sich eines Tages über zu magere Kost und schlechte Behandlung und drohte den Dienst zu verlassen, wenn dies nicht anders j würde. Darauf ließ der Pächter des Gutes, Herr v. Z., den �Gärtner sofort festnehmen und behufs Auslieferung an die �russische Behörde über die Grenze bringen. Da aber die russische Behörde die Annahme des Mannes verweigerte, wurde derselbe zu seinem früheren Brodherrn zurückgeführt. Nun ließ ! dieser in seiner Eigenschaft als Amtsvorsteher den Gärtner ins Amtsgefängniß stecken, aus welchem der Verhastete nach kurzer Zeit ausbrach, um nach der nahe gelegenen Grenze zu fliehen. Ter Pächter eilte ihm mit mehreren Leuten nach und forderte ihn zum Stehenbleiben auf, widrigenfalls er auf ihn schießen würde. Der Enisprungene, der sich schon jenseits der Grenze befand und sich dort sicher glaubte, soll diese Aufforderung höhnisch zurückgewiesen haben. Herr v. Z. schoß und traf so unglücklich, daß der Entsprungene todt niederstürzte." Die Berliner„Volkszeitung", die das Vorkommniß„ein be- stagenswerthes Ereigniß" nennt, fügt obiger Erzählung folgende Sätze hinzu:„Wir finden in der Handlungsweise des Guts- besitzers von Anfang bis zu Ende die nackteste Willkür und Mißbrauch der Amtsgewalt. Hoffentlich wird die Staats- anwaltschaft sich der Sache mit Eifer annehmen."— So! Das � nennt man„Willkür und Mißbrauch der Amtsgewalt"— wir nennen es mit dem allein richtigen Ausdruck Mord. Es ist ein Mord, den der Arbeitgeber an seinen Arbeiter ausgeübt hat, ein feiger, heimtückischer Mord, der in keiner Weise beschönigt werden darf, wie dies die Bourgeoisblättchen schon thun. Hätte der Gärtner den Pächter erschossen, wie würde dann die„Volks- zeitung" von Mord und Sittenverderbniß reden, welche nur die Sozialdemokratie verschuldet habe— aber jetzt: Willkür, Miß- brauch der Amtsgewalt, die der Staatsanwalt zur Bestrafung bringen muß. Sechs Wochen Gefängniß für den Mörder— dann ist das Gewissen der„Bolkszeitung" beruhigt. — Das Recht der publizistischen Kritik. Unter diesem Titel schreibt die„Dresdener Zeitung": „Gegen den Redakteur des„Dresdener Anzeiger", Herrn Ferd. Springer, war von dem Diener Heinrich Rudolph Klage erhoben worden, weil Elfterer den Verüber eines Hausskandals, der eine Bestrafung des Schuldigen(des besagten Rudolph) zu ! 4 Wochen Gefängniß nach sich zog, als„rüden Burschen" be- zeichnet hatte. Das gekränkte„Ehrgefühl" des Rudolph wollte sich nun durch 3 Monate Gefänciniß, für seinen Gegner nämlich, beschwichtigen lassen. Das Gericht war jedoch anderer Anficht; es erkannte in der Ausdrucksweise des„Dresdener Anzeiger" eine scharfe, aber gerechte Kritik(die selbstverständlich der Presse erlaubt sein muß) und sprach den Angeklagten frei, während der Kläger zur Zahlung der Kosten verurtheilt wurde." Das Urtheil des Dresdener Gerichts steht sehr vereinzelt da, und wir möchten Niemanden rathen, auf dieses Erkenntniß ge- stützt einen Spitzbuben einen Spitzbuben, und jedes Ding bei seinem richtigen Namen zu nennen. Es ist uns in frischem Gedächtniß, daß wir trotz erbrachten Wahrheitsbeweises ber Beleidigung schuldig befunden wurden, weil wir bei einem Fall von ungewöhnlich brutaler Soldatcnmißhandluug das Wort ..barbarisch" gebraucht hatten. Und ähnliche Beispiele ließen sich diele aufführen. — Unser Berliner Parteiorgan, die„Berliner Freie Presse", erhält aus Paris von einem deutschen Parteigenossen folgenden Brief: „Paris ist ruhig.... Weder die Schließung und Auflösung der Kammer, noch die polizeiliche Verhaftung eines Mitgliedes des Munizipalrathes, auch nicht einmal die systematischen Ver- folgungen und Unterdrückungen der republikanischen Blätter haben irgendwelche Aufregung unter die Bevölkerung gebracht. Nicht einmal eine Gährung ist zu bemerken; von demonstrativen Ma- nifestationen oder gar gewaltsamen Ausschreitungen keine Spur. Das arbeitende Volk ist wie erstarrt, es ist taub und blind für Alles, was sich in der Politik vollzieht. Dem Apollo von Bcl. dedere gleich bildet es den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller politischen Abenteurer, Quacksalbev, Pfuscher und Schwindler; die Legitimisten, Bonapartisten, Orleanisten und sonstigen— isten buhlen alle um dessen Gunst. Nur es allein ist und bleibt un- begreiflich stumm und regungslos. Und ist denn wirklich dieses ewig lebendige, stets dem ersten Ruf zum Kampfe für die Frei- heit folgende Volk jetzt todt? Haben in der That die letzten Schläge die Bewegungsnerven des Volksorganismus so tief ver- Ht, daß er jetzt noch paralysirt ist? Viele meiner Landsleute hier denken so. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Der Pa- interessant aber ist ohne Zweifel, daß der Artikel des Rabbi-Bernstein, wie auch in einer redaktionellen Note bemerkt wird-, aus der„Neuen Freien Presse" abgedruckt ist. Rabbi-Bernstein giebt also seine wissen- schädlichen Äeistesprodukte lieber dem stemden Blatt, als dem eigenen. «Und die Moral von die Geschickt?" Auch Rabbi - Bernstein's Kunst geht nach Brod. Und die Wiener „Neue Freie" kann zahlen, das «Mädchen für Mens" aber nicht. Für das verdunckerte Verdunckerungs- organ fällt höchstens dann und wann ein„sozialdemagogischer" B rocken ab, für den nirgends ein Pfennig gezahlt wurde. —„Wenn ich nur wüßte, welche Gründe der— gehebt hat, krank zu werden," bemerkte einst Talleyrand , als ihm die plötzliche schwere Erkrankung eines diplomatischen College» mitgetheilt worden war. Lebte er noch, und bekäme nachfolgende FW fftstum- Srankheits-Anzeige zu Gesicht, er würde sich wohl schwerlich den Kops zerbrechen: „Der Unterzeichnete, seit dem 21. April d. I. an Gelenkrheuma- tismus schwer erkranki, hat im Mai und Juni d. I. die Redaktion der„Grcnzboten" durch einen Vertreter führen lassen und erklärt sich baher für die in jenen Monaten erschienenen Hefte lediglich nach dem Preßgesetz verantwortlich. Leipzig , den 19. Juli 1877. Dr. Hans Blum." Also zu lesen im vorletzten Heft(Nr 31) der„Grenzboten". Am 21. April begann der Gelenkrheumatismus— am 26. April die Ver- bffentlichung der famosen Skanoalbriefe gegen die deutsche Kaiserin, die an Taktlosigkeit und Gemeinheit Alles übertreffen, was je aus der Guanofabrik unserer Reptilienpresse hervorgegangen, und die beinahe ben Staatsanwalt in Bewegung gesetzt. Welch' andere Körpertheile, außer den„Gelenken" den„schwer Erkrankten" geschmerzt haben und noch schmerzen mögen, verschweigt der„Studiosus der Menschenrechte" und des politischen Anstands. — Liberale Ehrlichkeit und Intelligenz. Die„Barmer Zeitung" und ihr nach so ziemlich die ganze Reptilienpresse druckt, als wunderbare Entdeckung und niederschmetternden corpus äelieti, einen *u unserem letzten Congreßprotokoll veröffentlichten Brief unseres Genossen Hassclmann an' Gelb ab, worin die Stelle vorkommt:„Die ("an H. p veröffentlichenden) Flugblätter sollen>n Barmen gedruckt und zunächst der dortigen Gegend angepaßt werden(schroffer Klassen- 5*gensatz).—" Zu den unterstrichenen zwei Worten bemerkt nun "w„Barmer Zeitung" und die liberalen Blätter drucken es meist nach: »Der Brief erklärt sich selbst. Was bisher immer von der sozialdemo- 'tauschen Partei und auch von Haffelmann öffentlich in Abrede gestellt wurde, nämlich daß sie(wer? liebe Barmerin; deutsch lernen!) den Klassengegensatz schüren, hier wird es förmlich und unwiderleglich Zugestanden." „Zugestanden" wird hier nichts, wohl aber„förmlich und unwider- riser Arbeiter hat, meiner Ansicht nach, recht wohl begriffen, wer da die Leute sind, die jetzt„Freiheit, Gleichheit und Brü- derlichket" im Munde führen. Noch die letzte Vergangenheit hat ihm all oculos demonstrirt, daß es für ihn ganz gleichgiltig ist, wer am Regierungsruder sich befindet, ob Mac Mahon , ob Gambctta oder sonst ein„Radikaler". Alle die Herren werden sämmtlich auf seinem Halte sitzen und ihm das Mark aus den Knochen aussaugen. Zwischen ihm und dieser modernisirten Art von„Väterchens" giebt es keinen Patt, hat sich eine tiefe Kluft gebildet.— Diese meine Ansicht wird nicht nur von der schon oben erwähnten Apathie der arbeitenden Klasse für alle politi- scheu Ereignisse, sondern auch durch unzählige in die Augen springende kleinere Merkmale, sowie noch durch folgendes Faktum bestätigt. In einer Arbeiterversammlung, in der die Herausgabe eines Blattes durch eine Arbeiter-Genossenschaft diskutirt wurde, tauchte die Frage auf:„Können Kleinhändler und Geschäfts- commis Mitglieder der Genossenschaft werden?" Die Debatte darüber war eine sehr erregte. Ungeachtet dessen, daß die Com- mis darauf hinwiesen, daß viele ihrer Branche unter dem Banner der Commune starben und die Redner selbst zu den Vertheidi- gern der Commune gehörten, dessenungeachtet, sage ich, haben die Arbeiter beschlossen, daß sie mit Ausbeutern nichts gemein haben wollen und sie nicht in ihre Mitte aufnehmen. Daraus ist zu ersehen, wie groß die existirende Kluft ist. Unter solchen Verhältnissen ist es kaum zu erwarten, daß die Arbeiter einem republikanischen Rufe folgen werden.... Die französische Emigration entwickelt auch eine kaum nennenswerthe Thätigkeit für Frankreich selbst. Im Auslande Blätter für die Pariser Arbeiter herauszugeben, ist kein großes und wichtiges Kunststück." Wir wollen zu dem Beschlüsse der Pariser Arbeiter, keine Kleinhändler und Commis in ihrer Organisation zu dulden, nur bemerken, daß das große Mißtrauen, welches die Pariser Arbeiter an den Tag legen, zum Theil gerechtfertigt ist, weil gerade in Paris die Arbeiter sehr oft als Experimentir-Objekte benutzt worden sind. Es scheint so, als wollten die Pariser Arbeiter anfangen, die ökonomische Seite der sozialistischen Bewegung mehr in den Vordergrund zu bringen, um dann leichter, nach- dem ein fester Kern geschaffen, nnt den anderen sozialistischen Elementen die sozialistische Republik erkämpfen zu können. — Die französischen Classen-Kappelmänner. Man- chem unserer Leser ist wohl noch das preußische Abgeordneten- fest, welches im Sommer 1865 am Rhein in so pompöser Weise gefeiert wurde, in Erinnerung; auf demselben führte der„De- mokrat" und jetzige Nationalliberale Herr Classen- Kappelmann den Vorsitz. Schmauserei und Kneiperei, Toaste und prunkende Freiheitsreden—„Diesem Ministerium keinen Heller",„Nieder mit Bismarck ", Brillantfeuerwerk und— des andern Tages furchtbarer Katzenjammer, ein Katzenjammer so endlos lang, daß unsere Freiheitshelden noch immer sich von demselben nicht erholt haben— das„graue Elend" hält sie wohl noch für lange Zeit fest umklammert.— Auch in Frankreich macht man solche Spielchen; sämmtliche„363" sind am 5. August auf dem Schlosse Störs auf der Insel„Adam" erschienen und haben dort ein großes politisches Meeting und nachher eine noch viel größere Schmauserei gehalten— der alte Thiers natürlich an der Spitze. Betheurungen, ewiges, unverbrüchliches Zusammenhalten, Champagner, Austern und Vive la nlpublique— alles das konnte man dort hören und sehen. Der Katzenjammer wird gleichfalls nicht ausbleiben, leider, daß das französische arbeitende Volk unschuldig davon mit betroffen wird. — Moralische Ordnung- In einem der skandalösesten Skandalprozessc der Neuzeit, welcher sich vor kurzem in Paris abspielte, sind zwei Hauptvertreter der„moralischen Ordnung" der heutigen Gesellschaft, der bonapartistische Exminister Pinard und der fromme Legitimist de la Büffetiöre, als Zuhälter einer gemeinen raffinirtcn Freudendirne— der„Wittwe" Gras, die einem reichen jungen Mann Schwefelsäure in's Gesicht gießen ließ, um den hilflos Erblindeten ganz von sich abhängig zu machen und vollends aussaugen zu können— entlarvt worden. Natürlich sind beide Ehrenmänner begeisterte Vertheidiger der Ehe, und haben in der blutigen Maiwoche frenetisch Beifall ge- klatscht, als die„Vernichter der Sittlichkeit" tausendweise abge- schlachtet wurden im Namen der„bedrohten Moral". — John Frost(spr. Dschonn Frost), einer der Häupter der englischen Chartisten, der Führer der pbysioal force-men(Männer der physischen Gewalt— im Gegensatz zu den Männern der woral force— moralischen Gewalt) ist vorige Woche hoch- leglich" bewiesen, daß die Zeitungen, welche dieses Gewäsch bringen, voran die„Barmer Zeitung", von dem Sinn der Wörter, welche sie gebraucken, keinen Begriff haben. Der„Klassengegensatz" ist eine Thatsache, ein Zustand; in Barmen-Elberfeld ist der„Klassengegen- satz" ein„schroffer", wie Hasselmann richtig bemerkt, und wie die Bar- mer Handelskammer selbst zugeben muß; und, wie Haffelmann ebenso richtig bemerkt, dem„schroffen Klassengegensatz", welcher in Barmen- Elberfeld existirt, das heißt den dort herrschenden ökonomischen Zu- ständen muß die Schreibweise der Flugblätter angepaßt werden. Das ist so natürlich und vernünftig, daß kein Mensch mit gesundem Menschen- verstand etwas daran aussetzen kann. Und aus der Bedeutung des Worts l„Klassengegensatz" ergiebt sich ferner, daß von einem„Schüren" des Klassengesetzes nicht die Rede sein; was allenfalls geschürt werden kann, das ist der Zorn, die Erbitterung über den Klassengegensatz, der auf dem Bewußtsein des Klassengegensatzes beruhende Klassenhaß. Die„Barmer Zeitung" und ihre liberalen Nachschreiber haben einfach die Wörter und Begriffe:„Klassengegensatz" und„Klassenhaß" ver- wechselt, ob geflissentlich, indem sie auf die Gedankenlosigkeit ihrer Leser vertrauen, oder aus Unwissenheit und aus Unkenntniß der deutschen Svrache, das bleibe dahin gestellt— und, statt Hasselmann einen„Treff" zu versetzen, sich selbst plump„in den Finger geschnitten". Für uns hier in Leipzig hat die Sache noch insofern Interesse, als sie zu einem Wunder Veranlassung gegeben hat. Nämlich unser„Tage- blatl"-Homer hat nicht geschlafen, den Bock, welchen seine Collegen ge- schössen, mit phänomenaler Schlauheit entdeckt, und schlankweg: Klassen- haß gesetzt, statt„Klassengegensatz". So ist denn das Wunder geschehen. Der Würgengel der Sozialdemokraten und der Gose hat einmal keine Dummheit gesagt, er hat blos— gefälscht. — Marcus Antonius ist sehr ergrimmt über unseren Berliner Correspondenten; in seinem Blatt(Nr. vom 1. August) nennt er ihn, genau gezählt, zehnmal einen Esel. �Es ist noch immer der alte: „Meine Herren, Ochsen, Esel"— Niendorf. — Unser Stephan. Das„Leipziger Tageblatt " bringt ein feier- liches und entrüstetes Dementi unseres Berichts über die Geschichte des päpstlichen Segens Seiner Post-Bismarcklichen Herrlichkeit. Es sei an jenem verhängnißvollen Tag gar keine Rathssitzung gewesen. Ei, ei! Lesen lernen, lieber Hüttner! Lesen lernen, lieber Podeck! Lesen lernen, lieber Leonhardt! — 500 Personen im Alter von 12 bis 18 Jahren bevölkern gegenwärtig als Verbrecher das Zellengefängniß und die Anstalt am Plötzensee. Darunter befinden sich 60, welche vier-, fünf-, sechsmal und öfter rückfällig geworden sind; 35 haben Sttafen von 2 bis 10 Jahren zu verbüßen.— 500 jugendliche Verbrecher, das will heißen: 500 schwere Anklagen gegen die heutige Gesellschaft! s betagt in Bristol gestorben. Wegen des Aufruhrs in Wales in den 40er Jahren zum Tode verurtheilt, wurde er nebst seinen Genossen Williams und Jones zur Deportation nach den unwirthschaftlichen Falklandinseln„begnadigt". Nach zwanzig- ! jährigem Aufenthalt dort erhielt er zu Anfang der 60er Jahre die Erlaubniß, nach England zurückzukehren. Seitdem hat Frost bis zu seinem Tode ein zurückgezogenes Leben geführt. Eine ausführliche biographische Skizze behalten wir uns vor. — Ueber die Vorgänge in den Vereinigten Staate» haben wir absolut keine neueren Nachrichten. Charakterstischer Weise erwähnt keines unserer amerikanischen Parteiblätter, von denen wir die Nummern bis zum 21. Juli erhalten haben, deS Strikes der Eisenbahnarbeiter und der daran sich knüpfenden Ereignisse, auch nur mit einem Wort. Das Centralorgan der englischen Gewerkschaften die„Jndustrial Review" beginnt seineu in der Nr. vom 4. ds. befindlichen Leitartikel, über„die ameri- kanischen Arbeiterkrawalle"(Lmdour Riots) wie folgt: Die ame- rikanischen Arbeiterkrawalle, welche in einem Versuch, die Löhne der Eisenbahnbediensteten zu kürzen, ihren Ursprung hatten, neigen glücklicherweise dem Ende zu. Natürlich werden diese Krawalle den Gewerkvereinen in die Schuhe geschoben, und in gewissem Grade ja mit Recht. — Dann kommt eine pflichtschuldige Reinwaschung. Die unterstrichenen Worte em- psehlen wir Hrn. Max Hirsch. „Natürlich" wird in Eng- land, wo die Bourgeoisie die Gewcrkvereine fürchtet, die Schuld der Vorgänge von der Bourgeoispresse den Gewerk- vereinen in die Schuhe geschoben; und in Deutschland , wo die Bourgeoisie die Sozialdemokraten fürchtet,„natürlich" den Sozialdemokraten. — — Die Flucht des russischen Hauptquartiers von Tirnowa nach Biela ähnelt derjenigen des Marschalls Soubise bei Roßbach; es wird erzählt, daß im ersten Schrecken die Cham - pagnerflaschen und die Toilettegegenstände zurückgelassen wurden, die später den hohen und höchsten Herrschaften nachgesandt worden sind. Zwölf bis fünfzehn Meilen vom Hauptquartier wurde der rechte Flügel der Russen bei Plewna geschlagen, sofort retirirt der oberste Befehlshaber der russischen Armee mitsammt dem Stabe zehn Meilen zurück und in einer Eile, als wenn ihnen die Baschi-Bozuks schon auf den Fersen säßen. Infolge dieser Retirade ist der Czar ernstlich erkrantt.— In Rußland werden Proklamationen geheimer Gesellschaften verbreitet, worin alles Unglück der herrschenden Dynastie, die ja eine ausländische, eine deutsche sei, zugeschrieben wird.— Bei Jeni-Saghra hat Su- leiman die Russen am 3. August wiederum geschlagen und einige Kanonen erbeutet; wahrscheinlich ist die Abtheilung Radetzky- Gurko schon abgeschnitten und wird sich wohl den Türken er- geben müssen.— In seiner Angst fleht der Czar den Kaiser von Oesterreich an, ihm den Durchzug durch Serbien zu ge- statten; dieses Ersuchen soll in Berlin auf das Nachdrücklichste unterstützt werden! Hoffentlich läßt Oesterreich sich nicht auf den Leim führen. Daß aber die russischen Barbareien in Berlin begünstigt werden sollen— nun, Deutschland macht seinem Namen, daß es an der Spitze der Culturländer marschire, immer mehr Ehre. Wahrscheinlich aber wird der türkische Säbel all' die diplomatischen Unterstützungen rasch zerschneiden. Betrachtungen aus und über Holland. ii. (Schluß.) Sie werden wohl kaum vor Verwunderung die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen, wenn ich Ihnen sage, daß sich hier überall die unzweideutigste Antipathie gegen Deutschland kundgiebt. Gott sei Dank— in der Hinficht haben wir es herrlich weit gebracht: Der Preußen-Deutsche mag heute die Grenzen seines Vaterlandes überschreiten, wo immer er will, im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen— überall begegnet er sofort dem ttefsten Widerwillen, dem gründ- lichsten Hasse gegen sein so glorreich wiedererstandenes Reich und dessen ruhmvolle Lenker. Ja, der Stockpreuße, vorzüglich der Berliner , braucht gar nicht einmal so iveit zu gehen. Er braucht nur in irgend einen nicht stockpreußischen Theil des glücklich geeinigten deutschen Vaterlandes zu kommen, und er wird seine blauen Wunder hören(denn weder in der„National-Zeitung" noch in der Tante Voß steht davon was zu lesen), wie es mit dieser„Einigung" bestellt ist und wie man dort, besonders im Volke, über die Anstifter derselben denkt. Wenn ich z. B. nach Süddeutschland komme, dann genire ich mich ordentlich schon, zu sagen, daß ich aus Berlin bin. Mit mathematischer Gewißheit kann ich dann auf eine gehörige Por- tion Schimpfereien über die„verflixten Braißen" und über einige ungenannt sein wollende Persönlichkeiten rechnen, Schimpfereien, die um so lästiger sind, als sich— nichts dagegen sagen läßt. „Entschuldigen Sie, daß ich aus Berlin bin", möchte ich, wenn man mich nach meiner Herkunft fragt, fast jedesmal sagen; „aber ich kann nichts dafür, es ist ein Geburtsfehler bei mir." Ich behaupte immer, es gäbe ein sicheres Mittel, unsere Rcichsherrlichkeits- Deliranten von ihrem furor teutonicns zu heilen: Man schicke sie Alle auf Reisen! Wenn sie da noch nicht kurirt werden, dann sind sie eben schon total un- heilbar. Unser so höchst genialer Schlachtenmcister(ich bitte Ihren Herrn Setzer, daß er um Gotteswillen hier nicht etwa Schlächter- meister setzt)— also unser so höchst genialer Schlachtenmeister, sage ich, sprach jüngsthin das geflügelte Wort:„Wir haben an Achtung überall, an Liebe nirgend gewonnen." Nun— das mit der Liebe, das wird wohl schon stimmen; aber was die Achtung betrifft?— Es kommt da eben ganz darauf an, was man unter Achtung versteht. Man kann z.B. auch das Gefühl, das der Ueberfallene vor dem Wegelagerer empfindet,„Achtung" nennen. Das ist eben mehr Ansichtssache. Zu dem allgemein- europäischen Hasse gegen das neue Ka - fernen- und Gründer-Deutschland(ich glaube, das ist der einzige Punkt, in dem Europa wirklich einig ist) kommt aber für Holland noch ein spezielles Motiv hinzu: Es besteht hier die ernst- lichste Furcht vor den Annexionsgelüsten Preußen- Deutschlands . Ich muß aufrichtig sagen, daß ich durch diese Thatsache über- rascht wurde. Ich habe von den preußischen Attraktionsbestre- bungen wahrhaftig keine geringe Meinung. So kann ich mich z. B. nicht genug über die Gläubigkeit mancher Parteigenossen wundern, die meinen, Preußen sei wirklich durch„das Bischen Herzegowina" überrascht worden und befinde sich nun gegen seinen Willen im Schlepptau Rußlands , während es doch so klar wie der Tag ist, daß all das, was sich jetzt vor unseren entsetzten Blicken abspielt, seit langer, langer Zeit von den beiden „Erbfreunden"— vorausgeahnt wurde und daß der diesmalige Gewinnantheil Preußens der deutsche Theil des lenden- lahmen Oesterreichs werden dürfte, das, im rechten Moment.
Ausgabe
2 (10.8.1877) 93
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten