Sozialpolitische Usberjicht, Vom Kriegsschauplatz wirre Gerüchte. Vor einigen Tagengroßer Sieg" des Cäsarewitsch über Mehemed Ali, seit- dem in blauen Dunst aufgelöst, jetztgroßer Sieg" Osman Pascha's über Russen und Rumänen, von dem in einigen Tagen ebenfalls nichts übrig geblieben sein dürfte. Wir müssen auch von diesen Gerüchten Notiz nehmen, da es vollkommen unmög- lich ist, Gerüchte und Thatsachen auf den ersten Blick voneinan­der zu unterscheiden. Und kurze Berichte über den Stand des Kriegs verlangen unsere Leser von uns und haben sie ein Recht, von uns zu verlangen. Als wir vor Beginn und zu Anfang des Krieges die militärischen und politischen Vorgänge gar nicht, oder nur in vereinzelten kurzen Skizzen berührten, liefen von allen Seiten Beschwerden ein. Jetzt, da wir den Wünschen der Leser Rechnung zu tragen bemüht find, kommt man uns allerdings ist es sehr selten geschehen mit einem Vorwurf anderer Art: wir sichteten die Nachrichten nicht sorgfältig genug, hätten wiederholt Nachrichten verbreitet, die sich als falsch heraus- gestellt. Letzteres ist vollkommen richtig, allein den Vorwurf weisen wir entschieden zurück. Wir üben die gewissenhafteste und strengste Kritik und haben nie eine Nachricht veröffentlicht, die nicht in glaubwürdiger Form auftrat und aus unverdächtiger Quelle zu stammen schien. Daß wir uns mehrmals getäuscht, ist allerdings wahr, ließ sich indeß nicht vermeiden und wir kön- neu uns damit trösten, daß die größten europäischen Zeitungen, die nicht blos besondere Kriegscorrespondenten, sondern auch für ihre Kriegsberichte besondere militärische Redakteure haben,Times", Standard" ic. und von deutschen Blättern dieKölnische Zei- wng" u. A. nicht blos in dieselben Jrrthümer verfallen find wie wir, sondern auch in viele andere, die wir durch sorgfältige Prüfung vermieden haben, z. B. die Nachrichten von großen Schlachten, die zwischen dem 12. und 26. Sept. vor Plewna ge- schlagen sein sollten. DerVorwärts" ist beiläufig und das muß berücksichtigt werden den großen Zeitungen gegenüber in der ungünstigen Lage, daß er bloß dreimal wöchentlich erscheint und daß jede Nummer zwei Tage vor dem Datum des Er- scheinens(wegen der großen Auflage und Versendung in alle Winkel Deutschlands ) gedruckt werden muß. So ist es möglich, daß eine Nachricht, die am Tage des Drucks für authentisch galt, am Tage des Erscheinens schon dementirt sein und dadurch bei Unkundigen die Vermuthung erweckt werden kann, die Redaktion sei nicht mit der nöthigen Vorficht verfahren. Einer unserer Abonnenten hat uns ferner den Vorwurf gemacht, wir übertrieben die Ver- luste der Russen und gäben überhaupt ein den Russen zu un- günsttges, den Türken zu günstiges Bild. Auch diesen Vorwurf müssen wir energisch zurückweisen. Kein Zweifel, wir wünschen den russischen Waffen nicht den Siegs wir freuen uns über die Niederlagen der Russen, und deingemäß über die Waffenerfolge der Türken allein damit ergreifen wir doch nicht Partei für die Türken. Wir stellen uns einfach auf den Standpunkt unserer Parteiintereffen und unserer nationalen ja Ihr deutfchen Herren Rubelanbeter! unserer nationalen Interessen. Den türkischen Siegen verdanken wir es, daß die Macht, welche den Rückhalt des europäischen, namentlich deutschen Absolutismus bildete, welche die Eivilisation und unsre nationale Existenz bedrohte, unschädlich gemacht, und daß Deutschland vor einem zweiten Krieg mit Frankreich bewahrt worden ist, dessen Schreckmffe fich nicht hätten absehen lassen. Und haben wir etwa von den sieg- reichen Türken etwas zu befürchten? Der fanatischste Türken- feind wird zugestehen müssen, daß die Türken längst aufgehört haben, ein Eroberervolk zu sein. Sie haben im Innern vollauf zu thun, und sind sie der russischen Eindringlinge Herr geworden, so haben sie die Wahl, entweder zu verfaulen, oder ernsthaft zu reformiren. Wir wissen nicht, ob sie das Letztere thun werden, wissen aber, daß das Urtheil Derer, welche die Türken als kultur- und reform un fähig erklären, auf Unkenntniß, wo nicht auf Rubel- logik beruht. Doch darüber gelegentlich mehr. Für heute nur eine Verwahrung gegen den Vorwurf, wir überttieben die ruf- fischen Verluste. Wir haben dieselben nicht nur nicht über- trieben, sondern ehr unterschätzt. Ein russischer Offiziöser, der für dieWiener Abendpost" schreibt, spricht von 100,000 rus­sischen Soldaten, die theils vor dem Feind, theils an Krankheiten erlegen sind. Das ist aber viel zu wenig, und wird nicht ein- mal für die Verluste in Europa ausreichen. DieKölnische Zeitung " berechnet die Verluste in Bulgarien durch Wunden auf 64,000, wobei die letzte Schlacht bei Plewna allein mit 20,000 Mann(die Verluste der Rumänen nicht eingerechnet) figu- rirt, was nach anderen Berichten um 5000 zu niedrig sein soll. Ein Stück Geschichte. Defension(Bertheidigungsschrift) in der Untersuchungssache wider Wander. (Vom Justizrath Robe(ä. ü. 9. September 1345.) (Fvrtsetzuvg.) Die Papiere Schlöffels ergaben, daß Wander mit Schlöffet in Correspondenz gestanden. Namentlich war ein Brief dar- unter, in welchem Wander auf eine Einladung Schlöffel's und dessen Erbieten, ihn durch seine Equipage von Hirschberg nach Eichberg abholen zu lassen, ablehnend erwiedcrt hatte,weil dies zu viel Aufsehen mache", er wolle lieber zu Fuße kommen. Dieser Brief war wiederum Stieber vollkommen genügend, so- fort auch in die Wohnung Wander's einzudringen, und auch dessen Schriften in Beschlag zu nehmen. Stieber rechtfertigt diesen Schritt in der bei den polizeilichen Voruntersuchungsakten befindlichen Verhandlung vom 14. März d. I. auf folgende naive Weise: Er habe im Aufttage des Ministeriums des In- nern im Hirschberger Thale eine hochoerrätherische Verschwörung ermitteltderen Tendenz auf nichts Geringeres hinausgehe, als Schlesien zur Republik zu machen und im ganzen Staat, sei es selbst mit Verletzung der persönlichen Sicherheit des Staats- oberhaupts, eine Umwälzung der Verfassung zu bewirken." Es habe sich dabei der dringende Verdacht herausgestellt,daß der Fabrikant Schlöffel an der Spitze dieser Verbindung stehe, und die Wirksamkeit, welche Schlöffel in dem Hirschberger Gewerbeverein in einer höchst ungesetzlichen Weise an den Tag gelegt, bilde eines der mehrfachen Jndicien, auf welche fich der gegen Schlöffel entstandene Verdacht gründe. Durch diese Betheiligung des Schlöffel bei der hochverräthe- rischen Verbindung sei aber auch der Verdacht rege geworden, daß dieselbe dem Lehrer Wander nicht fremd sei." Man er- kennt, daß Stieber, um zu dem vorgesteckten Ziel seiner Schlüsse zu gelangen, nicht eben bedenklich ist. Die Thätigkeit Schlöffel's ,m Hirschberger Gewerbeverein war eben nur nocheins der Jndicien, auf welche sich der gegen Schlöffel entstandene Ver- dacht gründete"; in der nächsten Zeile darauf steht aberdie Betheiligung Schlöffel's bei der hochverrätherischen Berbin- dung" bereits so fest, daß Stieber diese eben erst nur gearg- wöhnte Betheiligung völlig zum Berdachtsgrund auch gegen Die Zahl der von Krankheiten Betroffenen wurde schon vor 5 Wochen von englischen Blättern auf 62,000(wir hatten bloß 60,000 angegeben) geschätzt. Wenn man das ungesunde Klima (die mörderische Dobrudscha, welche im vorigen Krieg binnen wenigen Wochen eine französische Division fast vernichtete, be- herbergt seit Monaten anderthalb russische Armeekorps!), die miserable Ernährung und Verpflegung bedenkt, und Vergleiche anstellt mit den Verlusten der Russen in früheren Türkenkriegen, dann kann man diese Ziffer unmöglich zu hoch finden. Und seit sie aufgestellt worden, ist schlechte Witterung eingetreten und haben Krankheiten aller Art furchtbare Verheerungen angerichtet. Um jetzt zu passen, müßte die Ziffer sehr bedeutend erhöht werden. Und das bloß auf dem europäischen Kriegsschauplatz. In Armenien wurden die Verluste der Russen durch Wunden und Krankheiten von englischen Berichterstattern schon Anfangs August auf 30,000 Mann veranschlagt. Die letzten zwei Monate haben den Russen aber mindestens ebenso große Verluste gebracht, so daß der Gesammtverlust der total verunglückten armenischen Campagne ohne Gefahr der Uebertreibung auf 60,000 geschätzt werden kann. So viel zur Steuer der Wahrheit undin eigener Sache". Ein bitteres Urtheil über unsere liberalen und Fortschrittsgrößen. Ueber den Empfang des italienischen Kammerpräsidenten Crispi in Berlin läßt sich die offiziöse Wiener Politische Correspondenz" aus Berlin folgenden löst- lichen Bericht schreiben: Eine so vorzügliche Aufnahme, wie sie im Frühling d. I. Herrn v. Bennigsen, dem Präfidenten unseres Abgeordneten- Hauses, durch die geschickten Anordnungen unseres Botschafters, Herrn v. Keudell, in Rom zu Theil geworden, hat Herr Crispi hier leider nicht gefunden, wenigstens nicht eine solche, wie sie den sich immer intimer gestaltenden Beziehungen zwischen Deutsch - land und Italien entsprochen hätte. Bis jetzt wird Herr Crispi schwerlich mehr als den Eindruck eines Reisenden gewonnen haben, der die erwartete Equipage auf dem Bahnhofe einer ihm fremden Stadt nicht vorfindet. Herr v. Bennigsen, welchem der Besuch des Herrn Crispi wohl in erster Linie galt, war nicht in Berlin , so daß sein italienischer Gastfreund zuvörderst einen Ausflug nach Dresden machen konnte, um den Trauer- feierlichkeiten am dortigen Hofe beizuwohnen. Herr v. Bennigsen traf inzwischen hier ein und nahm, wenngleich ihn nicht aus- schließlich dieser Anlaß nach Berlin geführt hat, sofort die in- zwischen von anderer Seite eingeleiteten Arrangements in die Hand, um Herrn Crispi wenigstens einige Aufmerksamkeiten zu erweisen. Den Höhepunkt derselben bildete ein in einem hiesigen Restaurant stattgehabtes Diner, an welchem 60 70, darunter allerdings nur wenige durch Rang und Stellung hervortretende Personen theilnahmen. Das Auswärtige Amt war gar nicht vertreten, überhaupt kein Mitglied der Reichsbehörden und nur zwei preußische Beamte anwesend, vom Bundesrath die drei Vertreter Hessens, Braunschweigs und der Hansestädte. Ob der sonst im Rufe einer gewissen Unnahbarkeit stehende italienische Botschafter Graf de Launay in dem Menu Ersatz für die Zusammensetzung der Tafelgesellschaft gefunden hat, muß dahingestellt bleiben. Die letztere bestand fast ausschließlich aus liberalen und fortschrittlichen Abgeordneten, zwei oder drei Redakteuren, einigen Reportern u. f. w., so daß diese Mani- festatton einen etwas einseitigen Charakter hatte. Herr Crispi wird daher kaum in der Lage sein, eine richtige Auffassung über die hier für Italien herrschenden Gefühle mit nach Rom zu nehmen, ein Umstand, welcher, wie erwähnt, durch das leider wenig geschickte Arrangement herbeigeführt worden ist. Ange- sichts der Ehren, mit welchen Herr v. Bennigsen in Rom em- pfangen worden, ist es doppelt empfindlich, daß die Zahl der Herrn Crispi hier umgebenden politischen Nullen in dem ihm gebotenen Bilde der Einheit Deusschlands eine so be- deutende war." Schulze-Delitzsch , vr. Max Hirsch , Eugen Richter nahmen an dem Festmahl auch Theil. Schulze-Delitzsch hielt sogar in recht später Stunde noch eine Rede, die aber von keinem Anwe- senden, selbst vom Redner nicht, verstanden wurde. Daß die polittschen Nullen sogar gegen Frankreich toastirtEure Feinde sind unsere Feinde", gegessen und gettunken haben, setzt den Herren noch dazu die politische Schellenkappe auf. Ein verunglücktes Dementi. Die Berliner National- Zeitung" brachte eine Notiz, in welcher es hieß:Die angeb- liche Abcommandirung deutscher Militärärzte nach dem russisch - türkischen Kriegsschauplatz reduzirt sich darauf, daß eine Anzahl Wander ausreicht. Also Schlöffel's Thätigkeit im Gewerbeverein man sehe Stieber's Worte genau an bildete ein Jndi- cium zum Verdacht gegen Schlöffel, und dieses Jndicium zum Verdacht gegen Schlöffel macht den Verdacht rege, daß auch Wander der hochverrätherischen Verbindung nicht fremd sei. Eine scharfsinnige Begründung des Angriffs auf die Ehre der Slaatsbürger, auf den Frieden ihrer Häuser und ihre ver- sönliche Freiheit! Die schlimmste römische Kaiserzeit, die spanische und niederländische Inquisition mag so begründet haben. Mit diesen ihm völlig ausreichenden Gründen forschte Stieber bei Wander nach Schriftstücken, welche die Verdächtigung, eines Verdachts verdächtig zu sein, ins Licht zu stellen ver- möchten. Stieber suchte hinter Oefen und Schränken, in allen Wan - der'schen Rocktaschen, sogar in der Schlafrocktasche, er kehrte das Unterfutter einer einem Wander'schen Knaben gehörigen Mütze um, fand aber keine versteckten Papiere darin. Was er aber eigentlich eingesteckt und mitgenommen, ist nicht zu constatiren, denn er, der sich dabei rühmte, schon 3000 Haussuchungen vor- genommen zu haben, nahm nicht einmal ein Verzeichniß der mitgenommenen Gegenstände auf. Ein protokollarisches Verzeich- niß war aber nicht blos deshalb nöthig, um festzustellen, was gefunden worden, sondern auch zur Sicherung Wander's daß keine fremde, ihm nicht gehörige Schriften untergeschoben werden konnten. In Wander's Briefen fand Stieber, wie er Fol. 27 verso der polizeilichen Akten registrirt hat,schon beim ersten flüchtigen Blick neue Beweise für seine(Wander's) geheime Verbindung mit Schlöffel und für sein entschiedenes Bestreben, Unzufriedenheit mit den bestehenden Zuständen zu er- regen." Was würde von Stieber in dem Moment der Auf- regung über das Glück, ein zweiter Cicero, eine neue catilina - rische Verschwörung entdeckt und den Staat gerettet zu haben, nicht alles als herausgestellt angesehen worden sein? Und Stie- ber ließ eine Stunde nach der Schrift- Beschlagnahme Wander arrettren, alles auf seine eigene Verantwortung, unter seinem alleinigen Namen, ohne Zuziehung eines Richter's, ohne erficht- liche Gefahr im Verzuge. Der Richter war aber nahe bei der Hand, zwei Häuser von der Wander'schen Wohnung entfernt. Als Wander's Papiere zwei Tage später von dem Regie- rungsrath v. Moringen , der, wie es scheint, zur Unterstützung Stieber's von der Königl. Regierung zu Liegnitz hierher gesandt von Militärärzten einen Urlaub auf unbestimmte Zeit nach­gesucht und erhalten hat." Darauf antwortet die Berliner Tribüne", gegen welche dieser Versuch eines Dementis gerichtet war, mit folgender interessanten Enthüllung: Wir hatten auf Grund verläßlichster Privatmittheilungen gemeldet,� daß die erste und ursprüngliche Benachrichtigung an die betreffenden Militärärzte in Form einer kriegsministeriellen Ordre erfolgt sei. Der Gewährsmann derNattonal- Zeitung" seinerseits sucht dieangebliche Abcommandirung"(von der mit keiner Silbe gesprochen worden) auf eingereichte und bewilligte Urlaubsgesuche zureduziren". Wir werden dadurch gezwungen, nochmals kurz auf die sache zurück zu kommen, nicht weil wir ihr einen be; anderen Grad von prattischer Wichtigkeit beilegen, als vielmehr, weil uns die Art und Weise befremdlich scheint, in der man hier einen Hergang, für den die Beweise jeden Augenblick zu erbringen sind ohne ersichtlichen Grund zu verschleiern sucht.... Thatsächlich steht nämlich fest, daß vor kürzerer Zeit an, wenn wir recht berichtet sind, fünfzehn Militär- ärzte der hiesigen Garnison eine kriegsministerielle Verfügung erging, etwa folgenden Inhalts:Auf Allerhöchsten Spezial- befehl hat sich der Oberstabs- bezw. Stabsarzt N. N. bereit zu halten, sofort auf den Kriegsschauplatz nach Bukarest zu gehen." Es erfolgten Rückfragen von Seiten der Empfänger dieser unerwarten Verfügung, es wurden hier und da Einwendungen gegen dieselbe erhoben, bis nach einiger Zeit eine zweite Ver- ordnung dahin erging, daß die erste Verfügungeinstweilen" sistirt werde. Es sei den Herren Aerzten überlassen, ihre etwaigen Gesuche um Beurlaubung auf den russisch - türkischen Kriegsschauplatz dem Kriegsministerium einzureichen und das Weitere zu gewärttgen. Bei dieser Verfügung hat es denn sein Bewenden behalten, doch ist, wie wir glaubwürdig hören, die Zahl der Bewerbungen auch nicht annähernd in dem Umfange erfolgt, als man nach Maßgabe der ursprünglich erlassenen Borbereitungsordre" höheren Orts angenommen und vielleicht gewünscht hat. Vergleicht man diese Darstellung, für deren Richtigkeit die Beweise uns zur Hand sind, mit der oben er- wähnten Zuschrift an dieNational-Zeitung", so wird man er- messen, auf welche Bedeutung das versteckte und unsichere Dementi in derselben zureduziren" ist. Es bleibt also dabei, daß Deutschland dem großen Mörder in Bulgarien allerlei Gefälligkeiten erzeigt. Der Oktobercongreß zur Bekämpfung der So- zialdemokratie" so lautete die Tagesordnung einer Ber liner Stadtbezirksversammlung, in welcher kürzlich Dr. Max Hirsch referirte. Es wird hier also ganz nackt ausgesprochen, daß der bevorstehende Congreß zu Gera , zu welchem die deutschen Liberalen und die deutschen Arbeiter(er hat ja wohl den Titel: Arbeitercongreß) eingeladen sind, keinen andern Zweck hat, als den, die Sozialdemokratie zu bekämpfen. Letzterer wird von den Gegnern immer vorgeworfen, sie negire blos, sie strebe nichts Positives an; natürlich ist dieser Vorwurf unbegründet. Aber jene Herren gestehen selbst ein, daß sie Arbeitercongresse lediglich zu zerstörender Thätigkeit einberufen, lediglich zur Be- kämpfung eines Prinzips, daß sie nichts schaffen und aufbauen können und wollen. So entpuppen sich diese.Volksbeglücker" immer mehr als Agenten der herrschenden Macht. Daß sie bei ihrem Gebelfer gegen die Sozialdemokratie eine zweifellose Aehnlichkeit haben mit den Möpsen, die den Mond anbellen, das sieht jeder Unbefangene längst, nur sie selbst in ihrer MopS- eitelkeit merken es nicht. Die Prophezeiungen unserer Regierungsfreunde, daß Elsaß-Lothringen in kurzer Zeit wiederregermanisirt" werde, erleiden bei den Militärersatzgeschästen immer einen harten Stoß; dahingegen erhalten durch dieselben jene Ansichten Unterstützung, welche die Annexion von Elsaß-Lothringen für ein Unheil Deutschlands erklärten. Auch die letzte Militäraus- Hebung führt uns sehr bezeichnende Ziffern vor die Augen: Die Zahl der Militärpflichtigen belief sich auf 34,129. Von diesen konnte bei 7184 der Aufenthaltsort nicht ermittelt werden. 1505 waren verzogen, unentschuldigt blieben 7044 aus. Als Drei-, Bier- und Einjährig-Freiwillige traten 1374 ein. Wegen Unwürdigkeit tonnten 12, wegen dauernder Unbrauchbarkeit 2713 nicht ausgehoben werden. Der Reserve 1. Klasse wurde» 1112, der Reserve 2. Klasse 377 überwiesen, während 8343 auf ein Jahr zurückgestellt werden mußten. Ausgehoben und einzelnen Truppentheilen zugewiesen wurden 4381. 226 Elsäßer und 87 Lothringer wurden zur Garde eingestellt. Gesuche zur Zulassung worden, geprüft waren, wurde Wander, der Verschwörer, nach dreitägiger Haft, und nachdem man ihm zu Protokoll vom 17. März d. I. auf alle Weise bedeutet hatte, wie die Schritte fjigen ihn sogar überaus gerechtfertigt gewesen seien, wieder auf reien Fuß gesetzt. Die Akten wurden zwar nach der von dem Königl. Kammergericht zur Untersuchung der hochverrätherischen Verbindung hierher gesandten Commisston vorgelegt; sie fand aber den Stieber'schen Verdacht gegen Wander unbegründet. Es hatte sich demnach nichts herausgestellt, was Stieber als so fest bestehend ansah, daß er darauf hin die persönliche Frei- heit eines Bürgers zu beschränken unternahm. Eine» Andern würde ein solches Resultat etwas bedenklich Semacht haben, Stieber nicht. Er konnte sich nicht getäuscht aben; Wander war in Stieber's Phantasie einmal ein Ver- brecher, ein diesmal ihm glücklich entgangener Verbrecher, aber entgangen bloß in der Hauptsache. Außerdem war es noch- wendig, die Aufsehen erregenden Schritte doch einigermaßen, wenn nicht zu rechtfertigen, doch weniger bodenlos erscheinen zu lassen. Stieber wollte beweisen, daß, wenn Wander auch kein formell antastbarer Verschwörer und Hochverräther, doch durch Erregung von Mißvergnügen ein Voroereiter des Hoch- verraths, daß wenn nicht das Verbrechen vollendet, doch der Wille vorhanden und der Anfang dazu bereits gemacht gewesen sei. Die Thätigkeit Wander's im hiesigen Gewerbeverein mußte das Mittel zu seiner weiteren gerichtlichen Verfolgung geben. Hatte Stieber den Gewerbeverein doch schon vom Anfang an als Mittel für die Verbreitung der hochverrätherischen Berbin- dung angesehen, dessen Haupthandhaber Schlöffel und Wander gewesen sein sollten. Ueberdies war der Verein, und besonders Schlöffel's und Wander's Thätigkeit darin, schon einmal denun- cirt worden. Die damals von dem Präsidenten der Königl. Regierung zu Liegnitz eingesehenen, im Gewerbeverein gehaltenen Vorträge Wandels waren von neuem mit seinen übrigen Pa- pieren mit Beschlag belegt worden; sie lagen Stieber noch vor. Er begründete darauf seine gegenwärtige Denunciation. Es bestand nämlich ein Berein schon seit Jahren in Hirsch- berg, und zwar als Gewerbeverein d. h. als ein Verein, in wel- chem von sachkundigen Leuten des Orts vor einer meist aus Gewerbetreibenden bestehenden Zuhörerschaft gewerbwissenschaft- liche Vorttäge zur Belehrung gehalten wurden. Er bestand mit ortspolizeilicher Erlaubniß und mit Genehmigung der Königl.