der„Hamburaische Correspondent" einer sehr wohlwollenden Kritik unterzieht. Hierbei lesen wir in dem sonst so aufgeklärten Organe folgenden Satz: „Der Kampf gegen den Aberglauben gehört zu den aller- schwierigsten, schon deshalb, weil er sich überall mit dem im menschlichen Gemüthe unvertilgbar wurzelnden Glauben an eine rettende, helfende übersinnliche Welt berührt und man daher die unschuldigen Auswüchse desselben gern gewähren läßt, um nicht wahrhaft religiöses Gefühl zu verletzen." Man läßt also die unschuldigen Auswüchse des Aber- glaubens gern gewähren, ohne dabei zu bedenken, daß dadurch der Aberglauben selbst auch in der Wunderschwindelform immer mehr Nahrung findet. In obiger Ansicht aber finden wir die jetzt so recht grassirende Halbheit des Liberalismus, der allüberall gern den Pelz waschen möchte, ohne ihn naß zu machen. Ge- reinigt wird auf solche Art aber der Staats- und Gesellschafts- pelz niemals! — Die wachsende Verrohung zeigt sich recht deutlich in der Thatsache, daß von liberalen und conservativen Mords- Patrioten eine förmliche Bewegung in Szene gesetzt worden ist, um die Begnadigung des Halbidioten Lehmann-Hödel zu ver- hindern. Man behauptet auch, Fürst Bismarck sei in dieser Richtung sehr thätig und citirt allerhand höchst drastische Worte. Wir glauben jedoch, daß die Patrone, welche dies thun, eine infame Fälschung und obendrein eine indirekte Bismarckbeleidi- gung erster Klasse begehen. Charakteristisch ist aber dieser Mords- Patriotismus der— Guillotine. Und das wirft der Sozial- demokratie Blutdurst vor! — Tüchtig hineingefallen. Einen recht bösen Streich hat man dem Redakteur des„Wieslocher Amtsverkündigers" ge- spielt. Derselbe wollte nämlich gegen die bösen Sozialdemokraten nicht blos in Prosa, sondern auch in Versen zu Felde ziehen; da er aber die Gabe der Poesie selber nicht besaß, so war er höchst erfreut, als er von einem„langjährigen Abonnenten" ein Poem eingesandt erhielt, überschrieben:„Den sozialistischen Wüh- lern". Das war ganz nach seinem Geschmack, er las es einmal, er las es zweimal und es gefiel ihm, und er ließ es zum Setzer wandern, und am nächsten Morgen stand es mit großen Lettern im„Wieslocher Amtsverkündiger". Aber ach, am anderen Morgen liest er sein Gedicht, dasselbe schöne Gedicht abgedruckt in dem sozialistischen„Münchencr Zeitgeist"; doch was sollen die fett- gedruckten Anfangsbuchstaben der Verszeilen bedeuten, was will man damit sagen?— aber es wurde bereits schwarz vor seinen Augen; es war ihm Alles klar.„Zillig ist der größeste Esel in Wiesloch "— so stand es da in den fettgedruckten Anfangsbuchstaben und so hatte es auch in seinem eigenen Blatte gestanden, wenn dort auch die ersten Buchstaben der Zeilen nicht fett gedruckt waren. Wie es heißt, ist Herr Zillig noch in Zweifel mit sich, ob er die Beleidigungsklage gegen sich selbst einleiten lassen soll.— Zu bemerken ist, daß in Wiesloch die erste Prügelei nach den Attentaten war, wo die„Reichsfreunde" ihre elenden Heldenthaten gegen die eingeschüchterten Arbeiter los- ließen. — Nochmals ein vernünftiges Urtheil. Die„Tante Boß" in Berlin , welche in letzter Zeit äußerst schwach und krank geworden ist und sich in der Rcaktionsapotheke die Rezepte holt, hat zuweilen noch lichte Augenblicke, in welche sie sich an frühere, bessere Zeiten erinnert. In einem solchen Augenblicke schrieb sie auch nachstehende Sätze nieder: „So ist durch den Ausfall der Wahlen über allen Zweifel gestellt, daß wir etwas wie ein Gesetz gegen die Sozialdemokraten haben werden. Aber ebenso wenig wie die Berliner Keller da- durch höher gelegt und gesunder werden, daß man sich in der dringenden Roth mit den nächsten besten Mitteln hilft, wird die Ursache der sozialdemokratischen Ueberschwemmungen verstopft sein. Die nächsten besten Mittel gegen die Sozialdemokratie werden viele Schutzwehren der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte und Freiheiten einreißen und während hier ein Loch ver- stopft werden soll, wird an der anderen Stelle ein größeres ent- stehen und die Fluth auf Umwegen gegen die Reaktion herein- brechen. So viel Einsicht bekommen im Lauf der Berathungcn positiver Vorlagen alle Parteien und selbst die Conservativen Die dritte Abtheilung des Cabinets des Weißen Czaren. (Schluß.) Nun war in vielen Fällen, so paradox es klingt, das Wirken der Gendarmerie sin segensreiches. Die moralischen Mängel des russischen Beamtenstandes sind zu bekannt, als daß wir hier dabei zu verweilen brauchten. Hohn, Spott und die feinseligsten Angriffe sind über diese Menschenklasse seit zwei Menschcnaltern mit einer staunenswcrthen Energie ergossen worden. Viel seltener aber wurde die Frage aufgeworfen, woher kommt diese Er- scheinung? Und von hundert Fragen, die in diesem Sinne laut wurden, erhielten neunzig gewiß die sehr bequeme Antwort: Un- Zuverlässigkeit und Unredlichkeit liegen im russischen National- charakter. Selten nur waren die Stimmen, welche das Unsinnige in dieser Behauptung, die ein ganzes großes Volk entehrt, zu widerlegen versuchten. Und doch ist die Widerlegung gar nicht schwer, denn der russische Kaufmann, wie der Gewerbtreibende und der Handwerker sind im Großen und Ganzen ein ebenso ehrenwerther, zuverlässiger, als höflicher und gutmüthiger Menschenschlag. Kein Fremder lebt auch nur ein Jahr lang unter echten Russen, ohne diese Eigenschaften zu entdecken und seine ungünstigen, vorschnellen Urlheile zu bereuen, wenn er vielleicht auch nicht den moralischen Muth hat, es auszusprechen. Woher kommt es nun, daß gerade die Klasse der Beamten unter Alexander und noch mehr unter Nikolaus ein so schlechtes Renommee, und entschieden mit Recht, erhalten hat, während gegenwärtig die allgemeine Stimme des russischen Publikums, wo sie nicht durch Parteileidenschaft gefälscht erscheint, freudig anerkennt, daß auf diesem so unerfreulichen Gebiet, das den Bestand des ganzen Staatslebens zu gefährden schien, viel, un- endlich viel sich gebessert hat und eine stetig fortschreitende Besserung nicht zu verkennen ist?, Die richtige Antwort auf diese Frage klingt wunderlich genug, sie beruht aber in der Wahrheit: die Regierung selbst veranlaßte die grenzenlose Corruption des damaligen Beamtenstandes, und zwar dadurch, daß sie ihn fast verhungern ließ. Während in Petersburg und anderen, den Fremden zugänglichen Orten den Beamten ihr Gehalt pünktlich und baar gezahlt wurde, um den Anschein eines geordneten Staatswesens aufrecht zu erhalten, erhielten in den ganzen weiten Provinzen des ungeheuren Reiches die Beamten aller Kategorien, Offiziere wie Civiliften, oft ganze Halbjahre hindurch kein Gehalt, und wenn es gezahlt wurde, gaben die Finanzbeamtcn entwertetes Papiergeld an die un- glücklichen Leute aus, die nun erst recht dem Wucherer verfielen, hei dem Versuche, die gemachten Schulden abzutragen. So waren und Ultramontanen werden wegen möglicher Rückwirkungen auf sie selbst dem Kanzler nicht alle gewünschten Vollmachten geben." Wenn's nur wahr wird, was die„Tante" in lichten Äugen- blicken wünscht, da sie selbst in ihrem reaktionären Krankheits- delirium oft genug solche vernünftigen Anschauungen wieder per- horrescirt. Doch Eins wollen wir bei dieser Gelegenheit nicht verschweigen. Uns kann ein„Sozialistengesetz" ganz gleich sein, da wir doch schon außerhalb des Gesetzes gestellt sind— auf ein wenig Mehr kann es gar nicht ankommen. Ja, wir glauben, daß ein Ausnahmegesetz unsere Agitation vielmehr fördern wird. Die liberalen Parteien aber sind durch ihre eigene Schuld cnd- lich soweit gekommen, daß sie zwischen den bismarckischen Mühlsteinen zermalmt werden. Auch das kann uns recht sein, da der „Liberalismus " aufgehört hat liberal zu sein. Friede seiner Asche! — Ein weißer Rabe. Kürzlich hat der Oberst des Hanseatischen Infanterieregiments in Hamburg bezüglich eines Mordes, welcher in dem Regiment an einem Unteroffizier verübt wurde und eines Selbstmordes, den der vorher bis auf's Blut gepeinigte„Mörder" an sich beging, eine Ansprache an das Re- giment gehalten, in welcher darauf hingewiesen wird, wie noth- wendig es sei, neben der Disziplin auch die Humanität den Untergebenen gegenüber walten zu lassen und wie unwirsches Zurechtweisen und Denunziations ;ucht gegen die Untergebenen häufig verbittern; namentlich müsse eine verletzende Zurecht- Weisung und hochfahrendes Wesen unter allen Umständen ver- mieden werden.— Wir haben die feste Ueberzeugung, daß mancher Commandeur in der Armee des preußischen Deutsch- lands die Stirne runzelt über solchen„Humanitätsdusel". Strammheit, Strammheit und nochmals Strammheit ist die einzige Parole eines ächten preußischen Offiziers. Und leider haben die schwarzen Raben noch überall die Oberhand. — Aus Brüssel erhalten wir folgende Zuschrift: „Genossen in Deutschland ! Als ein Beweis, wie sehr die reaktionäre Bewegung in Deutschland gegen die Sozialdemokratie, sowie überhaupt gegen jede freiheitliche Bestrebung, das Gegcntheil von dem erweckt, welches man mit derselben beabsichtigte, mögen nachstehende Zeilen dienen. Seit länger denn einem Jahre waren einige hierher ver- sprengte Sozialisten bemüht, einen deutschen sozialistischen Verein zu gründen, und wenngleich es im verflossenen Sommer für eine kurze Zeit zum Bestehen eines solchen kam, so mußte derselbe jedoch wegen mangelhafter Theilnahme wieder aufgegeben werden. Die wenigen deutschen Sozialisten zu sammeln, war eben bei der Zerstreutheit unter einer Bevölkerung von über 200,000 Einwohnern nicht möglich, zumal die belgische Gastfreiheit nicht ausgedehnt genug ist, um zu gestatten, daß„Fremde" in Ver- sammlungen politische Tagesfragen besprechen, einen politischen Verein bilden oder sonst„Politisches " vornehmen, wenn sie sich nicht der Gefahr aussetzen wollen, über Nacht ausgewiesen zu werden. In Folge dieser und noch anderer Umstände konnte es bisher am hiesigen Orte noch nicht zu einem sozialistischen Verein kommen. Doch da kamen die zwei Attentate und die Verleum- dungssucht der„Ordnungs"- Presse. Und siehe da: die„Köl- nische Zeitung", die„Tribüne" nebst„Kladderadatsch", welches die hauptsächlichst hier gelesenen deutschen Zeitungen sind, be- wirken, was uns zu bewirken nicht möglich war. Durch ihre verlogenen Berichte und schamlosen Verleumdungen nicht allein der sozialistischen Arbeiterpartei, sondern des ganzen deutschen Arbeiterstandes fühlt sich jeder denkende Arbeiter auf das Tiefste gekränkt, er sucht und findet Gleichdenkende. So fanden sich denn einige zwanzig Arbeiter zusammen, welche auch alsbald zur Gründung eines Vereins schritten, der wohl auch mit dem spießbürgerlichen Fremdenrecht, welches hier im Lande der Schein- freiheit waltet, nicht in Conflikt gerathen wird. Unter dem Namen„Deutscher Leseverein" constituirte sich am Sonntag den 4. d. M. der Verein; derselbe bildet nun eine Sektion der „Vkainsclis socialistische Arbeiterspartij-(Vlämischen sozialistischen Arbeiterpartei) und hat den Zweck, durch Anschaffen von sozialistischen Schriften und Zeitungen, Abhalten von Vor- trägen und Diskussionen es den Mitgliedern möglich zu machen, sich mit dem Gang der Dinge in Deutschland auf dem Laufenden diese Leute, hoch und niedrig, geradezu angewiesen auf unred- lichen Erwerb aller Art. Schnell fertig war die Welt mit ihrem Urtbeil, wenn sie hörte, daß zwei Obersten, deren Regimenter die Garnisonen wechseln sollten, einfach nur die Nummerknöpfe der Uniformen tauschten und die Marsch- und Verpflegungskosten mit ihren Untergebenen, so weit sie eingeweiht weroen mußten, theilten. Daß aber der Czar diesen Regimentern und ihren Offizieren vielleicht seit Monaten den Sold schuldete, wurde nicht dabei gesagt. Wenn man weiß, daß die Stelle eines Präsidenten mit 400 Rubeln dotirt war, die eben nicht pünktlich oder voll gezahlt wurden, dann mindert sich das unwillige Erstaunen, wenn man hört, daß eben derselbe einem 50-Rubelschem nicht unzugänglich gewesen. Weil jede Art von Controle für die Verwaltung der Staats- finanzen fehlte, so war dieses Uebel auch unheilbar, und auch die genaueste Ueberwachung durch die Gendarmerie konnte da nichts helfen. Deren Chefs hüteten sich auch wohl, dergleichen offene Schäden dem Blick des Herrschers darzulegen. Da trotz aller Ueberwachungen, trotz aller scharfsinnigen Be- mühunzen der Gendarmerie während� der ganzen Dauer von Nikolaus' Regierung weder die politischen Umtriebe nachließen, noch das ebenso streng verpönte Einschmuggeln aufklärender Bücher aufhörte, zwei Sachen, die dem Czaren ganz besonders ein Dorn im Auge waren, so blühte unter seiner Regierung diese Institution wie nie zuvor. Das Wunderbarste an der Sache ist, daß sie zur Stunde ganz wieder in derselben Blüthe steht, wie unter Nikolaus. Dies aber hängt so zusammen: Der jetzige Czar führte 15 Jahre hindurch seine weltbekannten Reformen durch, und seinem Charakter ganz besonders mußte eine Einrichtung, wie das Gendarmeriecorps, unsympathisch und zuwider sein. Trotzdem war eine Auflösung dieser Polizei, wie die Sachen einmal lagen, absolut unthunlich. Man konnte aber ihre Thätigkeit in Bahnen lenken, wo sie wirklich dem Volkswohl diente, und dies geschah. Lange Jahre hörte und sah man nichts mehr von jener furchtbaren, geheimnißvollen und deshalb so verhaßten Thätigkeit jenes Corps, in Folge deren Beamte und Privatpersonen vom bisherigen Schauplatz ihres Wirkens verschwanden, entweder aus Nimmerwiedersehen, oder um nach Jahren in einer viele hunderte Meilen entfernten Stadt eine neue Thätigkeit zu beginnen. Und so lähmend wirkte diese unsichtbare, allgegenwärtige Macht, daß der Sohn nicht wagte, über das Loos zu trauern, das den Vater ereilt, daß der Bruder nicht zu fragen wagte, warum der Bruder seiner S.elle enthoben, in ein Grenzdorf am Amur ver- bannt sei! zu halten, sowie sich in der Sache selbst weiterzubilden. Ferner hat der Verein noch den Zweck, nothleidende Sozialisten zu unterstützen, und begreift hierunter selbstverständlich hier zu- reisende Genossen, welchen mit Arbeitsnachweis u. s. w. zur Hand gegangen und nöthigenfalls materiell Unterstützung ertheilt werden soll; es müssen jedoch solche Genossen mit schriftlicher Empfehlung seitens der Redaktion irgend eines sozialistischen Journals oder einer bekannten Persönlichkeit versehen sein. An dieser Stelle glauben wir jedoch hervorheben zu müssen, daß die Geschäfte im Großen und Ganzen hier, gleichwie überall sonst, schlecht gehen, so daß ein großer Theil der hiesigen Arbeiter aller Branchen beschäftigungslos ist, weshalb Genossen, welche nicht durch zwingende Gründe veranlaßt sind, im Ausland ihre Zuflucht zu suchen, besser thun. in Deutschland zu bleiben. Man hat hier alle Tage Gelegenheit zu sehen, wie zugereiste deutsche Arbeiter sowohl als kleine Geschäftsleute, nachdem das mitge- brachte Geld verzehrt ist, in Roth und Elend gerathen und froh sind, wenn sie wieder nach Deutschland zurückkommen können. Genossen, welche hierher zu kommen beabsichtigen, wollen, soweit dieses thunlich, bei der unterzeichneten Adresse beliebige Anfragen machen; auf alle Franko-Anfragen wird umgehend, soweit dieses möglich, Franko-Antwort ertheilt. Genossen in Deutschland ! Mit Freuden begrüßt der Verein Eure stolze und männliche Haltung im Wahlkampfe und die am Wahltage, dem 30. Juli, gegebene Antwort auf all' jene Lügen, Verleumdungen und Einschüchterungen, mit welchen die vereinigten Gegner eine Partei beseitigen zu können glaubten, deren Prinzipien auf den unumstößlichen Gründen der Wissen- schaft ruhen und die auch, um einen biblischen Ausdruck zu ge- brauchen, die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden. Die Beharrlichkeit und Ruhe, mit welcher Ihr für Eure Sache, welche auch die unsrige ist, kämpft, soll uns zum Vorbild dienen, und seid versichert, daß auch wir, wiewohl wir nicht am direkten Kampfe Theil nehmen können, doch für die Verbreitung unserer Prinzipien mit allen Kräften wirken werden. Und nun ein fröh- liches Glück auf zu den Stichwahlen! Im Auftrag des Vereins Der I. Sekretär Aloys Westhus, nie du Canal 7, Bruxelles. NB. Das Vermögen des„Deutschen Arbeitervereins", welcher im vorigen Jahre hier bestand, war bei mir deponirt; ich habe dasselbe dem neuen Verein übergeben, womit ich mich meines Auftrags im Sinne meiner Auftraggeber entledigt zu haben glaube. Dies den mittlerweile abgereiften Genossen zur Nach- richt. A. Westhus. — Der Louis seiner eigenen Frau und Massenmörder Gallifet ist über Nacht ein berühmter und respektabler Mann geworden. Herr Gambetta hat entdeckt, daß der Mann— Talente hat und zielt darauf hin, ihn an die Spitze der fran- zöfischen Armee zu stellen. Das fehlte noch an dem Ruhme des Herrn Gambetta und seiner— Republik ! Die französischen Arbeiter, deren Väter und Brüder in der„blutigen Maiwoche" zu Tausenden auf Commando dieser Bestie in Menschengestalt niedergeschossen wurden, werden sich anläßlich dieser neuesten „Freundschaft" des Herrn Ehren-Gambetta des Sprichworts erinnern: Sage mir, mit wem Du umgehst, und ich sage Dir, wer Du bist."— Apropos, sollte Herr Gallifet sich wieder mit einer Frau versehen haben,— die erste ist inzwischen zu alt geworden, mit der er sein altes Geschäft ausübt?— — Die Oesterreicher sind über Nacht zu einem blu- tigen Krieg gekommen. In Bosnien müssen sie sich jeden Fußbreit Landes mit schwersten Menschenopfern erkaufen, und wenn sie dann schließlich gesiegt haben— nun dann haben sie für„Väterchen" an der Newa die Kastanien aus dem Feuer ge- holt. Um sich selber und das denkunfähige Publikum zu täuschen, faseln die Andrassy und Consorten von einem„communistischen Aufstand" in Bosnien , der im Interesse des Eigenthums und der Cultur unterdrückt werden müsse. Tie aufständischen„Com- munisten" sind die großen muhamedanischen Grundbesitzer, die auf ihr Land genau so gute Eigenthumstitel haben, wie die deutschen Adligen:c. auf ihre Güter und Kaiser Franz Joseph auf seinen Thron. — Unter Alexander IL war dies anders. Indem er aus Mit- gliedern des immer noch sein Scheinleben fristenden Senates einen Rechnungshof mit wirklichen Befugnissen zur Controle der inneren Finanzverwaltung schuf, indem er die seit Katharina's Zeiten immer mehr vernachlässigten Ständeversammlungen wieder berief und dafür sorgte, daß ihre Stimme auch wirklich gehört wurde, that er schon viel. Den segensreichsten Fortschritt aber machte seine Regierung, indem sie den eximirten Gerichtsstand der Beamten bis auf gewisse Reste aufhob. Damit hat der Kaiser den Grund gelegt zu einer Hebung des russischen Beamten- standes, die ihre segensreichen Folgen von Tag zu Tag fühlbar macht. Vor Allem dringt mächtig die Ueberzeugung in's�Bolk, daß ihm jetzt auf gegründete Klage Gerechtigkeit wird. Früher glaubte der Russe absolut nicht, daß ein Beamter überhaupt wegen eines Uebergriffs nach unten bestraft wurde. Woher auch sollte ihm der Glaube kommen? Der Uebelthäter wurde versetzt, das war Alles. Ob zur Strafe oder vielleicht zur Belohnung für einen gefälschten Bericht in eine besser dotirte Stelle, das Publikum erfuhr es nicht. Oft aber erfuhr es, daß Derjenige, der den ftüheren Beamten verklagt, ein böses Rencontre mit seinem Nachfolger gehabt. Das war nun anders geworden, und wie die Handhabung der neuen Gerichtsbarkeit mehr und mehr sich einlebte im Volke, da wurde auch der Gendarmerie ihr früheres Arbeitsfeld ent- zogen, und sie trat, gewiß am meisten zur Freude ihrer eigenen Beamten, auf das Gebiet über, welches sie überall in den west- lichen Culturstaaten beherrscht. Sie wurde die Stütze der Ver- waltung in der Criminaljustiz auf dem platten Lande. Wahr- lich, dies war keine Sinecure, die sie antrat. Es herrscht heute gewiß weder bei dem Kaiser selbst, noch bei den Männern, die ihn in seinem Reformwerk unterstützt, darüber ein Zweifel, daß man, fortgerissen vom edelsten Willen, zu rasch gewesen ist und Geister entfesselt hat, die man nicht wieder los wird und die dem jungen Triebe der aufblühenden Cultur im höchsten Grade verderblich werden können. Schon damals erhoben sich in des Kaisers Umgebung mehr- fach Stimmen dafür, wenigstens für Kronpolen ein Gendarmerie- corps nach der früheren Weise in's Leben zu rufen. Der Kaiser widerstand. Was bezüglich des Gegentheils auch von Seiten der Polen und Engländer um die Wette versichert worden ist, um den von Seiten der elfteren organisirten Meuchelmord zu beschönigen, den die sogenannten Hänge-Gendarmen ausübten an einzelnen russischen Soldaten, wie russisch� gesinnten Privat- Personen, es ist kein Wort daran wahr. Rußland hat nur seine amtlich organisirte Polizei und die Armee zur Bewältigung de» Aufstandes verwendet.
Ausgabe
3 (16.8.1878) 96
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