Nr. 259.- 1916. Unterhaltungsblatt öes vorwärts 5oUta!ltlld,ll.Noomber. Der Rabbiner. »Sie haben von den Russen wohl viel erdulden müftaiN »Darüber kann ich nicht» erzählen I' Wie sanft da« klingt, trotzdem bestimmt, wie aus innerer Rot« wendigkeit. Gerade so spricht ein zärtlicher, gütiger Bater zu seinen Kindern, wenn er ihnen einen Wunsch versagen muh. Ich schau« in ein Gesicht voll Milde; klar und ruhig blickten mich zwei Augen an. Trauer und Ergebenheit wobnt darin, Menschen- liebe leuchtet daraus, und Treue, unbestechliche Treue. Bor mir steht der Rabbiner in Sch... Das Oertchen liegt jenseits der preußischen Grenze, auf russisch  -polnischem Gebiet. Als die Russen zum zweiten Male Ostpreußen   verlassen mußten, haften besonders die Juden unter den Wutausbrüche« zarischer Kulturträger zu leiden. Biele von ihnen wanderten in die Ber- bannling, einige in den Tod. Man beschuldigte die Juden, den Deutschen   gegen Rußland   Dienste geleistet zu haben. Sogar die Synagoge hatte dafür büßen müssen... Der Rabbiner würde mir manches von den rusfischen Schand­taten erzählen können. Ich suchte ihn auf. Um so mehr überraschte mich die Antwort.-- »Nehmen Sie Platz, bitte..." Eine ältere, freundliche Dame, eine Schwester deS Rabbiners, bringt Tee herein. Wir plaudern-- Warum mag der Rabbiner nicht von den Rusfentaten sprechen wollen? .Ich verstehe und würdige die Zurückhaltung. Die bäse« Er- fahrungen; man weiß nicht, ob die Russen nicht noch einmal zurück- kommen und dann noch mehr Unheil anrichten---* .Nein, nein! Da« ist es nicht, keine Furcht I Warum sollte ich mich sürchlen? ES geschieht doch alles, wie Gott   will I Ist die Leidens- und PrüfungSzeit der Juden noch nicht vorbei, dann müssen wir weiter dulden. Aber wir dürfen nichts tun gegen die Gebote GotteS.' .Verbietet Ihnen die Religion, etwa» über die ruMchen Greueltaten zu erzählen .Gewiß 1' Der Rabbiner holt die Tauroh(Lehre) herbei und liest daraus eine Stelle vor. Danach darf der gläubige Jude nicht« Böses gegen das Oberhaupt seines Lande« unternehmen. Ich wende em: .Polen   gehört doch nur gezwungen zu Rußland  ?' .Mit Willen GotteS l Wenn Gott uns ein andere» Oberhaupt gibt, müssen wir dem Treue halten. Aber wir dürfeu nicht der» suchen, der Entscheidung GotteS vorgreifen zu wollen.' .St« sollen nicht» gegen Rußland   unternehmen, nnr etwa» für Ihre Glaubensgenossen! Die gewünschten Angaben würden ein« Hilfsaktion in Amerika   zugunsten der polnischen Jude» fördern helfen.' »Gott   wird segnen alle guten hkkenschen, die un« beistehe«. Er wird un« auch Hilfe senden nach fernem Ratschluß. Doch wir dürfen ihn nicht erzürnen, indem wir seine Gebot« übertrete«. Ich darf nicht» erzählen!' Ist da» ein feige« verstecken? Ll» hätte der Mau» den flüchtigen Bedanken erraten: .Ich bin ein alter Mann. La« hätte ich«och zu verliere»? Nicht» al» die Gnade Gotte»!'... Nein, in dieser Seele ist kein Zittern, um Ergebenheit au« Heber- zeugung 1 Einer anfechtbaren Ueberzeugung zwar, aber«wer Ueber- zeugung, die zu jedem Opfer bereit macht, trotz der starken LebenS- oejahung in der jüdischen Religion. Ohne ein Wort der Klage wurde der Rabbiner in die Verbannung wandern, ohne Klage in den Tod. Biele, viele Tausende seiner Glaubensgenossen gingen den Weg de» Leisen», stumm und groß.(») W. v. kleines Zeullleton. Refiüeazcheater:»die warschauer Zitadelle". Da« Stück der polnischen Schriftstellerin Gabrtzela Zapolska, zu dem fle den Stoff einem ihrer Romane entnahm, vereinigt französischen Mustern nachgebildete auf momentane Effekte eingestellte Theatertechnik mit einer allgemeinen, menschlich-fteiheit- lichen Tendenz. In die raffiniert erklügelte Kompliziertheit der Handlung scheint etwa» von den blutigen Hintergründen de» rusfischen Despotismus hinein. Wir werden Zeugen, wie Schergen der Ge« walt in einen Krei« von jungen Leuten. Studenten und Studenttnnen, die den Frevel begingen, an der polnischen Propaganda und BolkS- aufklärung mitwirken zu wollen, hereinbrechen. Wir sehen Mütter von politischen Gefangenen, die in dem Vorzimmer des FestungS- kommandanten auf das Erscheinen de» Gewaltigen bleich und zitternd harren, um schließlich von dem Halbberauschten als lästige Störung zur Tür hinaus gejagt zu werden. Wir erleben die Seelen- foltern mit. durch die der Uniergebene des launischen Tyrannen, der kaltblütig überlegene Oberst Corniloff in dem Verhöre das Ge- ständnis zu erpressen sucht; den Abschied der zur Verbannung nach Sibirien   verurteilten Studentin von ihrem freigesprochenen Freunde und den Ausbruch kochender Empörung in dem jungen Menschen, der ihn nun selbst und auf immer dem Gefängnis überliefert. Aber diesen Erregungen gesellt sich leider nichts von jener stilleren Er- regung hinzu, die wir von einem Drama als künstlerisch geformter Seelenspiegelung erhoffen und verlangen. Zu individualrsierender Ausgestaltung dieser Mädchenfigur, die hier am Schluß als ein Symbol hochherzig leidenden Heldentum» gedacht ist, reichte die Kraft nicht hin. Und die Zeichnung Grrkis, des Freundes, verläuft sich gar in wirre Widersprüche. Früher erlittene Einzelhaft soll seinen Enthusiasmus, seine Kraft gebrochen haben. Aber er renom- miert geradezu mit seinen verlorenen Illusionen und betrügt die edle Braut mit einer Schenkmamsell von ausgeprägtem Dirnen- typus. Daß die Verfasserin, die eine solche Liaison für die Intrigen der Theaterhandlung brauchte, eS fertig bringt, den problematischen und eigentlich ganz uninteressanten Burschen dabei am Schluß zum Sprachrohr der Empörung und zum Märtyrer zu machen, zeigt beut« licher als alles andere, wie sie sich dem Effekt zu Liebe über alte Skrupeln dichterischer Art hinwegsetzt. Immerhin, legt man einmal den Maßstab deS Effekt- und SenjationsstückS an die Arbeit, wird sich nicht leugnen lassen, daß sie im Rahmen dieses Genres ungewöhnliche Geschicklichkeit beweist. Die Verfasserin hat Theaterblut, sie mischt die Farben so behend, daß sie den Zuschauer bis zu jenem Schluß, in dem die Brüchigkeit des Ansatzes und der Machung dann freilich allzu offen aufklafft, in Atem hält. Gleich die Anfangsszenen in der obskuren Mädelkneipe, wo Gorkis Schatz bedient, falle durch solche Verve auf. Und die Kampagne, in welcher Oberst Corniloff, ein Untersuchungsrichter von Sherlok Holmscher Listigkeit und Kombination, dem schurkischen, versoffenen Offizier überführt, der Goerki. seinen Rivalen bei der Kellnerin, in den Verdacht der Spionage bringen will, ist geradezu ein Kabinettstück in der echt leichten, und nicht gerade häufigen Kunst theatermätziger Nervenspannung. Die von dem neuen Direktor Eugen Robert  « vortrefflich bi« in die kleinen Episodenrollen inszenierte Aufführung fand starken Applau«. Am eindrucksvollsten traten Schildkraut» bombastisch korpulenter FestungSkommandant mit dem breite» weinroten Lebe- männergeficht, der lauernd ruhige Oberst Corniloff von Erich Kaiser- Titz   und ForestS vom Alkohol vertierter Offizier, der der Bestrafung seiner Büberei sich durch eine Kugel entzieht, hervor. ät. »Minna von Sarnhelm" km Deutschen Theater. Dem Deutschen ZhNu« ist al« dritte« Stück Lesfing« klasfischeS und immer lebendiges Lustspiel, da« erste deutsche Drama von bleibender Bedeutung überhaupt, eingefügt worden. TS ist, wenn man sich an daS äußerliche des Rahmens hält, ein Goldatenstück wie Lenzens und KlingerS Dramen, die die Reihe eröffneten. Inmitten eines Kriege» e» war der siebenjährige ist e« entstanden, die Folgezustände diese» Kriege» blicken überall in die Handlung hinein und wecken in dieser Zeit interessierte» Miterleben. Wenn die Ofstzierswttwe in Trauer ihre verhaltene Klage auf die Bühne trägt, find wir bi» in» Innerste   gerührt. Ueber die löv Jahre hin- weg ist die Brücke zwischen Mensch und Mensch geschlagen. Aber so der .Krieg im Hintergrunde und daS Soldatische im Bordergrunde dominiert, der Geist deS Soldatenstücks ist bürgerlich, die Haupt- charaktere sind erfüllt von jener freimenschlichen hohen Gesinnung, die der klassischen Literatur des achtzehnten Jahrhundert» ihre ragende Bedeutung verleiht. In Tellheim» aradstnniger Festigkeit, Ehrenhaftigkeit und Edelmut wird un» LcssingS Ebenbild gegen- wärtig und in Minna« klugem und witzigem Geiste nicht minder. Diesem Major war der militärische Dienst eine gelegentliche Be- schäfligung, kein Handwerk, und diesem Dichter war der Patrio- tiimu» kein Vorwand billiger Lorbeeren. Reinhardt« Jnszenesetzung, die ganz auf da« Eicht« und Helle de« fröhlich-neckiichen Spiel« gerichtet ist, ist bekannt. Auch die Darstellung zeigte im ganzen die gewohnte Besetzung: Winter- stein« prächtiger, aber etwas zu schwerer Tellheim und Else Heim» anmutige, alle» wagende und verständig erreichende Minna, Lucie Höflich  « kecke Franziska, erscheint wie eine Figur au» einem intimen alten holländischen Gemälde. Diegelmann gibt dem Just seine breitwürfige Art und die kraftvollen Derbheiten. W a ß m a n» war al» Wirt ein quecksilberner Springbrunnen, ein Koloraturkomiker von drastischer Art. Aber er stört da» Ensemblespiel und zerstört den Charakter de» Lustspiel«. Neu waren Hermine Körner   als trauernde Witwe voll reservierter Schlichtheit und Ferd. Bonn   als Riccout: er betonte den herunter« gekommenen Glücksspieler mit gutem Gelingen. i. Lelbniz als Vorkämpfer pole««. Die Proklamierung de« Königreiche» Polen   ruft die Erinnerung wach an die Tatsache, daß schon vor mehr als zwei Jahrhunderten einer der besten deutschen politischen Köpfe, nämlich Gottfried Wilhelm Leibniz  , dessen Todestag sich am IS. November zum zwei« hundertsten Mal« jährt, die Erwirkung und Bewahrung der Freiheit Polen  » durch deutsche   Hilfe für eine sowohl für die Polen  wie auch für daS Deutschtum gleichern, aßen wichtige Notwendigkeit erklärte. Als am IS. September 1öS3 der König von Polen   aus dem Hause Wasa, Johann Kasimir  , seiner Krone entsagt hatte, bewarben sich zahlreiche Fürsten aus verschiedenen Ländern um den polnischen Thron, darunter auch der Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg. Der damals erst 22 jährige Leibniz   erhielt von diesem die Aufgabe, die Gründe, die für die Wahl des Pfalz  - NeuburgerS sprachen, in einer Schrift vom Standpunkt eine» polnischen katholischen Edelmannes wiederzugeben. Diese Schrift, deren Einzelheiten wir der im Leipziger   Verlag Felix Meiner er- scheinenden volkstümlichen Ausgabe von Leibniz  '.Deutschen Schriften' entnehmen, wurde durch die jüngsten Ereignisse der Gegenwart so verblüffend aktuell, daß die folgenden Stellen in Erinnerung ge- bracht sein mögen. Leibniz   wandte sich mit besonderer Schärfe gegen den russischen Wahlbewerber:.Am allerwenigsten aber,' schrieb er,»geht der Russe an! Nehmen wir ihn, so ist geradewegs alles verloren. Wir geben ihm selbst das Schwert in die Hand, uns zu morden. Ist er einmal herein, so bringt ihn niemand mehr hinaus. Mit der Freiheit ist es aus, mit der Gesittung und Bildung. Er ist ein Barbar von Nation, von Sitte und Erziehung; ohne einen Begriff von Freiheit, an eine völlig unbeschränkte Regie- rung von Jugend auf gewöhnt; er ist ein Feind Polens  ... Und glaubt Ihr etwa, Europa   werde ruhig zusehen, wenn Polen  , die Vormauer der Christenheit gegen die Barbaren, fällt, wenn ein Koloß sich erhebt, imstande, ganz Europa   zu unterdrücken?' Die für die Gegenwart interessanteste Stelle der Schrift Leibniz  ' endlich lautet:»Ueberhaupt haben Polen   und da» Deutsche Reich völlig die gleichen Interessen; beide sind rein nur auf die Ver- teidigung bedacht, beide wollen keine Erweiterung, sondern nur ruhigen Besitz de« Gegenwärtigen. Beide brauchen Frieden und Ruhe. So sind sie sogar naturgemäß auf ein freundschaftliches Ver« hältni« zueinander angewiesen. Und eben die« ist zugleich da« wahre Interesse von ganz Europa  : sie sollen beide sein ein Damm gegen alle Weltreichgelüste, mögen sich solche regen, wo sie wollen.' Diese Schrift, m der Leibniz  »die Erhaltung de« Deutschen Reiche  » al« ein Interesse Polen  » und de» christlichen Europa  " be- zeichnete, enthielt, wie man sieht, Argumente, deren zwingende polt- tische Logik bi» zu unseren Tagen dieselbe geblieben ist. «ottze». Die Nobelpreise für Literatur für 1018 und 1« sind von der schwedischen Akademie an Romain Rolland   und Werner von Heidenstam   verliehen worden. Rolland   ist der einzige fran- zöfisch« Dichter, der von diesem Kriege nicht besiegt ist. der trotz aller Schmähungen seiner Landsleute die Ideale der Bölkerliebe hochgehalten und über die rauchenden Trümmer hinweg zu schauen gewagt hat. Seine große literarische Leistung ist sein vielbändiger Roman Jean Christophe, worin er die Entwlckelung eines deutschen Musiker« schildert. Dem Verständnis deutscher und französischer Kultur in wechselseitiger Berührung ist da» Buch gewidmet, das vom tiesslen Gefühl für deutsch  « Musik erfüllt ist. Die Wahl diese» Nobelpreis« träger» soll uns als ein Symbol und al» eine Hoffnung auf die Zukunft willkommen sein. Der schwedische Lyriker und Erzähler Heidenstam   ist der Vertreter einer stark national gerichteten, aber auch durch vielfache Auslandsreisen befruchteten Kunst. Seine großen Romane und Novellen find größtenteils in« Deutsche über- setzt. Die Nobelpreise für Physik und Chemie werden diese« Jahr nicht verteilt. Hauptmann Voelcke hat auSfvhrNche Berichte über seine Fliegererlebnisse hinterlassen, die in einem seinem Gedächtnis gewidmeten Buche gesammelt al«.Hauptmann BoelckeS Feldberichte' rm Berlage von Friedrich Andreas Perthes«.»B. in Gotha   erscheinen sollen. Zur Segrüßuas» von F. Mirandola. (Schluß.) Auf der hell erleuchteten Mauer de» gegenüberliegende« Hauses sah man die Umrisse zweier Gestalten. Sie schiene« übermenschlich groß. Zwei Kosaken in unendlich großen Mützen, ohne Pferde, gingen über den Bürgersteig. Man hörte nicht den Widerhall ihrer Schritt«. Offenbar hatten sie die Stiefel mit Lappen umwickelt. Mit den Händen umklammerten sie die schußbereiten Karabiner. Sie gingen gebückt an der Mauer entlang; al» sie bi» zu dem Punft kamen, wo die Straßen sich teilten, blieben fle stehen. Sie schauten sich eine Zeitlang um. Der jüngere der beiden Wachenden legte da» Gesicht an die Scheibe und blickte mit Interesse hinaus. Er hatte den Kosaken noch nicht bemerkt. Die Schatten wankten in sonderbarer Bewegung hin und ber, verneigten sich wackelnd, Riesenhände flogen über sämtliche Etagen, al« suchten sie durch die Mauern nach einer Beute. Die Kosaken stritten um etwas. Einer zeigte vor sich bin. der andere in der Richtung der Quergasse. Sie unterhielten sich mit Gesten, nur manchmal siel ein gedämpftes Wort in ftemder Sprach«. Der jüngere erhob sich mit rascher Bewegung vom Stuhl und drehte die FensterkUnke um. DaS Fenster öffnete sich leise, geräusch- loS nach innen. Der ältere stürzte sich auf den Kameraden und erfaßte ihn noch rechtzeitig bei der Hand, damit er daS Fenster nicht ganz öffne. .Du bist von Sinnen!' flüstert« er mit gcdäuipfter Stimme .Wa» tust du?'... Unfinniger!' Er setzte ihn mit Gewalt auf den Stuhl nieder nn» zog dt« weiße dur-vsiwuge Gardine vor da» halbgeöffnete Fenster. Zum Glück entging da» Aufleuchten der Scheibe der Auftnert- samkeil der Koiaken Sie fuhren fort, sich mit gedämpfter Stimme zu streiten. Plötzlich zeigte einer dem anderen die Jalousie eine« kleinen Ladens, wenig Schritte von der Sielle, an der sie standen. Die Jalousie war heruntergelasien und unten geschlossen. Sie verständigten sich raich. kauerten vor dem Laden nicder und begannen an dem Schloß zu meistern. .Höre. Wladeck l' sagte der ältere mit entschlossener doch leiser Stimme..Wo» du getan hast, tonnte un« beiden da« Leben losten. Besinne dich. Nimm Vernunft an!' Bon der Straße her ließ sich jetzt«in Geräusch de» Sägen» oernehmen. Da»«narren«ine« von einem Wertzeug bearbeileien Blech» ertönte laut Die Koiaken gaben sich kein« Mühe, sich teile zu verhalten. Angesicht» der Hoffitung aus Beute vergaßen sie alle Vorsicht. Wen sollten sie übrigen» fürchten... den Besitzer? Der ältere iagte vorsichtig zu dem jüngeren: .Höchste Vorsicht ist unbedingt notwendig, bi» eine Behörde kommt. E» ist furchtbar zu bedenken, wie man den morgigen Tag verleben soll.... Wie soll man sich verhalten?...' .Mir ist eigentlich lieber, daß st« schon da find,' sagte der .Ich Imm mich M Gc&i» ctam fcittmw***» ruhigung nicht erwehren. Am meisten quält« mich die Erwartung. Ich wundere mich, daß ich gestern nicht grau geworden bin. Sie find schon da... wir warten nicht mehr, man wird nicht mehr die furchtbaren, ausgestorbenen Straßen sehen... e» ist besser so... viel besser... Ich bin fast ruhig, weißt du?' .Wa« redest d»... wie kann man von Ruh««de»? Aber still, wir wollen nicht sprechen! Sie könnte»«m» höre«. Sieh, einer erhebt den Kopf, er horcht...' Wirklich hatte einer der arbeitende« Kosaken   den Kopf empor- gerichtet. Bald darauf erhob er fich, wich einige Schritte zurück and blickte nach dem Erdgeschoß, in der sich der Laden befand. Aber die Fenster waren schwarz, verhängt. ES war gleich, ob man sie hörte oder nicht, eS hätte doch niemand gewagt, hinunterzugehen. Die Kosaken kehrten zu ihrer Srbett zurück. Nach ewer Welle standen sie auf, erfaßten mit beiden Händen da» angesägte Blech und begannen, eS an fich zu ziehen, mit de« Absätzen gegen den Rand des BürgersteigS sich klemmend. Das Blech zerriß mit dumpfem, durchdringendem Geheul, bald darauf sah man eine ziemlich große, schwarze Oeffnung. Die Kosaken gingen mit doppeltem Eifer an die Arbeit. Ohne im geringsten auf den Lärm zu achten, zerschnitten st« da» Blech, bald erblitzten die Sckeiben der Ladenttfc »ES dämmert!' flüsterte einer. Die Nacht ging zu Ende. Aus der Ferne traten derborgene Formen hervor. Die Ouergafle wurde länger Häuser füllten fie, mit Herbstblättern bedeckte Bäume umsäumten fie. Die Bürgersteige lagen wie meiße Linien auf einer grauen Fläche, lange, aufeinander zulaufende Linien, die fich erst dort schnitten, wo die Umrisse der Bahnhofsgebäude sich allmählich«nd langsam am Himmel zu zeichnen begannen. Die Laternen flackerte« jetzt«»e Glübpunkte. DaS Hau« gegenüber war bereit« ganz weiß. Die Fenster be- gannen hier und dort zu blinken. Hoch oben aus dem Schornstein oder zwischen dem Gesims unter dem Dach verborgen begannen die Spatzen zu zwitschern. Zuerst schüchtern, ängstlich, dann immer häufiger, bi« da» Gezwitscher sich zu einem lauten, sorglosen Chor« gelang verwandelte. Dort unter den Bögeln fürchtete sich niemand. Der Krieg halte kein« Bedeutung, die Kosakenmützen weckten kein Traunen. Ein Spatz flog zur Erde, hüpfte in der Nähe der im Schweiße ihre» Angesicht» arbeitenden Koiaken auf dem Bürgcrsteig und wartete auf da» Oeffnen de» Laden» mit berechlrgtem Anspruch auf da» Frühstück. Die Tür war bereit» offen Die Koiaken gingen abwechselnd hinein und trugen große Bollen mit verschiedenen Waren heraus- Sie legien fie der Reihe nach aus ein an der Erde auSgebreitele« Tuch nieder. Bald war ein beträchtlicher Berg aufgetürmt. Die einzelnen Sachen konnte man noch nicht unterscheiden, man sah nur, daß die Kosaken wahllo» alles herausschleppten, wa» ihnen in die Hände fiel. Endlich begannen sie mit röchelnden Summen miteinander zu tai f* tat* Maita*£ luden noch eine Weile auf, dann banden fle die Enden de» Tuche» zusammen. Da sie zu kurz waren, stopften sie allerlei Sachen in die Taschen, hinter da» vrusthemd wo sie konnten. Endlich warfen sie die weniger wertvollen Sachen auf die Erde, und so gelang e» ihnen, das Tuch zu einem Riesen- bündel zusammenzuknüpfen. Der«ine der Kosaken kniete nieder, während der andere ihm half, die Last auf die Schultern zu heben. Al« der Schleppende mit eingeknickten Knien einen Schritt vorwärts Kot, fiel ihm die Mütze vom Kopf. Er blieb wieder stehen. Der andere nahm beide Karabiner auf die Schulter, hob die Mütze auf, schrie ihm laut etwa« zu und wie» nach Osten. Der Beladen« setzte taumelnden Schrittes den Weg fort. Als er vor dem Fenster der beiden Beobachter anlangte, ließ fich in der Ferne Pferdegestampf vernehmen. Die Hufen der Pferde, die über den Straßen dämm zu eilen schienen, erklangen scharf. Der Schleppende machte übermenschliche Anstrengungen, um den niedrigen Zaun zu erreichen, der an der Parzelle entlang lief, an welcher daS Hau? stand, au» dem die beiden Freunde herausschauten. Er wollte die Beute wahrscheinlich über den Zaun werfen, um sie auf diese Weise vor den Augen der nahenden Reiter zu verbergen. Aber eS gelang ihm nicht. DaS Gestampf wurde mit jedem Aiigen- blick lauter, schließlich gaben die Kosaken da« Spiel auf und flohen durch die Quergasse. Die beiden guschanrr standen jetzt bor dem geöffneten Fenster. Die Neugier besiegte die Furcht. Der Jüngere beugte sich mit dem halben Körper hinau» und sandte die Blicke dem unbekannte« Heer entgegen. Im nächsten Augenblick tauchte die erste Gestalt auf. Eine lange Lanze unter dem Arm. ritt ei« Kosak   im Galopp aus einem kleine» Pferd. Er ritt, ohne die Zügel in der Hand zu halten. Er hatte sie über den Sattel geworfen, dafür hielt er in der linken Hand ein« Pistole. Auf dem Kopf hatte er eine große Mütze mit rotem Deckel, aus feinen Beinkleidern leuchteten rote Doppelstreifen. Der Karabiner auf seiner Brust bewegte fich bei jeder Bewegung de» Pferde« hin und ber. «IS er da» am Wege liegend« Bündel erblickte, hielt er an drehte fich auf dem Sattel um und redete etwa« zu dem hinter ihm Reitenden  . Sehr bald bildete fi» mitten in der Straße eine Gruppe von Reitern. Einer von ihnen, offenbar ein älterer Mann, blickte sich um und sagte: .Wa« für ein Hundesohn hat da» getan? Wie? Nun. hebt e» aus. rasch 1*. iagte er aus rusfiscki. indem er sich an die Untergebene» wandte, die von den Pferden zu steigen begannen. Plötzlich fiel sein Blick auf die am Fenster Stehenden..Wer ist denn da»? Wie? Ihr wart eS, Halunken l... Oh, ich werde euch...' Er hob da» Gewehr an« Auge. Blitzschnell, bevor die Beobachter auch nur ein« Bewegung mache» konnten, fiel ei« Schuß. Der jüngere schrie auf, tmnnekte, öffnet« die Anne und fiel rück«