schreibt:Nach einjähriger Gesängnißhaft sollte unser Genosse Julius Dolinski am 20. April das idyllische Plötzensee vor- läufig verlassen, weil die gegen ihn nachträglich erkannten Strafen noch nicht rechtskräftig find. Er und wir hofften dies um so mehr, als Dolinski während seiner langen Haft ganz bedenklich an seiner Gesundheit gelitten hat und er gegenwärtig im Lazarethe liegt. Thörichter Wahn; heute früh erfuhren wir, daß er aus der Haft nicht entlassen wird, sondern im Gegentheil wieder nach der Stadtvoigtei in Untersuchungshaft gebracht werden soll! Eine persönliche Vorstellung bei dem Stadtgerichts- direktor Herrn Reich ergab bloS, man möge vorläufig, auf ein ärztliches Attest gestützt, die Freilassung gegen 3000 M. Kaution einmal beantragen, andererseits würde Dolinski, wenn seine Krankheit ärztlich nachgewiesen, in die Krankenanstalt überführt werden. Gewundert haben wir uns über diese neueste Er- fahrung im Gebiete des Strafverfahrens gegen Sozialdemokraten nicht, uns ist heute eben Alles begreiflich; die Wogen der reaktiv- nären Strömung haben längst den letzten Damm vergangener freiheitlicher Regung hinweggcschwemmt. Wenn unser Genosse Dentler auf Lebensgefahr in der Gefängnißzelle behalten und dann als Gefangener todtkrank nach der Charrtä gebracht wird, trotzdem 11 Tage zuvor ein Medizinalrath im Anschluß an frühere Atteste bekundet, die Gesängnißhaft müsse dem Kranken den Tod bringen; wenn unser Genosse Finke fünf Monate in Untersuchungshaft fitzt und ihm in der Appellinstanz, trotzdem das erstinstanzliche llrtheil auf Grund des Gesetzes geändert wurde, diese Untersuchungshast nicht angerechnet wird, ist es denn da nicht natürlich, daß Dolinski von Plötzensee nach dem Molkenmarkt   geschafft wird, um dort abzuwarten, bis seine Strafe rechtskräftig� wird? Und wenn sein kranker Körper dadurch, daß er aus der Zelle am Plötzensee in die dumpfe, miasmen- schwangere Zelle am Molkenmarkt   geworfen wird, auch noch so sehr leidet, die Reaktion hat höhere Ziele, als sich darum zu kümmern." Und wohlgemerkt, noch ist die Reaktion nicht am Ziele; ihre Wünscbe steigern fich und unverhohlener als je zuvor läßt fic die Abficht durchblicken, nach Möglichkeit die absolute Herrschast einzuführen und dem Volke neben Aufbürdung aller erdenklichen finanziellen Lasten ein Recht nach dem andern zu schmälern oder wohl gar ganz zu rauben. Aber daß die reaktionären Bäume nicht in den Himmel wachsen, dafür bürgt das wachsende Ber langen des arbeitenden Volkes nach politischer Freiheit und ökonomischer Gleichheit. Und je stärker der Druck von Oben, je mächtiger bekanntlich der Gegendruck von Unten. Nach Berichten aus Christiania  (Norwegen  ) sollen dort Arbeiterunruhen stattgefunden haben. Ursache Lohn- reduktionen, mit denen mehr-re Fabrikanten den Arbeitern wahr- scheinlich eine Osterfreude bereiten wollten. 5 6000 Menschen sollen sich in der Absicht zusammengerottet haben, die Fabriken der betreffenden Fabrikanten zu demoliren. Das Alles ist zu lesen m Bourgeoisblättern; da dieselben aber in der Regel das Blaue vom Himmel hcrunterlügen, wenn es gilt, gegen die Ar- beiter zu Felde zu ziehen, so wird wohl ein Genosse in Norwegen  die Freundlichkeit haben, uns Genaueres über dieUnruhen" mitzutheilen. In den englischen Baumwollendistrikten sind 45,000 Arbeiter mit ihren Familien, zusammen 120,000 Per- sonen, von den Fabrikanten zum Strike gezwungen worden. Die Fabrikanten, in deren Interesse es ist, daß die aufgespeicherten und entwertheten Vorräthe gelichtet werden, provozirten die Arbeitseinstellung durch die Forderung einer Lohnreduktion von 10 Prozent. Die Arbeiter wären in Anbetracht der schlechten Zeiten vermuthlich darauf eingegangen, wenn sie eine Garantie gehabt hätten, daß nicht sofort eine weitere Reduktion folgen würde. Da diese Garantie nicht gegeben, im Gegentheil sehr bezeichnend von der Unmöglichkeit eines dauernden Abkommens gesprochen ward, so entschlossen sich die Arbeiter zum Aeußersten und legten die Arbeit nieder. Und die Bourgeoisblätter gestehen jetzt cynisch ein, daß den Fabrikanten mit diesem Strike ein Gefallen geschehen sei. Daß ein Strike provozirt Ward, anstatt die Arbeitszeit ab- zukürzen wodurch in Bezug auf die Beschränkung der Pro- duktion das Nämliche erreicht worden wäre ist dem Einfluß der Großfabrikanten zu verdanken, die genau wissen, daß ein längerer Strike die kleineren Fabrikanten zu Grunde richtet, während bei sdort time(kurzer Arbeitszeit) die Großen mindestens ebenso leiden, wie die Kleinen. Die Herren Groß- i fabrikanten machen mit diesem Strike also ein doppeltes Geschäft. Das unsägliche Elend, das über Hunderttausende von Arbeitern gebracht wird denn die Zahl der Strikenden wird fich un- j zweifelhaft noch vermehren stört natürlich nicht den Schlummer und die Freude der Herren Bourgeois. Wir fragen aber: kann man sich widerfinnigere, gemeinschädlichere, demoralisirendere Zustände denken? In nächster Nummer bringen wir einen ausführlichen Bericht. Tie bodenlose Niedertracht der russischen Gewalt- Herrschaft wurde durch die jüngste Gerichtsverhandlung gegen die muthige Russin Vjera Sassulitsch, die bekanntlich frei- Sesprochen wurde, in ihrer ganzen Größe aufgedeckt. Man hreibt uns:DieNowoje Wremja"(Neue Zeit) läßt fich folgendermaßen aus: Nicht die Nihilistin Vjera Sassulitsch, sondern die geknebelte öffentliche Meinung ist frei geworden, und fügt hinzu:Nur die sinnlose Grausamkeit, mit welcher man 10 Jahre lang eine Unschuldige gemartert, konnte dieses schmäch- tige 27jährige Mädchen zu einem Mordversuch auf den all- mächtigen Liebling des Czaren, den Polizeichef Treppoff be- stimmen. Als Freundin der Schwester des politischenVer- brechers" Netschajeff wurde sie in Moskau   von der Schulbank in ein Petersburger Gefängniß geworfen, worin sie ohne Verhör in zweijähriger Einzelnhaft schmachtete. Wegen Mangel an Beweis entlassen, hat man sie in einigen Tagen ohne allen Grund in der Wohnung ihrer Mutter, einer Kapitänswittwe, wieder arretirt, um sie in Folge der sogenannten administrativen Verbannung acht Jahre lang von Ort zu Ort zu schleppen. Kaum hat sie in einer Stadt eine jämmerliche Lebensstellung errungen, so wurde sie polizeilich nach einer andern dirigirt. So gelangte sie per Schub nach achtjähriger Trennung zu ihrer Mutter nach Petersburg   zurück und die unwürdige Behandlung des eingekerkerten, ihr persönlich gar nicht bekannten Nihilisten Bogoljubow, die sie in der Zeitung las, reifte den längst ge- hegten Vorsatz zur That, den verhaßten Treppoff zu tödten. Unter dem Borwande einer Bitte um ein Sittenzeugniß behufs ihrer Anstellung als Hebeamme, erlangte sie eine Audienz bei ihm und jagte ilm in nächster Nähe eine Kugel aus einem sechsläufigen Revolver in den Unterleib. Der Polizeichef, von seiner Wunde genesen, erschien nicht bei der Gerichtsverhandlung, reiste aber, seines Amtes enthoben, zur völligen Herstellung seiner Gesundheit nach Odessa  . Als das Schöffengericht die Angeklagte Vjera Sassulitsch trotz aller gravirenden Judicien freisprach, erscholl ein minutenlanger Jubelruf. Das Volk hob sie in einen Wagen und lawinenartig wuchs ihre Begleitung. So wurde es der Polizei ein Leichtes, eine turbulente Straßen- scene herbeizuführen, wobei ein Student erschossen wurde und Vjera Sassulitsch, wahrscheinlich hinter den Mauern eines Ge- fängnisses, verschwand." So nimmt sich das Rußland aus, welches gegenwärtig im Orient inCivilisation" macht. Weiter: In der Universitätsstadt   Kiew   war gegen einen Staatsanwaltsgehülfen ein Mordversuch gemacht worden. Die Polizei fand bei einem Studenten einen Revolver, ergo mußte der Student der Attentäter sein er wurde verhastet. Nach dem einstimmigen Urtheil der Kameraden de« Verhafteten, die ihn als einen ruhigen und fleißigen Menschen schilderten, war ver Verhaftete unschuldig, sie versuchten.daher, ihn durch ein« Petition zu befreien. Für diese in Rußland   unerhörte Kühnheit wurde eine größere Anzahl der Petenten es heißt 140 relegirt und, wie es ferner heißt, sogar gefangen nach Moskau  gebracht. Offenbar mit dieser Verhaftung in Zusammenhang steht die folgende Depesche, welche aus Petersburg   kommt und vom 17. April datirt: Aus Moskau   eingetroffene Privatnachrichten melden: Bei dem am 15. April von 3000 Studenten und Arbeitern gemachten Versuche, die aus Kiew   eingetroffenen gefangenen Studenten zu befteien, wurden 12 Studenten getödtet, 25 verwundet und über 100 verhaftet." Auf alle diese brutalen Gewaltakte haben wir als Antwort nur einen Wunsch: ein Plewna dem infamen russischen Regime. - In das Waffengetöse, welches die englischen und russischen Zurüstungen zu dem fast unvermeidlichen Kriege zwischen den beiden Mächten verursachen, tönen noch immer die offiziellen Friedensschalmeien hinein, und Jeder mag, je nachdim er opti- mistisch oder pessimistisch beanlagt ist, daraus den Schluß auf eine friedliche oder gewaltsame Lösung der sogenannten Orient- wirren ziehen. Für uns, die wir uns in dieser Frage mehr dem Pessimismus zuneigen, ist soviel klar, daß es zum Kriege kommen wird, wenn Rußland   nicht nach den Wünschen Englands in eine Aenderung der Friedensstipulationen von San Stefano einwilligt. Interessen stehn eben gegen Interessen. Derehr- liche Makler" von Varzin   sucht zwar nach Kräften abzuwiegeln, und er weiß auch warum. Denn wenn nicht alle Anzeichen trügen, so steht Frankreich   auf dem Sprunge, seiner bislaug beobachteten Reserve zu entsagen und gemeinsame Sache mit England zu machen, was unzweifelhaft den Anschluß Italiens  und Oestreichs an die englisch  - französische Allianz, allo eine europäische Coalition zur Folge hätte. Eingekeilt zwischen diese verbündeten Mächte und Rußland   wird dergrößte Staats- manu" Europas   sich zu entscheiden haben das deutsch- Boll darf ja, oder besser: will ja nicht mitreden ob er das Heil �Deutschlands für den russischenErbfreund" in die Schanze schlagen will. Das ist vielleicht sehr schwarz gesehn, aber die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Zuspitzung der politischen Situatton Europas   ist kaum anzuzweifeln. Zu Ostern ist der Partei ein neues Organ erstanden: derCoburger Volksfreund", dessen Probenummer in gefälliger Ausstattung und mit ansprechendem Inhalt uns vorliegt. Wir heißen den neuen Kämpfer in unseren Reihen willkommen. Der Redakteur derBergischen Bolksstimme", Genosse Heiland, hat am 16. April eine Haft von S'fa Monaten an­getreten, die er wegen Majestäts- und Bürgermeisterbeleidiauna zuerkannt erhalten hat. Die russischen Siege. Bon A. Bl. Der größte Theil unsererliberalen" Presse wimmelt gegen- wärtig vonsittlicher Entrüstung" gegen England, das diehu- manitären"Cultur  "-Erfolge der russischen Siege wie z. B. die Annexion Bessarabiens   und Armeniens  , die colossale Kriegs- enischädigung, welche der schon ohnehin zerrütteten Türkei   den Todesstoß versetzen muß ic. nicht absolut und im ganzen Umfange zugeben will. Rußland   habe derBefreiung" der Baltanilaven Opfer gebracht und verdiene es dahergerechter- weise" eine Entschädigung durch Vergrößerung der eigenen Macht. Die HerrenLiberalen  " können in ihrer berufsmäßigen Kurzsichtigkeit resp. wollen in ihrer ebenfalls berufsmäßigen Böswilligkeit gar nicht einsehen, daß erstens die türkiswen Slaven   durch die russischeBefreiung" nicht mehr und nicht weniger als aus dem R gen in die Traufe gerathen, und zweitens, daß die Vergrößerung der politischen Macht Rußlands   nicht nur keine Belohnung für die ungeheuren Opfer des russischen   Volkes, sondern vielmehr eine furchtbare Strafe in fich enthält und zwar nicht nur für das russische   Boll allem, sondern auch für alle Eulturvölker mit. t Was dieBefreiung" der Slaven anbetrifft, so ist sie nichts als eine schnöde Lüge, welch- nur dazu dienen sollte, die Ver- wirklichung resp. Stärkung der selbstsüchtigsten, despotischen Interessen des Tzars Eroberungen und nnere Knechtschaft __ zu fördern, lim dieunglücklichen slavischen Brüder" küm- mert fich die russische R gierung blutwenig; sie kümmert sich ja nicht einmal um das Wohl dereigenen lavischen Kinder". Und in der That. die türkischen Slaven wurden durch ihreBe- freiung" nur aus demfremden" türkischen Joch befreit um unter dasbrüderlich" russische zu kommen. Was dagegen diegerechte B lohnung des russischen Volkes für die dargebrachten Opfer" anbelangt, so ist sie einzig und allein direkt dem russischen und indirekt den übrigen Machthaber» Europa  « zu Gute kommen, sie ist also ein Unheil für das ruf- fische und für alle anderen Völker. DaS politische Leben aller Eulturvölker bildet eine einzige Kette, in welcher die einzelnen historischen Erscheinungen die Rmge darst-llen. Jeder R-ng. den ein Schlag trifft, pflanzt den empfangenen Eindruck auf die anderen Ringe fort, jede historische Erscheinung im Leben eines Volkes übt ebenso einen gewisien Einfluß auf die Nachbarvölker. Diesen Umstand lassen die HerrenLiberalen  " überall da außer Acht, wo ihre Jnter- essen nicht unmittelbar berührt werden. Daß eine wie sich Guido Weiß einmal trefflich ausdrückte bonapartistische Kaiserei" in Frankreich   einen baldigen Krieg mit Deutschland  unvermeidlich machen muß, dies leuchtet diesen Herren ein. Daß aber der Despotismus in einem großen Staate die freiheitliche Entwicklung der Nachbarvölker hemmt, so daß z. B. die Balkan  - länder sich keine Verfassung a la Schweiz   geben können; daß der politische Despotismus in Rußland   den reakttonären Rück- gang im politischen Leben Deutschlands   und Oesterreichs   förderi, und daß im Gegentheil mit dem Zusammenbruch der Gewalt- Herrschast in Rußland   die letzte große Stütze der deutschen   und österreichischen Reaktionäre verloren geht dieS können resp. wollen dieLiberalen  " trotz der Erfahrung vom Jahre 1848 nicht begreifen... Ja, das reaktionäre Rußland   bildet die größte Stütze der Reaktion seiner Nachbarländer, und dieses reaktionäre Rußland   erstarkte durch die Siege der russischen Armee besonders nach dem Eintreffen der russischen Garde auf dem Kriegssckiauplatz ungemein. Sehr Wenige erkannten die Bedeutung der Mobilisirung der russischen Garde. Die russenfreundlich: Presse gab die diesbe- zügliche Nachricht fast ohne Nebenbemerkungen wieder, die russen- feindliche dagegen spottete, dernordische Coloß auf thönernen Fußen" zöge schon denletzten Mann" heran. Man bedachte nicht, welch eine Unkenntniß der russischen   Verhältnisse in dem Satze liegt:Rußland   das strengstaatlich organisirte Land von 90 Millionen Einwohnern, worunter 60 Millionen slavische Russen zu zählen find zieht mit dem dritten Hunderttausend seinen letzten Mann ein!" Nein, der Grund der Garde-Mobi- l.firung liegt viel tiefer. Die Hauptstadt eines jeden Lande? bildet gegenwärtig zu- gleich das Bildungscentrum desselben, und je größer und poli- tisch centralifirter der Staat, desto bedeutender der intellektuelle und in Folge dessen auch der politische Schwerpunkt, der in der hauptstädttschen Bevölkerung liegt. Die übrigen Städte eines centralifirten Landes verlieren mit der größeren Entfernung von der Hauptstadt auch an wissenschaftlicher und polittscher Bedeu- tung. Nur wenige bedeutende industrielle und Handelspunkte, wie z. B. Marseille, Lyon   zc. leiden nicht vollständig unter dem Einfluß der Entfernung von der Hauptstadt, stehen aber jeden- falls hinter dieser zurück. Und in der That, Petersburg   ist nicht nur der Sitz des BerwaltungshaupteS, sondern auch zugleich das Centrum der Fortschrittliche Taktik. DieLeipziger Volkszeitung", Organ für Schwindsüchtige und alte Weiber, gerieth über die moralischen Peitschenhiebe die Genosse Liebknecht   dem fortschrittlichen Phrasendrescher Eugen Richter   im Reichstage verabfolgte, ganz aus dem Häuschen. In ihrer Berserkerwuth brachte sie eine auf die erwähnte Reichstags- fitzung bezügliche Notiz, in welcher si- von einemwidrigen Zwischenfalle", den Liebknecht herbeigeführt haben soll, spricht. Die Redaktion dieses säubern Blattes, welche sich seinerzeit bei der Redaktion derFackel" in einem vier Seiten langen Briefe über diepersönlichen Angriffe" bitterlich beschwerte und in widerlich winselnder Weise um Unterlassung derselben bettelte, erwähnte des provokatorischen Auftreten Richter'S   mit keiner Silbe, erging sich dagegen in der gemeinsten Weise gegen Lieb- knecht, der es wagte, gegen die fortschretterischen Heiligen   Richter, Duncker und Compagnie, energisch vorzugehen. Die Gelehrten derBolkszeitung" nehmen den Mund vollsittlicher Entrüstung" und schreiben, nachdem sie dem großen Duncker eine Mitleids- thräne geweint, in der unverfrorensten Weise folgenden Satz: Ob parlamentarisch oder nicht Pfui!" Wir müssen gestehen, daß dasPfui" derBolkszeitung" für Liebknecht das ehrendste Zeugniß ist, weil durch dasselbe bewiesen wird, daß er den rich- tigen Punkt getroffen und die, die Interessen des Volkes schnöde verrathenden Forlschreiter ganz aus der Fassung gebracht hat. Daß es der edlenBolkszeitung" auf eine Lüge mehr oder weniger nicht ankommt, beweist der Schluß der erwähnten Notiz, wel.ber besagt, daß derdurchaus unmotivirte und zur Sache durchaus nicht gehörige" persönliche Ausfall Liebknecht's gegen Franz Duncker  , in der Reichstagssitzung am Mittwoch, nicht allein in allen liberalen und conservativen Parteien des Reichs- tags Enttüstung hervorgerufen hat, sondern daß auch die eigenen Parteigenossen Liebknecht's. namentlich Auer und Motteler, ihre entschiedene Mißbilligung und Indignation zu erkennen gaben. Daß diese Behauptung eine schamlose Lüge ist, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden. Genosse Motteler sandte derBolkszeitung" zur Be­richtigung obiger Unwahrheit folgende Zuschrift ein:Die Nr. 85 Ihres Blattes bringt eine Notiz über einenwidrige» Zwischenfall" in der letzten Donnerstagsitzung des Reichstags, zu deren Schluß der Abgeordnete Liebknecht   wegen Erwähnung des NamensDuncker", als eines Charakteristikon des Fortschritts und seiner politischen Heuchelei, vom Präsidenten zur Ordnung gerufen und von mir mit entschiedener Mißbilligung und In- dignation bedacht worden sein soll. Ich kann Ihnen nun aber erkläre«, daß Ihr Herr Eorrespondent vollständig falsch unter- russischen Civilisation. In dieser Beziehung kann nicht einmal die alte Landeshauptstadt Moskau   mit ihm concurriren. Die Repräsentation der wissenschastliichen Bildung in Moskau   ist im Allgemeinen byzani'.nisch- slaoischcr Natur und darum geistig schwächer als die Pet-rsburgs, welche im Großen und Ganzen von universell- freiheitlichem Geiste durchdrungen ist. DaS be- weist einerseits der beschränkte politische Sinn der Moskauer  Intelligenz" und andrerseits die sogenanntennihilistischen Um- triebe", die hauptsächlich in Petersburg   ihren Stützpuntt haben. Das ist der Umstand, welcher die russische   Regierung ge- zwungen hatte, bei der Constituirung derAttionsarmee" die kaiserliche Garde außer Acht zu lassen. Diese mußte dieOrd- nung" im Reiche überwachen; der Garde, welche fich natürlich der größeren Gunst des Herrschers erfreut, konnte man dies« heilige Mission" eher anvertrauen, als den sogenannten Linien- truppen. (Schluß folgt.) Sin vnkant terrible. Der von uns schon unzählige Male nach Gebühr behandelte Phrasendrescher Eugen Richter  . welcher unlängst im Reichstage von Liebknecht   auf so treffende Weise abgefertigt wurde, wird von derDeutschen Union" mit folgenden wohlverdienten Jagdhieben traktttt: Das enfant terrible der Fortschrittspartei, Herr Richter, fährt fort, den Reichstag mit seinen Schulmeisterreden zu terrori- siren. Es bedarf nicht von unserer Seite der Abwehr de» Ge- dankens, als toenu wir nur eine Spur von Sympathie für die Sozialdemokratie hätten, das hindert uns aber nicht, sie gegen solche großm..... Bekampfer wie Herr Richter in Schutz zu nehmen. Wir bitten unsere Leser, uns solchen unparlamentari- schen Ausdruck zu verzeihen, ist er doch gegen den unparlamen- tarischsten aller Reichsparlamentarier gerichtet: Wenn Herr Liebknecht sagt:sein Tadel würde uns zur Ehre gereichen, sei« Lob würden wir uns verbitten", so stehen mit dieser Beurtheilung die Sozialdemokraten schon lange nicht allein. Es ist keine Partei mehr, oie nicht ähnlich denkt, wenn sie auch nicht de« Muth hat, wie Herr Liebknecht, es öffeutlrch auSzu- sprechen. Es wird fich auch bald die Regierung selber für berechtigt halten, einen Ruhm darin zu sehen, von Herrn Richter getadelt zu werden. Die parlamentarische Redefreihett ist längst in Gefahr, durch denselben Herrn compromittirt zu werden. Die Nation wendet sich mit Unwillen von dem Mißbrauch solcher