— Zur Verbrecherstatistik. Aus Baden wird geschrieben: „In erschreckender Weise nehmen die Verbrechen gegen die Sittlichkeit überhand. Das einzige Schwurgericht Offen- bürg verhandelte am 19. Juni vier, am 20. einen und am 21. zwei solcher Fälle, die sämmtlich mit Verurtheilung endeten. Das Schwurgericht in Mannheim urtheilte in 3 Tagen S Verbrechen gegen die Sittlichkeit ab. In zweien dieser Fälle rich- tete sich die Anklage gegen mehrere Theilnehmer, Burschen unter 17 Jahren, die das Verbrechen gemeinschaftlich verübt hatten. Auch hier erfolgte überall Verurtheilung. Das Schwurgericht zu Freiburg endlich hatte am 19. Juni 3 Verurtheilungen wegen desselben Verbrechens auszusprechen."— In dem oben genannten Distrikt giebt es wenig Sozialdemokraten; der Nationalliberalis- mus aber steht dort in hoher Blüthe und Ansehen. Der Ver- treter von Offenburg im Reichstage, Herr Kreisgerichtsrath Bär, ist einer der wüthendsten Gegner des Sozialismus— und doch herrscht in jener Gegend solche Unmoralität! — Wir erfahren, daß unser Genosse Lübkert in Amerika mit Bezugnahme auf eine Notiz, die vor Jahren im„Volksstaat" erschienen sein soll, beschuldigt wird, deutschen Gewerkskassen 800 Thaler entnommen zu haben und damit nach den Bereinigten Staaten durchgebrannt zu sein. Wir haben vergeblich nach der betreffenden Notiz im„Volksstaat" gesucht, erinnern uns aber, daß eine solche Beschuldigung gegen Lübkert erhoben wurde, die möglicherweise auch in den„Volksstaat" Eingang gefunden hat. Für alle Fälle geben wir hiermit die Erklärung ab, daß die Beschuldigung eine vollkommen unbegründete war. Red. d.„Vorwärts." — Parteigenosse Harry Kaulitz ist am 11. d. Mts., Vor- mittags 10 Uhr, auf Grund eines richterlichen Haftbefehls wegen Vergehens gegen§§ 110, 130, 131, 185 und 187 in das Saar - brücker Justizarresthaus als Untersuchungsgefangener überführt worden. Weiterer Bericht folgt. Halb Scherz, halb Ernst. Mäxchen Hirsch kann nun einmal das Lügen nicht lassen! In Nr. 28 des„Gewerkoereins" erwähnt derselbe die Schrift unseres Parteigenossen Most:„Die Lösung der sozialen Frage" und reitet den Lesern einige Citate aus der Broschüre vor, die er dann bekritelt. Darauf redet er weiter: „An der Sache wird dadurch nichts geändert, wenn Herr Hasenclever, in die Enge getrieben, in öffentlicher Ver- sammlung die Zukunftsbilder seines Collegen Most als eitel Flunkereien, als Utopien bezeichnet oder wenn ein anderer der kleinen sozialdemokratischen Götter Herrn Most zuruft(wie dies auf dem Gothaer Congreß geschehen):„In manchen Dingen sei Reden Silber, Schweigen Gold." Ist, liebes Mäxchen, müßte es doch heißen, nicht sei— und für Mäxchen selbst wäre dies Sprichwort Goldes werth , wenn er dasselbe nur beherzigen wollte. Hat er doch in der beregten Versammlung(Disputation zwischen Hasenclever und Löwe) eine Rede geredet, so eindruckslos, so kindlich-naiv, daß alle fort- schrittlichen und liberalen Zeitungen dieselbe einfach todtge- schwiegen, und die Gelehrten des„Kladderadatsch" beschloffen haben, den Quartaner Carlchen Miesnick, in Mäxchen Mies- nick umzutaufen, alldieweil das Mäxchen— und darauf kommt es vielfach an— dem Carlchen im Lügen bedeutend„über" ist. Zu den Lügen selbst: Hasenclcver hat in seiner ersten Rede in jener Versammlung verschiedene sozialistische Zukunfts- anschauungen berührt; er war überhaupt der erste Redner! Wie und von wem, da Niemand ihn interpellirt oder vor ihm geredet hatte, konnte er denn in die Enge getrieben werden? — ganz abgesehen davon, daß der„Eigenlober" und Poltron Löwe und das Mäxchen„Mießnick" sicherlich nicht die geeig- neten Leute dazu sind, irgend Jemanden in die Enge zu treiben. Aus eigenem Antriebe also ist Hasenclever auf die beregte Frage gekommen, bei welcher Gelegenheit er aber weder den Namen des Genossen Most, noch irgend einen andern Namen, außer den des französischen Sozialisten Fourier genannt, auch keine Broschüre eines Parteigenossen erwähnt hat. Hasenclever sagte nämlich(und wir cittren hier ziemlich wörtlich): „Es kommt oft vor, daß in unserer Partei der Eine oder der Andere sich mit dem Ausmalen der Zukunft beschäftigt und besonders die Frage detaillirt, wie es in einer sozialistischen Gesellschaft aussehen könne oder würde. Die bei solcher Gelegenheit ausgesprochenen Ansichten können aber nimmermehr bindend für andere Parteigenossen sein, weil dieselben sich leicht Ich habe im Laufe der Zeit mehr als zwanzig Centralver- sammlungen der Partei beigewohnt, der letzten in Gotha als Delegirter der Sozialisten Dortmunds und Iserlohns— aber niemals bin ich von einer derselben mit so freudiger Hoffnung auf die Zukunft zurückgekehrt, als vom diesjährigen Congreß in Gotha . Die Sozialdemokratie ist die einzige„Partei der Zukunft". Daran können alle verschlammten„Kutschbäche" der Welt, an denen die„Hirsche" tc. ic. vergeblich nach„Wasser" schreien,— Nichts ändern.— Die Partei ist noch jung, sie hat Zeit nnd braucht sich in keiner Weise zu übereilen. Im Bewußtsein ihrer durch fort- währende Kämpfe gestählten Kraft blickt sie siegesgewiß mit stolzer Verachtung auf die gegen sie gerichteten elenden, ohn- mächtigen Machinationen ihrer Gegner aller Art. Muthig und besonnen vorwärts!— Es lebe die Sozialdemokratie! — In Bezug auf die Notiz, die wir über Herrn Stephan's Weisheit in dem Feuilleton der letzten Nummer brachten, geht uns die Miltheilung zu, daß die Briefträger in früherer Zeit in Sachsen jedes Jahr einen Diensttock erhielten, während ihnen jetzt ein solcher von achtzehn zu achtzehn Monaten geliefert wird. Wenn nun dl-„äußere Kleidung" der Postunterbeamten sauber sein soll, so muß man denselben auch öfter eine neue Uniform angedeihen lassen— kau- jen können sich die schlecht besoldeten Beamten keinen Diensttock. Schlimm 35"".� daß sie, nachdem der Rock 1 Jahr gelragen ist, einige Ahaier für„Reparatur" ausgeben müssen, wenn sie nicht unsauber gehen wollen." Ein lichter Moment. Einen Leitartikel über den Tourville- prozeß(Ermordung einer reichen Bourgeoisfrau durch ihren Mann, u?''hres Geldes willen geheiraihet, und vorher wahr- scheinlich die Mutter seiner früheren, ebenfalls um ihres Geldes willen geheiratheten. Krau ermordet hatte, gleichfalls um ihres Geldes willen) schließt die Berliner„National-Zeitung"(Nr. vom 8 Juli) mit den Worten:„Wenn die englischen Blätter jetzt bei der Besprechung des "ur.5en Unterschied zwischen dem österreichischen und dem eng- lijchen Gerichtsverfahren hervorheben, so übersehen sie ganz und gar ! als Utopien später herausstellen können. Fourier's„Detail- malerei" erlitt einen empfindlichen Stoß durch die Erfindung der Eisenbahnen und des Telegraphen, andere Zukunftsideen können einen ähnlichen Stoß erleiden, wenn es irgend einem Chemiker ! gelingt, den Stickstoff der Lust zu binden, da dann auf einem ; Flecken Ackerlandes, auf welchem jetzt 1 Mensch sich ernähren kann, deren 50 leben können. Dadurch würde ganz gewiß manche, vom heutigen Standpunkte aus betrachtet, sehr zweck- mäßige Anordnung höchst überflüssig werden. Unsere Partei ist aber eine wirklich demokratische, sie läßt deshalb innerhalb der sozialistischen Grundprinzipien die verschiedensten Anschauungen zu, aber auch nur innerhalb dieser Grund- Prinzipien!" Das waren die Worte Hasenclevers, die Herr Hirsch in so lügnerischer Weise verdreht oder in seinem Blatte verdrehen läßt, um unsere Parteigenossen aneinanderzuhetzen— dieser arme „Gehetzte"! Daß ihm das Hetzen aber nicht gelingt, ist wohl selbstverständlich! Es ist eigentlich überflüssig, daß wir uns noch nach der neuesten„Kutschbachiade"(Gründung einer deutschen Arbeiter- Partei), dieser tragikomischen Posse in Cassel, bei welcher unser Mäxchen die Hauptrolle spielte und nach der von der gesammten Presse todtgeschwiegencn Rede, die Mäxchen in Moabit in der von ihm oben angeregten Versammlung gehalten hat, mit dem Herrn Dr. Max Hirsch, Herausgeber bes„Gewerkvereins", Reichstagsabgeordneten und Anwalt des Verbandes der deut- schen Gewerkvereine, noch weiter beschäftigen, doch würden wir dann eine humoristische Figur verlieren— und bei dem sonstigen Ernfle unserer Agitation wäre das den Lesern vielleicht unlieb; deshalb werden wir des braven Mäxchens auch noch in der Zu- kunft ab und zu Erwähnung thun. Er wird dann doch nicht von Allen„todtgeschwiegen"— der Aermste! Correjpondenzen. Aerkin, 13. Juli. (Studentenversammlung in Sachen D üh- ring's.)„Jetzt sind die Alten jung und die Jungen alt," sagte Dr. Johann Jacoby bei seiner 70sten Geburtstagsfeier. Wäre es dem Altmeister der Demokratie vergönnt gewesen, der Ver- sammlung im großen Saale des Handwerkervereins(Sophien- straße 15) am vergangenen Donnerstag Abend beizuwohnen, er hätte diese seine Aeußerung sicherlich modifizirt. Dicht gedrängt saßen trotz unerträglicher Hitze die Studirenden hiesiger Hoch- schulen 4'/, Stunden lang im bezeichneten Saale , um gegen das auf der hiesigen„Königlichen Friedrich- Wilhelms- Universität" wider den Privatdozenten Dr. Dühring geübte Ketzergericht Protest zu erheben. Auch eine große Anzahl Arbeiter hatte sich eingefunden. Die Versammlung leitete mit vieler Umsicht Herr Viereck. Der Referent, Herr Gündler, rekapitulirte die ziemlich umfangreiche Dühring 'sche Remotions- Geschichte und wies nach, daß Dühring lediglich die Wahrheit behauptet, und was die Form der Kritik anlange, so habe Professor Dr. Zöllner in Heidelberg in ähnlicher Weise gegen Dühring polemisirt. Die Remotions-Affaire Dühring's sei schon sehr alten Datums. Den Professortitel nebst einer königlichen Pension habe Dühring stolz zurückgewiesen und seine bezahlten Borlesungen seien weitaus zahlreicher besucht gewesen, als alle diejenigen der ordentlichen Professoren. Schon vor länger als Jahresfrist sei Dühring aus dem„Viktoria- Lyzeum", einer sogenannten Berliner Damen- Universität, woselbst Frau Professor Helmholtz und Herr Pro- fessor Dr. Virchow das große Wort führen, removirt worden. Die inkriminirte Schrift, in welcher sich Helmholtz und andere ungenannte Professoren beleidigt fühlten, diente blos als Vorwand, um den Lehrer, der die Jugend verführe, der gegen die zünftlerischen universitären Einrichtungen zu Felde ziehe, zu entfernen. Die reaktionäre, bez. liberale Presse, wie die„Post", „National-" und„Vossische Zeitung", unterstütze dies Vorgehen, ja die„Post" stelle den Herren Professoren Harms und Mommsen selbst die Spalten zu Leitartikeln zur Verfügung. Hr. Mommsen schrieb in Nr. 260 der„Post" vom 29. Juni d. I.:„Was würde einem Offizier passiren, wenn er in ähnlicher Weise wie Dr. Dühring gegen den Corpsgeist verstoßen würde?"(Stür- mische, lang andauernde Heiterkeit.) Eugen Dühring ist remo- virt worden, weil er ein anderes soziales Programm als Helm- holtz habe.(Stürmischer Beifall.) Eugen Dühring ist ein Opfer unserer universitären Mißstände. Dühring kann mit Giordano Bruno sagen:„Ihr dürftet das Urtheil gegen mich mit mehr Furcht sprechen, als ich es empfange."(Stürmischer, lang an- dauernder Beifall.)— Herr Stuck, jur. Max Klingenbiel, von den freisinnigen Leipziger Studirenden zu der heutigen Ber- sammlung dclegirt, brachte von denselben den besten Gruß und die vollste Uebereinstimmung der Leipziger Studenten mit dem bdi ergreifende und culturhistorische Moment des Prozesses Tour- ville, der in gewisser Hinsicht die Sitten unseres Jahrhun- derts so scharf widerspiegelt, wie der Halsbandprozeß Louis des Achtzehnten." Ein wahres Wort— wahrer, als der „Nativnal-Zeitung" klar geworden sein dürfte. — Lueget,'s send halt Belle Spitzbueba.„Eine Unzahl von Reden wurden gebalten, erzählt Ludwig Pfau von der Schluß. kneiperei beim Ulmer Domfest, in welchen sich die Ermüdung nach so viel ausgestandenen Freuden mehr als billig bemerklich machie. Dock, entschädigten einzelne Vorgänge an den Tischen durch ihren weniger offiziösen Humor für die erlittene Redetortur. So saß ein länglicher alter Herr mit weißen Haaren, ein stüherer Minister, neben einem wohl- genährten Kammermitg ied, seinem ehemaligen parlamentarischen Gegner, in brüderlicher Eintracht und fteundlichem Zwiegespräch. Freilich war inzwischen der Parlamentarier von der Demokratie zu den„Siegern" übergegangen. Da erschien ein Bäuerlein, das seinen Abgeordneten in ihm erkannte und ihn liebreich anredete.„Ja Herr!— sagte es— meine Stimme bekommen Sie jedesmal. Das haben wir Ihnen nicht vergessen, daß Sie uns damals die 17 Millionen Mehrentschädigung vom Halse schafften, die man nach bezahlter Ablösung nachträglich von uns haben wollte; dafür werden wir Ihnen ewig dankbar sein."- „Da könnt Ihr Euch auch gleich bei meinem Nachbar bedanken," sagte der Abgeordnete—„das ist der Herr, welcher die 17 Millionen von der Kammer gefordert hat."—„Ja wohl"— erwiderte der Exminister, während am Tische ein homerisches Gelächter losbrach—„ich bekenne mich dazu." Das Bäuerlein, ganz verblüfft über die fröhliche Freundschaft zwischen dem Forderer und dem Verweigerer der 17 Millionen empfahl sich während des Lärms und ging sinnenden Hauptes von bannen. Nach ein paar Schritten drehte es sich jedoch zu seinen Be- glcitern um und sagte:„Lueget(Seht),'s send halt Belle Spitzbueba." — Für Bierfreunde. In einem Brief des bekannten Chemikers Ferdinand Dieffenbach an die Redaktion der„Neuen Hessischen Volksblätter"(S. Nr. 82) werden als Bierverfälschungsmittel aufge- zählt: Doppelkohlensaures Natron, Salicylsäure(beides zur„Wieder- Herstellung" verdorbenen Bieres), Weidenrinde, Aloe, Bitter- klee, Strychnin, Tollkirschen, Herbstzeit lose(alsHopfensurrogate) u. s. w. u. s. w. Als letztes und glorreichstes kommt noch hinzu der „preußische Schnaps"(Fusel, oder wie der vornehme Fremdname lautet: Sprit), der den fehlenden„Geist" zu ersetzen hat. Mehr kann man wahrhaftig in seinem Glas Bier sich nicht wünschen! Vorgehen der Versammlung. Herr Ktingenbiel bemerkte, man habe gesagt, uns, die Leipziger Studenten, gehe die Sache nichts an. Da wir einige Meilen von Berlin entfernt sind, solle es uns also gleichgiltig sein, ob die Wissenschaft an der Berliner Universität geknebelt werde. Allerdings, die„Post" bedauere es, daß die Studirenden schon eine eigene Meinung haben, daß sie sich nicht ohne Protesterhebung einen liebgewordenen Lehrer removiren lassen. Die Fortschrittspartei soll Schuld an der Selbstständigkeits-Aeußerung der Studenten haben. Ich möchte den Gelehrten der„Post" den Rath ertheilen, bei Dr. Dühring ein collegium logicum zu hören, vielleicht würden sie dann zu der Ansicht gelangen: ein ultramontaner Hetzkaplan habe die Studenten zum selbstständigen Denken verleitet.(Stümische Hei- terkeit und Beifall.)— Die Herren Meyer(Hausleyrer bei Helmholtz), Redlich und Bartels versuchten für Helmholtz eine Lanze einzulegen. Trotz ihrer oratorischen Gewandtheit fielen sie jedoch gründlich ab. Es gelangte schließlich folgende, von Herrn Gündler proponirte Resolution mit allen gegen etwa 20 Stimmen zur Annahme: „Die heute im Saale des Handwerkervereins tagende Ber sammlung von Interessenten für freie Pflege der Wissenschaft erklärt hiermit auf Grund der Artikel 20 und 27 der Ber- fassung:„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei" und„Jeder Preuße hat das Recht, in Wort, Schrift und Druck seine Mei- nung frei zu äußern", daß sie in der auf Antrag der philo- sophischen Fakultät zu Berlin erfolgten Remotion des Privatdozenten Dr. Dühring eine Verletzung der Frei- heit der Wissenschaft und ihrer Lehre erblickt, und spricht ihre entschiedene Mißbilligung über die erfolgte Re- motion aus."— Herr Bellimann geißelte hierauf die zünftlerischen Ein- richtungen der Universität und bemerkte: Von dem neuen Unter- richtsgesetze müsse man zunächst verlangen, daß die akademische Gerichtsbarkeit und der Studienzwang aufgehoben werde. Möge man die Anforderungen beim Staatsexamen so hoch wie möglich stellen, der Staat werde alsdann um so beffere Beamte haben, aber mache man es nicht zur Bedingung, daß alle Examinanden drei Jahre auf der Universität— nicht studirt, darauf komme es ja gar nicht an—(Heiterkeit), nein, daß sie drei Jahre lang bezahlt haben. Nicht das Studium, sondern die Universitäts - quittung berechttge zur Examens-Zulassung. Das Abiturienten- Examen könne man machen, ohne das Gymnasium besucht zu haben, diejenigen aber, die das Zeugnitz der Reife erlangt, können das Staatsexamen nur dann machen, wenn sie drei Jahre lang unter professorlicher Vormundschaft gestanden haben. Er(Redner) empfehle die Annahme folgender Resolution: In Betracht, daß 1) die zünftlerische Gelehrsamkeit erfahrungs- gemäß der freien Wissenschaft feindlich gewesen und bisher eine Unterdrückung der Bessereu und Selbstständigen betrieben hat, 2) daß den Studirenden daran gelegen sein muß, von dem Epochemachenden zu rechter Zeit gehörig Kunde zu erhalkcn und nicht erst nach Menschenaltern von den wirklichen Größen der Wissenschaft zu erfahren, 3) daß die Absperrung der freien Wissen- schaft von Luft und Licht auf den Universitäten auch in politischer und sozialer Hinsicht üble Folgen für das Gemeinwesen hat und die gegenseitige Verständigung der verschiedenen Gesellschafts- klaffen durch die Pflege verrotteter Vorurtheile hindert, so be- schließen die hier versammelten Studenten und Bürger Berlins die Bildung einer gesellschaftlichen Vereinigung für die Freiheit der Wisscuschaft zum Widerstaude gegen universitäre zünftlerische Verheimlichung und Unterdrückung des für Wissenschaft und Studium Vorzüglichen und Heilsamen, sowie zum Austausch von Kenntnissen und Wahrnehmungen, durch welche die Kritik der universitären Mißstände fortgesetzt und das Studium von seinen Fesseln befreit wird.(Stürmischer Beifall.)— Inzwischen war eine Deputation von der zu gleicher Zeit in der„Bundeshalle" (Wallnertheaterstraße 15) stattgehabten Volksversammlung, die dasselbe Thema behandelt hatte, erschienen. Die Deputation bestand aus den Herren Fritzsche, Most, Heinsch, Greiffen- berg und Ecks. Mit freudigem Zuruf wurde diese Deputation empfangen und lebhafter Beifall gab sich kund als Fritzsche die Tribüne betrat, seine Freude über die Versammlung äußerte und die in derselben Angelegenheit in der„Bundcshalle" gefaßte Resolution verlas. Nachdem noch die Herren Gold berg und Kullmann gegen, die Herren Dr. Schläger, Studiosus Wittig (Leipzig ) u. A. für die von Herrn Bellimann proponirte Reso- lution gesprochen, gelangte dieselbe mit allen gegen etwa sechs Stimmen zur Annahme. Danach endete die Versammlung gegen 1 Uhr Nachts.— Zu der zu bilden beschlossenen„freien wissenschaftlichen Vereinigung" meldeten sich noch an demselben Abend weit über 100 Personen aus allen Ständen als Mit- glieder. Weitere Anmeldungen nimmt Herr Candidat pbil. Döll, Wörtherstraße 3, entgegen. München , 9. Juli. Nachdem unser Parteigenosse, Premier- lieutenant a. D., jetziger Redakteur der„Dresdener Bolkszeitung", G. Vollmar, plötzlich die Auszahlung seiner Pension ver- weigert, und selbst eine Reklamation von Seiten der Kreiskasse ohne weitere Angabe abgewiesen worden war, wobei die dekret- mäßige Pension plötzlich die Qualifikation einer„Unterstützung" erfuhr,— wird jetzt erzählt, die gedachte Pension(welche ein- zuklagen Vollmar bereits Anstalten getroffen) werde künftig an dessen jetzigem Aufenthaltsort Dresden ausbezahlt werden.— So hilft man sich heraus. Wiesbaden . Manchem Leser des„Vorwärts" wird es von Interesse sein, einmal wieder ein Lebenszeichen von uns zu hören. Bei der letzten Reichstagswahl — ich komme auf die Wahlen zurück, weil Wiesbaden in der statistischen Tafel nicht mit aufgeführt ist— fielen auf Dr. Johann Jacoby circa 400 Stimmen; das ist ein Resultat, wie es mancher Parteigenosse, der früher hier wacker gekämpft, nicht erwartet hatte. In drei Jahren soll es aber eine überdoppelte Zahl sein, welche hier die Sozialdemokratie repräsentirt, wozu auch schon die Gründung eines Wahlvereins binnen Kurzem in Aussicht steht.— Am 30. Juni fand hier im Römersaale eine sehr gut besuchte Volks- Versammlung statt. In derselben referirte Parteigenosse K. Frohme aus Frankfurt a. M. über das Thema:„Die kapita- listische Produktionsweise und die Stellung des Kleinhandwerker- thums." Redner verstand es, mit seinen überaus interessanten Ausführungen das Auditorium zu fesseln und zu einem Bei- fallssturm hinzureißen, der hier bis jetzt zu den Seltenheiten gehört hat. Wir können mit Bestimmtheit annehmen, daß Herr Frohme den besten Eindruck wohl auf jeden seiner Zuhörer, mag er Freund oder Feind heißen, gemacht hat, und mancher eine andere Anschauung von unseren Ideen erhalten hat, als bis dahin der Fall war. Die gegnerischen Blätter haben aber kein Sterbenswörtchen über unsere Versammlung gebracht. Läßt stch auch wohl denken warum! Herr Frohme gedenkt in kurzer Zci. seinen Besuch zu wiederholen, wo er einen Vortrag über„Pro- duktiv- Assoziationen" halten wird. Eberhardt. Ättenvurg, 8. Juli. Nicht durch die uns von Herrn Max Wagner zugesagten Bemühungen, sondern durch Wiederher- stellung eines größern Gasthauses unfern der Stadt, find wir
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2 (18.7.1877) 83
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