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Nr. 84.

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Central- Organ der Sozialdemokratie Deutschlands .

Parteigenossen! Laßt Euch nicht provo­ziren! Man will schießen. Die Reaktion braucht Krawalle, um das Spiel zu gewinnen.

Wider den Strom!

Ein ganzes Volf in Haß und Wahn, Von tollem Grimm entstellt die Züge! Vom Pregel bis zu Maas und Lahn Auf frechem Siegeszug die Lüge! Zum Todesstoß bereit die Hand, Auf uns gehetzt die wilde Meute! Wir aber halten trogig Stand Und fallen wehrlos nicht zur Beute. Die Faust, die unsern Hals umfrallt, Erwarten wir mit düftrem Blick; Stoßt zu und trefft uns in's Genic Zum Schlag ist unsre Faust geballt!

Nur immerzu in toller Haft, Nur immerzu, den Mund voll Geifer! Wählt immer aus den stärksten Ast,

An den uns hängt der fromme" Eifer! In zu viel Köpfen ward es hell Und paßfrei reisen die Gedanken. Theilt nicht zu früh des Bären Fell Und denkt an seine Eisenpranken! Ihr jagt ihn nicht in's Maufelsch, Und ob ihr schäumt und ras't und bellt Und ob ihr auf den Kopf euch stellt Troß alledem, wir siegen doch!

Nur immerzu! Wir schöpfen Muth Aus guter und gerechter Sache. Sorgt, daß das Uebermaß der Wuth Euch nicht zum Kinderspotte mache. Wo noch ein klarer Kopf entwich Dem Deliriren der Gehirne, Er wendet ab boll Ekel fich

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Und bietet euch mit uns die Stirne. Wer mit so schlechten Waffen ficht, Der will nicht Kampf, der will nur Mord, Der wirbt für uns in Süd und Nord, Der zwingt uns und besiegt uns nicht!

Ihr hofft, den Hals uns umzudrehn, Doch wird die Seifenblase plazen! Uns, die so manchen Sturm gesehn, Erfäuft man nicht wie junge Kazen. Habt ihr nach einem Ringen Luft­Heran und laßt euch herzhaft paden! Wir drücken fest euch an die Brust, Daß euch im Leib die Rippen knacken. Und zieht daher in Saus und Braus Der Ordnung" herrliche Partei- Wir bieten Troß, wir sind so frei- Vielleicht geht ihr der Athem aus.

Ihr seid brutal und dennoch schwach, Ihr prahlt und möchtet lieber beben; Euch bangt, Ihr fönntet einen Krach, Den zweiten, gründlichern, erleben. Ihr droht und seid im Grunde feig; Wer weiß, am Ende lernt ihr beten, Wenn räftig wir den Ordnungsteig, Den widerlich gemanschten, kneten. Ihr steht mit Geldsad und mit Stahl Und mit der Bibel dicht geschaart Ja wohl, doch in die Haare fahrt Ihr wild euch wieder nach der Wahl.

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Vier schielend- dumme Köpfe streďt Hervor das plumpe Ungeheuer, Doch nur den biedern Spießer schreckt Die Spottgeburt von Dreck und Feuer. Der Junker und der Fortschrittsmann, Der Liberale zwischen Beiden, Ein Mucker hinterbrein wer kann Die edle Sippschaft unterscheiden? Frisch vor die Klinge mit Gefeuch! Ihr irrt, wenn ihr zu schrecken glaubt, Und ob ihr züngelt, zischt und schnaubt Wir sind zu stark zur Furcht vor euch! Stoßt zu, ihr Herrn, wir stoßen nach! Ein einz'ger Tag wird Alles wenden Und nicht die namenlose Schmach, Auf die ihr heimlich sinnt, vollenden. Ja, knebelt nur das freie Wort, Wir halten fest und treu zusammen, Und raftlos frißt im Stillen fort

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Der Brand- fein Meer verlöscht die Flammen! Ihr macht's uns herzlich unbequem, Doch ob ihr euch verzweifelt stemmt, Ihr werdet ichließlich fortgeschwemnit! Wir siegensch- trop alle dem!

W. 8.

Freitag, 19. Juli.

Unsere Feinde sind unsere Freunde! Berlin , 15. Juli.

1581

1878.

D

Unter den embryonalen Zuständen, wie wir sie geschildert, fonnten sich aber auch keine politischen Parteien mit festem Pro­gramm entwickeln, sondern nur Parteien nach der Nationalität Die polizeilichen Maßregeln hier in Berlin haben merk- und Religion; es gewannen blos 3 Gruppen wirklichen Einfluß: würdigerweise, oder besser: natürlicherweise das gerade die Ultramontanen, die Autonomisten und die Protestler; die Gegentheil von dem bezweckt, was sie bezwecken sollten. Ultramontanen, die in Dekanen und Caplanen ein stattliches Zuerst allerdings waren unsere Parteigenossen etwas" paff", Heer von Streitern befizen; die Autonomisten, für die Kreis­das polizeiliche Donnerwetter kam plöglich und in einer geradezu direktoren, Regierungsräthe und Bürgermeister eine ebenso ge­ welterschütternden" Heftigkeit doch bald schon erholten wir schidte, wie energische Agitation betreiben; die Protestler, die in uns wieder. Das Gewitter war nicht so gefährlich, wie es den dem französisch sprechenden Theil des Voltes, also besonders in Anschein hatte, der Blitzstrahl zündete nur selten. Ja, man den Städten des Unterelsasses, sowie im Oberelsaß und ganz fann es dreist sagen, das polizeiliche Gewitter hat die Luft ge- Lothringen einen starken Rückhalt finden. reinigt, der Plazregen hat die Gemüther erfrischt, so daß unsere Genoffen mit großem Muthe und fester Siegeszuversicht in die Bukunft sehen.

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Die Ultramontanen, die in der französischen Zeit selbst unter den oberelsässischen Bauern einen nur geringen Anhang hatten, ernteten zuerst die Früchte der genialen Regierungspolitik. Im Wenn die geheime Polizei hier eine Mine baut, gleich wird Bunde mit den Protestlern, die Anno 74 noch trefflich organisirt eine Gegenmine gelegt; die Polizei glaubt die geheimsten Fäden waren, denen aber gerade dieses Bündniß den Hals gebrochen der hiesigen Agitation in den Händen zu haben, unsere Genossen hat, brachten sie von 15 Abgeordneten 11 ihrer Candidaten durch, hier haben aber die Fäden der geheimen Polizei" in den während sich die blamirten und düpirten Protestler mit 4 Sigen Händen troz Pick und Madai. Die Polizei versucht, verschiedene begnügen mußten. Am 10. Januar 1877 ging es den Ultra­Parteigenossen zu Spigeln zu machen, aber es giebt auch Polizei- montanen allerdings schlimmer: im Unterelsaß wurden sie von Spigel, die aus Noth dieses edle Handwerk ergriffen haben, den Autonomisten, in Lothringen von der radikalen Protestpartei welchen das Gewissen" manchmal schlägt und die unsere Ge- verdrängt; immerhin behaupteten sie 5 Size, die ihnen auch bei noffen auf irgend eine zarte Weise von bevorstehenden Ueber- den nächsten Wahlen Niemand abnehmen wird, und die wahr­raschungen" rechtzeitig in Kenntniß sezen. scheinlich noch durch den Landkreis Straßburg auf 6 vermehrt werden. Die Bestrebungen dieser Partei sind zu bekannt, als daß darüber ein Wort zu verlieren nöthig wäre- wie in Alt­Deutschland sind sie bald radikal, bald reaktionär, je nachdem die Parole von Rom her lautet: Alles geschieht in majorem papae gloriam.

Die Polizei fennt sämmtliche politische und besonders sozial­demokratische Verbrecher", unsere Parteigenossen aber kennen wiederum sämmtliche Mitglieder der Hochedlen Spigelzunft und auch die werthen Mitglieder der Criminalpolizei.

lernen.

Wunderbare Geschichten könnte ich Ihnen erzählen aus diesem interessanten Guerillafrieg zwischen uns und der Polizei- doch Als eine eigenthümliche Pflanze, die auf eigenthümlichen da wir die besseren Strategen sind, so will ich lieber nichts Boden emporgeschoffen, präsentirt sich die sogenannte Autonomisten verrathen: die Polizei tönnte sonst noch gar von uns etwas partei. Sie steht auf dem Boden des Frankfurter Friedens und zwar mit beiden Füßen, während die Ultramontanen blos mit Nichts geschieht in Bezug auf die bevorstehenden Reichstags- einem darauf stehen, und die Protestler denselben völlig per­wahlen seitens unserer Partei, welches das Licht der Deffentlich- horresciren. Das Prinzip der Autonomisten ist, für das Reichs­keit zu scheuen hätte, und doch kann nichts öffentlich verhandelt land möglichste Autonomie, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, werden, weil uns alle Lutale zu Bersammlungen abgeschnitten Selbstverwaltung, Vereins- und Preßfreiheit, direktes Wahlrecht sind. Und doch geschieht Alles, was geschehen muß, für alle Wahlen anzustreben". Liebchen, was willst du noch ebenso gut ohne Versammlungen; der Gedanke, der früher laut verkündet wurde, dringt geräuschlos, aber mit Blizesschnelle zu allen Betheiligten.

Das kommt davon, weil das ganze Bolt hier in Berlin agitirt. Und dagegen ist die Polizei völlig ohnmächtig. Die löbliche Polizei möge es sich merken: Die Wahlen hier in Berlin werden jetzt lediglich vom Volke gemacht" jegliche andere Mache" ist unmöglich.

H

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mehr?

Mit dem Anstreben hat es allerdings eine eigene Bewandtniß: die Herren, die ihren Wählern gegenüber mit den freiheitlichen Phrasen um sich warfen, die sich für die echten Söhne des glor echten Söhne des glor­reichen Jahres 89( 1789) erklärten und dadurch einen ziemlich erfolgreichen Bauernfang betrieben, zeigten sich in Berlin reaktio= närer als die Rationalliberalen. Sie zeigten sich von jedem Brocken, der vom Regierungstisch für sie abfiel, so befriedigt, Die Bolizei scheint dies auch schon selbst zu fühlen; sie ist daß sie sich weiter gehenden fortschrittlichen und nationalliberal n rathlos, sie soll den Sozialdemokraten auf die Finger sehen Anträgen widersetzten. Beim Oberpräsidium in Ungnade fall n und sieht sich dem gesammten arbeitenden Volke gegenüber. und damit der Abgeordnetenwürde entsagen zu müssen, ist eben Durch die vielen und ungerechten Verfolgungen find hier in für anstrebende" Männer ein schlimmes Ding. Die Herren Berlin Sozialdemokratie und arbeitendes Volt völlig Eins wollten sich um jeden Preis ein rothes Röcklein" verdienen und geworden. Jetzt erst können wir Sozialdemokraten mit voll­die Lust macht erfinderisch. In diesen strebsamen Gehirnen ständigem unantastbarem Rechte sagen: Wir sind die Vertreter sprießte denn auch der Gedante auf, in's Reichsland das Gottes­der Arbeiterklasse. gnadenthum" zu importiren, den Kronprinzen zum Reichsverweser in Elsaß- Lothringen zu machen.

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So ist gerade das Gegentheil von dem, was bezweckt worden ist, entstanden; man wollte den Einfluß der Sozialdemokratie Die" gutgesinnte" deutsche Presse ließ sich natürlich die Ge­auf das arbeitende Volk abschwächen man hat ihn gelegenheit nicht entgehen, in bandwurmartigen Artikeln dieses hoben; man wollte die sogenannten Führer" der Sozial­demokratie in Acht und Aberacht bei dem Bolte erklären Projekt als aus der Mitte des elsässischen Volkes hervorgegangen und von ihm mit Begeisterung aufgenommen, zu verarbeiten. man hat sie nur beliebter gemacht; man wollte der sozial blutige Fronie! Als ob das elsässische Bolt Luſt hätte, sich demokratischen Saat den Boden zum Aufsprießen ent­ziehen man hat ihn nur aufgefodert und fruchtbarer gemacht.

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Verblendung, Thorheit und Haß unserer Gegner haben für uns gekämpft sie haben die Einigkeit in unseren Reihen, in den Reihen des arbeitenden Volts noch fester geschmiedet, sie haben unsere Begeisterung, unsere Liebe zur Sache, unsern Sicgesmuth neu erweckt und hoch emporgehoben. " Unsere Feinde sind unsere Freunde" Dank des­halb den Polizeimaßregeln, Dank dem brutalen Fabrikanten gebahren!

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zu den enormen Verwaltungskosten noch in Schulden für einen Hofhalt, prinzliche Apanagen und ähnliche nützliche Dinge zu stürzen. Wie wenig selbst in den deutschfreundlichsten Streisen derartige Pläne gefallen, wie wenig selbst in ihnen die Liebe zu den monarchiſchen Institutionen vorhanden ist, beweist eine uns vor einiger Zeit von betheiligter Seite erzählte Thatsache. Als nach dem zweiten Attentat die hiesige Studentenschaft eine nament­lich zu unterzeichnende Adresse an den Kaiser absandte, unter­schrieben von 750 Studirenden 480, eine ziemlich stattliche Zahl; von den 100 hier studirenden geborenen Elsässern unterschrieben: fünf! Die hier studirenden Elsässer stammen nun insgesammt aus Familien, die sich mit den neuen Verhältnissen ausgeföhnt, aus den autonomistischen Familien des Unterelsasses; denn die Protestler schicken ihre Söhne in die französischen Studienanstalten; also von diesen Autonomisten weigerten sich, obwohl aufgefordert, über 90 Prozent, auf der Glückwunschadresse an den Kaiser mit ihrem Namen zu figuriren. Niemand als die Herren Re­In unserem legten Artikel haben wir versucht, den Lesern batteure und Mitarbeiter des Elsässer Journals" wünscht mon­ des Vorwärts" ein möglichst anschauliches Bild von den Regie- archische Einrichtungen im Elsaß ; da ist uns die Diftatur noch renden im Reichsland zu entwerfen; von den Regierten haben lieber. Die Inspiranten und Fabrikanten des obigen Blattes wir desto weniger sprechen können und holen dies nach, indem dachten, in einem elsässischen Landesministerium ein warmes wir uns heute bemühen werden, die Zustände innerhalb der ein- Bläßchen zu finden; sie waren phantasievoll genug, einen Prä­heimischen Bevölkerung, ihre Bestrebungen und Ziele darzu- fidenten oder Rathstitel zu erhoffen. Niemals hat sich die auto­legen.

Elsässische Zustände.

III.

Die Regierten.

Straßburg i. E., im Juli 1878.

-

Das elsässische Volk hat, wie schon früher betont, seit der nomistische Partei, beffer gesagt, ihre Führer mehr blamirt als bei dieser Geschichte und das will gewiß etwas sagen. Die Annegion in seiner großen Mehrzahl sich noch immer nicht in anfangs so fraftvollen Posaunenstöße in den Ganz- und Halb­den Zusammenhang mit Deutschland hereindenken, immer noch reptilen wurden auf Ordre schwächer und schwächer und ver­tein Berständniß für die politischen und sozialen Verhältnisse stummten zuletzt ganz. Parturiunt montes, nascetur ridiculus jenseits des Rheins gewinnen können. Wer daran die Schuld mus; nur wurde dabei nicht einmal eine Maus geboren. trägt, haben wir neulich deutlich ausgesprochen: hätte die Bureau­Ob nun diese Partei ihre Size behaupten wird, ist mehr als tratie, als sie den Elsässern das gleiche, direkte Wahlrecht zum Reichstag gab, dieses Recht nicht wieder sofort verkümmert und zweifelhaft. Der Landkreis Straßburg geht höchst wahrscheinlich zertrümmert, hätte sie uns nur das jämmerliche Scheinbild der an die Klerikalen verloren, der Stadtkreis Straßburg wird von altdeutschen Vereins- und Brekfreiheit verliehen, hätte sie gar die den Protestlern hart umstritten; in Weißenburg Hagenau scheint Regelung unserer Angelegenheiten einer aus gleichen, diretten die Sache auch zu wadeln. Wahlen hervorgegangenen Deputirtenkammer anvertraut- die elsässischen Wähler wären dann politisch ganz anders heran­gebildet, als sie es in Wirklichkeit sind.

Doch wird wohl mit Hülfe der zu Rath und That erbötigen Beamten noch mancher Wähler auf den autonomistischen Humbug ' reinfallen, um so mehr, als ein Theil der bisherigen Deputirten