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Nr. 76.

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Erscheint fäglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner Volksblatt.

17. Jahrg.

Die Insertions Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Rolonels geile oder beren Raum 40 Pig., für politische und gewertschaftliche Vereins­und Versammlungs- Anzeigen 20 Big. Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Pfg. ( nur das erste Wort fett). Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in derExpedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet. Ternsprecher: But I, nr. 1508. Telegramm Adresse: " Socialdemokrat Berlin

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Bezugs- Einladung.

Mit dem 1. April eröffnen wir ein neues Abonnement auf den

Vorwärts"

mit seinem wöchentlich fünfmal erscheinenden

Unterhaltungsblatt

und der Sonntags- Beilage

Roman

,, Die Neue Welt".

Sonnabend, den 31. März 1900.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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Polizeisenator habe dem Gericht wider die Wahrheit haben er jetzt beichwört. So I st ist auf 3 Jahre, dem Zuchthaus und melden lassen: es befänden sich keine Aften über die der Ehrlosigkeit überliefert. Schütt hat in guten Glauben" ge­Privatpost auf dem Polizeiamt, dieselbe sei daselbst handelt! nicht angemeldet. Es könnte jemand meinen, Schütt habe einen wissent Alsbald nach Erscheinen dieser kritischen Besprechung der lichen Meineid geschworen, in der perfiden Absicht, einen Gerichtsverhandlung vom 29. August v. J. sandte der Polizei Parteigenossen Holst's schwer zu belasten. Es tönnte jemand auch fenator der Mecklenb. Volks- Zeitung" eine Berichtigung: meinen, Schütt habe schon am 29. August v. J. dem Gericht eine Er habe mit der ganzen Meldung des Polizisten Schütt falsche Weldung überbracht, um eine Verurteilung wegen Nichtaumel­socialdemokratischen Privatpost- Betriebes ans Gericht nichts zu thun gehabt; Schütt sei vom dung des Polizeisekretär Dannehi dahin instruiert, er solle zielen. Doch wir kennen den Polizisten nicht, wir nehmen uns bem Gericht und dem Amtsgericht melden: angemeldet zwar sei die derartiges nicht an, wir schließen Privatpost, aber Akten darüber wären nicht vorhanden." dem Staatsanwalt an: Schütt mag in gutem Glauben gehandelt haben. Aber Außer dieser Berichtigung erhob Dr. König Beleidigungs­Staatsanwalt und Gericht haben erklärt, daß Im Unterhaltungsblatt bringen wir Leo Tolstoje neuen flage, die am Mittwoch zur Verhandlung stand. sie dem eidlichen Zeugnis des Schütt keinerlei Gewicht beilegen In der Beweisaufnahme wurde zunächst als Zeuge ver- können. nommen der Polizist Schütt- Wismar ; derselbe sagt unter Wie sollten sie auch? Schütt hatte am 29. August die ihm auf seinem Eide aus: dem Polizei- Amt aufgetragene Bestellung vor dem Schöffengericht Auf dem Polizei- Amt traf ich den Sekretär Dannehl, der in Wismar falsch wiedergegeben und jetzt wiederum hat er über mir sagte, die Privatpost sei angemeldet, aber die An- seine damaligen Worte falsche Aussagen gemacht. Schütt ist ein meldung sei nicht aufgeschrieben und Atten wären nicht vorhanden; Mann, der unfähig ist, das, was ihm foeben aufgetragen wurde, aufs Gericht zurückgekehrt, meldete ich dem Herrn Oberamtsrichter: richtig wiederzugeben, der ebenso unfähig ist, das, was er vor einiger der Herr Sekretär läßt sagen, die Privatpoft set angemeldet, Beit gesagt, im Gedächtnis zu behalten. Schütt hat sich als völlig aber Herr Esche habe es nicht angeschrieben und Atten seien unglaubwürdiger Zeuge erwiesen. Nach§ 399 der Strafprozeß Ordnung findet die Wieder Trot ernster Vorhaltungen des Gerichtsaufnahme eines Verfahrens statt, wenn neue Thats präsidenten blieb der Zeuge Polizist Schütt bei fachen oder Beweismittel beigebracht sind, welche die Frei­dieser Aussage und fügte noch hinzu, er entfinne fich sprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Straf­feiner damaligen Meldung noch ganz genau. gesetzes eine geringere Bestrafung zu begründen geeignet sind.":

,, Auferstehung."

Neu hinzutretenden Abonnenten wird der bisher erschienene Teil des Romans Auferstehung" nachgeliefert.

Für Berlin nehmen sämtliche Zeitungsspediteure sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen gum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennig frei ins Haus. Für außerhalb nehmen sämtliche Bostanstalten Ve stellungen zum Preise von 3 Mart 30 Pfennig

für die Monate April, Mai, Juni entgegen.( Eingetragen ist der Vorwärts" in der Post- Zeitungsliste unter Nr. 7971.) Die Redaktion des Vorwärts".

Die neue Thatsache.

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Unglaubwürdig- nach gerichtlicher Feststellung ift Polizist Schütt, Hauptbelastungszeuge im Güstrower Meineidsprozeß gegen Ho I ft. Polizist Schütt war der einzige Zeuge, der gesehen haben will, daß Wollenberg die Rufe ausstieß, die nicht gehört zu haben Holst unter Eid bekundete. Ohne das Zeugnis Schütts würde nicht einmal die Annahme des Schwurgerichts, daß Wollenberg Rufe ausgestoßen habe, möglich gewesen sein von der alle Natur- und psychologischen Gesetze ver­höhnenden Schlußfolgerung, Holft habe die Rufe auch ge hört, ganz zu schweigen.

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nicht da."

Der Polizeisekretär Dannehl Wismar bestätigt, Holst ist auf Grund der Aussage Schütte, er habe Wollenbergs den Schütt instruiert zu haben, er solle dem Gericht melden: Rufe gehört, verurteilt werden. Jetzt liegt die neue Thatsache die Privatpost sei zwar richtig angemeldet, aber vor, daß der Hauptbelastungszeuge durch das Gericht in Rostock als ein Mann erkannt worden ist, dessen Aussagen lein Gewicht beigemessen werden kann.

Aften darüber wärent nicht vorhanden.

Politische Webersicht.

Berlin , den 30. März.

Der Oberamtsrichter Martens- Wismar bezeugt, er habe den Schütt abgeschickt, die Aften über Anmeldung der Die Mecklenburgische Justiz sollte dankbar sein, daß ihr so schnell Privatpost vom Polizeiamt zu holen; er wisse heute nicht mehr Gelegenheit geworden ist, einen Unschuldigen aus dem Zucht­genau, wie der Wortlaut der Schüttjejen Meldung gelautet habe. haus zu befreien. Als dem Zeugen aus dem Protokoll der Schöffengerichtssigung vorgelesen wird, daß nach der erstatteten Meldung des Schütt die Vernehmung des Zeugen Pristaff, des Inhabers der Privatpost, angeordnet worden ist, spricht Zeuge seine Ansicht bahin aus: er würde sicher den Pristaff, der gar nicht als Zeuge geladen war und der erst nachträglich von der Ver­Das preußische Abgeordnetenhaus teidigung vorgeschlagen sei, nicht vernommen haben, wenn nahm am Freitag in dritter Lesung die Gesezentwürfe über die die Weldung des Polizisten Schütt gelautet hätte: das Polizei Erweiterung des Stadttreises Stettin, über Amt läßt sagen, die Privatpost ist angemeldet; enderung der Kreisordnung in den östlichen Provinzen Polizist Schütt galt dem Schwurgericht in Güstrow als gehandelt. denn gerade um diese Frage habe es sich ia und über die Polizeiverwaltung in Charlottenburg , Schöneberg und Nixdorf debattelos an und trat sodann einwandfreier Zeuge. Schütts Vorgesezter, Polizeisenator in die giveite Beratung des Gesetzentwurfs über die Erweite Der Erste Staatsanwalt bemerkt, nach dieser Berung des Stadttreifes Frautfurt a. M. Eine längere Dr. König in Wismar hatte ihm ein sehr günstiges Zeugnis tundung des Oberamtsrichters halte er es für aus Debatte entspann sich über den von der Kommission neu beschloffenen ausgestellt. geschlossen, daß der Polizist Schütt gesagt habe:$ 3, wonach in den bisherigen Landgemeinden Oberrad , Niederrad Die Mecklenburg . Voltsztg." in Rostock bringt aber jetzt die Privatpost sei angemeldet. Er räume dem An- und Sackbach die bestehenden öffentlichen Volksschulen als foufessionell Mitteilungen über den Zeugen Schütt, welche die Ver- geklagten ein, daß die Weldung des Schütt so gelautet habe, anzuerkennen und als solche zu erhalten find. Die Beratung mußte urteilung Holfts abgesehen von allen andren Gründen wie dies in der Meckt. Volks- 3tg." seiner Zeit berichtet sei. jedoch abgebrochen werden, da während der Sigung eine Depesche auch um deswillen als Rechtsirrtum erweisen, Dies werde auch bestätigt durch einen Satz in dem schrift des Magistrats von Frankfurt a. M. cinging, durch welche das Haus weil sie auf dem Zeugnis eben dieses Schütt beruht. lichen Urteil des Bismarschen Schöffengerichts, der, ivie der ersacht wurde, entweder§ 3 abzulehnen oder wenigstens die Bes Am letzten Mittwoch fand vor der Strafkammer in Rostoc Zeuge Oberamtsrichter Martens mit Recht bemerkt habe, nur ratung auszusetzen, bis der Magistrat noch einmal gehört fei. Endlich besprach das Haus noch die Interpellation b. Sande it cin Prozeß gegen den Redacteur des genannten Blattes verständlich sei, wenn Schütt gesagt habe, die Privatpoſt ſei( natl.): Welche Maßregeln beabsichtigt die Regierung zu ergreifen, Groth wegen Beleidigung des Polizeiſenators Dr. König nicht augemeldet. Der Erste Staatsanwalt fügte hinzu, um den durch die anhaltenden Winterſtürme schier geschädigten und statt. Die Beleidigung sollte in einer Besprechung über den er wolle nicht bezweifeln, daß der Polizist Schütt feine in ihrer Existenz gefährdeten Bewohnern von Ortschaften am Verlauf einer Schöffengerichts- Verhandlung zu Wismar am heutige Aussage in gutem Glauben gemacht habe, aber kurischen Haff zu Hilfe zu kommen?" In der Besprechung gab der 29. August 1899 enthalten gewesen sein. In der damaligen irgend welches Gewicht könne er der Aussage dieses Landwirtschaftsminister eine wohlwollende Erklärung ab. Gerichtsverhandlung handelte es sich um die Frage, ob die Polizisten nicht beilegen. in Wisntar eingerichtete Privat Postanstalt, mittels deren die dort abonnierten Exemplare der ,, Meklen­burgischen Volts- Zeitung" an die Abonnenten aus getragen wurden, ein den gesetzlichen Bestimmungen ent­sprechender Gewerbebetrieb sei oder nicht. Das Polizei Amt hatte diese Frage verneint und infolgedessen den Austrägern der Privatpostanstalt, weil sie des Sonntags Zeitungen be­stellt hätten, auf Grund des mecklenburgischen Sonntagsgesetzes einen Strafbefehl zugeschickt. Dies Sonntagsgesetz gestattet das Austragen von Zeitungen an Sonntagen wohl den Reichs­postanstalten, sowie allen Privatpostanstalten, verbietet es aber allen sonstigen Privatleuten.

In dem Artikel der Meckt. V.- 8." war nun berichtet, der Vorsitzende des Schöffengerichts habe, um festzustellen, ob die Privatpoftanstalt, den Anforderungen der Gewerbe­Ordnung gemäß, polizeilich angemeldet war, den im Zuschauerraum anwesenden Polizisten Schütt aufs Rathaus geschickt mit dem Auftrag, die Akten über die An­meldung der Privatpost herbeizuholen. Schütt sei ohne Aften zurückgekommen und habe gemeldet:

Redacteur Groth wurde schließlich wegen Beleidigung durch Verbreitung unwahrer Thatsachen zu 50 M. Geldstrafe verurteilt. Jm Urteil heißt es:

Die nächste Sitzung findet am 24. Apri! statt. Auf der Tages­ordnung stehen die Novelle zum Rentenguts- Gesetz und Initiativ­anträge, darunter der Antrag betr. die Gewährung von Reise to sten zur Pariser Weltausstellung an Landwirte und Handwerker.

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Das Herrenhaus

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Unwahr sei die Behauptung, daß Senator Dr. König dem Gericht die falschen Meldungen machen ließ: die Privatpost sei nicht angemeldet und Akten über die Privatpost seien nicht vor­handen. Zwar habe das Gericht mit der Staatsanwaltschaft der hat am Freitag die Etatsberatung fortgesetzt. Beim Etat der Aussage des Beugen, Polizisten Schütt, kein Gewicht Eisenbahn Verwaltung wurde u. a. eine Verbilligung der beigelegt, wenn das Gericht auch nicht bezweifeln wolle, daß der Publikums an den Bahnschaltern Klage geführt. Auch die Ar­Militär- Fahrtarten angeregt und über zu langsame Abfertigung des Bolizeibeamte feine heutige Aussage im guten Glauben beiterfrage wurde gestreift. Graf v. We del Piesdorf gemacht habe. Aber wenn auch das Gericht überzeugt sei, die bat den Minister, den Verkehr ländlicher Arbeiter vom Osten nach Meldung des Polizisten Schütt vor dem Schöffengericht in Wismar Westen nicht durch hohe Fahrpreise zu erschweren. Der habe nicht so gelautet, wie derselbe dies heute beländliche Arbeitermangel sei im Westen so groß, daß zeuge, sondern im Gegenteil so, wie der inkriminierte Artikel man den Arbeitern gern Fahrkarten erster Selasse bezahlen es mitteilte, so konnte darum der Angeklagte doch nicht straffrei würde. fönnte. Arbeitskräfte bekommen ausgehen. Dem, mochte die Meldung des Schütt gelautet haben, Graf Mirba ch erwiderte, daß der Arbeitermangel im Osten noch twie sie wollte, bewiesen sei, daß Senator König mit derselben größer sei und daß man nicht den Zuzug der Arbeitskräfte nach dem thatsächlich nichts zu thun hatte... Westen erleichtern dürfe. Auch der Schwager des Kaisers, Herzog Günther zu Schleswig- Holstein , flagte über Arbeiter­mangel und ersuchte die Regierung, dafür zu sorgen, daß nicht zu gleicher Zeit zu viel öffentliche Bauten in Angriff genommen werden. Die Minister v. Thielen gab eine zufriedenstellende Antwort. weitere Debatte über den Eisenbahn- Etat war belanglos. Beim Kultusetat wurde der Fall Neißer besprochen. Der Oberbürgermeister von Breslau , Bender, sowie der Breslauer Geheime Medicinalrat Dr. Förster wandten sich gegen die gegen Professor Neißer getriebene Heze und warnten davor, vor Ablauf des gegen ihn schwebenden Verfahrens ein Urteil zu fällen. Im Gegensatz dazu waren Frhr. v. Maltzahn und der frühere Landwirtschaftsminister Lucius v. Ballhausen mit der Ver­urteilung Neißers fofort bei der Hand. Den Schluß der Sigung Holst ist verurteilt worden, weil er ausgesagt hat, er habe bildet eine längere Nebe des neu berufenen Profeffors Slabh von Die Mitteilung dieses freisprechenden Urteils begleitete Rufe nicht gehört, die Schütt gehört haben wollte; er ist verurteilt der technischen Hochschule zu Charlottenburg über die Vorbildung für die Meckl. V. 8." weiter mit kritischen Bemerkungen worden wegen einer Aussage, deren unrichtigkeit nachzuweisen über- Die Debatte über diese Frage wird am Sonnabend fort über das Verfahren des Polizeiamts und innerhalb dieser haupt außerhalb menschlicher Möglichkeit liegt. Schütt hat am gesetzt. Stritit war wiederholt darauf hingewiesen worden, der 29. August v. J. das Gegenteil von dem gefagt, was gefagt zul

"

Soweit der Thatbestand.

Der Polizist Schütt hat unter Eid die unwahrheit ge­Er hat gesagt, er habe am 29. August v. J. dem Oberamts­Martens gemeldet:

Der Polizeisenator läßt sagen, eine Privatpost sei nicht angemeldet und Akten seien darüber nicht vorhanden." sagt. Infolge dieser Meldung vernahm das Gericht auf Anrichter trag der Verteidigung den n aber der Privatpost als Zeugen; derfelbe bekundete, er habe seinen Postbetrieb auf dem Polizei­Amt angemeldet, eine Bescheinigung über die Anmeldung sei ihm jedoch nicht erteilt. Auf Grund, dieses eidlichen Zeug­nisses fällte das Schöffengericht ein Urteil dahin, daß die Privat- Postanstalt eine allen gefeßlichen Ansprüchen genügende Einrichtung fei.

Der Herr Sefretär läßt sagen, die Privatpost fei angemeldet..." Er hat aber nach Feststellung des Gerichts thatsächlich das Gegenteil gesagt, nämlich:

" Der Polizeisenator läßt fagen, eine Privatpost sei nicht angemeldet..."

das technische Studium.

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