deren Verbreitung man bis vor wenigen Jahren nicht einmal eine genügende Vorstellung hatte. Brauns theilt die Gehirnsyphilis in solche Fälle ein, bei denen nach dem Tode im Gehirn und an den Gehirnhäuten Nachweis- bare Veränderungen vorhanden waren, und in solche, wo bei Lebzeiten Gehirnerscheinungen vorhanden waren, während sich nach dem Tode keine Veränderungen in den gedachten Theilen entdecken ließen. Letzteres liegt an unseren zum Theil noch sehr unzulänglichen Hilfsmitteln und Beobachtungsmethoden, wie denn überhaupt die meisten Hirnfunktionen der Physiologie ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln sind. Die am häusigsten vorkommenden Störungen find aber nach Brauns: hochgradige Depressionszustände des Gemüthes, abwechselnd mit Erregungserscheinungen bis zu vollständiger Geistes- abwesenheit. Daß dergleichen Erscheinungen schon in einer frühen Periode der Syphilis auftreten, weiß jeder Arzt; aber auch das Publi- tum sollte es wissen-- aus den zahllosen Anzeigen, welche es täglich in den Zeitungen liest, in denen Aerzte und Quack- salber sich zur Vornahme antisyphilitischer Kuren anbieten. Fänden diese Herren nicht ihre Rechnung bei derartigen Jnser- tionen, so würden wir dergleichen kaum zu lesen bekommen. Es gehört schon eine große Dosis geistiger Beschränktheit oder, wie gerade bei diesem Leiden, eine geistige Störung dazu, sich lieber dem Marktschreier, als dem ohne Reklame sein Brod suchenden Arzte anzuvertrauen. Aber auch in sehr späten Perioden der Syphilis findet sich erst Gehirnsyphilis ein, nach Brauns in 4 Pro- zeut der beobachteten Fälle nach 20 Jahren, in 25 Prozent nach 520 Jahren mit anderweiten syphilitischen Erscheinungen, und in 58 Prozent sämmtlicher Fälle nach 2 20 Jahren ohne anderweite syphilitische Complikationen, lediglich durch Störung der Gehirnfunktionen fich dem Psychiater mani- festirend. Ob es unter diesen Umständen nicht angezeigt wäre, anstatt der Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie ein Gesetz ein- zubringen, welches der Verbreitung der Syphilis zu steuern vermag, das lassen wir dahingestellt sein. Daß die Visitationen der öffentlichen Dirnen nicht genügen, und ebenso wenig die auf dem vorjährigen Aerztetage proponirte Untersuchung der Fabrikmädchen überhaupt, dürfte aber Jedem klar sein. Der Verbreiter dieser gefährlichen Krankheit ist in sehr vielen Fällen auch ein gewissenloser oder sich für bereits gesund haltender Mann. B. Dr. M. Sozialpolitische Uebersicht. Ist kein Staatsanwalt da? DieNorddeutsche All- gemeine Zeitung" beleidigt in offener Weise den deutschen Richterstand. Diesem großen Denunziantenblatte gegenüber braucht sich Niemand zu scheuen, die Staatsanwaltschaft, resp. den preußischen Justizminister, der erst Strafantrag stellen muß, auf die richtige Fährte zu bringen. Es heißt also in derNord- deutschen Allgemeinen Zeitung": Die nationalliberale Presse weist jetzt häufig mit einer ge- wissen Genugthuung darauf hin, daß die Mittel zur Wahrung der staatlichen Autorität, welche die bisherige Gesetzgebung dar- bietet, bei der jetzigen energischen Handhabung sich als durchaus wirksam und ausreichend erweisen. Diese Behauptung ist doch wohl anfechtbar, da vor Aller Augen liegt, daß namentlich die scharfen richterlichen Verurtheilungen d�er letzten Tage doch nur eine Folge theils des Druckes der öffentlichen Meinung, theils der ausnahmslos gegen die Sozialdemokratie erregten Stimmung find. Wenn mit dem Aufhören dieses Druckes und dieser Stimmung die laxere Handhabung des Strafrechts, wie sie die meisten Gerichte bislang geübt, wieder zur Geltung kommt, so wird auch die angeblich ausreichende Wirksamkeit der gesetzlichen Mittel wieder fraglich sein. Die Stimmung, welche merkwürdigerweise gerade die nationalliberale Presse veranlaßt, die Regierung zur Verhängung des Belagerungs- zustandes zu vermögen, macht sich naturgemäß auch in den Richtercollegien geltend, aber auf die Dauer solcher Er- regungen ist nicht zu rechnen." Also die scharfen richterlichen Verurtheilungen der letzten Tage sind nur eine Folge der gegen die Sozialdemokratie er- regten Stimmung! So das ist ja recht nett die deutschen Richter haben also nicht in objektiver ruhiger Weise geurtheilt. Das wollen wir uns merken, wenn es sich der Justizminister nicht merkt, der die Behauptung derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" indirekt zugiebt, wenn er keine Verleumdungsklage an- strengt. Der Congreß in Berlin scheint nicht so glatt zu Gerechtigkeit! Betrachtungen über die am 8. Juni zur Aburtheilung gelangte erste Serie der Majestätsbeleidigungen zu Berlin . (Aus der BerlinerVolkszeitung".) Warum hat denn Justitia mit der Wage eigentlich die Augen verbunden? Sie will gerecht wägen ohne Ansehen der Person. Nur über die Schwere der That will sie urtheilen. Alle gebildeten Völker der Erde drücken in Bild und Wort denselben Gedanken aus, daß die Rechtspflege ohne Rücksicht auf Personen, ohne Leidenschaft und ohne Beeinflussung irgendwelcher Art geübt werden müsse. Auch in Deutschland hat man bisher so gedacht, aber leider bietet uns die neuere Zeit Erfahrungen, welche daran zweifeln lassen, ob diese Ansicht im deutschen Pu - blikum noch die geltende ist? Denn wir vernehmen noch keinen Protest gegen das, was sich gegenwärtig im Forum der preußi- scheu Justiz, namentlich der Haupt- und Residenzstadt Berlin ereignet. Dort wünscht der Justizminister, daß der Justitia die Binde von den Augen genommen werde, und die Richter find leider gleich bereit gewesen, dieselbe dem Wunsche gemäß zu ent- fernen. Justitia sieht sich jetzt die Personen genau an, welche vor sie geführt werden, und wehe ihnen, wenn dieselben als Sozialdemokraten erkannt werden sollten! Dann werden Strafmaße gewählt, die gar nicht mehr im Verhältniß zu den Strafen stehen, wie sie früher gegen andere Menscheniuider er- kannt wurden. So hat die siebente Deputation des Berliner Stadtgerichts gegen sieben Personen, die wegen Majestätsbeleldigung am 8. Juni angeklagt waren, auf 22 Jahre 6 Monate Gefängniß erkannt! Darunter war ein Schneider Namens Julius Bock, der für das Singen der Worte:Wilhelm ist todt, er lebt nicht mehr", allem zwei und ein halbes Jahr Gefängniß bekam. Wir brauchen uns de? Weiteren wegen unserer Gesinnung nicht zu rechtfertigen. Wir haben nicht allein mit den Umsturz- Ideen der Sozialisten keine Gemeinschaft, sondern wir sind namentlich auch von auftichtigster, wärmster Liebe zu unserem alten, edeln Kaiser erfüllt. Namentlich können wir nicht laut genug unseren Abscheu gegen das Treiben eines nichtswürdigen verlaufen, als man erwartet hatte; indeß sind alle Berichte über die Verhandlungen mit dem größten Mißtrauen aufzu- nehmen; seit Nobiling den hungrigen Reportern entrissen wor- den ist, üben sie jetzt ihr Lügentalent au dem Congreß. Ein Reptil hat die Frechheit, die von Marx in seinem bekannten Brief an dieDaily News" gemachten Angaben für unwahr zu erklären. Wir können dem unverschämten Gesellen die Versicherung ertheilen, daß das von Marx erwähnte Schreiben Buchers noch wohl erhalten ist und jeden Mo- ment vor Gericht produzirt werden kann. Natürlich hat neben anderer Stieberei auch die Briefstieberei in letzter Zeit stark geblüht. Die Blätter ent- halten flagrante Beispiele. Und sie blüht noch. Was Jeder sich uotam nehmen möge. Liberale Hirnkrankheit. DieMagdeburgische Zci- tung" giebt den Wählern den Rath, und Professor Biedermann findet ihnsehr verständig":Wählt Männer zu euren Ab- geordneten, die bereit sind, Ausnahmemaßregeln gegen die Sozialdemokratie zu genehmigen, aber sorgt ernstlich dafür, daß es freisinnige Männer seien."Freisinnige Männer", die Ausnahmegesetze votiren! Ehrliche Leute, die stehlen! Spitzbuben, die nicht mausen! Der Hamburger Staat appellirt ernstlich und ge- wissenhaftan das Gewissen der Nation". Derselbe hat der sozialdemokratischen Partei auf Befragen ausdrücklich das Abhalten von Versammlungen zu den bevorstehenden Wahlen gestattet. Für die Hamburger Behörden existirt also noch das Recht und der Paragraph 17 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag. Das Denunziantenunwesen wird allen anständigen Leuten zum Ekel. So hat der Bürgermeister von Rem- scheid folgende Bekanntmachung erlassen: In den letzten Tagen habe ich wiederholt anonyme Zu- schriften empfangen, in denen hiesige Bürger der sozial- demokratischen Umtriebe, der Beleidigung höchststehender Personen, ja sogar der Majestätsveleidigung beschuldigt werden. Gleichgiltig, welchen Quellen diese Zuschriften ent- stammen, ob sie lauteren oder unlauteren Ursprungs sind, ein für alle Male erkläre ich, daß ich für anonyme Anzeigen aller Art unzugänglich bin und derartige Zuschriften lediglich dem Papierkorbe überweise." Bravo! Die Breslauer liberalen Zeitungen bringen fast sämmtlich folgende gleichlautende Notiz: Wir können nicht oft und eindringlich genug vor unüber- legten Aeußerungen warnen. Nicht allein, daß hier und aus- wärts eine große Anzahl öffentlich ausgesprochener Majestäts- beleidigungen zur Kenntniß der Behörde gelangt ist und selbst- verständlich den Angeklagten meist mehrjährige Gefängnißstrafe zu Theil wird, mehren sich diejenigen Fälle, in denen nur einzelnen Personen gegenüber Majestätsbeleidigungen ausgesprochen sein sollen und diese, theils unter Nennung ihres Namens, theils sogar anonym, der Polizei oder Staatsanwaltschaft Anzeige er- statteten. So ging bei der Polizeibehörde anonym eine De- nunziation ein, wonach ein hiesiger hochachtbarer und bejahrter Particulier dessen Gesinnung unseres Wissens conservativ ist in einem Kaufmannsladen sich einer Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hätte. Die erhobene Beweisausnahme soll die Denunziation nicht bestätigt haben, dagegen ermittelte die Polizei durch einen der vernommenen Zeugen, daß eine arme Wittfrau in jenem Laden in verletzender Weise vom Kaiser gesprochen hat, wahrscheinlich wird letztere zur Anklage gebracht werden." Dieliberalen" Zeitungen sind es gewesen, die noch vor vierzehn Tagen es als Bürgerpflicht erklärten, jeden Menschen, der Sozialdemokrat sei, seinem Arbeitgeber, jeden Menschen, der ein lautes Wort über den Laiser spreche, der Staatsanwaltschaft zu denunziren. Nun allerdings ist der furchtbaren geistigen und moralischen Betrunkenheit ein ebenso furchtbarer Katzenjammer bei den deutschenBiedermännern" gefolgt. Auf dem internationalen Schriftstellercongreß der jetzt in Paris tagt, hielt Viktor Hugo am 17. ds. eine, Rede über alle möglichen Dinge, in der er auch über den poli- tischen Meuchelmord sprach,von den Fürsten verlangte, daß sie das Leben der Völker, und von oen Völkern, daß sie das Leben der Fürsten schonen sollten", für Preßfreiheit plaidirte(100 Gesindels aussprechen, welches heute der gemeinsten Majestäts- beleidigungen sich erfrecht. Wir wünschen seine Bestrafung und haben auch kein Mitleid mit ihm. Aber eine ernste, warme Bitte müssen wir selbst für diese Leute aussprechen: Strenge Gerechtigkeit auch für sie ohne Ansehen der Person! In der Verhängung dieser drakonischen Strafmaße, die sich offenbar von politischen Erwägungen leiten läk>t, indem sie den Aus- schreitungen der Sozialdemokratie dadurch steuern zu können glaubt, können wir nach unserer subjektiven Ansicht keine Ge- rechtigkeit mehr finden. Wir wollen unsere Gründe angeben und der Leser mag dann selbst entscheiden, ob er die drakoni- schen Strafmaße wegen Majcstätsbeleidigung, auf welche die siebente Abtheilung des Berliner Stadtgerichts erkannt hat, noch für gerechtfertigt hält. Der§ 95 des deutschen Strafgesetzbuches bestraft die Maje- stätsbeleidigung mit zwei Monaten bis zu fünf Jahren Gefäng- niß oder Festungshaft. Dies ist maßgebend. Der Richter muß sich also auf der einen Seite den denkbar höchsten Grad des Vergehens und auf der anderen Seite den denkbar niedrigsten Grad desselben vergegenwärtigen. Selbstverständlich nur in Um- rissen. Nehmen wir also den schwersten Fall da an, wo folgende Momente conkurriren: a) eine sehr unflätige Redensart, d) Aeußerung derselben in Gegenwart des Kaisers, e) der Verbrecher ist ein gebildeter, jedenfalls nicht verwahr- loster Mensch, 6) der Kaiser dagegen ein überaus humaner, liebenswürdiger Fürst. e) das Verbrechen steht nicht unter dem Einflüsse politischer Erregung. 5) die Absicht, dem Kaiser persönlich das Gefühl einer bittern Kränkung zu bereiten. Der leichteste Fall würde sich etwa wie folgt charakterisiren: a) eine leicht hingeworfene Redensart, die ohne Erröthen doch gebraucht werden kann, b) Aeußerung derselben an einem ziemlich obskuren Orte, v) der Verbrecher ist ein ganz ungebildeter, verwahrloster Mensch,� ä) der Kaiser ist ein überaus unbeliebter Monarch, Jahr nach Voltaire!) und schließlich ein Wort für die Amnestie einlegte.Möge dieses Jahr 1878, so schloß er unter donnern- dem Applaus, nicht zur Neige zehn, ohne daß Frankreich allen seinen verirrten(?) Kinder« crbarmungsvoll seine Arme wieder geöffnet hat." Ww fürchten, dieverirrten Kinder" sitzen in der Regierung und werden den Hugo'schen frommen Wunsch zu vereiteln wissen. Parteigenosse Carl Hirsch in Paris hat an die Redak- tion derBerliner Freien Presse" folgendes Schreiben gerichtet: Werthe Parteigenossen! In der vorgestrigen Nummer derB. Fr. Pr."(Nr. 136) ist die in der hiesigenEgalitö" erschienene Adresse an den(inzwischen verbotenen) Congreß der deutschen Sozialdemokraten in einer Weise besprochen worden, welche eine Erwiderung von hier aus nothwendig'macht, zu der ich als deutscher Mitarbeiter derEgalits" zunächst berechtigt und ver- pflichtet bin. Die von derB. Fr. Pr." wiederzegebene Ueber- setzung der fraglichen Ansprache ist im Wesentlichen korrekt, nur daß im dritten Satze anstatt des Druckfehlers:den Verbindungen (der vereinigten Reaktionen) zu lesen ist:den Gewaltthätigkeiten und Verleumdungen". Ich suche jedoch vergebens nach dem Motiv, das Sie bestimmen konnte, die Sympathieerklärung, welche dem Gothaer Congreß zugedacht war, die Bruderhand, die das Organ der französischen Sozialdemokratie den versam- melten Vertretern der deutschen Partei anbot, Ihrerseits nicht blos schroff zurückzuweisen, sondern auch noch eine häßliche Ver- dächtizung daran zu knüpfen, mit der man selbst gegen Feinde, also gewiß nicht weniger gegen seine eigenen Verbündeten vor- sichtig sein soll. DieEgalitö" ist Eigenthum einer größeren Zahl von Sozialdemokraten, meistens Lohnarbeitern, die fast sämmtlich 1871, theilweise sogar schon früher, die deutlichsten Proben ihrer Hingebung für unsere Sache abgelegt haben, Man- ner, die auf den Pontons herumgeschleppt worden sind, Jahre- lang in den Gefängnissen geschmachtet haben, einstige Föderirte, Söhne von Föderirten, mit Narben Bedeckte und sogar im Kampfe Verstümmelte, deren Tapferkeit selbst Versailler Siegern Achtung abgezwungen hatte. Gleiches gilt von den Redakteuren derEgalitö", die sämmtlich von den Aktionären ernannt sind. und die ich sämmtlich mit Stolz meine Freunde nenne,«sie haben das große Verdienst, zuerst gegen die chauvinistischen Hetzereien der französischen Bourgeoisie und gegen das intranfi- gente Phrasenthum Front gemacht, eine Agitation im Sinne des modernen, wissenschaftlichen, des politischen Sozialismus hervor- gerufen, die Trümmer der zersprengten Sozialdemokratie wieder um die Fahne gesammelt und so den Grundstein zu einer fran- zösischen Arbeitspartei gelegt zu haben. Die Selbstver- täugnung und Energie, die sie bei diesem schweren Werke zeigten, sowie ihr ganzes Leben, das offen vor aller Welt daliegt, ein Leben voll Kampf, Arbeit und Entbehrung, stellt diese muthigen Männer über eine Verunglimpfung, wie sie bedauerlicher Weise Eingang in Ihre Spalten gefunden hat. Was die Ansprache betrifft, so kann ich, wie gesagt, schlechter- dings nichts Verfängliches, sondern nur den Ausdruck der ehren- Werthesten, wahrhaft brüderlichen Gefühle in ihr erblicken, und Sie werden sich, bei genauerer Durchlesung derselben, gewiß meiner Meinung anschließen. Nur Perfidie kann den klaren Sinn der Worte derEgalitö" dahin fälschen, daß das Blatt sich nicht blos mit den angegriffenen deutschen Gesinnungsge- nassen, sondern auch mit dem Meuchelmord habe solidarisch er- klären wollen. Bei der gerechten Erregung, in die Sie der gegenwärtige Kampf gegen so viele gleichzeitige Angriffe versetzen mußte, ist ein momentaner Jrrthum Ihrerseits nur allzu verzeihlich; Sie werden aber, ich bin dessen bei Ihrer Wahrheitsliebe überzeugt, keinen Augenblick zögern, durch den Abdruck dieser Erklärung den begangenen Jrrthum wieder gut zu machen. Mit sozialdemokratischem Gruß Paris , den 16. Juni 1878. Carl Hirsch. Eine merkwürdige Staatsrettung wurde am 18. d. in Schneeberg verübt, indem 6 Mann, darunter zwei Gens- darmen mit ihren Gewehren bei dem dortigen Colporteur der Erzgebirgischen Freien Zeitung", Dietrich, eine Haussuchung vornahmen, um das Manuscript einer, in dem genannten Blatt erschienenen Correspondenz aus Schneeberg zu entdecken. Und was war Verbrecherisches in dem Opus? Die elenden Lcrläum- der. welche die Sozialdemokraten anläßlich der Attentate für Meuchelmörder erklärt und für die Verbrechen Lehmanns und Nobilings verantwortlich gemacht haben, werdenehrlose Sub- jekte" genannt, was gewiß eine sehr milde Bezeichnung ist. Und mit dieser Bezeichnung hatte Herr Gärtner, Verleger eines Schneebergcr Käseblättchens sich getroffen gefühlt. Darum e) der Verbrecher steht unter dem Einflüsse bewegter Zeiten. f) die Absicht, dem Kaiser einen persönlichen Aerger zu be- reiten, liegt fern. Hiernach hätten wir eine Höhe und eine Tiefe; da, wo das eine oder andere Moment fehlt, muß der Richter in die Mitte greifen. Je mehr gravirende Momente fehlen, resp. je mehr mildernde Momente vorhanden find, desto niedriger muß er greifen. Der Richter, welcher selbst in schweren fällen nach dem Straf-Maximum greift, handelt, wenn noch mildernde Momente vorliegen, ungerecht, da es der Wille des Gesetzgebers ist, daß nur in den allersch werften Fällen die schwersten Strafen zur Anwendung kommen sollen. Nach unserer Ansicht hat die siebente Abtheilung des könig - lichen Stadtgerichts in keinem einzigen der vor ihr am 8. d. M. zur Aburtheilung gekommenen Fälle ein auch nur annähernd richtiges Strafmaß verhängt. Selbst in den Fällen Hesse und Bosien nicht. In beiden Fällen ist nämlich auf fünf Jahre Gefängniß erkannt, weil die betreffenden Redensarten bodenlos gemeiner, unflätiger Natur waren. Aber es läßt sich doch offen- bar nicht leugnen, daß beiden Verbrechern folgende mildernde Umstände zur Seite standen: 1) Die Aeußerungen sind an ziemlich obskuren Orten gethan (all d). 2) Die Verbrecher sind ganz ungebildete, verwahrloste Menschen( c). 3) Die Aeußerung ist nicht in Gegenwart des Kaisers gethan( ä). 4) Die Absicht, dem Kaiser persön- lich das Gefühl seelischer Kränkung zuzufügen, ist nicht erwiesen. 5) Die strafbaren Handlungen stehen unter dem Einflüsse der Verführung und Verblendung politisch bewegter Zeiten. Unter keinen Umständen durste also das höchste Strafmaß von fünf Jahren Gefängniß gewählt werden, denn es giebt, wie sich an den fünf aufgezählten Momenten zeigt, Fälle von höherer Strafbarkeit, die folglich höher bestraft werden müssen, was aber unmöglich ist, wenn für niedere Fälle bereits die höchsten Maße angenommen werden.. Für Hesse und Bosien lagen blos zwei erschwerende Straf Momente vor: 1) die Unflätigkeit der Redensarten, 2) die HU' manität und Liebenswürdigkeit des Kaisers._ Hiernach wäre für jeden ein Jahr Gefängniß ausreich-"'