tjätte thun müssen, als Buhl den Antrag zurückzog— er seikeineswegs„entgegenkommend", worauf der Antrag zum zweiten-mal, unter„Heiterkeit" zurückgezogen ward. Damit hatte die„große Zollschlacht" ihr Ende erreicht: an die 1000 Ellen sindfür und wider geredet worden, Resultat: Null. Theoretisch undpraktisch Null! Wir stehen genau auf demselben Punkt, wie imMoment, wo die erste Rede der Zollschlacht abgefeuert wurde.Den Rest der Session füllt das Seeunfallgesctz aus(keineDiskussion) und der Elsaß-Lothringer Etat(kleine und klein-liche Diskussion). Um 5 Uhr vertagt sich das Haus bis Mon-tag 11 Uhr. Tagesordnung: Elsaß-Lothringer Etat; Lasker'schesNothgesetz(gegen Kanteckirung) u. s. w. Die verschiedenen Frak-tionen haben sich dahin geeinigt, bis zum 5. ds. um jeden Preisdie Sessionsgeschäfte zu erledigen. Man hofft sogar schon amFreitag fertig zu werden. Warum nicht noch früher? Warumüberhaupt nicht alle Debatten abschneiden, und einfach vottren?Ter Ruf der„Jasagemaschine" würde nicht leiden, und mansparte viel Zeit. Vielleicht stellen unsere Abgeordneten einendahin zielenden Antrag.Nachholen will ich noch, daß seit vorgestern sich Ritting-Hausen dreimal zum Wort gemeldet hat(„auswärtiges Amt",Ausgleichgesetz und Varnbüler'scher Antrag), und daß er drei-mal valentinirt worden ist. Wird zum Uebrigen gelegt.Valentin, der Schlutzmacher.„ Der drüben rechts in Uniform ist Moltke."„„Der Offizier mit dem sonderbaren blonden Haar?""„Ja wohl! und der große alte Herr mit dem weißen Schnurr-bart, der so eifrig mit seiner Lorgnette hierhersieht, ist derSozialdemokrat Temmler."„„Und wo sind die andern Sozialdemokraten?"„Drüben links in der Ecke."„„Der Herr, welcher eben zum Präfidentensitz hinaufgeht,gehört bestimmt zu ihren Führern.""„Welcher?"„„Der mit dem langen gelb-weißen Barte, den weitabstehendenOhren und dem struppig grauen Haarbusch.""„Ich weiß nicht, wen Du meinst?"„„Eben spricht er mit dem Präsidenten. Ich habe selten einGesicht gesehen, das so sehr an die Borstellungen gemahnt, welcheman sich von den grausamen Häuptlingen der aufrührerischenHaufen des armen Conrad im Bauernkriege macht.""„Ich kann aber wahrhaftig nicht errathen, wen Du im Augehast."„„Dort die sonderbare fahle Erscheinung in dem blauen Rocke.Sie muß Dir doch sofort auffallen. Der dort mit dem bleichen,hämischen Gesichte und der tief gefurchten Stirne, der so lebhaftgcstikulirt und mit den Schultern zuckt. Eben wendet er sichmit einem wahrhaft satanischen Lächeln zur Treppe.""„Der— aber das ist ja Valentin!"„„Und wer ist Valentin mit dieser Mörderphyfiognomie?""„Valentin ein Mörder— das ist komisch."„„Oder wenn Du willst, mit diesem Henkeraussehen.""„Valentin ein Henker— das ist noch besser— und dochhast Du in gewissem Sinne Recht. Valentin ist Mörder undHenker, je nachdem— er ist der berufene„Schlußmacher desReichstags", der Todtschläger ungeborener Reden, der Nachrichterverurtheilter Debatten, jedenfalls eine parlamentarische Spezialitäteigenthümlichster Art".....Aus der weiteren Schilderung, welche die„Frankfurter Zei-tung" von Balentin's Thätigkeit entwirft, nehmen wir noch fol-gende Scene heraus:Die Debatte ist im besten Zuge. Rede reiht sich an Rede,mit halbgeschlossenen Augen, Reineke gleichend, der vor seinerBurg Malepartus im Sonnenscheine simulirt, überwacht derPräsident die Redner. Unversehens aber wird er aufmerksam,einen Blick wirft er auf den vorliegenden Zettel und dann irrtsein Auge wie suchend durch das Haus. Valentin ist schon längstvon seinem Sitze aufgestanden. Die Hände in den Hosentaschen,scheinbar gleichgültig, ist er von Bank zu Bank vorgeschlichen,von Zeit zu Zeit einen raschen Blick nach der Stelle werfend,wo die Sozialdemokraten zusammenzustehen pflegen, um denDebatten zu folgen. Plötzlich steigt er die Treppen zum Präfi-dentensitz empor und übergiebt einen Zettel. Dann geht er dieStufen abwärts mit dem halb triumphirenden, halb scheuenAusdruck eines Wiesels, das vom Taubenschlage schleicht. Drobenaber ertönen die Worte:„Meine Herrn! Es ist ein Schluß-antrag eingegangen von dem Abgeordneten Valentin. Ich bittedie Leute nachgiebiger gestimmt. In anderen wieder wurden dieBauern mißhandelt, bis sie dem Zwange nachgaben. In einemOrte, welchen Mansfield als Beispiel herausgreift, wurden dieBauern geprügelt, bis die Militärärzte erklärten, weitere Schlägewürden ihr Leben gefährden. Sodann wurden sie gewaltsamdurch einen halbgefrorenen Strom getrieben, in welchem sie bisüber die Hüften im Waffer gingen. Zwischen Soldatenspalierwurden sie in die Pfarrkirche getrieben und zur Unterzeichnungder Bittschrift an den Czaren gezwungen. Beim Herausgehenriefen sie:„Ihr mögt uns orthodox nennen, allein wir bleibenin dem Glauben unserer Väter." Nachdem die Bittschriftenunterzeichnet worden waren, meldet der Generalkonsul weiter,wurde eine Anzahl Bauern gezwungen, sich als Delegirte denBehörden einzureihen und dem Erzbischof ihre Unterwerfunganzuzeigen.„Die Maßregeln sind dem sehr ähnlich, was zwischen1835 und 1838 in Lithauen vorging, als über 1,000,000 unirteGriechen durch gute oder böse Mittel in russische Orthodoxieübergeführt wurden." Mit Bezug auf die amtlichen russischenAngaben, daß die römischen Katholiken gesucht hätten, die Unirtenzu ihrer Kirche herüberzubringen, bemerkt Mansfield:„Die Ge-schichte müsse mit Mißtrauen aufgenommen werden." Die Prie-ster waren nämlich damals schon lauter Leute, die sich denrussischen Vorschriften unterworfen hatten. Die ursprünglichenPriester waren bereits vor mehreren Jahren ausgemerzt unddurch andere ersetzt worden, welche die Reformen angenommenhatten, die die Regierung einzuführen wünscht. Weiter glaubtaber Mansfield, daß die römisch-katholischen Priester von Hauseaus die Sache als„viel zu kritisch" angesehen haben, als daß siegewagt haben sollten, irgend einen Einfluß zur Ausübung zubringen. Es giebt überhaupt nur sehr wenige römisch-katholischecx c den unirten Bezirken, und die wenigen werden soIy?» bewacht und beaufsichtigt und wissen so wohl, daß einbloßes„Flüstern" sie auf Lebenszeit nach Sibirien bringenkönnte, daß es ganz unwahrscheinlich erscheinen muß, daß sieirgendwelchen Druck ausgeübt haben sollten,„und in der Thatbedurfte der hartnäckige Fanatismus der Bauern auch gar keinerneuen Anregung." Am 10. Februar meldete Mansfield große„Gährung und Aufregung" in Folge des sogenannten freiwilli-gen Uebertritts der Fünfzigtausend. Die Unterzeichner der Bitt-schrist erklärten, sie haben nicht gewußt, was sie unterschriebenhaben, und erachten sich nicht für gebunden. Abgesandte, welchedie Bittschrift überreicht hatten, waren bei der Rückkehr miß-Diejenigen, welche denselben unterstützen wollen, aufzustehen.Die Unterstützung reicht aus. Ich bitte Diejenigen stehen zubleiben, resp. auszustehen, welche den Schluß annehmen wollen.Das ist die Mehrheit. Die Debatte ist geschlossen." Das Beilist gefallen.Zum Schlüsse des Artikels heißt es nun noch:Wen der Zufall zu sehr begünstigt, den wollen die Götterverderben. Das möge auch Valentin bedenken, Valenttn, demes bisher immer, durch Zufall natürlich, in so merkwürdig glück-licher Weise gelungen ist, denen das Wort abzuschneiden, dieman von gewisser Seite nicht reden lassen will. Aber es mehrensich die Anzeichen, daß die Zeit nicht allzuferne liegt, wo dergedruckte„Valentinzettel" mit dem Inhalte:„Ich beantrage denSchluß der Diskussion. Valentin." seine Wirksamkeit verlierenwird. Der„Reichsschlußmacher" bewegt sich auf der haarscharfenSchneide, wo ein kleines, unvorhergesehenes Ereigniß aus einerkomischen eine lächerliche Figur machen kann und auf das Hand-werk der„Valentinirung" wird sich vielleicht bald eine Analogiedes berühmten Satzes anwenden lassen, den Verrath liebt man,aber der Verräther wird verachtet. Valentinchen, Valentinchenhüte dich!Correspondenzen.Altona. Wie an einigen anderen Orten Deutschlands, sohaben auch hier die Gegner sich endlich aufgerafft und den„geistigen Kampf" gegen die Sozialdemokratie eröffnet. Es istübrigens bezeichnend für unsere Gegner und ihre Sache, daß sieerst dann den Weg des objektiven Kampfes betteten haben, nach-dzm sich herausgestellt hat, daß mit aller Anwendung von Gewalt,Verleumdung u. s. w. gegen die Sozialdemokratie nicht aufzu-kommen ist. Doch mögen sich unsere Gegner Präsentiren, wo undwie sie wollen, die Sozialdemokratie ist gerüstet, mit ihnen umdie Palme des Sieges zu ringen. Das hat erst wieder diejüngste Vergangenheit bewiesen, wo drei Kämpfer des Libe-ralismus sich vergeblich abmühten, die„Irrlehren" des Sozialis-mus nachzuweisen. Es war am 19. April, daß hier in Witt-maacks Salon eine Volksversammlung tagte, in welcher 1) HerrLehrer Schmarje über:„Das eherne ökonomische Lohngesetz";2) Herr Corlcis über:„Die Entwicklung der verschiedenenStände", und 4) Herr Schneider über:„Schulze-Delitzsch undLassalle" sprechen und den Sozialismus bekämpfen wollten.Aus der einen Versammlung sind bis jetzt aber zwei geworden.In der ersten, also am 19. April, erledigte Herr Schmarje daserste der obengenannten Themata, und in der zweiten Bersamm-lung, die am 26. April statthatte, ließ sich Herr Corleis überdas zweite Thema vernehmen. Herr Schneider dagegen scheintnicht mehr Lust zu haben, wenigstens hat uns dieser Herr bis jetztnoch keine Gelegenheit geboten, die Fülle seines Wissens zu be-wundern. Thut aber auch nichts, da wir an den Leistungen derbeiden genannten Gegner einen genügenden Anhalt zur Beur-theilung der Leistungsfähigkeit des dritten liberalen Kämpen ge-Wonnen haben.In der ersten Versammlung, am 19. April, gab Herr Schmarjezu, daß der Lohn sich immer nach denselben unabänderlichenökonomischen Gesetzen regulire; er bestritt auch nicht, daß unterder Herrschaft des ehernen ökonomischen Lohngesetzes die Arbeiter-klasse leide und mitunter, wie z. B. in der Jetztzeit, sehr bitterleide— aber, aber, aber! Und an diesen Avers litt HerrSchmarje Schiffbruch.—— Weil sich das eherne ökonomischeLohngesetz wie ein Bleigewicht an die Fersen des vorwärts-strebenden Zeitalters hängt, habe Lassalle verlangt, daß diesesGrundübel der sozialen Roth beseitigt werden müsse. Eserniedrige den Arbeiter zur Waare und mit Recht habe Lassallegesagt, wer dieses Gesetz nicht kenne, der dürfe nicht mittedenüber das Thema zur Lösung der sozialen Frage. Lassalle wollenun eine Radikalkur und er habe vorgeschlagen, den kranken Fußabzuhauen. Aber Redner befürchtet, es würde sich bei dieserOperation der ganze Gesellschaftskörper verbluten.— Und indiesem Tone sprach Herr Schmarje noch eine Weile fort, ohnedie Versammlung überzeugt zu haben, daß die Radikalmittel derSozialdemokratie das„Grundübel" zum Heile der Arbeiterklassenicht beseitigen könnten. Natürlich war es den Genossen Reimer,Molkenbuhr, Brückmann, Kapell und Geyer, die nachHerrn Schmarje das Wort ergriffen, ein Leichtes, nun erst rechtzu beweisen, daß nur die Radikalmittel der Sozialdemokratiedas„Grundübel" zu heilen im Stande seien.Die zweite Versammlung tagte am 26. April in Koppelmann'sSalon; Saal und Gallerien waren, wie in der ersten Ber-handelt worden. Die Popen hatten dann andauernden Schutzder Polizei angerufen. Das Kosakenkontingent war erheblichverstärkt worden. Der Konsul glaubt, daß die Regierung einenErfolg erzielt habe. Einige Generationen werden sich wehren,in 30 Jahren aber wird Alles gut orthodox sein. Am 24. Aprilberichtet Mansfield über den Uebertritt weiterer 250,000 Unirtenim Gouvernement Lublin; am 26. Mai meldet er, daß die Be-wegung ziemlich ihr Ende erreicht habe.„Die religiöse Auf-regung machte sich jetzt in angeblichen Wundern Luft. BlutendeCrucifixe, Erscheinungen der Jungfrau u. s. w. kamen an dieTagesordnung. Sämmtliche unirte Griechen seien nunmehr zuder Staatskirche übergetreten, mit Ausnahme von etwa 20,000in den Gouvernements Siedlce und Lomza und ebenso mit Aus-nähme der Warschauer Gemeinde von etwa 2000." Am I.Januar1876 berichtet der genannte Konsul indessen, daß die angeblichenConvertiten sich keineswegs mit Leib und Seele der Staatskircheangeschlossen haben.„Sie besuchen weder Kirche noch Sakra-mente; sie lassen weder ihre Kinder durch russische Popen taufen,noch ihre Todten durch sie bestatten, und sie lassen sich nichttrauen." Die russischen Popen berichteten dies dem griechischenErzbischof von Warschau und Nowogeorgiewsk, Jghannikij. Dadieser die Polizei nicht zu Hilfe rufen wollte, wurde er schließlichvon der Regierung nach Chcrson versetzt. Johannikij warnahezu 80 Jahre alt, seit 1859 Erzbischof von Warschau undhatte sich stets, namentlich zur Zeit des Aufstandes, durch seineMäßigung und Frömmigkeit ausgezeichnet. Ueber den NachfolgerDemettius wußte Mansfield nichts. Am 14. Februar meldeteMansfield die Ueberführung von etwa 400 widerspenstigen Unir-ten nach Cherson. Daselbst sollten sie in orthodox- griechischenDörfern untergebracht werden, immer je eine Familie vonUnirten auf ein orthodoxes Dorf. Ueber die weitere BeHand-lung dieser Leute berichtet Konsul Webster in Cherson. Siewurden sehr streng gehalten und mußten Steine klopfen. Eswaren etwa 600 Personen, alles verheirathete Männer, die mitGewalt von ihrer Familie gerissen worden waren. Die Fami-lien— Frau und Kinder— blieben daheim, mit Kosaken zurEinquartierung! Am 17. November 1876 berichtet KonsulStanley in Odessa, daß der Minister des Innern in sämmt-lichen Provinzen die etwaige Ausführung geistlicher Handlungendurch römisch- katholische Geistliche� für die Unirten streng verboten hat. Der betteffende Ministerialerlaß ist im Wortlautebeigefügt._' sammlung, überfüllt. Wie schon erwähnt, wollte Herr Corleisin dieser Versammlung über„Die Entwickelung der verschiedenenStände" sprechen. Befriedigte aber schon der Vortrag desHerrn Schmarje nicht, so konnte man bei Herrn Corleis allenund jeden Mangel an Verständniß über die geschichtliche Ent-Wickelung der Stände und über das Wesen des Sozialismuswahrnehmen. Den Sozialismus angehend, verstieg sich HerrCorleis zu der ungeheuerlichen Behauptung, daß die Arbeitnicht die Quelle aller Werthe sei, und deshalb wäre auch der„Hauptpunkt" des sozialistischen Programms falsch. Es müsseauch der Nutzwerth der Produkte in Bettacht gezogen werden.Ein Maler, der ein Bild in 4 Wochen vollende, erhalte dafürvielleicht 500 Thlr. Einige Jahre später, nach dem Tode desMalers, werde das Bild vielleicht wegen seiner Seltenheit mit25,000 Thlr. bezahlt; sei dieser Ueberschuß auch aus der Arbeitgeflossen?" Gegenüber solcher Plattheit hatten die nachfolgendensozialistischen Redner leichtes Spiel, und war es namentlichParteigenosse Oldenburg, der Herrn Corleis gründlich abthat.„Jeder, der sich mit dem Studium der Nationalökonomie be-schäfttgt habe," so ungefähr äußerte sich Herr Oldenburg,„müsseauch wissen, daß es Produkte gebe, die beliebig vermehrt werdenkönnten und solche, mit denen dies nicht der Fall sei. So könneman z. B. Nachtmützen, weil sie in's Unendliche vermehrt werdenkönnten, billig kaufen, nicht aber ein Raphael'sches Gemälde.Der Maßstab für den Werth eines Produkts sei die in ihm ver-körperte gesellschaftliche Arbeit, und die vom Vorredner be-hauptete Unrichtigkeit dieser Theorie sei nichtssagend. Der Preisder Waare regele sich aber durch Angebot und Nachfrage. DieArbeiter erhalten nur den kümmerlichsten Lohn für die von ihnengeschaffenen Werthe, der Ueberschuß falle in die Taschen desUnternehmers. Dieses Mißverhältniß umzugestalten, sei Aufgabeder Sozialisten." Gegen diese Einwendungen konnte Herr Corleisnatürlich nicht aufkommen, und so hat denn auch diese Versamm-lung den Beweis geliefert, daß der„geistige Kampf" gegen denSozialismus nur dem letzteren zu Statten kommt.Ob die dritte Versammlung, in der Herr Schneider überSchulze-Delitzsch und Lassalle seine Meinungen zum Besten gebenwill, stattfinden wird, ist noch die Frage. Das Versprechen, zuerscheinen, gab Herr Schneider zwar, aber der Umstand, daßHerr Schneider den Eintritt in die Versammlung nur per Kartegestattet wissen wollte, läßt gelinde Zweifel zu, ob er sein Ber-sprechen auch halten wird. Doch warten wir's ab.Merlin, 24. April. Sonntag, den 22. d. M., wurde hierSophienstt. 15 eine massenhaft besuchte Versammlung abgehalten,in welcher die Reichstagsabgeordneten Most und Bracke alsRedner auftraten. Most sprach über die Arbeiterbewegung inder Schweiz, unter vergleichender Bezugnahme auf die deutscheArbeiterbewegung, Bracke dagegen sprach über die Ursachen desherrschenden Nothstandes und das Verhalten der Fortschritts-Partei diesem gegenüber. Beide Redner versäumten nicht, hin-sichtlich des bevorstehenden Wahlkampfes im 6. Berliner Wahl-kreise nützliche Rathschläge zu ertheilen und die Massen zurregsten Agitation anzuspornen. Ein Gleiches that Fran Stäge-mann den anwesenden und hier unbeanstandet gebliebenen Frauengegenüber, indem sie dieselben aufforderte, gleichfalls bei derWahlbewegung— durch Flugblätter- und Stimmzettelaustragenu. s. w.— thätig zu sein. So geht es vorwärts, immer vor-wärts, trotz und— mit Tessendorff.m. Stuttgart, 20. April. Ueber die jüngsten Vorgänge inunserer schwäbischen Residenz lassen Sie mich berichten. VomProzeß Maier habe ich schon im„Vorwärts" gelesen. Freilichist diesem dabei ein kleiner Druckfehler passirt, der Prof. Maierist nämlich nicht 81 Jahre alt, wie in Nr. 44 zu lesen steht,sondern ein rüstiger Mann in den 30 er Jahren. Der Prozeßhat mit Recht in und außer Württemberg bedeutendes Aufsehenerregt. Er hat diese Aufmerksamkeit umsomehr verdient, als erein Bild unserer eigenthümlichen Verhältnisse giebt. Existirt dain Württemberg eine extrem-kirchlich-religiöse Richtung, mit demnicht mehr ungewöhnlichen Namen Pietisten behaftet, ein Name,der freilich nachgerade einen recht schlechten Klang bekommenhat. Diese Partei, in der Minderheit zwar, aber rührig, hatsich einen gewissen Einfluß in den maßgebenden Kreisen zu ver-schaffen gewußt, und benutzt diesen Einfluß nun, nicht etwa umim Sinne der Bibel christliche Nächstenliebe zu üben, nein umim Gegentheil besser, d. h. freisinnig gesinnte und wissenschaftlichgebildete Leute zu verdächtigen und bei der großen Menge inMißkredit zu bringen. Es sind da lauter Brüder und Schwesternim Herrn, die solches Geschwätz dann mit echt christlicher Liebe,mit frommem Achselzucken und demüthtig sein sollendem Augen-— Aus Schleiz wird eine interessante Geschichte berichtet: Einsonderbares Ereigniß setzte neulich die still und abgelegen in den Voigt-ländischen Bergen gelegene Stadt in Aufregung. Die Stadt hat einrecht leidliches Gymnasium, an welchem bis noch vor kurzem dcr rühm-lichst bekannte Dr. Duden Rektor war. An diese Anstalt kommt vorvielleicht Jahresfrist ein junger Gelehrter, ein Dr. pdiloaopMso alsGymnasiallehrer. Der Herr Doktor versteht es, sich ein Air zu geben,er wird in den Kreisen seiner Collegen bald tonangebend, er tritt beider Wahlbewegung in das nationalliberale Comite, er hat dabei Zeitfür einige junge Damen zu schwärmen. Nun, er wird bald in demStädtchen eine pereon» gratissima, bis durch irgend welchen verhängniß-vollen Umstand entdeckt wird, daß der Herr Dr. philoaophiae niemalseinen Doktorhut erworben, daß er niemals ein Examen bestanden, nie-mals auf einer Universität gewesen, daß die Zeugnisse gefälscht sind—und daß der Unselige auch nicht Junggesell ist, sondern verheirathet.Wie man hört, hat man den Pseudo- Doktor still seines WegeS ziehenlassen, aber der Schrecken über diese ungeheuerliche Mystistkalion liegtden guten Schleizern noch heute in den Gliedern. Kurz vor Osterngeschah die Entdeckung.— Zum Kapitel der Bettelei. Unser Chemnitzer Parteiorganschreibt:„Während hungernde Arbeitslose, welche den verzweifeltenSchritt wagen, ihre Mitmenschen um eine milde Gabe anzusprechen,»m„Betretungsfalle" rücksichtslos arretirt werden, laufen zur Zeit inChemnitz österreichische Nonnen umher, welche mit Hoher obrigkeitlicherErlaubniß für eine„milde Stiftung" in Wien hier betteln gehen. Diebesagte Stiftung ist angeblich ein Institut für arbeitslose Dienstmädchen,jedenfalls ist es aber auch eine Brutstätte der Agitation für die ReligionsPartei sonst würden die Klöster ihre Nonnen nicht für dasselbe in'sAusland betteln schicken. Die Thatsache, daß solche Bettelei erlaubtwird trotzdem das Betteln im Allgemeinen strafbar ist, können wir nichttadeln, weil ein derartiger Tadel unsererseits eine Belei-digung von Behörden bilden und uns monatelang in's Ge-sängniß bringen würde. Wir bemerken nur, um uns keinenProzeß zuzuziehen, sehr vorsichtig, daß ja Jeder, dem die orthodox-religiöse Agitation österreichischer Klöster näher liegt, als z. B. derNolhstand in Sachsen, den Nonnen reichliche Gaben übermitteln kann."— Der Abg. Dr. Löwe ist am 30. v. M. im Reichstage voneinem U glück betroffen worden. Als derselbe die vom Sitze des Prä-sidiums m den Saal hinabführende Treppe passtrte, glitt er aus undfiel platt auf den Boden, so daß er nur mit Mühe aufgerichtet werdenkonnte. Der Geheimrath Wilms constatirte einen Armbruch und legte emenGypsverband an.