte ihm aber auch keinen ernstlichen Vorhalt machen, da er ja nichts Bestimmtes wußte. Er sah sich nach der alten Hofbäuerin um; doch diese hatte sich fortgeschlichen. Dann ließ er seinen Blick über die Versammelten hingleiten, aber von ihnen bekam er keine Hilfe. So viel war sicher, von den Anwesenden wußte jeder, ob Lars ein Verbrecher war oder nicht, aber als der Pfarrer sich zu ihnen wendete, schienen sich alle die Gesichter vor ihm gleichsam zu verschließen und allen Ausdruck zu verlieren. Katrine war unterdessen vorgetreten und hatte Jan unter- gefaßt. Sie waren schon auf dem Weg nach der Ausgangstür. und mit dem Irrsinnigen wollte der Pfarrer jetzt auch kein Verhör anstellen. (Forts. folflU