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Unzeitgemätze Zeitgedanten eines Collaborators*% Daß nur nicht der Leser durch die Ueberschrift verführt auf den Gedanken komme, ich wolle zu der Arbeit meines Collegen vom Schwarzwald  droben, zu denTaufend Gedanken eines Colla­borators" von Berthold Auerbach   ein Pendant liefern! Bei Leibe nicht! Unsere Zeit hat sich mit viel reelleren, greifbareren Gegenständen zu befassen als mit spinozistischer Selbstversenkung und Sclbsterlösung, wenn auch heut zu Tage mancher Mann, angeekelt von der Misöre der herrschenden Zustände, grollend vom Lärm des Tages sich zurückziehen möchte, um in der Einsam- keil seiner Studirstube Trost zu suchen in den Werken unserer großen Denker, oder sich zu er- frischen an den Gestalten des römischen und hei- lenischen Alterthums. Allein gerade der Unmuth über die heutigen Zeitverhältnisse ist es, der mir die Feder in die Hand drückt, um mein volles Herz auszuschütten über die krankhaften Symptome, die in der letzten Zeit im öffentlichen Leben zu Tage getreten find. Eines der ekelhaftesten Geschwüre am deutschen  Volkskörper ist unstreitig die moderne Tagespresse ich verstehe darunter die großen tonangebenden Journale, in denen die öffentliche Meinung gemacht wird und das frevelhafte, gewissenlose Spiel, das eben mit dieser öffentlichen Meinung getrieben wird. Große Geister, wie Hegel   und Göthe  , hatten allerdings vor dieser öffentlichen Meinung keinen allzugroßen Respekt. So urtheilt Hegel in seinerRechtsphilosophie" von derselben: »Die öffentliche Meinung verdient ebenso geachtet als verachtet zu werden, dieses nach ihrem kon kreten Bewußtsein und ihrer Aeußerung, jenes nach ihrer wesentlichen Grundlage, die, mehr oder weniger getrübt, in jenes Konkrete nur scheint." Daher ist auch nach Hegel   die Unabhängigkeit von ihr die erste formelle Bedingung zu etwas Großem und Vernünftigem in der Wirklichkeit wie in der Wissenschaft. «clq vernichtendes Urtheil hatte Hegel erst heutzutage über die öffentliche Meinung gefällt, wie sie in verzerrter Fratze und häßlicher Karri katur aus dem Spiegel der modernen Tagespresse eutgegengrinst, der Tagespresse, die von unseren Zeitungsschreibern vom Metier geleitet wird. Am treffendsten hat Lassalle   diese Sorte von Volks- bildnern in seinem Julian gekennzeichnet alseine Bande unwissender und gedankenloser Buben, zu jeder bürgerlichen Hantierung zu schlecht, zu igno- rant zum Elementarschullehrer, zu unfähig und arbeitsscheu zum Postsekretär, und ebendeshalb sich berufen glaubend, Literatur und Volksbildung Zu treiben." Wohlgemerkt, als Lassalle diese Worte ichrieb, wußte man noch nichts von dem herrlichen Institut des Reptilienfonds, das systematisch die Rotte gewissenloser Soldschreiber von Regierungs Wegen heranzüchtete und ins Endlose vermehrte. Als eine Erlösung von beengendem Alpdruck wurde es daher unlängst empfunden, als die leider irrige Kunde auftauchte, der Rechtsnachfolger des letzten Welfenkönigs habe seinen Ansprüchen entsagt und damit den Welfenfonds seiner edlen Bestimmung entrissen. Welche entsittlichenden, depravirendeu Wirkungen dieses Institut auf den deutschen   Volks- geist ausgeübt hat und noch ausübt, will ich nicht näher schildern. Wer sich dafür interessirt, mag es des Näheren in dem tresslichen Buche des Prof. WutikeDie deutschen   Zeitschriften' nachlesen. »Die deutschen   Zeitschriften von Prof. Wuttke, davon habe ich noch nichts gehört!" höre ich manchen Leser verwundert ausrufen. Das mag wohl fem! Das ist ja eben das Geheimniß der modernen TageSpresse, daß alle tonangebenden, d,e öffentliche Meinung' fabrizirenden Journale zu Coterien und Cliquen vereinigt sind, wo einer auf den andern schwört, einer den andern heraus- streicht, jeder den andern berühmt macht, während die Werke verdienstvoller Autoren einfach todt- geschwiegen, oder, wenn dies nicht mehr angeht, m schamloser Weise heruntergerissen werden. Wuttke hat in seinem Werke der deutschen   Tages- presse einen Spiegel vorgehalten; ihr häßliches Besicht konnte sie darin schauen: aber sie hat wohlweislich ihre Wuth im Stillen hinunter- gewürzt und Niemand draußen etwas davon ver- rathen. Consequenterweise wird daher immer noch Lassalle alsliterarischer Gassenjunge" mißhandelt, ein monumentales Werk, wie Marx' Kapital, mit einem Fußtrittvoluminöses Elaborat" verächtlich bei Seite geschoben, so wurden die verdienstvollen Arbeiten eines Lange, Schäffle, Wagner, Scheel u. a. entweder ignorirt oder als staatsgefährlich denunzirt. während kritiklose und tendenziöse Pam- Phlete ä La Treitschke und Bamberger  , zusammen- gesto�elteund-gekleisterteMachwerke a!a Schuster. B.ichnend genug ist dieser trefflich- Artikel von und Mehring sich des rauschenden Beifalls unserer fajj ajjetI Tagesblättern todtgeschwiegen worden: ich finde ihn nur in derGermania  ", und imVorwärts" Collaborator= Mitarbeiter., abgedruckt. Tagesprcsse erfreuen und bei der urtheilslosen Masse der sog. gebildeten Mittelklassen, für die der Urgermane Heinrich Leo   den AusdruckBil- dungspöbel" erfunden zu haben scheint, reißenden Absatz finden. Wie öffentliche Meinung gemacht, wie die Zeit- geschichte gefälscht wird, ist wahrhaft zum Er- barmen; Klio  , die hehre Muse, ist zur gemeinen Gassendirne geworden, die von jedem hergelaufenen Buben nach Bezahlung sich gebrauchen läßt. Ein heiteres Exempel an einem solchenHelden der Feder", der sich Christof Wild nennt, hat unlängst dieStaatsbürgerzeitung"*) statuirt, indem sie zur Evidenz nachgewiesen hat, daß das ganze Elaborat dieses Ritters von der traurigen Gestalt aus diversen Zeitungsartikeln zusammengestohlen sei. Das Ergötzlichste bei der Geschichte ist aber das, daß das Machwerk dieses literarischen Strauch- diebs und Wegelagerers von einem großen Theil der tonangebenden Presse belobigt worden ist; derSchwäbische Merkur" z. B., dieser Typus der politischen Gesinnungslosigkeit, vulxo National- liberalismus genannt, ließ es sich nicht nehmen, als Leitartikel einen Auszug aus dem Opus dieses literarischen Buschkleppers, die sozialistische Bro- schüren- und Kalenderliteratur betreffend, zu bringen. Das Diktum Schiller's von dem tintenkleck- senden Säkulum, das einen anekelt, ist nicht mehr Wahrheit; nur Scheeren- und Kleisterarbeit ist es, die dem Leser in fürchterlicher Hohlheit aus den Spalten unserer Tagespresse entgegenstarrt. Und zwar in allen Zweigen der Kunst, Lite- ratur, Wissenschaft und Politik macht sich diese Ichand» und Schundliteratur breit; in allen großen und kleinen Journalen glaubt diese Rotte gedanken- und gewissenloser Buben ihre literarische Roth  - dürft verrichten zu dürfen, und sie gleicht darin den Hunden, daß sie mit Vorliebe die Monumente großer Männer be. Armer, guter deutscher Michel, wann wirst du endlich gewahr, daß du von einer nichtsnutzigen Bande unwissender Strolche am Narrenseile geführt wirst, wann ermannst du dich endlich aus deinem Schlaf und giebst deinen Verführern den verdienten Laufpaß? Das elende Treiben dieser Volksbverführcr hat sich bei Besprechung der Ereignisse der letzten Monate am schamlosesten geoffenbart. In den Attentatstagen herrschte in den tonangebenden Journalen und den ihnen nachbetenden Blättern und Blättchen ein wahrer Hexensabbath, das reinste, unverfälschte Tohu-wa-bohu, wie es in der Schrift steht. Dafür hatte auch die Berliner   Hexenküche auf's trefflichste gesorgt; mit den Tränklein und Pulverlein, die dort gebraut wurden, waren aller Welt die Köpfe verrückt gemacht. Das Wundfieber, von dem das deutsche   Volk in seiner großen Mehr- zahl damals angesteckt war, hatte sich, künstlich genährt und großgezogen, zum förmlichen Delirium gesteigert. Ueber jedem offenen, mannhaften Wort, das in jenen Tagen, der bethörten und verwirrten Tagesmeinung zum Trotz, ausgesprochen wurde, schwebte das Damoklesschwert einer Denunziation wegen Majestätsbeleidigung oder Hochverrath, über dem Haupt eines jeden einer freieren Anschauung oder gar des Sozialismus verdächtigen Mannes der Knüppel der Ordnungscanaille. Und all der Lärm ward in Szene gesetzt, all die Aufregung und Verbitterung unter das deutsche  Volk geworfen weil die Regierung mit aller Gewalt eine große Partei der Urheberschaft der verbrecherischen That zweier Halbidioten bezichtete, ja die ganze Nation dafür verantwortlich machen wollte, als ob nicht noch heut zu Tage die Heine'- schen Verse Geltung hätten: Deutschland  , die fromme Kinderstube, Ist keine römische Mördergrube-- Im Land der Eichen und der Linden Wird nimmer sich ein Brutus finden. Aber freilich, selbst das harmloseste und ge­duldigste Volk kann, wie wir jetzt in Rußland  sehen, durch IRißleitung und Willkürakte zum Aeußersten gebracht werden, daß es gleichfalls den Boden des Rechts, das für alle gleich sein sollte, verläßt und sich selbst sein Recht sucht. Jeder aufrichtige Patriot, der es mit der Zu- kunft seines Vaterlandes ehrlich meint, muß mit glühender Seele wünschen, Deutschland   möge von der Gefahr der Ausnahmegesetzgebung, die Wen- täte nur provoziren, nicht verhindern kann, ver- schont bleiben, die Regierung möge die Bahn ver- lassen, die sie zu wandeln entschlossen ist, oder wenigstens die Volksvertretung möge ihr ein ener- gisches Halt zurufen. Kommt denn den Gesetz- ebern nicht zum Bewußtsein, daß die verbotene irucht, gleich der vom Baum der Erkenntniß ge- Pflückten, stärker reizt und süßer schmeckt als die erlaubte? Haben sie denn ganz das römische Dichterwort vergessen:Wimur in vetitum semperj cupimusque negata." Erinnern sich unsere Ge- setzesfabrikanten, vulgo Bundesrath und Reichstag genannt, nicht des Ausspruchs von Tacitus  : Je schlechter ein Staat ist, desto mehr Gesetze macht er Ausnahmegesetze in Sozialismus, Einnahme- gesetze in Tabak, Petroleum, Salz und anderen Luxusartikeln? "Eitle Hoffnungen! Der Staatsmann mit der einsamen Stirn ist einmal in eigenfinniger Ber- blendung entschlossen, den Strom der Bewegung, der sich in immer breiteren Wogen über Deutsch  - land ergießt, mit Ausnahmegesetzen einzudämmen, die weltbewegende Idee des Sozialismus mit Polizei- und Militärgewalt zu unterdrücken. Das Wortverbrecherische Thorheit" wird, ich fürchte es, auf den Schützen zurückprallen; doch darüber soll einmal die Geschichte zu Gericht fitzen! Die unheilvollen Folgen, welche die projektirten Gesetze nach sich ziehen, lassen sich gar nicht über- sehen. Bon den Eingriffen ins Privateigenthum und Erwerbsrecht ganz zu schweigen, ist, glaube ich, am meisten die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehren dadurch bedroht. Deuter man ja jetzt schon in den reaktionären Organen mit den Fmgern auf die Katheder gewisser Universitäts- lehrer, von denen herab der wissenschaftliche So- zialismus in die Kreise der Gebildeten eingedrungen sei! So viel ist jedenfalls sicher, der sozialdemo- kratischen Partei als solcher gegen diese soll ja der Schlag geführt werden thut das Gesetz nicht den geringsten Abbruch. Die Agitation, vom Licht des Tages, von der Tribüne und aus der Presse verdrängt, zieht sich ins Dunkel der Werk- statt, der Privatwohnung, der Kneipe zurück und wirkt hier um so intensiver. Der Gegensatz zwischen den beiden streitenden Parteien ist am anschaulichsten bei der Sozialisten- debatte in den Reden Bebel's und Bismarck's zu Tage getreten. Auf der einen Seite die treff- ljche Rede des Vertreters von Dresden  , maßvoll itiiv würdig, auf der andern die geistreich sein sollende nonchalante Causerie des Reichskanzlers, der oberflächlich die Vorwürfe des Gegners ab- fertigt und sich zum Champion Lassalle's   im Gegensatz zu seinen heutigen Epigonen aufwirft, Lassalle's  , ver Bismarck   an politischem Scharfblick, Genie und eiserner Consequenz gewiß ebenbürtig ist, an positivem Wissen und umfassender, allseitiger Bildung ihn um Haupteslänge überragt.*) Die Redner der übrigen Parteien wärmten ihren alten Kohl wieder auf: Reichensperger empfahl als Universalheilmittel gegen den So- zialismus den Glauben an die Autorität der Kirche. Kleist- Retzow hatte ein noch viel probateres Rezept: Christenthum und Prügel. Die übrigen Redner klammerten sich an die Gesetzgebung durch den Staat, an Gesetze mit mehr oder weniger straff angezogenen Zügeln. Allein nicht blos mit Ausnahmegesetzen und Polizeimaßregcln, auch mit geistigen Waffen sollte der Kampf gegen den Sozialismus geführt werden: dies sieht wenigstens der vernünftigere Theil der Gegner ein. Diesen Kulturkampf in vermehrter und verbesserter Auflage zu führen, dazu ist vor allem die Schule ausersehen. Die Liebe zum Vaterland, das NationalitätSgesübl, der Mords- Patriotismus sollte in den jugendlichen Gemüthern geweckt werden und dazu bietet z. B. daS Sedanfest mit Schulfeiern ic.:c. die beste Gelegenheit. Ich für meine Person bin ohnehin ein abgesagter Feind aller offiziellen Festivitäten, aber nichts ist mir aus innigster Seele so zuwider als gerade dieser Mordspatriotismus St. Sedan- Schwindel. Weil ich dem Druck von Oben nachgeben und doch etwas zur Erhöhung der Tagesfreude beitragen mußte, so besprach ich die Ursachen und Folgen des glor- reichen siebziger Krieges, an der Hand des sechs- undsechziger, denselben kritisch beleuchtend, und ließ dann meine Jungen laufen. Und wie ich, so handeln noch viele andere Lehrer, die unbeirrt von der Tagesmeinung, in- mitten der tobenden, berauschten Menge, den Kopf kühl behalten, denen doch gewiß ein wärmeres Herz für das Wohl des Vaterlandes im Busen schlägt, wenn sie der Schule ein höheres, wür- digeres Ziel stecken, als den Kindern Lust und Freude an Mord und Krieg beizubringen. ') Nebenbei eine kleine Abschweifung: Die Werke Lassalle's  , desDenkers und Kämpfers" diese ehren- den Worte wollte ihm der unvergeßliche A. Böckh auf's Grab setzen btsonders die kleineren Schriften, be- finden sich in einem wahrhaft erbarmenswürdigen, trost- losen Zustande. Die neueste Ausgabe desJulian" wimmelt noch immer von entsetzlichen Druckfehlern! Könnte da keine Abhilfe geschafft werden?! Die jüngste Rede des Reichskanzlers böte ja die schönste Gelegen heit, eine Nationalsubscription i la Wilhe msspende für die Sammlung und kritische S'chtung der We.ke des bedeutendsten deutschen   Pamphletisten nach Luther   und Lessing zu veranstalten. Glücklicherweise hat schon bei vielen Mitglie- dern des Lehrerstandes, des niederen, wie deS höheren, die Idee des Sozialismus siegreich sich Bahn gebrochen, so daß von Maßregeln und Er- lassen, in denen die Schulbehörden allerlei Rezepte zur Bekämpfung des Sozialismus vorschreiben, nicht viel Erfolg zu erwarten sein wird. Die Geschichte bietet ja dem Lehrer verschiedene Bei- spiele und Analogien dar. an denen er die Wahr- heit des Sozialismus treffend illustriren kann. In der Religiousgeschichte die mosaische Gesetzgebung und die Zeiten des Urchristenthums; in der an- tiken die ruhmvollen Kämpfe der Hellenen um ihre politische Freiheit gegen die Despotenheere und der Untergang dieser politischen Freiheit an der ökonomischen Unfreiheit und Ungleichheit trotz dem Opfer- und Todesmuthe eines Agis und Kleomenes; im alten Rom   die Kämpfe der Plebejer und Patrizier um politische Gleichberechtigung und die Werthlosigkeit eben dieser politischen Gleich- berechtigung bei der immer mehr sich erweiternden Kluft zwischen Reich und Arm, die ein Tiberius  und Cajus Gracchus umsonst auszufüllen suchten Mißstände, die zum Untergang der Republik  führten und Rom   mit gebundenen Händen den Cäsaren auslieferten; in der neueren und neuesten Geschichte die religiösen und politischen Bewegungen in ihren einzelnen Phasen, während die soziale eben jetzt an die Thore pocht. Die Schule ist sicherlich ein bedeutsamer Faktor in der sozialen Bewegung, aber nicht im Kampf gegen den Sozialismus, sondern im Kampf sür denselben. Zum Glück ist man jetzt soweit ge- kommen, in der Geschichte nicht mehr eine fort- laufende Kette von Kriegen und Schlachten zu sehen, in denen die Völker zur höheren Ehre ihrer Herren sich gegenseitig abschlachten, sondern die stetige Entwicklung der Menschheit zur Freiheit, in der Religion nicht mehr Märchen und Wunder zu lehren, sondern Liebe und Brüderlichkeit. Hier muß der Lehrer den Hebel ansetzen, interessante Streiflichter auf die Gegenwart fallen lassen, da» Denken wecken, daß in unserem Reich der GotteS- furcht und frommen Sitte doch nicht alles so ist, wie es sein sollte, im Gegentheil gar viele? faul, bis in'S innerste Mark hinein morsch und faul ist. So wird der Lehrer in die Herzen der heran- wachsenden Jugend, der doch die Zukunft gehört, Liebe und Freude an den hohen, idealen Güter« der Menschheit als befruchtenden Samen auS- streuen, aber dieser Samen wird erst dann auf empfänglichen Boden fallen, wenn derselbe vorher tüchtig umgegraben, oder sagen wir der Zeit- stimmung entsprechend untergraben und unterwühlt sein wird. Unter den jetzigen Umständen wird diese Arbeit im Dunkel behutsam schleichend sich vollziehen, sie wird Maulwurfsarbeit sein müssen. Oder gefällt den Herren das Bild nicht? Gut denn, ein anderes! Wenn die Stille des Kirch- Hofs, wenn Dämmerung und Nacht über die beut- schen Gaue sich gelagert haben, dann ist es Zeit, daß die Eule der Minerva   ihren Flug beginnt. Der deutschen   Wissenschaft, insonderheit dem beut- schen Lehrerstande ein fröhliches Glückauf zu diesem Fluge. Arnicus. Lassalle und die Produktivgenosfen- schasten. Unter dieser Ueberschrift bringt der bekannte Sozial-Politiker Dr. Rudolf Meyer, der die Antwort der Herren Schumacher-Zarchlin (Siehe Nr. 117 desVorwärts") und Professor A. Wagner(Siehe heutige Nummer) noch nicht gelesen hat, auf seine erste Interpellation in der Germania  " folgenden Brief: Nachdem ich vergebens fast zwei Wochen darauf gewartet habe, daß die Herausgeber der Briefe Lassalle's   an Rodbertus  *), die Herren Schu- macher-Zarchlin und Professor Dr. Adolph Wagner meinem durch den offenen Brief an sie gerichteten Ersuchen, den korrekten Text der Briefe wieder herzustellen, nachkommen würden, halte ich mich verpflichtet, selbst den damals versprochenen Auf- schluß zu geben. Leider kann ich das bezüglich des weggelassenen Namens') nicht mit genügender Sicherheit thun, wohl aber, was denderben Aus- druck" anlangt. Ich kann es nicht nur thun, son- dern ich muß eS thun, da ich es Rodbertus   ver- sprachen habe. Seite 5 der Broschüre giebt A. Wagner   ein Bruchstück aus einem Schreiben, das, sagt er,wie es scheint, an einen Führer der neueren Arbeiterbewegung" gerichtet ist. Jawohl, und ich kann Herrn Wagner auch den Namen des ihm unbekannten Sozialdemokraten nennv-. Rod- bertus wollte, ich glaube 1873 oder 1874, einen Brief ap Herrn Hasenclever richten'), nachdem *) Briefe von Ferdinand Lassalle   an Karl Rod- bertus-Jagetzow. Mit einer Einleitung von Adolph 1 Wagner. Berlin   1878. Verlag von Puttkammer und 'Mühlbrecht.