In Erwägung, daß derselbe in seinen Reden und nament- lich in derjenigen vom dreiundzwanzigsten Juni zu Malstatt , zu Omerschied vom ersten Juli und zu St. Johann vom achten Juli, die Arbeiter nicht blos zum Haß, sondern auch direkt und indirekt zu Gewaltthätigkeiten gegen die Arbeitgeber resp. die besitzenden Klassen der Bevölkerung angereizt hat, indem er am dreiundzwanzigsten Juni äußerte:„die Arbeiter müßten aufhören, den Arbeitgebern zu gehorchen und mit vereinten Kräften sich einen höheren Lohn erzwingen." Daß derselbe zwar der letzteren Aeußerung das Wort„mo- ralisch" hinzugesetzt hat, und behauptet, dieses Wort ernstlich und um jede Ungesetzlichkeit durch Gewalt auszuschließen, gebraucht zu haben; daß aber nach der Aussage sämmtlicher darüber ver- n�mmenen Zeugen, namentlich der Zeugen Wirtz und Reuß, das Wort moralisch von Kaulitz nur mit einem ironischen Lächeln hinzugefügt und derartig betont worden ist, daß der Sinn dieser Aufforderung nur als ein entgegengesetzter und auf Anwendung von eventueller Gewalt gerichteter von den Zeugen aufgefaßt worden ist; In Erwägung, daß die Absicht des Beschuldigten, die arbei- tende Klaffe zu Gewaltthätigkeiten gegen die Wohlhabenderen und höher Gestellten anzureizen, auch zweifellos aus den in seiner Rede vom ersten Juli bei dem zwischen den schlichten Wohnungen der Bergarbeiter und den prächtigen Wohnungen der Beamten vorgenommenen Vergleiche gebrauchten Aufforderung:„Nieder mit den Palästen" hervorgeht, und seine Ausrede, daß dieser Ausdruck nur bildlich gebraucht sei, durch seine, dem Zeugen Haßlacher auf dessen Interpellation gemachte Erwiderung, daß er auch selbst vor den äußersten Consequenzen seiner Auffor- derung nicht zurückschrecke, auf das unzweideutigste widerlegt wird; In Erwägung, daß diese Aufreizung zu Gewaltthätigkeiten ihre fernere Bestätigung findet in den Aeußerungen des Kaulitz vom achten Juli, dahin gehend:„daß man bisher mit gesetzlichen Mitteln vorangegangen, daß, wenn aber der Arbeiter noch mehr zum Sklaven herabgedrückt würde, man alsdann die Arbeitgeber rücksichtslos an den Pranger stellen und sie von ihrer Höhe her- unterreißen wolle", daß die Gegenüberstellung des Vordersatzes, wo vom bisherigen Gebrauch gesetzlicher Mittel die Rede war und des Nachsatzes, der über Androhungen von Enthüllungen gegen die Arbeitgeber spricht, als nicht logisch erscheint, und auch dem Zeugen Nepilly der Eindruck geworden ist, daß hier die Gegenüberstellung bisheriger gesetzlicher Mittel und demnächstiger roher Gewalt beabsichttgt war; daß diese Intentionen des Redners ihre fernere Bestätigung finden in seinen Worten:„man werde den Kämpf bis auf's Messer führen", und wie er in einer der bei ihm in Beschlag genommenen Correspondenzen an Hacken- berger schreibt:„man werde demnächst an dem Gegner blutige Rache nehmen". Ferner in dem gemachten Vergleiche hiesiger Verhältnisse mit denen in Bremen , Ostpreußen , Hannover , wo angeblich Arbeitgeber nicht mehr ihre Wohnung verlassen dürften, weil sie sich durch ihr System ein rachebrütendes Volk er- zogen; In Erwägung, daß demnach die Zuwiderhandlungen gegen den Paragraphen einhundertunddreißig des Straf-Gesetz-Buches erwiesen sind, da jene Anreizungen bei der durch sämmtliche Zeugen bekundeten gewaltigen Aufregung, welche namentlich bei der Versammlung vom dreiundzwanzigsten Juni durch diese Re- den bei den Arbeitern bewirkt und welche zu momentanen Ge- waltthätigkeiten auszubrechen drohte— den öffentlichen Frieden in bedeutender Weise gefährdet haben; In Erwägung, daß sodann der Beschuldigte Kaulitz sowohl in seinen verschiedenen Reden, als auch in den von ihm geschrie- denen respektive unter seiner Redaktionsverantwortlichkeit erschie- neuen Arttkeln in Numero eins und zwei der„Freien Volksstimme" durch erdichtete und entstellte Thatsachen wissentlich, daß sie ent- stellt waren, Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig- keit einer verächtlichen Beurtheilung und Kritik unterzogen und dadurch sich auch gegen den Paragraphen einhunderteinunddreißig des Straf-Gesetz-Buches vergangen hat; daß er namentlich am sechszehnten Juni den Krieg von ein- tausendachthundertsechsundsechszig als einen brudermörde- rischen bezeichnet, den Regierungen den Vorwurf gemacht, daß das Volk, wenn es auf den Schlachtfeldern sein Blut verspritzt, nachher ohne Berücksichtigung seiner Bedürfnisse über Bord ge- warfen werde; sodann, daß die Regierung nichts für das Loos der Arbeiter thue, während ihm bekannt sein mußte, daß zur Zeit seiner Rede, namentlich in hiesiger Gegend, vielfache öffent- liche und zahlreiche Arbeiter beschäftigende Staatsbauten in An- griff genommen und im Interesse der Arbeiter in größerem Maßstabe zur Zeit betrieben wurden; daß er ferner gesagt,„in den Kriegen von eintausendachthundertvierundsechszig bis ein- tausendachthunderteinundsiebenzig seien Hunderttausende hinge- Politische Gefangene in Frankreich . Es ist eine bekannte Thatsache, daß in keinem Lande der Welt, das erbfreundliche Knutenland ausgenommen, die politi- schen Gefangenen so unwürdig behandelt zu werden pflegen, wie in Deutschland . Die Aale, meinte die Köchin, haben sich daran gewöhnt, daß ihnen die Haut abgezogen wird— es thut ihnen nicht mehr weh. Jedenfalls haben wir Deutsche uns an Dinge gewöhnt, die ebenso schlimm sind, und leider ist uns vielfach die Fähigkeit, das Unwürdige zu fühlen, abhanden gekommen. Selbst da, wo die Behandlung unserer politischen Gefangenen am besten ist, involvirt sie noch so viel unnöthige Beschränkungen und Unannehmlichkeiten jeder Art, daß z. B. ein Bürger des von unseren Culturkämpfern als reaktionäres Pfaffenland verschrieenen Frankreich erstaunt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Er kann, in Hinblick auf die Praxis in seinem Äaterlande, diese Scheerereien einfach nicht begreifen. Und allerdings ist in der Behandlung der politischen Gefangenen diesseits und jenseits des Rheins ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Man ver- gegenwärtige sich die deutschen Gefängnißzustände und lese fol- g'.'.de Schilderung eines französischen Correspondenten der„Frank- furter Zeitung"(datirt Paris , 12. Dezember): Einer der vielen Tage, da ein Ministerium geboren zu werden drohte und nicht zur Welt kam, war durch einen Besuch nach Sainte-Pelagie nicht unnütz angewandt. Das vielgenannte Ge- fängniß liegt aus dem linken Ufer, unweit der Statue Voltaire's, die man auf einen etwas abgelegenen Platz hat setzen müssen, weil die Priester den Feind ihrer Kirche nicht an vielbesuchter Stelle sehen mochten. Die Anstalt ist ein sehr großer Bau und der Zweck läßt sich an den regelmäßigen schmalen Fenstern schon von außen leicht erkennen. Um die Abtheilung der politischen Gefangenen zu betreten, muß, etwas umständlich, zuerst eine schriftliche Anmeldung er- folgen. Alsdann wird der Bittsteller, ist das Gesuch genehmigt worden, in ein Buch eingetragen und es genügt nun zum Ein- tritt die Nennung des Namens. Ich suchte zwei der politischen Gefangenen auf, an welche ich empfohlen war. Günstiger Weise traf es sich, daß das Zimmer des Einen als das beste des mordet, weil man dem Volk„Beschimpfungen", die in Wirklich- keit nicht stattgefunden, vorgelogen; daß man aus den Mil- liarden den Generalen Dotattonen gegeben und für die verkrüp- pelten Krieger aus dem Volke nichts übrig gelassen, als die Drehorgel und den Bettel, während er bei dem Grade seiner Ausbildung von der thatsächlichen Unrichtigkeit dieser seiner Be- hauptungen und namentlich von der Existenz eines sämmtlichen Invaliden zu Gute kommenden Penfionsgesetzes respektive Pensionsfonds überzeugt sein mußte, daß also seine Behauptungen als grobe Erdichtungen und Entstellungen betrachtet werden müssen; daß auch die ferneren Voraussetzungen des Paragraphen ein- hunderteinunddreißig zutreffen, da die Penfionsbestimmunzen und Kriegserklärungen offenbar als Staatseinrichtungen respektive Anordnungen der Obrigkeit zu betrachten sind; In Erwägung, daß Kaulitz auch in den bereits erwähnten Artikeln der„Freien Volksstimme", namentlich in dem Artikel: „Wohin treiben wir" über die geführten Kriege und die Folgen derselben höhnisch kritisirende und verächtlich machende Aeuße- rungen, unter Anderem mit den Zusätzen:„die Milliarden seien verpulvert, die Kriege vom Zaun gebrochen" und dergleichen gemacht; daß er ferner in dem Artikel:„Rußland , Borußland, Knutenwirthschaft" durch die Anzweifelung, ob in Preußen für den ruhigen Bürger noch Rechte und Gesetze existiren, die Strafjustiz öffentlich verdächtigt und also auch hierdurch den Para- graphen einhunderteinunddreißig verletzt hat; In Erwägung, daß Kaulitz sodann, immer kühner werdend, in einer Versammlung vom ersten Juli zu Quierschied , welche zum größten Theile aus Arbeiterbevölkerung bestehend, laut Aus- sagen der Zeugen Haßlacher, Breuer, Köhl und des von dem Erstgenannten zu den Akten erstatteten und von ihm eidlich be- stätigten Berichtes sogleich beim Beginn seiner Rede an die ver- sammelten Arbeiter die Worte gerichtet hat:„Arbeiter, tretet mit mir ein in die Bataillone der Revolution" und ferner: „Schaaret euch um die rothe Fahne, unter deren Banner wir siegen werden", daß unter dem Ausdrucke„Revolution" die ge- walffame massenweise Auflehnung gegen bestehende Verfassungen, Staatseinrichtungen und Gesetze verstanden werden muß und in dem Worte„Bataillone" militärisch geordnete bewaffnete Massen, daß also in dieser Provokatton, welche öffentlich vor einer Men- schenmenge geschah, in der eklatantesten und aufrührerischsten Weise zum Ungehorsam gegen bestehende Verfassungen und son- stige Gesetze, welche dem System der Partei entgegenstehen, auf- gefordert, und somit von dem Beschuldigten Kaulitz der Para- graph einhundertundzehn des Strafgesetzbuches evident ver- letzt ist; In Erwägung, daß die Ausrede des Beschuldigten, jene Worte nur in der Erregung des Augenblicks und nur bildlich gebraucht zu haben, um deswillen keine Berücksichtigung ver- dient, weil jene Worte, wie bereits erwogen, sogleich beim Be- ginn der Rede, also präsumtiv mit vorheriger Ueberlegung und bestimmter Tendenz gesprochen sind und diese Annahme auch in der bereits angeführten Erwähnung der rothen Fahne, welche notorisch als das Symbol des Aufruhrs gilt, und nach der eigenen Erklärung des Kaulitz das Symbol seiner Bestrebungen ist,— ihre Bestätigung finden muß. (Fortsetzung folgt.) Sozislpslitijche Ueberftch�. — Ein sehr vernünftiger Vorschlag. Die Agrarcom- Mission im preußischen Abgeordnetenhause beantragt(Bericht- erstatter Freiherr v. Schorlemer-Alst) aus Anlaß verschiedener Petitionen:„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die königliche Staatsregierung in Aufrechthaltung des Beschlusses vom 1. Juni 1875 aufzufordern, dem Landtage in der nächsten Session eine Gesetzesvorlage zu machen, wonach das Schwarz- wild unter die Kategorie der schädlichen Raubthiere gesetzt werde, welche Jeder auf seinem Grundstücke erlegen darf, mit der Berechtigung, die erlegten Stücke zu behalten und für sich zu verwerthen."— Wer da weiß, welche Ver- Wüstungen die Wildschweine in einigen Gegenden Westphalens und Rheinlands seit mehreren Jahren angerichtet haben, der muß ein solches Gesetz im Interesse der dortigen Bevölkerung mit Freuden begrüßen; ganz abgesehen davon, daß dann vielleicht auch einmal ein Proletarier, der auf seinem kleinen Grund- stück eine solche Bestie unschädlich machte, ein Stück safttgen Wildschweinsbraten erhielte.— Der obige Antrag der Agrarcom- Mission wird jedenfalls vom Abgeordnetenhause angenommen werden; ob aber die Regierung ihm �zustimmen wird, ist mehr als zweifelhaft. Es ist nämlich«schon manchmal vorgekommen, daß das Vergnügen der hohen Herren über das Wohl des Volkes gesetzt worden ist. Hauses, dasjenige des Andern als das geringste bezeichnet wird, so daß also keine Gefahr ist, die Wohnungen insgesammt nach einem zu guten oder zu schlechten Muster irrig zu taxiren. Das erstgenannte Zimmer ist sehr bequem, groß und ziemlich hoch. Zwischen dem Mobiliar, das aus Tisch, Bett, Kleider- schrank und Büchergestell besteht, läßt es noch freien Raum genug übrig. Ein breites Kamin sorgt für die Heizung, zwei Fenster geben reichlich Licht. Die Aussicht freilich bietet wenig Ver- lockendes, denn in der Straße ist nicht viel Bewegung. Der Gefangene hat aber das Zimmer gewählt, weil es geräumig ist, und die Fenster nicht oben an den Wänden als Gucklöcher, son- dern wie gewöhnliche Zimmerfenster angebracht sind. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Derjenige, der in das Gefängniß kommt, wählt von den freien Zimmern dasjenige, welches ihm am besten gefällt. Der Gefangene hatte Frau und Kind bei sich. Nicht zu aus- nahmsweisem Besuch etwa, wie man in Deutschland denken möchte. Die Familie eines polittschen Gefangenen in Sainte- Pelagie darf ihm tagtäglich Gesellschaft leisten von Morgens bis des Abends um 4 Uhr. So ist der Gefangene des Familien- lebens nicht beraubt. Die Frau, die ihm nahe zu sein wünscht, miethet sich in der Umgebung ein, in diesem, weit vom wogenden Leben der Hauptstadt mehr entfernten, daher auch billigeren Quartier. Sie kann so das Essen bereuen und gemeinsame Mahlzeit halten. Daß Vater und Mutter im Zimmer mit den Kindern spielen, sich die Zeit vertreiben, wie sie wollen, dagegen wendet Niemand etwas ein. Der Gefangene verfügt über den Raum, wie er will. Schon um dieses Vorzugs willen ist die Gefangenschaft für verheirathete Männer viel milder, als die in den deutschen Gefängnissen. Unverheirathete hingegen finden eine Annehmlichkeit darin, daß sie ihre Besuche— immer vor- ausgesetzt, daß dieselben der Direktion nicht verdächtig sind,— zu jeder Stunde und von keinem Angestellten beaufsichtigt, em- pfangen können. Das Zimmer, welches man mir am wenigsten rühmte, ist ebenfalls von ziemlicher Länge und Breite, aber niedrig, einige Treppen weiter oben im Hause und es empfängt das Licht durch zwei kleinere Fenster, die nahe an der Wand angebracht find. — Conservative und Liberale überbieten sich in der Gesetzgebung an Humanität— natürlich nur auf Kosten An- derer. Beklagen die Conservativen die armen Fabrikarbeiter, so beklagen sofort die Liberalen die armen Dienstboten und Land- arbeiter. Beide natürlich mit vollem Recht; wenn nur auch die Conservativen für die Unterdrückten des Grundbesitzes eintteten wollten? Statt dessen versuchen letztere im preußischen Herren- hause die Polizeigewalt gegen das„Gesinde", welches wi- derrechtlich den Dienst verläßt, in althergebrachter Weise aufrecht zu erhalten und bereiten einen diesbezüglichen Antrag vor, dem sie folgende Motive beifügen: „Nach Emanation des Competenzgesetzes wird man an die Frage herangedrängt, ob ein Amtsoorsteher, der sofort die Zu- rückführung des conttactbrüchigen Gesindes in den früheren Dienst durch Zwang bewirkt, sich eines Amtsmißbrauchs schul- dig macht und der im§ 339 des Strafgesetzbuchs vorgesehenen Strafe verfällt. Scheint diese Frage aber nur affirmativ beant- wortet werden zu können, dann bleibt dem Amtsvorsteher in Abweichung von den Gesindeordnungen weiter nichts übrig, als dem conttactbrüchigen Gesinde bei Vermeidung einer Geld- evt. Haftstrafe, aufzugeben, binnen einer bestimmten Frist in den Dienst zurückzukehren. Nach Ablauf der Frist kann erst die Fest- setzung der Strafe erfolgen. Gegen solche Verfügungen steht aber jetzt der Partei nach§Z 30, 31 des Competenzgesetzes die Beschwerde, bezw. die Klage binnen 21 Tagen zu. Vor Ablauf dieser Frist läßt sich eine Execution nach§ 36 nicht rechtfertigen. Zudem können Geldbußen meist nicht beigetrieben werden, die Haft darf erst nach Ablauf der Frist oder nach rechtskräftiger Entscheidung vollstreckt werden. Es wird sich schwer verkennen lassen, daß diese formellen Befugnisse des Amtsvorstehers in Ge- sindesachen der nothwendigen praktischen Bedeutung, der erfor- derlichen Kraft vollständig entbehren, denn eine polizeiliche Exe- cution, die mindestens 21 Tage, im Falle der Beschwerde oder Klage aber noch viel länger suspendirt bleiben muß, ist auf diesem Gebiet in der That so gut wie gar keine. Anderweite nachhelfende Bestimmungen über die Gesindepolizei enthalten die nxuen Gesetze nicht. Wenn aber die allgemeinen Bestimmungen des Competenzgesetzes sich den besonderen Verhältnissen und Be- dürfnissen des Gesindewesens nicht anpassen, dann erscheint es unabweislich, spezielle, der eigenthümlichen Natur des Gesindedienstwesens entsprechende Normen für den Geltungsbereich des Competenzgesetzes sobald wie möglich aufzustellen."— Daß man von Seiten der preußischen Herrenhäusler auf ein Contractbruchgesetz spekulirt, ist ja bekannt und dürfte der An- trag in Bezug auf die Gesindeordnung ein bedeutsamer Fühler sein, der ausgestreckt wird.— Unverantwortlich frech aber ist das Ansinnen der hochadligen Herren, dem Amtsvorsteher das Recht zu belassen oder zuzuerkennen,„die Zurückführung des conttactbrüchigen Gesindes in den früheren Dienst durch Zwang zu bewirken." Kann denn der Amtsvorsteher wissen, wer den Contract gebrochen hat, der Kutscher oder der„gnädige Herr", die Dienstmagd oder die„gnädige Frau?" Gewiß verfällt der Herr Amtsoorsteher in Preußen später dem Strafrichter, wenn er sein Amt mißbraucht und den hohen Herren das von ihnen maltraitirte entlaufene Gesinde durch Zwang zurückführt. Wir wissen wohl, weshalb sich die Herren Junker vor dem neuen Gesetze so sehr fürchten. Gaben sie früher ihrem Knechte eine Ohrfeige oder mißhandelten sie gar denselben und der Freche lief fort, so brachte ihnen die Polizei den Burschen wieder in's HauS; er konnte sich ja beschweren. Hatte man ihn aber wie- der im Hause oder im Dienste, so würden die Störrigen mit Geld und Versprechungen zahm gemacht, die Verdutzten aber er- hielten neue Prügel, so daß sie den Beschwerdeweg vergaßen. Daß hört nun auf— außerhalb des Dienstes kann das Ge- richt angerufen werden, und so möchte später manchem Herren- Häusler oder mancher Herrenhäuslerin die Ohrfeige oder die Mißhandlung noch thcuer zu stehen kommen, ganz abgesehen da- von, daß bei der Oeffentlichkeit der gerichtlichen Verhandlungen auch manche junkerliche Brutalität dann später an den Pranger gestellt werden wird. — Wir loben gern, wenn etwas zu loben ist, selbst bei unseren Gegnern. So bringt der„Gewerkocrein" eine mit einem — t. unterzeichnete, also von einem nicht der gewöhnlichen Mit- arbeiter verfaßte Notiz, die folgendermaßen lautet: „In der Borsig'schen Maschinenbau- Anstalt(Seehandlung) hat der Uebergang der Lieferung von Raschinen für die Ber - lincr Kanalisation von Hennigs(früher Union ) auf Borsig(Sub- missionspreis circa 290,000 M.) wenigstens in einige Werkstätten etwas Leben gebracht, während es sonft noch sehr still ist. Uebrigens machen sich nach Aussage Sachverständiger jetzt die Folgen der langen Geschäftsflaue gerade bei der Uebernahme neuer Arbeiten in recht bedenklicher und störender Weise be- Als Familienaufenthalt böte es weniger Annehmlichkeit. Die Aussicht, wenn man den Kopf hinaussteckt, ist allerdings sehr schön; der Gefangene sieht über einen großen Theil der Stadt Paris weg. Die Gefangenen können dreimal des Tags je zwei Stunden im Hofe zubringen; sie haben also sechs Stunden für die Be- wegung in freier Luft. Und es muß deutlich bemerkt werden, daß sie im Hofe nicht mit anderen Delinquenten zusammentreffen. Die Abtheilung, in der sich die politischen Gefangenen befinden, bildet einen eigenen Pavillon des ganzen Gefängnisses, �der gegen die anderen Theile vollständig abgeschlossen ist. Die Sttafe, sich in die Gesellschaft von Hehlern, Betrügern und Dieben gebracht zu sehen, oder, was weniger widerwärtig, aber betrübender, die unerwachsenen Jungen betrachten zu müssen, für welche der deutsche Staat keine eigenen Gefängnisse hat und die in der Besserungsanstalt, so oft ein Wärter den Rücken dreht, die Spitz- bubengeschichten der Gewohnheitsschelme zu hören bekommen,— diese Strafe, sage ich, bleibt den Gefangenen von Sainte-Pelagie erspart. Auch davon weiß man hier nichts, daß außer den Freistunden das Zimmer zugeriegelt wird. Jeder darf den Tag über beliebig oft von einem Zimmer zum andern gehen und sich mit den Schicksalsgenossen unterhalten. Ein Verbot dieser oder jener Zeitung giebt es nicht. Der Gefangene liest, was er will. Die Herren waren verwundert, als ich sie fragte, ob die Lektüre ihnen frei stehe. Au ch die Beschrän- kung, daß zu bestimmter Nachtstunde das Licht gelöscht werden muß, besteht mcht. Besondere Verwunderung aber erregte meine Frage:„Ich sehe Sie hier in Ihrem gewöhnlichen Bürgerkleide; find Sie nicht gehalten, das Gefängnißkleid zu tragen?" „Was verstehen Sie unter dem Gefängnißkleid, diesen Hausrock?" „Nun, die Gefangenen tragen doch wohl besondere Kleider, man scheert ihnen auch den Bart und die Haare."— „Gewiß, aber wir sind ja politische Gefangene." Ich mochte nicht sagen, daß ein preußischer Minister die po- litischen Gefangenen den Verbrechern gleichgestellt hat, daß an-
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2 (21.12.1877) 149
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