gäbe der gegenwärtigen Wissenschaft vor ihrer Verneinung durchdas Ausnahmegesetz. Das Letzte, was der Wissenschaft in demMoment, wo ihr der Mund geschlossen wird, zur freien be-bedingungslosen Rede noch verstattet ist, ist die Erklärung, daßsie verstumme. Diese Erklärung wird gegeben durch die feier-liche Amtsniederlegung aller Professoren und Docenten allerdeutschen Universitäten.—Werden unsre Professoren und Docenten ihre Pflicht thun?Wir' wissen es nicht.--Mit Schmerz gedenken wir, um von andern Symptomen deswissenschaftlichen Geistes in Deutschland zu schweigen, des seitJahren schon, seit dem Erscheinen seines Kometenbuches, vonProf. Zöllner in Leipzig eröffneten Kampfes gegen gewisseunwissenschaftliche Tendenzen, die sich an der Berliner Universität,unter den Commandeuren und Wachtmeistern des„geistigen Leib-regiments der Hohenzollern" breit machten. Auch in seinenspäter» Publikationen, bis auf die jüngste herab, sieht sich HerrZöllner genöthigt, diesen Kampf fortzuführen; diese Tendenzenkönnen also noch nicht erloschen sein.--Wie aber immer, wenn das Ausnahmegesetz angenommensein wird, und wir zweifeln nicht an seiner Annahme, die Ent-scheidung unsrer Professoren und Docenten aussallen wird, siewird eine denkwürdige sein. So möge zum Schluß FerdinandLassalle durch unfern Mund ihnen zurufen:„Nicht mit dem gleichgültigen Lärm unsrer Tages-presse bedrohe ich Sie. Aber die Wissenschaft, diewiederauferstandene, wird Ihre Entscheidung in dieAnnalen der Geschichte eintragen."Sozialpolitische Uedersicht.— Wahl des Reichstagspräsidiums. Mittwoch den11. d. fand die Präsidentenwahl im deutschen Reichstage statt.Es waren 360 Mitglieder, eine Zahl, die früher kaum jemalserreicht worden ist, anwesend. Forckenbeck erhielt 210 Stimmen,der klerikale v. Franckenstein 114, Abg. Delbrück 3 Stimmen;mehrere Zettel waren unbeschrieben. Forckenbeck nimmt die Wahlmit Dank an.— Die Wahl zum ersten Vicepräsidcnten gingnicht so glatt ab. v. Stauffenberg, für den die National-liberalen, die Fortschrittler und die Gruppe Löwe stimmten, er-hielt 125, Freiherr v. Francken st ein(Klerikale, Polen rc.)119 und v. Seidewitz, für den die vereinigten Conseroatioenstimmten, erhielt 115 Stimm°n. Engere Wahl: gleiches Wer-hältniß. Nochmals engere Wahl zwischen Stauffenberg undFcanckenstein. Für Stauffenberg stimmten nun noch die Frei-conservativen, für Franckenstein ein Theil der Deutschconserva-tiven, von denen 33 weiße Stimmzettel abgaben. Stauffenbergerhielt 175, Franckenstein 142 Stimmen. Ersterer, gewählt,stattet seinen Dank ab. Zum zweiten Vicepräsidenten wurde mit212 Stimmen der freiconservative Fürst von Hohenlohe-Langenburg gewählt; 117 weiße Stimmzettel wurden abge-geben. Der so gewählte Herr von Hohenlohe nahm die Wahlmit folgenden rührenden und gerührten Worten an:„Für dasehrende Vertrauen, welches mir das hohe Haus durch die ebenstattgehabte Wahl bewiesen hat, danke ich auf das Herzlichsteund Verbindlichste und nehme die Wahl an." Em schönesVertrauen! So schloß die erste Komödie, die im neuen deutschenReichstage aufgeführt wurde.— Eine Erinnerung für die Liberalen. Die„Frank-furter Zeitung" bringt die Worte des Ministerium Bismarck,mit welchem dasselbe im Jahre 1863 dem Könige von Preußenden Erlaß der Preßordonnanz empfahl, in sehr empfehlendeErinnerung. Diese Worte lauten:„Je mehr die Staatsregierung sich genöthigt sah, den unbe-rechtigten und übertriebenen Erwartungen und Forderungen derParteien Widerstand zu leisten, desto leidenschaftlicher und rück-haltloser mißbrauchte ein Theil der Presse die derselben gewährteFreiheit zur heftigsten und selbst gehässigsten Opposition gegendie Regierung und zur Untergrabung aller Grundlagen einesgeordneten Staatswesens, sowie der Religion und derSittlichkeit.... Es existirt eine Anzahl gerade in den unte-ren Schichten der Bevölkerung vielgelesener Blätter, dietäglich die verderblichsten Auffassungen und Darstellungen ver-breiten und augenfällig einen vergiftenden Einfluß auf die öffent-liche Stimmung und auf die Sittlichkeit des Volkes üben."Klingt das nicht genau ss, als ob der Satz den so eben ver-öffentlichten Motiven zum Sozialiltengesetz entnommen wäre?„Untergrabung des Staatswesens, dser Religion, derSittlichkeit seitens der Liberalen! Das ist die Anklage,welche Herr von Bismarck damals gegen den Liberalismusschleuderte, und jetzt haben die liberalen Bestrebungen im Volkedie vorläufige Herrschaft erlangt. Selbst die„unteren Schichtender Bevölkcrung" fehlen in dem Bismarck'schen Machwerke nicht.Die Preßordonnanzen aber waren nur von kurzer Dauer.Das Leben eines Arbeiters.Ein 73jähriger Lohnarbeiter in Leipzig erzählt nach der„Fackel" in folgender Weise seinen Lebenslauf:»Im Jahre 1828— so begann er— trat ich als Markt-Helfer mit einem Monatslohn von 8 Thalern in das Geschäftvon Samuel Pflugradt in Leipzig. Nach einiger Zeit wurdemir zugelegt, so daß ich mich bald auf 18 Thaler monatlichstand; außerdem erhielt ich noch ein Weihnachtsgeschenk. ImApril des Jahres 1868, nachdem ich 70 Jahre alt und 40Jahre lang ununterbrochen in dem Geschäft thätig gewesen war.bat ich meinen Prinzipal, mir doch einen Laufburschen mit zurSeite zu geben, indem ich mich wohl zur Arbeit noch kräftig ge-nug fühle, hingegen mir das Gehen oft recht schwer werde; undich fügte hinzu, daß ich während di» ganzen langen Dienstzeitkaum eine Minute gefehlt, sondern immer zur Stelle gewesenund sämmtliche Arbeit allein bewältigt habe.— Ich wurdekeiner Antwort gewürdigt, viel weniger, daß ich emen Lauf-burschen bekam. Ich mußte also trotz meinen 70 Jahren dieArbeit, die inzwischen bedeutend umfangreicher geworden war,als bei meinem Antritt, allein verrichten. Im September des-selben Jahres wurde ich krank, so daß nun ein Bursche ange-nommen werden mußte. Derselbe erhielt 6 Tyaler monatlich.Nachdem ich die Krankheit glücklich überstanden, war ich froh,daß ich, da ich die liegen gebliebene Arbeit nacharbeiten mußte,dabei wenigstens eine kleine Hilfe hatte. Meine Freude solltenicht lange währen. Zum Weihnachtsfest, als sämmtliches Per-sonal versammelt war, um das übliche Weihnachtsgeschenk inEmpfang zu nehmen, sagte mein Herr Prinzipul zu mir:„MitIhnen, Kramer, habe ich noch besonders zu sprechen. Ich möchteSie fragen, ob Sie wieder im Stande sind, ohne Laufburschenauszukommen, wenn nicht, so ntussen Sie denselben von IhremLohn bezahlen." Das hatte ich nicht erwartet; ich machteGegenvorstellungen, da wurde mir die Antwort:„Ach was,mir kann nicht zugemuthet werden, daß ich den Burschen wegenIhrem Alter bezahle."— Mit welchen Gefühlen ich das Ge-— Nobiling. Jetzt, da der Mann todt ist, lüpft manwenigstens einen Zipfel der Decke, welche die Wahrheit verhüllte.„Kein Mittel der Pflege und keines der ärztlichen Kunst istunversucht geblieben," schreibt der„Berliner Börsencourier" nacheinem Rückblick auf das Attentat des 2. Juni, um Nobilingzunächst das Leben und dann den Verstand zu erhalten,—Leben und Verstand bis zu dem Augenblick, wo man klar hättesehen können über die Motive, die ihm die Flinte in die Handgedrückt haben in jener unglückseligen Nachmittagsstunde des2. Juni 1878. Aber ärztliche Kunst und ärztliche Pflege warenumsonst— daß der Verstand umnachtct bleiben mußte, wußteman seit einiger Zeit, daß sein Leben nicht mehr zu erhaltenwäre, wußte man seit ein paar Tagen. Nichts ist ermitteltworden und über nichts hat man Auskunft erlangenkönnen— ein tiefes Geheimniß, dunkel wie das Grab, in dasder Verbrecher in diesen Tagen gescharrt werden wird, umhülltdas Nobiling'sche Attentat heute, wie vor vierzehn Wochen.Nichts läßt von denjenigen Ermittlungen, die bisher gemachtwerden konnten— Ermittlungen, die ja natürlich nicht einZehntel des Werthes haben, wie etwa ein Halbdutzend Ver-nehmungen des Verbrechers selbst— darauf schließe«, daß No-biling Mitwisser, Mitschuldige seiner furchtbaren That auf dieserErde zurückläßt, daß nicht mit ihm der E-nzigc. der Äntheilhatte an dem unseligen Verbrechen, aus der Welt scheidet. JeneErmittlungen hatten nichts Anderes ergeben, als das Eine: daßein Mensch toll vor Eitelkeit, bestrebt, eine That zu thun, dieihn unsterblich macheu soll, gewillt, die Welt aus ihren Fngenzu heben durch ein Verbrechen, in der Idee, dieselbe Welt, dieer in Verwirrung und Bestürzung seüt, zu begl«cken— daßdieser eine Mensch die That allein, ohne Mitwlssen Anderer,ohne Mitschuldige, ohne Complottanten geplant und ans-geführt hat."Machen wir eine kurze Pause: Und die That dieses Wahn-sinnigen, der„allein, ohne Mitwissen Anderer, ohneMitschuldige" gehandelt hat, bildet das angebliche Motiv desSozialistengesetzes, welches von der Voraussetzung ausgeht, daßdie deutschen Sozialisten Nobiling's„Mitschuldige" seien! Dochlassen wir den„Bürsencourier" weiter reden:„Die Akten werden geschlossen und dem Staatsarchiv über-geben werden, das H nkerbeil wird nicht zum zweiten Mal her-niederfallen auf den Nacken eines Attentäters— der größerevon beiden Verbrechern, derjenige, dem es gelungen ist, das Zielseiner mörderischen Kugeln zu erreichen, hat ein milderes Schicksalgefunden, als der Andere. Die Gerechtigkeit dieser Welt hatihn nicht mehr erreicht und selbst die Todesqualen sind ihmerspart geblieb-n, denn kaum hat er Stunden klaren Bewußtseinsund richtigen Verständnisses der Dinge mehr gefunden seit derzweiten Stunde jenes Sonntags Nachmittags."Ueber das Lebensende des Attentäters wird demselben Blattvon einem Berichterstatter Folgendes mitgetheilt.„Ich habeFrau v. Gauvain, die Mutler Nobiling's, gesehen, die allein,ohne Begleitung einer ihrer Töchier oder ihres zweiten Gatten,auf die Nachricht,� daß ihr Sohn im Sterben liege, herbei-gekommen war. Sie verließ das Zimmer der Krankenstationunmittelbar, nachdem der Arzt erklärt hatte, Nobiling hätte zuleben aufgehört. Sie schien nicht sond-rlich erschüttert, nichtallzu heftig bewegt— nach den Erschütterungen, die sie voreinem Vierteljahre erfahren hatte, mußte der Tod ihres Sohnesfast spurlos an ihr vorübergehen, denn augenscheinlich ist dasderjenige Ausgang des Lebens des Altentäters, den die Familie,über die ohnehin durch den Verbrecher so viel Swande gebrachtist, auf's Innigste wünschen mußte. Frau v. Gauvain hatteihren Sohn vollkommen entstellt vorgefunden. Er glich in nichtsmehr jenem Menschen, der am 2. Juni verhaftet worden ist.Die Krankheit, die Anseiterung eines Theil der Gchirnmasse,hatten ihn vollkommen v rändert, hatten s-ine Glieder gekrümmt,hatten ein einem Menschen kaum mehr ähnlich sehendesWesen aus ihm gemacht, dessen Anblick nur der Arzt undder geübte Krankenwärter ertragen konnte, in dessen Nähe sichnur Personen aufhalten konnten, die an die Schrecken derKranken- und der Sterbelager gewöhnt sind. Nobiling hat seineMutter nicht erkannt. Die Lippen bew.gten sich in der letztenStunde und brachten irgend welche dumpfe Laute, ein kaum hör-bares Murmeln hervor, augenscheinlich waren dieselben über-Haupt keine Worte, denn Nobiling halte das Beivu°tsein längstvorder verloren. Gestern Morgen brachen die Wunden amKopfe auf; die Eiterung derselb n war schon vorher eingetreten,und zu gleicher Zeit muß der Eiter in das Blut übergetretensein, denn es zeigten sich alle Symptome einer Blutvergiftung,vor allen Dingen fortdauerndes, lebyaftes Erbrechen. AmMorgen hatten die G fangenen Aerzte und die zugezogenen ärzt-lichen Auioritäten erklärt, daß Nobiling höchstens noch vierund-zwanzig stunden zu l ben habe. Daraufhin wurde seine Mutterbenachiichtigt, die etwa eine stunde vor dem Tode des Atten-täters eingetroffen ist. Zum Be oußtsein ist Nobiling bereitsseit einer Ruhe von Tagen nicht mehr gekommen, und eineschaft verließ, kann ich Niemandem sagen,— doch ich glaubteimmer noch nicht, daß dies Vorhaben zur That werden sollte.Aber ich irrte mich. Als ich zum Sylvester meinen Gebalt inEmpfang nehmen wollte, wurden mir bereits für den MonatDecember 6 Thaler abgezogen. Was sollte ich thun? Wollteich nicht verhungern, to mußte ich mich drein schicken und denkärglichen Lohn nehmen. Doch war die Lohnkürzung noch dasWenigste; man halte beschlossen, den alten Kerl los zu werden.Täglich, ja stündlich, maßte ich Aeußerung-m, wie:„alter Sünder',„alter Faullenzer" rc., von meinem Prinzipal hören. MeinInnerstes empörte sich, aber ich mußte bleiben; ich hielt nochdrei Jahre lang aus. Da, als man meiner Ehre gar zu nahetrat, war ich doch gezwungen, meiner Wege zu gehen, nachdemich also 43 Jahr lang in dem Geschäfte thätig gewesen war."Kein Wort haben wir dieser E« Zählung hinzuzufügen.— Ein patriotischer Musterpädagoge. Ein Partei-genösse, der einen Knaben in der Mittelschule zu Görlitz hat,wollte denselben die von den Lehrern der genannten Schule zumSt. Sedanstag inscenirte Festseier nicht besuchen lassen und theiltedies dem betreffenden Klassenlehrer mit. Das Resultat warfolgender Schreivebrief:„Ohne Angabe bestimmter und triftiger Gründe kann ichkeinem Schüler erlauben, von der Schulfeier des 2. Septemberzurückzubl iben, und da solche Gründe nach dem, was mir be-reits bekannt geworden, nicht vorliegen,� so kann ich nur an-heimgeben, Ihren Sohn entweder den Schuleinrichtungen zuunterwerfen und am Montag zur Schulfeier zu schicken, oderden Knaben von der Anstalt abzumelden. Ist derselbe nicht am2. k. M. pünktlich zur Stelle(Vormittags 9 Uhr), so erfolgtmeinerseits noch am selben Tage der Ausschulungsantrag beider hiesigen Schulendcputation.Görlitz. 30. 8. 78. Groß, Rektor.Ich erlaube mir noch zu bemerken, daß ich eine schriftlicheDarlegung des mir bereits von Ihrem Sohne mitgetheilten An-träges nicht annehmen würde. Gr."ernsthafte Vernehmung hat überhaupt seit jenem ersten Verhördes 2. Juni nicht mehr stattfinden können. Damals hatte No-biling nur gestanden, er Hab: den Kaiser tödten wollen, er hul-dige sozialistischen Ansichten, und auf die Frage, ob er Mit-schuldige habe, hat er sich nicht klar ausgedrückt.(Die Wahrheitist: er hat gar nichts gestanden, und nur unartikulirte Lauteund finn- und zusammenhangslose Worte hervorgebracht, wiedas bei der Natur seiner Wunde selbstverständlich. R. d. V.)Das war Alles, und Weiteres ist auch seitdem nicht ermitteltworden; seit einer Reihe von Tagen war jede Möglichkeit einesVerhörs geschwunden. Es war eine vollkommene Ver-iterungdes Gehirns eingetreten, und außerdem war in der letzten Zeitfortdauernd Gehirnmasse aus den Wunden ausgetreten, so daßbereits seit längerer Zeit— worüber sich die Aerzte j-tzt freiäußern dürfen— keine Hoffnung mehr war, Nobiling bei Ver-stände zu erhalten. Sonntag trat die hauptsächliche Verschlim-merung ein, und die Aerzte waren auf eine nahe bevorstehendeKatastrophe vorbereitet. Der eingetretene Tod wurde sofortamtlich und aktenmäßig constatirt."Der Attentäter ist also todt, die Attentatspartei aber lebtnoch, und es gilt, ihr das Spiel zu vereiteln. Es dürfteder Tod Nobiling's der Attentatspartei sehr gelegen gekommensein. Nobiling vor Gericht— das wäre der Tod der Atten-tatspartei gewesen.— Ja Ihrer Nummer vom 8. September d. I. findet sichfolgender Satz:Ein sehr einfaches Heilmittel für unsere politisch-sozialenUebelstände hat Professor Biedermann in Leipzig entdeckt.Es lautet: Uebertragung der Diktatur an den Fürsten Bismarck.Natürlich wird das nicht so direkt herausgesagt. Die gram-matikalisch etwas bedenkliche Phrase des nationalliberalen Wunder-doktors lautet:„Gewährung einer von dem Reichskanzler unter seiner per-sönlichen Verantwortlichkeit frei zu übenden diktatorischen Ge-walt."Diese letzten Worte, noch dazu mit„" versehen, erscheinennatürlich wie ein wörtliches Citat aus irgend einem Artikel vonmir. Nun findet sich aber in keinem der von mir über dassog. Sozialistengesetz in der„Deutschen Allgemeinen Zeitung"veröffentlichten Artikel dieser oder auch nur ein ähnlicher Satz,und auch der Sache nach ist das was ich dort vorschlage, voneiner„Diktatur" wesentlich unterschieden, da man unter dieserdie Machtvollkommenheit versteht, nöthigenfalls auch außerhalbder bestehenden Gesetze zu handeln, ich dagegen lediglichvorschlage, die Handhabung eines ordnungsmäßig zu Standezu bringenden Gesetzes in die Hand des Reichskanzlers, stattin die Hand der„Laiidespolizeibehörden" zu legen.Die R-daktion des„Vorwärts" wird hierdurch ersucht,nöthigenfalls auf Grund von Art. 11 des Reichspreßgesetzesveranlaßt, obige Berichtigung in Ihre nächste Nummer auf-zunehmen.Leipzig, 11. Septbr. 1878. Prof. Dr. Biedermann,Red. d.„Deutsch. Allg. Ztg."Die„Kölnische Zeitung" hatte Herrn Biedermann obigenSatz in den Mund gelegt, und da wir nicht immer die„DeutscheAllgemeine Zeitung" lesen, so hielten wir den Satz für ein wört-licheS Citat. Ob aber auch Herr Biedermann unsere gegen ihnin derselben Nummer gerichtete„Pulver- und Blei-Notiz" demen-tiren wird?— Dr. Rudolph Meyer veröffentlicht von Paris aus inder„Germania" ein längeres Schreiben, in welchem er dasSozialistengesetz auf das Schärfste verurtheilt. Er sagt U.A.:„Ich behaupte, daß Herr Tessendors und seine Genossen seit1873 in Deutschland mehr Sozialdemokraten gemacht haben, alsLassalle bis 1863. Und das Ausnahmegesetz wird deren nichtnur mehr machen, sondern auch erbittertere."— In Sachen des Herrn von Puttkammer, dessen„Fall" unseren Lesern in frischem Gcdächtniß ist, schreibt manuns:„Herr v. Puttkammer erhielt auf feine verschiedenen Be-schwerden an den Reichstag über Rechtskränkung und Rechts-Verweigerung, unter Rücksendung der eingesandten Schriftstücke,vom Bureau des Reichstages stets den Bescheid, daß der Reichs-tag in seiner Plenarsitzung von dem und dem auf Grunddes von der Petillonscommlssion abgegebenen Votums den Be-schluß gefaßt, aus den und den Gründen seine Anträge ab-zulehnen. Es liegen uns mehrere derartige Bescheide vor.Der Petent, welcher niemals in den Reichslagsberichten etwasüber die Verhandlung seiner Beschwerden gefunden, ließ sichdie Tagesordnung desjenigen Sitzungstages kommen, an demseine Beschwerden angeblich verhandelt und abgewiesen wordensein sollten. Auf keiner Tagesordnung war seine Petition zufinden. Herr v. Puttkammer stellte nun das Bureau des deutschenWir bezweifeln nicht, daß Herr Groß ein großer Patriot istvor dem Herrn. Aber von der Aufgabe der Schule hat ereinen sehr unvollkommenen Begriff. Sonst müßte er wissen, daßdie Schule eine Staats- und keine Parteianstalt ist, und daß,wenn die Schule sich dazu hergiebt, Partcifeste, wie das Sedans-fest, zu feiern, sie aufhört, die Rechte auszuüben, welche sie alsStaatsanstalt genießt; mit anderen Worten, daß von Schul-zwang dann nicht die Rede sein kann und die Theilnahmedem privaten Ermessen der Eltern, je nach deren Parteistellung,anheimgegeben werden muß. Das haben die Schuldirektionenan den meisten Orten auch begriffen. Das Beste wäre freilich,die Schule hielte sich ganz frei von solchen patriotischen Mani-festationen, die blas die Scrvilität pflegen, und den Parteihaßselbst in die kindlichen Gemüther hineinwerfen.Zum Schluß möchten wir noch fragen, ob Herr Groß nichtpreußischer Unteroffizier war und sich als solcher durch„Stramm-heit" auszeichnete. Wir erinnern uns, Derartiges gehört zuhaben, und es würde uns interessiren, die kulturhistorisch in-teressante Thatsache zu constatiren.— Wie man Reichstagsabgeordneter wird. FürstBismarck hatte bei der letzten allgemeinen Wahl bekanntlich Pechmit seinen Sprößlingen, die beide aufs Kläglichste durchfielen.Was aber damals nicht gelang, ist sintemal fertig gebracht wor-den. Im Langensalzaer Bezirk wurde eine Nachwahl nöthig:Bismarck's Jüngster präsentirte sich oder wurde präsentirt—gegen ihn Prof. Rculeaux von den Nationalliberalen aufgestellt.Der arme Wilhelm machte mit seiner„Jungfernrede" elend Fiasko,b kam aber trotzdem ziemlich viel Glimmen,— man weiß ja,wie's gemacht wird— und gelangte zur engeren Wahl mitReuleaux, dessen Sieg, da die katholischen Stimmen ihm nichtentgehen konnten, sicher war. Aber der Wähler denkt und—Bismarck lenkt. Unmittelbar vor dem zur Stichwahl anberaumtenTag zieht Herr Prof. Reuleaux„aus zwingenden Gründen,die er nicht angeben", die aber jeder nicht ganz auf den KopfGefallene sich denken kann, seine Candidatur zurück, und