Stimme die Krankenwärter.„Doch ja, hier ist Einer!" Eswar Dr. Dolbeau, der sprach und auf eins der Betten deutete.Die Versailler stürzten auf ihr Opfer los: einem Soldaten, deram 18. März, um nicht Brudermörder zu werden, zum Volkübergegangen und in den Kämpfen der vorhergehenden Tageverwundet worden war. Der dem Tod Geweihte erhebt sich—an Widerstand ist nicht zu denken—:„Ich stehe zu Diensten!Einen Augenblick!" zieht, so schnell er vermag, seine Uniforman, und hinkt mit seinen Begleitern zu der Thür hinaus. Einpaar Sekunden darauf ertönt der helle Ruf: Vivo In Commune! ein halbes Dutzend Flintenschüsse und ein tapferes Herzhatte aufgehört zu schlagen. Dr. Dolbeau that, als ob nichtsgeschehen sei. Aber die Krankenwärter zogen sich scheu vor ihmzurück wie vor einem Aussätzigen, und als er seine Vorlesungenan der Universität wieder aufnehmen wollte, trieben die cm-Porten Studenten ihn aus seinem Hörsaal. Er mußte sich tröstenmit der Gnade des Herrn Thiers. Neulich starb er, Niemandfolgte der Leiche— ein Hund wäre mit mehr Achtung ver-scharrt worden. Die Unsterblichkeit, nach der er gestrebt, ist ihmaber zu Theil geworden, die Unsterblichkeit der Infamie.— Parteigenosse und Reichstagsabgeordneter A. Kapell hatin der„Berliner Freien Presse" bezüglich der Anfechtungen,welche seine Auslassungen über den Nothstand im Kreise Reichen-bach-Neurode im Reichstage seitens des- Magistrats von Neurodeerfahren haben, folgende Erklärung erlassen:„Erklärung.Durch mehrere Zeitungen läuft unter der Ueberschrift„Offi-ziös" die Nachricht, daß ich in der Reichstagssitzung vom12. März d. I. behauptet hätte:„im Kreise Neurodc herrschteder Hungertyphus in solch' erschreckender Weise, daß in derStadt Neurode allein 125 Personen der Seuche erlegen wären",daß jedoch die daraufhin angestellte amtliche Untersuchung dasGegentheil ergeben habe. Der Kreisphysikus habe erklärt:„eswäre in sechs Monaten kein Typhusfall mehr vorgekommen."Daraufhin erklgre ich, daß ich oben angeführte Aeußerungennicht gethan, sondern nach dem amtlichen stenographischen Be-richt der Sitzung wörtlich gesagt habe:„Ich habe aber vor we-nigen Tagen erfahren, daß im Neuroder Kreise der Hunger-typhus in solchem Grade aufgetreten ist, daß über 100 Men-scheu ihm schon erlegen sind."Hier ist von der Stadt Neurode nicht die Rede ebensowenigvon 125 Personen, welche in der Stadt bereits der seuche er-legen sein sollen. Ferner ist auch nichts von mir„behauptet"worden, sondern ich sprach von einem„Erfahren" durch anderePersonen.Die„offiziösen" Angaben können also unbedingt nicht demmaßgebenden stenographischen Sitzungsbericht entnommmen sein,sondern nur Privat- oder Zeitungsnachrichten, sonst könnten sienicht von Dingen sprechen, die ich gar nicht„behauptet" habe.Zur Sache selbst will ich noch hinzufügen, daß die Nachricht,welche mir zugegangen ist, keineswegs falsch war, sondern daßder Jrrthum lediglich darauf beruht, daß die Person, welchemir Bericht erstattete, den Neuroder Kreis mit einem der ober-schlesischen Kreise verwechselt hat. Es ist dieses eine Person, inderen Händen sich täglich die neuesten Nachrichten aus vielenGegenden Deutschlands befinden.Der Jrrthum meinerseits durch eine Verwechselung bei derNachricht war also wohl zu entschuldigen und nicht geeignet,„offiziös" Dinge widerlegen zu lassen, die ich gar nicht„be-hauptet" habe.Ich bitte diejenigen Zeitungen, welche die offiziöse Nachrichtgebracht haben. Vorstehendes zum Abdruck zu bringen.A. Kapell,Mitglied des deutschen Reichtagcs."Correspondenzen.IParis. Meine Ansichten über den Stand der Arbeits-Verhältnisse in Frankreich haben Bestätigung gefunden durcheine hiesige Correspondenz, welche ich in einem Marsciller Blattvorfand. Es ließe sich noch Manches sagen über die ökonomi-scheu Zustände in Frankreich— darüber aber vielleicht einandermal.— Zu meiner Verwunderung habe ich bemerkt, daßein Theil der deutschen Arbeiterblätter in der Weltausstel-lungssrage für Mac Mahon gegen Bismarck Partei ergriffenhat.(Das ist wohl ein Jrrthum. R. d.„V.") Aber was habenwir Sozialisten, so frage ich, mit diesem Kapital- und Bourgeois-Unternehmen zu schaffen? Da fällt es an einem schönen Morgendem„Bayard" des neunzehnten Jahrhunderts ein, eine PariserWeltausstellung auszuschreiben, und zwar zwei Jahre nachdemdie Philadelphiaer halb Fiasko gemacht hat. Flugs sollen die— Das Polizeipräsidium zu Breslau hat bei oem Mi-nistermm des Innern die Feststellung einer GeseKesvorschrifl beantragt,welche den Begriff„Bier" und die Bestandtheile dieses Getränks fixirt.Nach den in Breslau seitens der Sanitätspolizei angeordneten Unter-suchunzen der dort gebrauten Biere hat sich nämlich herausgestellt, daßzwar schädliche Substanzen, wie Strychnin und Pikrinsäure, nicht zurVerwendung gelangen, dagegen als Malzsurrogate Glycerin und Stärke-zucker sehr häufig verwendet werden. Beide Surrogate kommen abersehr oft verunreinigt, Stärkezucker mit Gyps, Glycerin mit flüchtigenFettsäuren gemischt, in den Handel— und in das Bier. Es wird nunSache der Gesetzgebung sein, festzustellen, ob außer dem aus Malz undHopsen hergestellten Gebräu auch die mit Surrogaten fabricirten ähn-tichen Flüssigkeiten den Namen„Bier" führen dürfen. Wir empfehlendie ganze Angelegenheit der Aufmerksamt des Reichsgesundheitsamles.— Zu Kaisers Geburtstag. Da sage nochmals Einer, daß dasdeutsche Reich nicht auch auf dem Gebicie der Kunst die schönstenBtülhen treibt! Bei jeder„politischen" Gelegenheit fließt z. B. derQuell der Poesie in reichster Fülle. So ist es denn natürlich, daß erzu„Kaisers 80. Geburtstag" das ganz- deutsche Reich überschwemmte.In einer großen Anzahl„reichsfreundlicher" Blätter haben wir Hymnenauf den Heldengreis gefunden, die uns großes Vergnügen machten, aberden Preis hat die„Paffauer Zeitung" errungen, in welcher ein gewisserGraf folgendes köstliche Ghasel abschließt:O deutscher Kaiser, Du Riese der Zeit,Dir bleibt der Sitz im Paradiese der Zeit.Wer ging, wie Du, so glücklich, tapferDurch hundert Schlachten am Spieße der Zeit;Wer darf sich Deines Alters rühmen,Dem wahren goldenen Vließe der Zeit?Die Sieger des hehren AltcrthumesVerschwinden vor Dir im Kiese der Zeit;Sie konnten nur tränken mit FeindesbluteIm wilden Gemetzel die Wiese der Zeit,Doch du beherrschest mit weisem SzepterAach edlen Siegen die Krise der Zeit;Drum wo nur ein wahrer Deutscher ist,Er ruft: Es lebe der Riese der Zeit!Wir freuen uns durch Abdruck dieses Gedichts unsern Lesern einVergnügen bereiten zu können. Auch diejenigen, welche da meinen,daß in der sozialistischen Gesellschaft die„wahre" Kunst verschwinde,haben Recht— solch« Kunstblüthen wird man dann„leider" vermissenVölker des ganzen Erdballes, weil Mac Mahon es so gewollthat und weil die französischen Volksvertreter nicht gut dazuhaben Nein sagen können, den lustigen Tanz mitmachen, trotzder schlechten Zeiten, trotz Arbeitslosigkeit und Geschäftsstockung,trotz Kriegsaussichten?c. Aber wir wollen uns in dieser Fragenicht echauffiren, denn sie ist wesentlich eine Frage, welche dieBourgeoisie angeht. Dann kommt aber noch in Frage, wie sichdie Franzosen verhalten hätten, wenn die Anregung zu derWeltausstellung von Deutschland ausgegangen wäre; und daglaube ich mit der Annahme nicht fehlzugreifen, daß den Deutschender Korb nicht erspart geblieben wäre. Behandeln wir alsodie Weltausstellungsfrage als eine rein interne Bourgeoisange-legenheit, das ist nach meinem Dafürhalten das prinzipiellRichtige.Aerkin, 20. März.(Der 18. März in Berlin.) Mitunverkennbarer Beftiedigung— wir gönnen ihnen die Freude—melden die Berliner„Freunde der Ordnung", daß„der Besuchdes Begräbnißplatzes der Märzgefallenen im Friedrichshain auchin diesem Jahre nur ein sehr spärlicher war." Nun? und nimmtdas Wunder? Man hat heute Wichtigeres zu thun, in Berlinzumal, als den Vorkämpfern der Freiheit Todtenopfer zu bringen!Todtenopfer fordert die Zeit genug, freilich in einem ernsterenSinne. Aber— andere Feste stehen vor der Thür, die derbaalspriesterische Philister sich schmückt zu feiern, da Vergötterungihm Bedürfniß der Seele ist. Und mit Recht! Es ist höchsteZeit, daß der Deutsche endlich daran denkt, seine„Großen",deren er Hunderte— freilich von anderer Art— hat verhungernlassen, bei Lebzeiten zu ehren, wenn auch blos mit übelriechendemWeihrauch, nicht erst den Gestorbenen in Form von Gedenk-steinen den schuldigen Dank nachträglich abzustatten. Besserfreilich, man umkränzt die Stirn der Lebendigen bereits mit demLorbeer des Helden, man leiht dem Haupte der Lebendigen denGlorienschein des Heiligen: Vielleicht, daß auch sie selber, dieSchaar der Götzendiener, ein schwacher Abglanz dieses Himmels-lichtes zurückstrahlt, sie erleuchtend und wärmend. Dazu willes freilich schlecht passen, derer in scheinheiligen Worten zu ge-denken, diejenigen in armseligem Schaugepränge zu feiern, dieals Opfer für eine erhabene Idee gefallen sind. Ein goldnesKalb muß die Welt von Zeit zu Zeit umtanzen können! JeneIdee aber, für welche heute die Freiheitsbajazzos nur in ihrerkastrirten Gestalt einzutreten gewillt sind, die Viele im Stillen,scheu und ängstlich in sich hegen, bis der goldene Tag der Frei-heit heranbricht, die die Wenigsten fest genug stehen, allen An-feindungen des Hasses und der Bosheit, der Verläumdung undBeschmutzung zum Trotz, immer und immer wieder hinaus-zurufen— die- Idee ist unsterblich. Ihr Todten lebt noch!Was schadet's, wenn„der große Kranz, welcher sonst alljährlichin den Aesten der ehrwürdigen Linde von dem Berliner Ar-beiterverein aufgehängt worden war, diesmal gefehlt hat." Daßtrotzdem der Geist der Freiheit, die Sehnsucht nach Befreiungvon aller Knechtung nicht erstorben ist, Ihr sagt es ja selbst— treibt Euch„Männer" der Ordnung die Scham nicht dieRöthe auf die Wangen!— Ihr sagt es ja, daß das Weib ausdem Volke es ist, das nicht vergessen kann noch will, daß mandie Männer mit dem täuschenden Scheine der Freiheit ablohnt!Nun, wollt Ihr denn gar nicht sehen! Spricht das nicht deut-lichcr als sonst etwas, daß das Bewußtsein der Massen erwachtist, die ihr heiliges Menschcnrecht fordern. Ja, die Frauen, dasWeib des„ungebildeten" Proletariers, es verkündet es lauthinaus in die Welt für den, der hören kann und mag, daß esbegriffen hat, auch für sie, die Parias, hat die Stunde der Er-lösung geschlagen. All Stelle„des großen Kranzes" sah man„einen mit rothcn Camelien durchwundenen Lorbeerkranz mitrother seidener Schleife, darauf die Inschrift:„Gestiftet von denArbeiterfrauen Berlins."" Wie laut sie, ohne es zu fühlen,ihre eigene Schande verkünden! Das nennen sie dann wohlgar ein„großmüthiges Vergessen"! Nicht in dem blos, was erthut, mehr noch in dem, was er leidet, zeigt sich der Mann.Wir glauben es gern, daß„im Uebrigen Nichts auf die Be-deutung des Tages hindeutete." Sonst haben wir nun noch,aus dem Sinne der Ordnungsfreunde, aufrichtig zu bedauern,„daß die wenigen Besucher des Begräbnißplatzes sich vollkommenruhig verhielten, so daß die zahlreich aufgebotenen Schutzleutekeine Gelegenheit hatten(wie schade doch!), ihre Thätigkeit zuentwickeln." Haben ihnen diesmal wieder die bösen Sozial-demokraten die Freude verdorben! Wir haben eben— einigesgelernt und nichts vergessen, ihr Nachtwächter der Ordnung!Das schmerzt euch.Kamburg.(Berichtigung.) Zu der Altonaer Stichwahlhabe ich nicht, wie der„Vorwärts" irrthümlich angiebt, 12,30auf Liste 4731, sondern 23,25 auf Liste 4211 abgeliefert.M. Göldner.Detmeuhorll. In Sachen des auch im„Vorwärts" bereitserwähnten Strikes der hiesigen Cigarrenmacher habensich einige kapitalistische Blätter Mühe gegeben, das Gerücht zukolportiren, daß derselbe die Billigung und Unterstützung desAllgemeinen Deutschen Tabak- und Cigarrenarbeitervereins nichtgefunden habe. Die Absicht war die, den Arbeitern den Muthzu nehmen und ihnen zugleich die Sympathien ihrer Genossenzu rauben. Die allgemeine Urabstimmung, welche die Statutendes gedachten Vereins vorschreiben, hat nun stattgefunden undder Strike ist jetzt Sache des Vereins geworden;— damitfallen die lügnerischen Berichte der betreffenden Blätter in Nichtszusammen. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Tabak-und Cigarrenarbeitervereins hat beschlossen, zunächst noch einenSühneversuch anzustellen. Diesen führten zwei hiesige Mitgliederdes Vereins und Herr C. Wodc aus Verden aus. Die Arbeitererklärten sich bereit, die Arbeit in der Bornemann'schen Fabrikwieder aufzunehmen, unter den Bedingungen, daß erstens ihregemaßregelten Wortführer zugleich mit ihnen Aufnahme findensollen, daß zweitens noch ein Tabaksausleser(Dübel) eingestelltund drittens der Werkmeister, der sich gegen die Sittlichkeit imVerkehr mit den weiblichen Beschäftigten schwer vergangen hat,entlassen werde oder wenigstens eine ernste Rüge empfange. Derhier wohnende Inhaber der Fabrik hat jedes Eingehen in dieForderungen der Arbeiter verweigert und somit alle weiterenUnterhandlungen abgeschnitten. Man sieht nun, auf welcherSeite die Streitlust ist. Gegen den betreffenden Meister istübrigens bereits die gerichtliche Klage wegen unsittlicher Berüh-rung der Frau eines der Arbeiter erhoben worden. Das Be-nehmen der Arbeiter ist ein durchaus ruhiges und die Berichteüber stattgefundene Excesse sind einfach erlogen, ebenso wie dieberichtete Jnklagesctzung zweier Arbeiterfrauen wegen Bettelei.Areskau, 20. März. Am Vorabende des 18. März fandensich Tausende von hiesigen Parteigenossen mit ihren Familienin dem geräumigen Weiß-Saale zusammen, um sich gemein-schaftlich die bedeutungsvollen Frühjahrsereignisse der Jahre 1848und 1371 in's Gedächtniß zu rufen. Die Festrede, die auch derTrauer unserer Partei über den jüngst erlittenen Verlust JohannJacoby's Ausdruck geben sollte, war von Freund Fritzscheübernommen worden. Da Reichstagsgeschäfte ihn an seinemBesuche bei uns hinderten, trat Maximilian Schlesinger für ihnein. Dieser begann seine Rede, indem er darauf hinwies, baßJohann Jacoby bereits wachte, als noch Alles schlief, daß erdie Forderungen der Demokratie schon formulirte, als die Ge-danken der Andern noch unklar und verworren waren. Rednerentwarf den Anwesenden ein kurzes Bild von dem Leben undWirken des so aufrichtig Betrauerten,„er sei ein Mensch ge-Wesen und ein Mensch sein heiße Kämpfer sein." Redner sprachalsdann über das Jahr 1848, welches das deutsche Volk vondem Gefühle der Furcht und der unterthänigcn Ergebenheit be-freit, dem bisher allmächtigen Willen eines Einzelnen den Willendes Volkes gegenübergestellt und endlich die Freiheit des Denkensfür Alle errungen habe. Die Commune-Erhebung,„das duftigeBeilchen des März, für welches das frauzösische Proletariat denblutigen Kriegslorbeer mit Freuden hinzugeben bereit war," seidas erste Grauen eines schönen Tages nach langer, unheimlicherNacht gewesen. Man könne es schmerzlich bedauern, daß dieCommune ein so blutiges Ende onrch Henkershände gefunden,daß so viele Tausende der edelsten Kämpfer einen mehr oderweniger langsamen, qualvollen Tod erlitten, man dürfe abernicht verkennen, daß derartige Katastrophen die Befreiung derleidenden und darbenden Menschheit beschleunigen. Vorträgedes Gesangvereins Liberte, Sologesänge und Deklamationeneiniger Genossen und die Töne einer ernsten Musik trugen zurUnterhaltung und Erhöhung der Festfcier bei.Am 18. März referirte Unterzeichneter in einer Volksver-sammlung über die Bedeutung die; es Tages für das Proletariataller Länder. Ich stellte dar, wie die vormärzlichen Ereignissein Paris eine energische Intervention zu Gunsten der arbeitendenBevölkerung nöthig gemacht hätten, und wie die Pariser Arbeiterbereits reif genug gewesen, diese Intervention selbstständig indie Hand zu nehmen. Auf geschichtliches Material mich stützendzeigte ich, was die Commune gewesen, was sie gethan, wie siegeendet. Herr Louis Cohn, der sich alsdann zum Worte meldete,war darüber empört, daß sein jugendlicher Vorredner den13. März 1871, und nicht den 18. März 1848 zum Gegen-stände seines Vortrags gemacht hatte. Der 18. März 1848 seifür das deutsche Volk ein Hauptfesttag. Man müsse die Zu-stände vor 48 selbst durchlebt haben, um die Freiheiten ivürdigenzu können, deren wir uns heute erfreuen. Der„jugendlicheVorredner" antwortete, daß ihm, dem jungen Manne, und demkämpfenden Proletariate, dessen Blicke über Deutschlands Grenzenhinausschweifen, das Jahr 1871 näher liege, als das Jahr 1848;wir wollen den Alten, den Vätern gern die Vergangenheit lassen,nehmen aber die Gegenwart und Zukunft für uns in Anspruch.Am Nachunttage desselben Tages folgten 4000 Arbeiter derBahre des Schmiedewerkführers der Niederschlesisch-MärkischenEisenbahn Härtel, der sich selbst entleibt hatte, weil er sich nichtzum gesügigen Werkzeuge bei der Bedrückung der ihm unter-stellten Arbeiter hergeben mochte. Freund Kräcker sprach amGrabe einige Worte. Heute tritt der dem Verstorbenen vor-gesetzt gewesene Eisenbahn-Mafchinenmeistcr dem hier cirkulirendenGerüchte entgegen, daß eine abermalige Reduktion der Löhne inftaglicher Werkstatt beabsicht worden sei.Die Mitgliederzahl des vor 8 Tagen gegründeten„BreslauerArbeitervereins", dessen Zweck es ist,„Aufklärung über die Be-deutung und Ziele der sozialistischen Arbeiterbewegung zu ver-breiten," geht bereits in's vierte Hundert und steigt täglich.Alexander Schlesinger.Zlürnberg. Das Volk hungert! sagten wir in unsererNummer vom Dienstag(22. d.); das Volk verhungert, wennnicht rasch, sofort Hilfe, Arbeit geschafft wird, setzen wirheute auf Grund der inzwischen gemachten Erfahrungen hinzu.Sowohl Frauen vom Bürgerbund j als auch Krankencontroleureund Private haben sich die Mühe genommen, hilfsbedürftigeFamilien aufzusuchen, um sich von der Größe und Ausdehnungdes Elends und der Würdigkeit der zu Unterstützenden zu über-zeugen. Mau würde es von Seite der Bourgeoisie einfach für„sozialdemokratische Uebertreibung" erklären, wollten wir ein-gehende Schilderungen der angetroffenen Zustände geben.„MeinMann hat seit einem halben Jahre, seit so und so viel Wochen,keine Arbeit, die Kinder sind krank, so daß auch ich nichts ver-dienen kann", so hören wir die Frauen klagen, und trübsinnig»Selbstmordgedanken brütend, schleichen die Männer einher, dietrotz des redlichsten Willens keine Arbeit finden können undhungern müssen trotz ihrer kräftigen Hände, hungern mit Frauund Kind. Keinen Tisch, keinen Stuhl, kein richtiges Bett, son-dern Schivarten und Lumpen, oft nicht einmal das nöthigsteKochgeschirr findet man in solchen Haushaltungen; freilich wozuauch Kochgeschirr, wenn man nicht einmal blanke Kartoffeln hat,sie zu sieden, oder Holz, um ein wärmendes Feuer zu schüren.Krankheiten, schlimme, ansteckende Krankheiten sind unausbleiblich,und die Gesellschaft, die Leitung der Gesellschaft, welche hart-herzig oder unwissend solchem Jammer gegenübersteht, wird fürihre Unterlassungssünden srüh genug büßen müssen. Wir be-haupten, daß die gesammte Armenpflege der Stadt Nürnberg,selbst bei reichlichster Unterstützung durch Privatwohlthätigkeit,nicht im Stande ist, auch nur den vierten Theil dieser Nothvorübergehend zu lindern. Denn es ist nicht das nackte Elendallein, welches Ursache zu Befürchtungen aller Art giebt. Tausende von hiesigen, srüher leidlich situirten Arbeitern verdienenz. B. bei gleicher oder gesteigerter Arbeitsleistung knapp dieHälfte von dem, was sie früher bezahlt erhielten, dank der un-sinnigen Doktrin, daß die Krisis nur durch Herabsetzung derLöhne beseitigt werden könne. Durch die allseitig zugestandeneUeberproduktion sind die Waarenlager überfüllt worden; dasVolk ist kaufnnfähig, in Folge dessen bleiben die Magazme ge-füllt; dem Volk wird der Lohn verkürzt, es kann also nochweniger kaufen, darunter leiden nun sämmtliche Krämer, Wirthe,kleine Handwerker, kurz alle Diejenigen, welche direkt auf diearbeitende Bevölkerung angewiesen sind. Durch Bettclgelder undAlmosen, selbst Ivenn sie allgemein und außerdem nicht in dernur zu bekannten Manier der Nürnberger Armenräthc zur Ver-theilung gelangen, kann der Nothlage in Nürnberg nicht abge-Holsen werden. Es ist dies nur möglich durch Arbeit, beiwelcher auf längere Zeit größere Massen beschäftigt werden kön-neu. Solche Arbeiten wären in Nürnberg zur Zeit genügendvorhanden und auch die Mittel zur Aufführung dürften flüssiggemacht iverden können, sofern die Stadtväter nur einigen gutenWillen zeigen. Nivellirung der Insel Schütt, Einfüllung desStadtgrabens vom Maxthor zum Lauferthor, Ueberdämmungdes Grabens am Mohrenthor, schleunigste Inangriffnahme derKanalisation k. Und die Mittel? Nun, auf der königlichen Bankliegen die verschiedenen Hunderttausende der Stadtanleihe, welchemit 4'/, Prozent verzinst werden müssen, während die Bank nur2'/, oder höchstens 3 Prozent dafür bezahlt. Die für den Stadt-park und für Restaurirung des Rathhaussaales reservirten Gelderwären gewiß zu den von uns benannten Zwecken besser ange-wendet, denn hoffentlich wird man in solch' trauriger Zeit mchtweitere Luxusausgaben, wie den jüngsten Gemäldekauf, wachenwollen. Zuerst das Nothwendige, Nützliche— dann das Ung-nehme! Mag auch die preußische Regierung durch ihre chllZw»™Sprachrohre das Recht auf Arbeit verneinen lassen, so darr