Nr. 294.- 1916.Unterhaltungsblatt öes vorwärtsZonMben�23.DtMbtr.3n harter Zucht.Jugend eindrücke von Albert Rudolph.Die zweite Generation unserer Parteigenossen bc-ginnt jetzt schon ihr �Werden und Wachsen zu schildern.Albert Rudolph legt seine Jugenderinnerungen in einemsoeben bei I. H. W. Dietz Nachf. herausgekommenenBündchen nieder(Wie ich flügge wurde). Es istdas Schicksal Tausender, das er erlebt hat, aber es ist ganzindividuell erlebt und auch individuell dargestellt. HarteZucht in dem kinderreichen Hause, überaus schlechte Lohne,Rot, Lehrlingsausbeutung, das befreiende Buch, dieWalze, Schikanen und Matzregelung in der Fabrik, imDienste der Arbeiterbewegung. Albert Rudolph berichtetnicht Klotz Tatsächliches, er gibt ihnen LebenSwärme undKolorit, und er gestaltet sie zu abgerundeten Bildern.� Wenn mein Vater, der Eisenbahnfchaffner war, von einergrötzeren Diensttour nach Hause kam, dann herrschte schon Stundenvorher bei uns eine rege Tätigkeit. Nicht immer begrützten wirseine Rückkehr freudig. Hatte die Mutter uns gedroht, die währenddes Vaters Abwesenheit von uns begangenen Verfehlungen diesembei der Heimkehr zu berichten, dann war es mit unserer sorglosenStimmung aus. An Bemühungen, der Mutler eine bessere Mei»nung von uns beizubringen, lietzen wir es dann nicht fehlen.Die uns obliegenden häuslichen Arbeiten, gezwungen und nurwiderwillig ausgeführt, wurden nunmehr im Wetteifer verrichtet.Es schien, als gäbe es für uns drei Jungen keine schönere undangenehmere Beschäftigung als Stiefelputzen, Holzhacken undWassertragen. Wenn die MuUcr sich auch nur selten durch unseremsiges Arbeiten bewegen lietz, den angedrohten Bericht über unserekindlichen Ungezogenheiten nicht zu erstatten, so hofften wir dochimmer wieder auf ein mütterliches Rühren.War der Vater gekommen und hatten wir ihm die Handreichend Guten Tag gesagt, dann harrten wir ängstlich des Augen»blicks, da wir ihm Rede stehen mutzten. Ucber die Vorgänge imHause berichtete die Mutter nach dem Essen. Ernst, ohne sie je zuunterbrechen, hörte mein Vater zu. In seinen Mienen vermochtenwir zu lesen, ob er für uns Prügel oder nur eine strenge Verwarnung für angemessen halten würde. Da ertönten auch schon dieknappen Kommandorufe:„Anttrretcn! Richt— Euch! Still— gestanden!*Wie Bildsäulen standen wir vor dem Bater. Ich, als der Größteund Aelteste, war rechter Flügelmann; neben mir stand mein achtJahre alter Bruder Artur, und den linken Flügel bildete meinkleiner, erst sechs Jabre alter Bruder Heinrich. Kaum standen wir.da erklangen auch schon die weiteren Kommandos: Linksum kehrt!Marsch— marsch!" Wir waren nicht rasch genug angetreten undbekamen die ersten Kommandos noch einmal zu hören. Kritischmusterte der Vater unsere Kleidung. Doch daran war nichts aus-zusetzen, auch nichts an den spiegelblank gewichsten Schuhen. Mirklopft das Herz bis an den Hals. Während deS Stillstehenswerden die Sekunden zu Minuten, die Minuten zu Stunden.«Was Hab' ich Euch vor meiner Abreise gesagt?" läßt sich derVater endlich vernehmen.„Wir sollen artig sein," ertönt gleichzeitig die Antwort ausdrei beklommenen Kehlen.„Was habt Ihr versprochen?"„Wir wollen artig sein."„Seid Ihr das gewesen?-- Bekomme ich bald Antwort?"Ein zaghaftes:„Nein" ertönt.„Die Mutter hat mir nette Dinge von Euch berichtet! Heutemittag fand sie im Herdschiff ein Ei. Das wollte sich einer vonEuch da kochen. Wer hat das Ei in das Herdschiff gelegt?"Tie Reihe war an mir.„Ich nicht," konnte ich, mir keinerSchuld an dieser Missetat bewußt, antworten; aber auch Artur undHeinrich gaben die gleiche Antwort.„Also keiner. Dann wird's wohl die Mutter selbst gewesen sein.Drei Minuten gebe ich Euch Bedenkzeit."Der Vater beginnt im Generalanzeiger zu lesen. In meinemKopfe wogen die Gedanken auf und ab. Wer wird sich des Ver-gehens schuldig bekennen? Heinrich, der Kleine, wie er von Vaterund Mutter genannt wird, war es sicher nicht. Den raffiniertschlauen Versuch, zu einem gekochten Ei zu kommen, wird Artur,der Dicke ist sein Rufname, begangen haben. Ich wage, zur Seitezu sehen. Er zeigt ein harmloses, unschuldiges Gesicht.Ter Vater legte die Zeitung auf den Tisch und lehnt sich indas Sofa zurück. Die Bedenkzeit ist um.„Wer war'S?"Keine Antwort.„Ihr wißt doch, daß Ihr alle drei Prügel kriegt, wcnn'S keinerderstetsnochgesteht? Wer'S gesteht, bekommt keine Schläge, nur wissen will ich,wer es war."Soll ich vortreten und sagen:„Ich war'S," um so wenigstensmeinem kleinen Bruder die Schläge zu ersparen? Meinem Vaterscheint der mich bewegende Gedanke nicht entgangen zu sein, undin milderem Ton, gleichsam zur Aufmunterung, fragt er:„WarstDu es?"Aber warum lügen? Ich sage:„Rein."Ohne über diesen Fall weiter Aufklärung zu verlangen, be-ginnt das Einzelverhör.„Albert," wendet sich der Vater an mich,„Du hast wiederJndianerbücher gelesen, Artur hat es gesehen und der Muttergesagt!"„Ja."„Du sollst doch keine Jndianerbücher lesen. Wo hast Du'S dennhergehabt?"„Dem Spiegel gehört's, der hat so viele Geschichtenbücher, aberer hat mir nur das Jndianerbuch geliehen."„Nimm künftig Deine Schulbücher vor, da hast Du genug zulesen."„Artur, Du bist gestern und heute zur Schule gegangen, ohneDeine Schuhe gewichst zu haben. Die Mutter hat Dich wiederholtdarauf aufmerksam gemacht!"„Ich habe keine Zeit mehr gehabt, und da Hab' ich's vergessen,"versucht sich schlagscrtig mein Bruder zu verteidigen.„Wer ist denn diese Woche am Schuhputzen?"„Ich," mutz Artur bekennen.„Ja, die Schuhe sollen doch am Abend geputzt werden. Da sindwohl meine und Mutters Schuhe auch nicht geputzt worden?"„Die waren noch blank."„Das ist ganz gleich," entgegnete, heftiger werdend,Vater.„Ein für allemal habe ich den Befohl gegeben, daßsämtliche Schuhe geputzt werden müssen, ganz gleich, ob sieblank sind oder nicht. Gemerkt?!"Wenige Sekunden ist es still. Nur unsere Atemzüge, Seufzernähnlich, sind zu hören. Wieder redet der Vater.„Da keiner gesteht, daß er das Ei genommen Haft bekommtihr alle drei Schläge." Bei diesen Worten sich erhebend, saust seinebreite, schwere Hand auch schon auf das Ende meines Rückensnieder. Dann kommt der Dicke und zuletzt der Kleine dran, derunter den Schlägen jämmerlich zu weinen beginnt.Nach und nach verstummte das Weinen des Trios, um hartenSeufzern zu weichen. Artur und ich müssen jeder in einer Eckestehen, das Gesicht der Wand zugedreht. Dem Kommando:„Armehoch!" haben wir Folge geleistet. Das ist die weitere Strafe, wieuns der Vater belehrt, für das Lesen des Jndianerbuchs und dieungeputzten Stiefel. Heinrich hat abtreten dürfen. Er ist in dieKüche geeilt und verbirgt sein verweintes Gesicht im Schöße derMutter, die ihm tröstend zuspricht.— Das war ein Teil der mili-tärischen Erziehung, die wir genossen. Auf diese Art sollten ausuns Kindern tüchtige und brauchbare Menschen werden; daß ihmdas gelingen würde, davon war mein Vater fest überzeugt. Dievielen Ungerechtigkeiten, die damit unterliefen, kümmerten ihn nicht,erschienen uns aber ganz unverständlich und weckten häufig erstTrotz und später verhaltene Wut.Mich schmerzten oft weniger die Prügel als das Empfinden,für eine Tat bestraft worden zu sein, die ich nicht begangen hatte.Solche Schmach brachte mich dann der Verzweiflung nahe, und ichtrug mich mit Selbstmovdgedanken. Den Selbstmord dachte ich mirsehr leicht; mehrmals nahm ich mir vor, den Hungertod zu wählen.Ich hielt das Hungern aber immer nur einen Tag aus. dannschmeckte mir daS Essen wieder doppelt so guft Einmal beschloß ich,mich zu erhängen; da ich keinen Strick fand, hielt ich die langenGewichtketten unserer großen alten, buntbemalten SchwarzwälderUhr für geeignet. Doch ich hatte die Tragkraft der schwachenMessingketten bedeutend überschätzt. Kaum, daß ich die Fußbankumgestoßen hatte und an der Kette hing, ritz diese, und die Uhr kamsofort nackt. Mein Schrecken war fürchterlich, so fürchterlich, daß ichaus eine Wiederholung des mißlungenen Selbstmordes verzichteteund sehr demütig meinen Großvater bat, die Uhr wieder in Ord-nung zu bringen, um nicht eine neue Tracht Prügel zu bekommen.Das war in meinem elften Lebensjahr.kiemes Zeuilleton.�nnektion gegen Sar.Die Vereinigten Staaten lassen keine Gelegenheit vorüber-gehen, ohne zu betonen, daß sie der friedlickiste Staat der Weltseien. Sie verurteilen olle AnnektionZkriege. und wenn sie Appetitauf irgend ein Landgebiet verspüren, so erwerben sie es gegen bar.Aber obwohl sie so viel Wert darauf legen, dem Landerwerb denCharakter eines Kaufgeschäfts zu geben, können sie trotz der vonihnen dabei ausgesetzten Biedermannsmiene des Kaufmanns meistdoch nur schwer die drohenden Absichten dahinter verbergen. Dennwenn der Landbesitzer, von dem man etwas„kaufen" wollte, gc-schüstsunlustig war. und wenn guleS Zureden nichts half, nahmman allemal ein bißchen Säbelgcrassel zu Hilfe. Als die nordamerikanische Republik im Jahre 1819 für fünf Millionen DollarFlorida von Spanien kaufte, ging es nicht sehr friedlich zu, nochweniger, als sie einen Teil des alten Mexiko— Kalifornien, Texasund Reu-Mexiko— für den Spottpreis von 13 Millionen Dollar„erwarb". Der Krieg, der diesen Verhandlungen vorangegangenwar, hatte den Mexikanern die Ueberzeugung von der NotwendigkeitdeS Verkaufs beigebracht; sonst hätten sie Kalifornien wohl lieberbehalten, umsomehr, als man im Jahre vor dem Verkaufe dort diegroßen Goldfnnde gemacht hatte. Die Goldfelder Kalifornienshatten denn auch die Kaufsumme sehr schnell gedeckt. Schon imJahre 1803 hatte die Union die gewaltigen Gebiete zwischen demMississippi und dem Felsengebirge für einen Pappenstiel gekauft. DieKaufsumme betrug damals auch 13 Millionen Dollar— der gegenwärtige Wert distes Gebiets ließe sich mir in einer Niesenzahl vonNullen schriftlich ausdrücken.Mit diesen drei LanMänfen, für die die Vereinigten Staateninsgesamt 33 Millionen Dollar angewandt hatten, hatte die Unionihr Gebiet verdoppelt, ihre Einwohnerzahl vervierfacht. ES war mirnatürlich, datz die große Rrpublik mit dieser bequemen Art derLairdvcrgrößernng fortfuhr. Im Jahre 1867 kaufte man den RussenAlaska für 7 Millionen Dollar ab, eine lächerlich geringe Summefür das riesige Gebiet, das zwar größtenteils mit Eis und Schneebedeckt, aber an Bodenschätzen außerordentlich reich ist, und dessenPelztierhandel allein das aufgewandte Kapital riesenhaft verzinst.Teurer war für die Vereinigten Staaten der Erwerb der Philippinen.Sie mußten im Jahre 1893 zunächst mit den Spaniern einen Kriegführen und außerdem noch 20 Millionen Dollar zahlen. Aber dieseSumme würde immer noch keine Rolle gespielt haben, wenn dieInselgruppe nicht dauernd gewaltige Ausgaben erfordern würde.Da jedoch der Verbleib der Philippinen unter dem Sternenbannerzur Anfrechlerhaltnng ihrer Großmachlstellung für die Amerikanerunbedingt notwendig war, so wurde er als eine— wenn auch rechtbeschwerliche— Ehrensache betrachtet, die die Regierung oft genugJapan gegenüber zu einer merkwürdig nachgiebigen Haltung ver-anlaßt hat. Nock wichtiger für Amerika ist der Besitz der Panama-kanalzone, und für deren Sicherung kann nicht genug geopfertwerde», obwohl die fortwährenden Einstürze im Kanalbett die Re-gierung in Washington andauernd mit größter Sorge erfüllen.So soll auch der Erwerb der dänischen Antillen nur der Siche-rung des Panamakanals gelten. Schon im Jahre 1867 hatten dieAmerikaner ihre Augen auf St. Thomas gerichtet, und damals warnicht einmal von einem Kaut die Rede gewesen. In, Kongreß wurdeglattweg der Vorschlag gemacht, die dänischen Inseln zu annektieren.und dieser Borschlag fand auch allgemein Anklang. Zuletzt aber stießer im Senat auf Widerstand. Um die Jahrhundertwende wurde,wie bekannt, der dänischen Regierung zum erstenmal ein Kaufangebotauf die Inselgruppe gemacht; Dänemark lehnte damals ober ab.Nun ist dieses Angebot erneuert und auch defiüitiv angenommenworden._fiotiita.— Die Lawinen i m Engadin. Die furchtbaren Lawinen-katastropben ickon im Vorwinter dieses Jahres erinnern sehr an dieahnlichen Verhältnisse in den Jahren 1893 und 1883. Diese brachtenin der Schweiz auch eine Lawinennnol ohnegleichen, aber mehr imMiltelwinler und gegen das Frühjahr hin. �Namentlich der Winter1887/88 brachte eine solche Menge von Schnee, wie kaum einanderer seit Menschengedenken. Der durch die Lawinen ver-uriachte Forstschaden war im ganzen Graubiindncrland bedeutend.Unterhalb Slls stürzten die Lawinen in den Inn und stauten ihnderart, daß der Fluß einen See bildete, der bis an die Häuserreichte. Nach übermenschlichen Anstrengungeir gelang eS endlich,dem Inn einen Weg durch die Lawine zu bahnen. Furchtbar warenauch die Berichte von der Lawinennot des Jahres 1883 aus demWallis und Tesstn.— Kleider aus Torf soll der schwedische IngenieurFegräns in Göteberg erfunden haben, und zwar schon vor 29 Jahren.Da sich aber damals die Herstellung als zu kostspielig erwies, schliefdie Sache wieder ein. Der Mangel an Baumwolle und die überallzunehmende Teuerung des Tuches haben Fegräus nun zu derWiederausnahme seiner Versuche veranlaßt, und diesmal scheinenseine Arbeilen von Erfolg gekrönt worden zu sein. Das aus Torf-safer hergestellte Zeug soll nicht nur schöne Naturfarben aufweisen.auch die Haltbarkeit des Stoffes ist praktisch � erprobt worden undsein Preis stellt sich niedriger als der für künstliche Wolle.ss] Ums Menschentum.Ein Schiller-Noman von Walter von Molo.Karl Eugens Kopf hielt schon wieder in anderer Gedanken-station.„Hätte Er, Abel, was dagegen, wenn ich den Hang alsProfessor"für die schöne Wissenschaft und deutsche Schreibartberiefe?" fragte er mit gerunzelter Stirn.„Durchaus nicht, herzogliche Durchlaucht; ich begrüßte esmit Freuden; er hat als Herausgeber eines patriotischenLiteraturbuchcs, das schwäbische Talente in den Tempel desGeschmackes und Ruhmes einführt, und das vor allem EurerDurchlaucht eigene Werke veröffentlichet, ein Anrecht auf dieAuszeichnung." Professor Abel verneigte sich tief.„Gut," sagte Karl Eugen, der Rektor, der seine Mutter-spräche nicht zu beherrschen vermochte und schwere Sehnsuchtnach schwerstem Wissen trug,„er soll uns also die schönenWissenschaften dozieren; vielleicht ist doch etwaS dran, manweiß das nie vorher."Zwei„Neue" zogen in den Rangiersaal ein. Wolzogenhieß der eine und hatte eine wunderschöne Mama, wie Kapseruiert hatte; der andere war Elwert, der LudivigsburgcrFreund, dessen freudig erregte Augen suchten und fanden:Ein Kreis horchender Kameraden umgab Fritz SchillerSeit dem feierlichen Einmarsch der Akademisten zu Stuttgarthatte ihn Elwert nimmer gesehen. Damals hatte sich Schillerbedrückt und gesenkten Hauptes im lärmenden Pauken- undTromvetenton, der dem heimkehrenden Herzog galt, einher-gemüht, heute stand er in aufrechter Haltung und gesti-kulierte lebhaft und wild darauf los. Shakespeare hieß derErlöser, der ihm nun den Mut gab. das unbekümmert undkühn ins Leben hinauSzustellen, was bescheiden und ver-prügelt in ihm so lange nur dumpf und verschüttet geklungenhatte.Elwert sah, daß Fritz Schiller gewaltig in die Höhe ge-schössen war; es mochte von seinem Leibcsmaß nicht viel auffünf württembergische Fuß fehlen. Das hagere Gesichtzeigte ungesunde Blässe. Die überbaute Gestalt war inständiger innerster Erregung, die sie fützescharrend und un-aufrichtig gesenkten Hauptes zu verbergen trachtete, sobaldeiner der Aufscher in die Nähe kam. Die Augen hatten von.der heimlichen Nachtarbeit entzündete Ränder, ans den t gesehen hatte:«Erzähle, was weißt du?empfand instinktiv, daßwäre. Feurige Worte„Klopstock ist schön undfür die hat er alles inWangen brannten zwei rote Flecke, die langen Arme konntennicht stille halten.Zaghaft kam Elwert näher, erihm sein Jugendfreund entwachsenrannten von Fritz Schillers Lippen:gut für die ungcweckte Kindersecle.Herrlichkeit, aber er siebet mit schwachen Augen, was Gottim Aergcr schuf. Er weiß nichts vom Rechte der Sinne, dieden Leib regieren und den Geist gebären. Was, Hoven!Wir Mediziner wissen das besser! Leset Wieland und ihrwerdet Klopstvcks Enge begreifen! Er denket doch stets nuran sich und eitel galoppieren die Gedanken umS eigene Ich.Es gibt besseres im Land!"„Schubart!" rief Scharffenstein mit leuchtenden Augenund gab das Stichwort.„Ja, Schubart! Klopstock und Schubart? Die Verbin-dung ist Frevel! Schubart dienet dem Volke, der ganzenNation, er fühlet die Verantwortlichkeit des einzelnen inseiner Brust, er will bessern und helfen; er sitzet nicht anFürstenhöfen wie Klopstock und mästet sich nicht; seine Feuer-seele schleppt allein, als wär's ein Faden, die klingende Kettedes menschlichsten Erzfeindes, der kleinlichsten Gehässigkeit;er verachtet die Fürstcngunst und bekennet sich stolz alsein Teil des ganzen Volkes; er ist ein Teutscher! Er kämpftgegen Dummheit und Menschenschinder, gegen Sklaven-seelen, Despoten und Jesuiten! Gegen alle, die seinenAufstieg begeifern, die höchstdemselben Drcckleben undseinen Verfechtern einen höflichen Diener reißen unddie gebührende Reverenz bloß der Wahrheit und der Kraftverweigern."Die atemlos lauschende Jugend jubelte auf. Es warplötzlicher, unerwarteter Lärm, als öffnete sich jäh die Türeeines tanzerfüllten Saales, dessen Stimmgebrause nun vollins Freie schlug. Sie klat'chten krampfig lachend in dieerregungskalten Hände, seligen Taumels voll, daß ihr Führerihrem verbissenen Denken stürmischen Ausdruck verlieh.Elwerts Lippen bewegten sich; er sagte kleinlaut:„HerrSchubart sitzet gefangen auf dem Hohen-ASperg.Im Tanzsaal der jugcnlichen Hoffnungen riß der lär-mende Reigen; sie starrten den Sprecher an und holten Rataus Schillers Augen. Die brannten mit ahnenden Flacker-flammen. Er fragte, statt jeder Begrüßung, mit jäher, be-fehlender Handbewegung den Freund, den er durch Jahre nicht„Ich Hab' selbst den Herzog hinanfreitcn sehen. Sie habenihn eingekerkert."„Sie? Wer: sie? E r hat ihn eingekerkert! E r I" FritzSchiller sanken die Arme.„Freunde, der Heldengeist ist inKetten!"Furchtbares Schweigen fiel über sie. Die Ader anSchillers magerem Halse, soweit sie die harte Halsbinde sehenließ, hüpfte und sprang. Mit geduckten Köpfen standen sie;jäh in nächster Nähe, hatten sie den Sturmwind der abso-tuten Herrschgewalt, die völlige Rechtlosigkeit ihres Jahr-Hunderts verspürt. Schillers Unterlippe schob sich vor, dasenergische Kinn wuchs.„DaS muß jetzt noch lange nicht wahr sein," murrtePetersen, der sich nicht so schnell der Unabänderlichkeit ergebenwollte.„Wie war's, Elwert?"Ter sah ängstlich im Kreise herum und bedachte, daß seinVater charakterisierter herzoglicher Leibmedikus wäre. DochSchillers Hand krallte sich in seine Schulter und diestammenden Augen rissen ihn die Worte ans derfeigen Kehle.„Man hat ihn durch den Klostcramtmannvon Blaubcuren ciuladen lassen und ihn so insLand gelockt. Nun bewachet den Verhafteten, Herr Rieger!"„Ein Fatum ist über uns, dem auch der Tyrannnicht entgehen wird, SchubartS Unglück schreit nach Rache. Erwird..„Habet Acht! Stillgestanden! Der Herr Herzog kommt!"Das gliederbehcrrschende Kommando warf die Keuchenden,Schwererregtcn in die Reihen. Sie standen starr und in mut-loser Stille. Wie sorgenvolle, schlechtgefütterte Puppen sahensie in den enganliegenden Unifornien aus, die geschniegeltenKöpfe in eine Richtung gestellt.„Er führet ein Büble bei der Hand!" schnaubte Petersen.ohne die ausgerichteten Äugen oder den gehorsamst ge-schlossenen Körper zu verändern,„er hat wieder den salbungs-vollen Koller! Passet auf!"Karl Eugen trug heute Uniform. Er schritt ernster undwürdevoller alS sonst. An seiner Hand ging zaghast einKnabe, den keiner kannte, der armselig, aber mit«orgfaltgekleidet war. Franziska von Hohenheim blieb mit gefaltetenHänden im Saaleingang stehen; im tiefen Ausschnitt ihresKleides sah Kaps das goldene Kreuz schwanken. Sie ließkeinen Blick von dem Knaben an deS Herzogs Seite.(Forts« solgtJ