Die Verurtheilung Vahlteich's.Als vor einigen Monaten die Nachricht in die Oeffentlichkeitdrang, Vahlteich sei vom Schöffengericht zu Mittweida wegen„Majestäts- und Richterbeleidigung" zu ein und einem halbenJahre Gefängniß verurtheilt worden, da ging durch weite Kreiseein Gefühl der Unbechaglichkeit, um nicht zu sagen der Entrüstung.Denn was bei dieser harten Verurtheilung noch besonders auf-fiel, war der Umstand, daß Vahlteich auf eine Aeußerung hinverurtheilt worden war, die zu bestreiten er keine Veranlaffungnahm. Er hatte die Seitens der Beamten denunzirte Aeußerungohne weiteres zugegeben, und damit deutlich dargethan, daß erdieselbe für durchaus unverfänglich hielt und die Absicht zu be-leidigen nicht gehabt hatte.Und es waren nicht blos Laienkreise, die über das MittweidaerUrtheil verdutzt waren. Ein Dresdner fortschrittliches Blatt erklärte, daß man in juristischen Kreisen Dresdens sich über dasUrtheil„entsetzt" habe. Wir selbst hörten Urtheile von Juristen,die unserer Parteirichtung sehr fern stehen, die eine Bestätigungdieses Urtheils durch das Ober-Appellationsgcricht für unmöglichhielten, und die ganz entrüstet waren, als wir uns erlaubtendarüber unfern Zweifel auszusprechen und darauf hinzuweisen,daß die Sozial-Demokratie sich auch auf das„unmöglich" Schei-»ende gefaßt machen müsse.Was Viele und Berufene für„unmöglich" erklärten, ist wahr«worden. Wir baben leider mit unserem Zweifel recht behalten.Das Dresdner Oberappellationsgericht hat das Urtheil der erstenInstanz bestätigt und es ist damit in die Fußstapfen des so viel-fach wegen ähnlicher Urtheile angegriffenen preußischen Ober-tribunals getreten. Das Wort:„Es giebt noch Richter in Berlin"läßt sich jetzt ergänzen und muß lauten:„Es giebt noch Richterin Dresden."Es mag Manchem schwer fallen, sich in dem wirklichen Standder Dinge zurecht zu finden, namentlich wenn er erst kürzlichlas, daß in Sachen des Prozesses Birey das Obcr-Appellations-gericht in Dresden in Bezug auf den Beruf der Presse ein sehrfreisinnig klingendes Urtheil abgegeben— im graben Gegensatzzum preußischen Obertribunal, wie die„Franks. Ztg." glaubtemit Genugthuung hervorheben zu müssen— und daß es diewegen Bismarckbeleidigung erkannte Strafe von 4 auf 2 Monateherabgesetzt hat. Mancher erinnerte sich vielleicht auch, wie dasOberappcllationsgericht vor einigen Jahren einen Hohen ultra-montanen Geistlichen, der wegen großartiger Betrügereien vomSchwurgericht zu sechs Jahren Zuchthaus verurtheilt war, diesein sechs Jahre Gefängniß umgewandelt hatte.Doch mit solchen Reminiscenzen wird das Geschehene nichtungeschehen gemacht. Die Sozialdemokratie darf sich am aller-wenigsten über das, was ist, täuschen, und so wollen wir auchgar nicht anstehen, zu erklären, daß wir in der Bestätigung desUrtheils gegen Vahlteich ein sehr deutliches Symptom desGeistes erkennen, der alle der Sozialdemokratie feind-lichen Kreise durchdrungen bat.Auch die Richter sind Menschen. Sie sind mit Vorurtheilenund Schwächen behaftet so gut wie Andere. Auch der Richterist, und um so höher er steht und je älter er ist umsomehr, unterbestimmten politischen und sozialen Anschauungen, die wir alsVorurtheile bezeichnen dürfen, aufgewachsen. Soll nun das fort-gesetzte Hetzen, Lügen und Verleumden gegen die Sozialdemo-kratie, das diejenige Presse Tag für Tag ins Werk setzt, aufderen Urtheil in politischen Dingen er so gut wie Andere seinerGesellschaftsklasse hört, auf ihn ohne Einwirkung bleiben?Er sieht in dem Sozialdemokraten einen Staats- und Gesell-schaftsfcind, einen Feind derjenigen Einrichtungen, die er für diebesten anerkennt, weil sie seinem Vourtheil und Interesse ent-sprechen. Einen solchen Menschen zu bestrafen, schwer zu be-strafen, scheint ihm ein Verdienst, und er irrt sich in dieser An-ficht insofern nicht, als er auf den Beifall aller Derer rechnenkann, auf deren Urtheil und Beifall etwas zu geben er ge-wöhnt ist.So wird der Richter nur allzuoft und ohne es vielleicht selbstzu wissen zum Parteimann. Und während der Meineidige,der Dieb und Betrüger, ja selbst der gemeine Mörderauf ein objektives, leidenschaftsloses Urtheil rechnenkann, ist dersogenanntepolitische„Berbrecher" von denStrömungen abhängig, die durch diejenigen, welchedie sogenannte öffentliche Meinung fabriziren, bis indie Richterkreise getragen werden.In dem Maße wie die feindselige Gesinnung der herrschendenKlasse gegen die Sozialdemokratie zunimmt, darf sich dieletztere, so weit sie in ihren Gliedern vor die Gerichts-schranken gezogen wird, auf immer härtere Verurthei-lungen gefaßt machen. Ist es nun gar der oberste Gerichts-Hof eines Landes, welcher durch die Härte seiner Urtheile sichauszeichnet, so ist die Folge, daß die vorhandene, oben gekenn-zeichnete Stimmung, bei den unteren Gerichten noch in höheremGrade als bisher hervortritt. Und es werden die Gerichtedurch harte Urtheile sich besonders auszeichnen, deren einzelneGlieder in ihrem gesellschaftlichen Verkehr durch die Kleinheitoder die sonstige Beschaffenheit des Orts auf die eigentlichenBourgeoiskreise, und speziell die Fabrikantenkreise, angewiesensind.Es ließe sich diese unsere Behauptung durch naheliegendeBeispiele vielfach beweisen. Intimer gesellschaftlicher Verkehr,Vcrheirathungen u. dzl. spielen auch bei dem Denken undEmpfinden eines Richters eine Rolle, das hat Mancher für Volks-wohl und Menschenwürde Begeisterte mit vielmonatlichem Kerkerschon büßen müssen und Viele werden es noch büßen.So unerfreulich diese Erscheinung für die verfolgte Parteinach einer Richtung ist, nach einer andern ist sie ein erfreulichesZeichen. Sie beweist, daß die herrschende Gesellschaft in derZersetzung begriffen ist, daß ihr nach ihrer eigenen Erkenntnißkein anderes Mittel mehr bleibt als gewaltsame, rücksichtslosesteUnterdrückung.Die Unterdrückung schafft Opfer und die Opfer werden Mär-tyrer. Die Märtyrer aber zeugen immer neue Anhänger, bisdie verfolgte Partei als die siegende fröhlich ihr Banner ent-faltet.Möge Vahlteich, wie so mancher Andere, der mit ihm dasgleiche Loos theilt, die Gefängnißthüren hinter sich verschließenlassen, die Zeit kommt, rascher vielleicht als unsere Feinde denken,wo auch die Gefängnißmauern in den Staub sinken und Urtheile,wie das des Mittweidaer Schöffengerichts und des sächsischenOberappellationsgcrichts zu den Unmöglichkeiten gehören.Correjpoudeuzen.Aus Schleswig-Kolstein. Die Arbeiterpartei ist wieder dieerste auf dem Plan nach der so bewegten Zeit der Wahl. Dieallgemeine Niederlage, denn so müssen wir es nennen, obgleichdie Stimmenzahl für unsere Candidaten fast dieselbe Höhe von1874 erreichte, hat uns nicht entmuthigt und mürbe gemacht,wie die Gegner meinen, sondern eine, wenn auch bittere, Lehregegeben. Die Parteigegossen sind an vielen Orten mit allzu-großer Zuversicht auf ihre Stärke in den Wahlkampf gegangenund haben deshalb meistens die schon damals vereinigten Gegnerunterschätzt. Außerdem trugen noch andere Umstände zur Nie-derlage bei. Während der ganzen Wahlperiode stürzten die Li-beraten, Fortschrittler u. s. w. mit einer Wuth sondergleichenüber uns her; das ganze Heer ihrer Zeitungsschreiber verleum-dete und verdächtigte uns unablässig, nebenher erschienen Flug-schrifteu über Flugschriften, und uns blieb kein weiteres Ver-theidigungsmittel als die Versammlungen und einige unsererParteiblätter, die leider hier nicht so viel gelesen werden, umirgendwelchen bedeutenden Einfluß auf die Bevölkerung ausübenzu können. Genug, alles Das hat uns gewitzigt. Die Parolefür die nächsten drei Jahre muß sein: planmäßige Agita-tion und einheitliches Zusammenwirken aller Kräfte.Die Conferenz, welche am 24. Juni in Neumünster tagte, hatdies anerkannt.— Ferner wird ein neuer und zwar bedeutenderAgitator für uns in's Feld geführt: die vom 1. Oktober d. I.ab in Kiel dreimal wöchentlich erscheinende„Schleswig-Holstei-nische Volkszeitung". Die Pflicht der Parteigenossen ist es, fürdie Förderung der Agitation durch Versammlungen sowohl, alsauch durch Schriften und Zeitungen zu sorgen. Neben dieserZeitung und dem Hauptorgan, dem„Vorwärts", ist unbedingtin erster Linie die in Hamburg monatlich einmal erscheinende„Rundschau" zu empfehlen. Ja es ist sogar nothwendig fürjeden Parteifreund, will er einen Uebcrblick über die Partei-Verhältnisse erhalten und behalten, aus dieselbe zu abonniren,da fortlaufend Berichte aus den verschiedenen Theilen Deutsch-londs nur in dieser Zeitung veröffentlicht werden. Die Partei-inbeiter von mehr spezifisch wissenschaftlichem Charakter wirdnächster Zeit eine besondere Revue in's Leben treten.„Solche Aufrufe aber, wie sie der„Vorwärts" zu diesemQuartalwechsel bringt, haben immer gestanden und wenn sie den„Anfang vom Ende" bedeuten sollen, dann wissen wir nicht,wann der„Anfang vom Anfang" begonnen hat. Es ist dochso natürlich, daß je mehr unsere Partei fich verstärkt, um sogrößere Leistungen auch von ihr verlangt wurden. Waren wirfroh, es auf 5000 Abonnenten unseres Hauptorgans zu bringen,so genügen uns jetzt bereits 20,000 nicht mehr; und wenn der„Vorwärts" 100,000 Abonnenten zählt, werden wir denselbenAufruf bringen, wie es jetzt geschieht. Bei uns heißt es immer:Vorwärts! Wie nun die„Magdeburger Zeitung" dazu kommt,den Auftuf als„speziell noch an die Verehrer Hasselmann'sund seiner„Rothen Fahne" gerichtet zu sehen, ist uns unerfind-lich. Die„Magdeburger Zeitung" dokumentirt eben, daß trotzder Oeffentlichkeit unserer gesammten Agitation ihr jedes Ver-ständniß für dieselbe abgeht. Freilich läßt sich dieses erklären.Die Liberalen sind seit Jahren gewöhnt, zu compromisseln undzu diplomatisiren, und diese Gewohnheit hat sie blind gemachtsür das, was offen am hellen Tage vorgeht. Sie suchen unsimmer, wo wir nicht sind; und wenn sie losschlagen, schlagen siedaher meistens in's Blaue oder treffen sich selbst."Obigen Ausführungen unseres Braunschweiger Parteiorganshaben wir noch folgendes hinzuzusetzen:Unsere Parteigenossen ersehen auch aus der Notiz der..Magdeburger Zeitung", die übrigens ein fortschrittlicher Wasch-Heitel des Herrn Eugen Richter ist, daß unsere Gegnerimmer auf eine etwaige Uneinigkeit spekuliren— daraus sollten sieaber ferner ersehen, daß es nicht gut ist, in unserer Agitations-Partei, die geschlossen marschiren muß, auch nur den Scheinvon Sondergelüsten zu zeigen.Der„Vorwärts" hat 11,000 Abonnenten, bei den„schlech-ten Zeiten" und den vielen Lokalblättern unserer Partei immereine recht anständige Zahl— doch muß von Seiten der Agi-toren der Partei in Bezug auf die Verbreitung des Blattesnoch mehr als bislang geschehen.Die Veröffentlichung der Engels'schen Artikel mußte im„Vorwärts" geschehen, da ein anderes Blatt nicht zur Auf-nähme vorhanden war; hätte eine„wissenschaftliche Beilage"des„Vorwärts", deren erste Nummer bald herausgegeben wird,oder eine„wissenschaftliche Revue", die im Oktober erscheint,existirt, so würden die Engels'schen Artikel dort Aufnahme ge-fundcn haben.Ueber die„unpopuläre Haltung" des„Vorwärts" habenwir— ausgenommen in Bezug auf die Engels'schen Artikel— aus den Reihen unserer Parteigenossen keinerlei Klagengehört; daß die„Gelehrten" der„Magdeburger Zei-tung" und Herr Eugen Richter aber die Artikel des„Vor-wärts" nicht verstehen können, das hat genanntes Blatt oftmalsund Herr Eugen Richter noch bei der letzten Wahlcampagne inBerlin, wo er seine volkswirthschaftliche Unkenntniß der Heiter-keit des Volkes preisgab, zur Genüge bewiesen.— Der arme Gcneralpostmeister hat einen Drohbrief erhalten.Zu diesem großen Ereigniß, welches Herr Stephan selbst der staunenden Welt mittheiit, macht der„Frankfurter Beobachter" folgende Be-merkung:„Der„Rudolph vom eisernen Bunde", welcher seit langer Zeit nichtmehr rumort, ist plötzlich wieder in Berlin eingekehrt und hat sich denHerrn Generalpostmeister Stephan zum Opfer auserkoren. Dieser ge-plagte und vielverkannte Chef eines Beamtenheeres von 65,000 Mannläßt in der„deutschen Verkehrszeitung" den schrecklichen Brief eine»noch schrecklicheren Unbekannten veröffentlichen, worin er mit dem Todedurch Gift, Dolch oder sonstige Vernichtungsmittel bedroht wird, fallser nicht rasch gewisse Wünsche mißvergnügter Postbeamten erfüllt, welchetheilweise schon in der letzten Reichstagssession Befürwortung von Seitenderjenigen Abgeordneten gefunden haben, die der Lage der Post- undTelegraphenbeamten eine besondere Aufmerksamkeil widmeten. DerMordbrief, welcher mit den Zeichen der heiligen Vehme(drei Kreuze)versehen ist und schändlicherweise durch die Hände der Frau General-Postmeister Stephan laufen mußte, ist, wie die„Nordd. Allgem. Ztg."meldet, den Behörden zur amtlichen Verfolgung der Sache übergeben,wobei der Umstand vielleicht in'« Gewicht fällt, daß er aus Sachsen,wo die Sozialdemokraten wachsen, gekommen ist. Die Nationalliberalenin diesem Lande werden es hoffentlich nicht an„Entrüstungsmeetings"fehlen lassen."Armer Generalpostmeister. Wie sehr wirst du von deinen Postunter-beamten geplagt!Wir erhalten über denselben Gegenstand noch folgende Zuschrift:Herr Stephan scheint gleich Herrn Tessendorff sehr ängstlicher Naturzu sein. Irgend ein Spaßvogel— denn im Ernst kann das Niemandgethan haben— hat der Frau Generalpostnieistcrin für ihren Mannemen Drohbrief im Stil der Spieß'schen Räuber-Romane geschickt,und der Herr Gcneralpostmeister? Statt den Wisch in den Papierkorbzu werfen, läßt er eine Abschrift in die Zeitungen und das Originalzum Staatsanwalt wandern. Wenn Weiber„Nerven haben", ist'Sschon schlimm, wenn aber Männer„Nerven haben", dann ist's ge-fährlich. Wir bemitleiden Hrn. Stephan auftichtig, geben uns aber derHoffnung hin, daß der Gedanke, verfolgt zu werden gleich dem großenfreunde im fünften Kreise haben die Wichtigkeit dieses Blatteerkannt und gehen mit gutem Beispiel voran. In sehr vielenOrtschaften, großen und kleinen, ist abonnirt worden. Es be-theiligen sich folgende Orte am Abonnement: Itzehoe mit Um-gegcnd, Kellinghusen, Wilster, Beidenfleth, St. Margarethen,Marne mit Umgegend, Meldorf mit Umgegend, Heide desgleichenund Lunden.— Parteifreunde aller Wahlkreise, folgt diesemBeispiele! H. Walt her.Hms, 26. Juni. Einer liberalen Zeitung entnehme ichfolgende Notiz:„Heute früh trafen, mittelst Extrazuges von Barmenkommend, ungefähr 200 uniform irte Schüler der WupperfelderRealschule mit einem' 38 Knaben starken Musikcorps, unter Füh-rung des Direktors Dr. Burmester und der übrigen Lehrer derAnstalt, hier ein, um Sr. Majestät dem Kaiser einen Besuch ab-zustatten. Als Se. Majestät, gegen 10 Uhr, von dem Krähnchen-Brunnen kommend, sich dem Kurhause näherte, wurde er mitlautem Trommel-Wirbel vom Musikcorps des in Linie aufge-stellten Knaben-Bataillons, welches seine mit Fähnchen geziertenLanzen präsentirte, begrüßt. Der Kaiser unterhielt sich daraufhuldvollst längere Zeit mit den Lehrern der Anstalt und schrittin Begleitung des Direktors die Front der stolz aufgerichtetenVaterlands-Vertheidiger in»pe entlang, mit sichtbarer Freudemit dem einen oder anderen sprechend. Se. Majestät schienenan dem Kleinsten der Kleinen besonderes Gefallen zu finden,dessen Tornister er einer genauen Jnspizirung unterwarf undhöchst eigenhändig, zur allgemeinen Heiterkeit der Umstehenden,aus letzterem Wein, Schinkenbrötchen jc. zum Vorschein brachte.Unter den Klängen des trefflich geschulten Musikcorps defilirtendarauf die Jungens in strammem Parademarsch zweimal an Sr.Majestät vorbei und begaben sich dann nach dem Kurhause, wodieselben gastlich bewirthet wurden. Nach Beendigung diesesFrühstückes marschirten sie durch Ems und konzertirten hieraufdie kleinen Musikanten im Musik-Kiosk des Kurgartens.— BeimAbmärsche nach dem Bahnhofe brachte die fröhliche Schaar ihremKaiser, der vom Fenster aus zum Abschied freundlichst zuwinkte,ein langanhaltendes Hurrah und fuhr dieselbe dann, unter Mufik-bcgleitung die„Wacht am Rhein" singend, freudestrahlend demRheine zu. Nach kurzer Rast in Öberlahnstein und einem Besuchauf Stolzenfels ging es dann rechtsrheinisch der Heimath zu.—Tiefe Eindrücke bringen sicherlich die jungen Patrioten in ihremempfänglichen Gemüthe ins Elternhaus zurück und wird dieserTag ihnen unvergeßlich bleiben."--Die Leser ersehen hieraus, daß es verständnißvolle Schul-männer giebt, welche die der Pädagogik zugewiesene Aufgabe,die Jugend mit„fanatischem Patriotismus" zu erfüllen und zu„loyalen Unterthanen" mit normalem Untcrthanenverstand zudressircn, wohl begreifen und auch die zur Erreichung diesesZieles führenden Mittel uud Wege richtig zu wählen wissen.—Recht so! Erziehet nur die junge Generation zu tüchtigen„Vater-landsvertheidigern", erweckt in ihnen die Kriegslust au— aberwundert Euch dann nicht, wenn aus böser Saat böse Frucht sprießt,wenn der Mann, in dem man, als er noch Kind war, den„sol-datischen Geist" weckte, dem man sagte, es sei eine große Ehre,möglichst viele Feinde zu erschlagen, bei Gelegenheit einen kleinenTodtschlag begeht. Denket, wenn Euch vor den Früchten Eureseignen Treibens zu grauen beginnt,„das ist der Fluch der bösenThat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären." Sch.�inz a. Mlj., 28. Juni. Es ist eine einfache, in ihrer Ein-fachheit aber für den ftihlenden Menschen schreckliche, entsetzlicheGeschichte, die in Nachstehendem berichtet wird. Vor ungefäbreinem Jahre übergab ein hiesiger Bürger, der nach dem Todeder Mutter zum Bormund über die Kinder eines verstorbenenSchwagers bestellt worden war, dieselben in seiner„Frömmigkeit"einem Nonnenkloster zu Neuß zur Erziehung. Da noch Ver-mögen von Seiten der Eltern da war, und da also Kostgeldbezahlt werden konnte, waren die„ehrwürdigen Schwestern"gerne bereit, die Kinder in ihre„mütterliche Obhut zu nehmen!"Trotzdem sich die Kinder sträubten und weigerten, den Bruderihres verstorbenen Vaters, bei dem sie hier in Pflege gewesenwaren, zu verlassen, wurden sie nach Neuß gebracht, damit siedort„Bildung" lernen sollten. Ein Jahr lang blieben dieKinder nun in dem Kloster und die Briefe, welche von denselbeneinliefen, waren voll des Lobes über ihren dortigen Aufenthalt.Ja sogar in letzter Zeit schrieben die Kinder, sie wollten mit denKlosterleuten nach Belgien übersiedeln(die Insassen des erwähntenKlosters gehören einem der ausgewiesenen Orden an). Da aufTeffendorff und„Nerven zu haben" gleich dem großen Bismarck ihmeinigen Trost in seinem Leid gewähren wird."— Unsere Affen. Im Wuttki-Rausch hat ein russischer National-dichter eine wunderbare Ode an Beranger verübt, der weiland ineinem berühmten Gedicht von„dem Sohne Attila's" sang,„deffe«Reich sich wieder erhebt und der mit der Axt gen Abend hin wies":„Es ist geschehen! so hebt der russische Pindar an, Euer Gedankedrang an's Licht, begriffen ist Euer hoher Genius, und nimmer wirdein feindlich Wort die starken Schlüsse brechen! Von fremdem Geistezehrte Rußland einst— doch diese Zeit liegt weitab hinter uns. Wiedergeboren ist Rußland nunmehr, sein lebensvoller Gedanke zersprengt derDeutschen nebelhaftes Sinnen und sprudelt sonnenwärts, gleich einemStrahl krystallnen Wassers! Weggetilgt hat Gott von unserm Ehren-schild das Mal der Schande, das der Fremdling ehedem ihm ange-haucht. Denk an Pultawa, Schweden! Denkt unserer Helden, ihrewigen Alpenfirne und auch ihr goldigen Fluren Italiens, seid unsererHeldenschaaren gemahnt. Der furchtbare Tag Borodino ist unvergessen,wie des heiligen Moskau's heilige Lohe! An Leipzig denkt und anParis, wo wir des Welttheils Geschick entschieden! Als Praga's Sturmin der Erinnerung zu verbleichen droht, da frischt ihn Paskiewitsch,der nord'sche Held, von Neuem auf. Von Jsmailowss stolzen Zinnenblitzten gleichfalls unsere Bajonnete und nicht zu eitlem Kinderspiel!So sind mit Ruhm wir ganz bedeckt. Doch auch der Ahnen ehren-voll Gedächtniß soll neu erstehen— und Attila's gewaltig Reich,es soll von Neuem in seiner Wucht wieder erscheinen. Mit starkemSlavenarm hat einstens er den Osten unterworfen und mit der Peitschedann bedrohte er, auf seine Macht gestützt, den Westen auch! KeinHaufe von Verbrechern oder von Geächteten waren sie, die kühnen Ko-saken, nein Russen warcn's, echte Russen, der Slaven krafterfüllt Ge«schlecht. Nun ist die Zeit erfüllt; der Deutschen trugvoll Sinnen zuzerstäuben, des Zweifels Zwielicht durch der Wahrheit Fackelschein zubrechen g'lt's. Und hier, im heiligen Moskau, leuchtet er! JedwederStein ruft laut: Großmächtig ist die Slavenwelt! Ihr selber aberlehret sie, dies zu erkennen!"Wir kennen den Text, wir kennen das Lied— vor 60, 70 Jnhrenertönte ähnliches„Bardengebrüll" in den„deutschen Gauen" und auchheute noch gellen uns mitunter Reminiscenzen in die Ohren. Nur mußman statt„Attila" Armin lesen u. s. w. Uebrigens zwingt unserNotionalstolz uns zu bekennen, daß die„germanischen" Pindare dasDing etwas besser verstanden als die slavischen Schüler. Bermuthlichliegt das am größeren Fuselgehalt des deutschen Wuttki und preu-ßischen Schnapses.„Der Mensch ist was er ißt", sagt Moleschott.Und wir fügen dem das ebenso wahre Verschen bei: Der Mensch singt,was er trinkt. Beiläufig Hrn. Müller von der Werra zu empfehlen.m—m