er in meiner Begleitung einer großen Versamm-lung der Lassalle'schen Partei beigewohnt hatte.Den Entwurf des Briefes, welchen A. Wagnerleider nicht ganz abdruckt, kannte ich. Rod-bertus sagt nun darin, daß er„triftige Gründe"habe, die Briefe Lassalle's noch nicht zu veröffent-lichen. Dazu bemerkt A. Wagner in einer Note,er wisse aus mündlicher Mittheilung von R., daßdieser später eine frühere Veröffentlichung fürerwünscht hielt. Den Grund, weshalb R. uochnicht die Briefe Lassalle's veröffentlichen wollte,giebt er sofort an; es gab, meint R., einen„eso-terischcn und exoterrschen Lassalle"�). MitBefremden vermißt man die Bestätigung dieserBehauptung des R., wenn man die publicirtenBriefe liest. Man würde sie aber finden, wennman das Original des Briefes Nr. 12 läse unddarin sähe, daß Lassalle seine Produktivassociationkaum noch aufrecht erhält, bereit ist, sie eineranderen ökonomischen Maßregel, die Rodbertusetwa ausspintifirt habe, zu opfern— so weit istder Text anscheinend korrekt— dann aber schließter:„Man muß dem Mob etwas bieten«).RodbertuS liebte Lassalle und wollte, daß dessenPopularität in der Arbeiterwelt nicht durch Publi-cirung dieses„derben Ausdrucks" ruinirt würde,es sei denn, die politische Situation fordere diesOpfer. Den Moment für eine solche Publicationbezeichnete er mir alsdann gekommen, wenn dieRegierung sich ernstlich mit der sozialen Frage,resp. mit der Sozialdemokratie beschäftige, sei es,letztere zu unterdrücken, sei es, Reformen einzu-führen, unter denen etwa wieder von Produktiv-affociationen die Rede sein würde. Es werde sich,sagte mir Rodbertus, aus dieser Stelle ergeben,weshalb er, Rodbertus, sich nicht an der Lassalle'-schen Agitation betheiligt habe und weshalb—wahrscheinlich— auch Carl Marx den Lassalleso vornehm abweisend in einer kurzen Note zurVorrede seines„Kapital" behandle. Lassalle seiwesentlich ein ehrgeiziger Politiker gewesen, dervor allen Dingen eine starke Partei habe um sichversammeln wollen. Er habe in solchen Aeuße-rungen wie„Mob" vom Volk gewohnheitsmäßiggesprochen'), obschon er ernstlich den Wunsch ge-habt habe, die Lage der arbeitenden Massen zuverbessern. Er sei erst in zweiter Linie sozialerAgitator gewesen und habe diese Seite seinerThätigkeit der erstercn dienstbar gemacht. Aufseine, des Rodbertus, Vorhaltung(die sich in je-nem Briefe von R. finden muß, auf den Lassallein Nr. 12 antwortet), daß die Produktivassoziationein neues Corporationseigenthum schaffen werde,daß Corporationen noch egoistischer seien als In-dividualeigenthümer, habe Lassalle ernsthaft garnicht mehr dies System vertheidigt, sich aber trotz-dem desselben weiter als Agitationsmittel bedientund dadurch die ihm vertrauenden Arbeiter miß-leitet"). In dem Seite 5 aufgeführten Briefe anHasenclever wollte R. diesen hierauf aufmerksammachen, weil es ihm wehe that, daß dieser großeAllgemeine deuffche Arbeiterverein so in der Irretaumele'), wie er sich ausdrückte. Die Rücksichtauf das Andenken Lassalle's überwog indeß, undder Brief ging nicht ab. Heute aber hat HerrHasenclever nach meiner Anficht das Recht, diesenfür ihn bestimmten Brief von den Herausgebernzu rcclamiren und zu publiciren, denn der Um-stand, welcher Rodbertus damals von der Absen-dung dieses Briefes zurückhielt, ist durch meinevorliegende Erklärung hinfällig geworden. Mirsagte R., wenn ich eine neue Auflage meines„Emanzipationskampf des vierten Standes", zudem er mir ja selbst werthvolles Material gelieferthat, veranstaltete, so möge ich, mit Weglassungjenes Ausdruck?, erklären, daß die Produktivasso-ziation von Lassalle nicht ernsthaft gemeint gewesensei. Wenn aber jemals die Regierung etwa mitdiesen experimentiren wolle, so solle ich jene Stellewörtlich publiciren, um ein solches Unglück— dfrfür sah Rodbertus es an— zu verhüten. Nach-dem nun Fürst Bismarck im Reichstage einenVersuch in großem Stil mit solchen Assoziationennicht nur nicht vo» der Hand weist, sondern fastin Aussicht stellt, scheint mir der Moment ge-kommen, mein damals Rodbertus gegebenes Wortzu halten. Der Fürst sagt, auch Herr Bebel werdeAbends Zutritt zu ihm finden. Der wird ihnnicht suchen. Ob die Stöcker'schen Arbeiter einersolchen Einladung eine ebenso große Charakter-stärke entgegensetzen würden, wie es Liebknecht undC. Marx ähnlichen Versuchen gegenüber thaten,bezweifle ich.... Sobald das neue Sicherheits-gesetz, das ich lieber„Unsicherheitsgesetz" nennenmöchte, zwei bis drei Jahre gewirkt haben wird,so wird die Nothwendigkeit, irgend etwas zu thun,um die Massen auszusöhnen, aller Welt klar sein.... Bei solchen Aussichten glaube ich mich be-rechtigt, den mir ertheilten Auftrag des Dr. Rodbertus jetzt auszuführen. Gegenüber den mir ehe-malS befreundeten Herren Herausgebern habe ichgroße Rückficht gebraucht, indem ich nicht schonvor einem halben Jahre, als ich die von ihnenherausgegebene Broschüre zum ersten Male las,diese Eröffnungen machte. Jetzt verpflichtet michmein verpfändetes Wort, diese Rückficht schwindenzu lassen, und ich muß das ernste Ersuchen an sierichten, jetzt nicht nur jene Correkturen, die sie inLassalle's Briefen machten, zu bekennen, sondernauch die in der Einleitung gegebenen Bruchstückeaus den Manuskripten des Rodbertus— nament-lich den Brief an Hasenclever, Seite 5 und 6—zu vervollständigen, so wie sie sie im Nachlaßfanden. Seite VIII verhießen die Herausgeber„weitere Publikationen aus Rodbertus Nachlaß"und setzen hinzu:„Manches muß aus einzelnenEntwürfen und Vorarbeiten zusammengestellt wer-den." Es ist zu hoffen, daß sie diese Vorarbeitenund Entwürfe wörtlich, ohne jede Weglassung undohne jeden Zusatz, zum Abdruck bringen, sonstverliert ihre Arbeit jeden Werth. Die Leser dernachgelassenen Werke von Rodbertus sind bercch-tigt, zu fiuden, was Rodbertus sagte, nicht das,was Wagner— Schuhmacher meinen, das er hättesagen sollen oder können. Rodbertus, der mir somanchen Artikel für die„Berliner Revue" gelieferthat, duldete von der doch verantwortlichen Re-daktion keine, auch nicht die geringste Aenderungoder Auslassung. Er würde sich im Grabe um-drehen, wenn er sähe, wie mit seinem Nachlaßumgegangen wird.28. September 1873.Dr. R. Meyer."1) Wie sich herausgestellt hat, ist Herr MaxWirth gemeint. R. d. V.2) Was die Entstehungsursache dieses Briefesan Hasenclever anbelangt und über eine kurzeUnterredung desselben mit Rodbertus werden wirin einer der nächsten Nummern des„Vorwärts"berichten. R. d. B.3) Einen„esoterischen und exoterischen Lassalle"— heißt„einen für die Eingeweihten und einenfür die Uneingeweihten verständlichen Lassalle".4)„Man muß dem Mob etwas bieten"—dies mag Laffalle, der überhaupt das Wort„Mob"gern gebrauchte(siehe Bastiat- Schulze), auch inBezug auf die Arbeiterklasse in einem bestimmtenFalle wohl gebraucht haben. Er meinte aber da-mit nur diejenigen Besiandtheile der Arbeiter-klaffe, welche sich seiner Agitation anschlössen entweder aus augenblicklichem Vortheil, oder aberdeshalb, um schon in nächst-nächster Zeit durchdie Errichtung von Produktivgenossenschaften ausder Lohnsklaverei zur Herrschaft zu gelangen.Daß Lassalle in der ersten Zeit der sozialdcmo-kratischen Bewegung mit solchem„Mob" rechnenmußte, ist leider zu bedauern. Daß Lassalleaber die gesammten Arbeiter niemals mit einemsolchen Ausdruck belegt hat, geht aus seiner ganzensonstigen Handlungsweise hervor und besondersaus seiner nicht öffentlichen, sagen wir aus seiner„esoterischen". Zahlreiche Arbeiter, Lohnarbei-ter(der verstorbene Kichnyawi, dann der alteHans Pesch in Düsseldorf haben oft genug er-zählt, wie wahrhaft vertraut Lassalle mit ihnenumgegangen sei) in Düsseldorf, Berlin tc. zc.könnten dafür einstehen. Uebrigens wird wohlselten bei einem Privatbrief ein Ausdruck in ganzbestimmter Weise formulirt, weil der Briefschreiberschon ein größeres Berständniß des Empfängersin Bezug auf seine Ausdrücke voraussetzt. ImUebrizen sei bemerkt, daß Herr Dr. Rudolf Meyersich auch sehr leicht mit seiner Behauptung irrenkann, besonders da A.Wagner(siehe unter Ueber-ficht) eine so bestimmte Erklärung abgiebt undferner weil im Brief 5(also nicht 12) Seite 46der Lassalle'schen Briefe an Rodbertus der Aus-druck„Mob" in einem ähnlichen Zusammenhangeschon vorkommt, wodurch Miyer getäuscht seinmag. Es heißt nämlich in dem Briefe 5, daß derinnerste Kern der Lassalle'schen Anschauung inBezug auf die Arbeiterfrage in der Ablösungdes Grund- und Kapitaleigenthums—und nicht in der Einführung von Produktiv-zcnossenschaften bestehe;„freilich darf mandas dem Mob heut noch nicht sagen".R. d. V5) Siehe 4. Zu bemerken ist, daß im Brief10(Seite 66) nochmals der Ausdruck„Mob" abernicht auf Arbeiter, sondern auf die zahllosengegnerischen Literaten ec. zc. angewandt wordenist. R. d. V.6) Lassalle nahm die Produktivgenossenschaftenwohl ernsthaft, aber nicht zur Lösung dersozialen Frage, sondern zur Verbesserungder Lage der arbeitenden Klassen. Rodbertushatte dem Lassalle irrthümlich untergeschoben, daßer die Genossenschaften zur Lösung der sozialenFrage empfehle. Dagegen verwahrt sich Lassalleausdrücklich im Brief 12(Seite 71). Als Agita-tionsmittel bedienen wir uns der Produktivge-nossenschaften noch immer, aber auch um die Lageder Arbeiter etwas zu verbessern. Dr. R. Meyerirrt sich entweder in Rodbertus, oder Rodbertushat sich in Lassalle geirrt. R. d. B.7) Ist durch 6 im Allgemeinen erledigt. DerAllgemeine deutsche Arbeiterverein faßte die Pro-duktivgenosienschaften als Agitationsmittel und alseine Beihilfe zur Besserstellung der Arbeiter auf—taumelte also nicht?n der Irre. R. d. V.Sozialpolitische Ueberstcht.— Die Umsturzcommission des beut-schen Volksrechts trat am vorigen Dienstag zurzweiten Lesung des Lasker'schen Gesetzentwurfsgegen die Sozialdemokratie zusammen."ZI lautet nach der ersten Lesung: Bereine,welche durch sozialdemokratische, sozialistische odercommunistische Bestrebungen den Umsturz der be-stehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung be-zwecken, sind zu verbieten. Dasselbe gilt vonVereinen, in welchen sozialdemokratische, sozia-listische oder communistische. auf den Umsturz derbestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung ge-richtete Bestrebungen in einer den Frieden oderdie Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährden-�Weise zu Tage treten.Zu diesem Paragraphen verliest der Abg. iLasker folgende Erklärung:„Der§ 1 ist be-stimmt, dem ganzen Gesetze das charakteristischeMerkmal zu geben und die Behörden(Verwal-tungs- und Controlinstanz) an die hier gestecktenGrenzen zu binden. Das Gesetz soll nicht allesozialistischen, sozialdemokratischen odercommunistischen Tendenzen und deren Ver-theidigung und Verbrettung aus den Vereinen,Versammlungen und aus der Presse verdrängen.Dies wäre besonders in der Presse ohne einevöllige Zerstörung der Preßfreiheit schon äußer«lich undurchführbar. Dagegen soll das Gesetz ver-hindern, daß fernerhin in Verecnen, Versammlungen und in der Presse Bestre-bungen sich geltend machen, welche die unterallen Umständen, allenfalls mit Gewaltherbeizuführende Umwandlung der Grund-einrichtungen des Staates oder der Ge-sellschaft als Ziel hinstellen, oder ohne aus-drückliches Bekenntniß nach dem gewöhnlichen Ver-lauf der Dinge unter Störung des öffentlichenFriedens auf dieses Ziel hinauslaufen. Demge-mäß bezeichnet der von mir vorgeschlagene§ 1zwei gesonderte Fälle, in denen das Verbot desStaates eintreten darf. Der erste Fall(Abs. 1)behandelt Bereine, welche den gesammten Inhaltihrer Thätigkeit auf den Umsturz der bestehendenStaats- oder Gesellschaftsordnung richten, indementweder die Satzungen dies ausdrücklich aner-kennen oder andere für den Verein verbindlicheRegeln es darthun, oder indem der Verein ohneausdrückliche Erklärung oder neben einem bloszum Vorwand dienenden Inhalt der Satzungenseine Einrichtungen nach jenem Zweck und durchconcludente Handlungen der bezeichneten Zweckbe-stimmung darlegt. Der weitere Fall(jetzt Abs. 2),behandelt Vereine, welche wahrheitsgemäß einerzulässigen Zweckbestimmung dienen, daneben aberBestrebungen, welche darauf gerichtet sind, denUmsturz der bestehenden Staats- oder Gesell-schastSordnung herbeizufähren, in ihrer Mitte zurGeltung und zum erkennbaren Ausdruck gelangenlangen lassen. Beide Fälle wenden sich gegen dieMethode der Agitation', welche durch die Gewalt-samkeit ihres Zieles oder der Mittel den öffent-lichen Frieden gefährdet. Das Moment der Ge-waltsamkeit bezeichnet der Ausdruck„Umsturz";die durch diesen Ausdruck charakterisirten Bestre-bungen treten in Gegensatz zu einer reformato-rischen Thätigkeit, welche die allmälige Umleitungder gegebenen in völlig neue Verhältnisse durck)den Wechsel der öffentlichen Ueberzeugung herbei-zuführen strebt, und diese Ansicht nicht durchbloßes Wortbekenntniß, sondern durch die Wahlder Mittel darthut. Die Friedensgefährdung tritterst ein, wo die Gewalt als Nothwendigkeit oderzulässiges Mittel erkannt wird oder trotz wärt-licher Abläugnung in schlüssiger Weise aus denHandlungen sich ergiebt. Eignet der Berein sichdie bezeichnete Zweckbestimmung an(Absatz 1), sobraucht zur Unterdrückung desselben nicht erst einefriedensgefährdende Handlung abgewartet zu ner»den, wenn eine jenem Zweck entsprechende Wirk-samkeit die Friedensgefährdung mit vollster Wahr-scheinlichkeit erwarten läßt. Wo dagegen einBerein mit an sich'zulässiger Zweckbestimmungwegen zur Geltung gekommener Bestrebungen derEin Held.Der soeben in Stettin durchgefallene, damitleider aber noch nicht von der politischen Bühneverschwundene Kapp war, gleich seinem Parteige-Nossen Bamberger in den zwei„tollen Jahren"(1843 und 1849) ein gar gewaltiger Revolutionärvor dem Herrn und hatte mit dem Kirchheimbo-landener Helden auch das gemein, daß er keinPulver riechen konnte— eine Eigenschaft, durchwelche sie beide im Voraus zu Nationallibcralenprädestinirt wurden. Von waS für Stoff derBi-marck'sche„Wählt Kapp" gemacht ist und wiekühn er in: September 49— davongeloffen, daßerzählt uns der kürzlich in Amerika als Flücht-ling verstorbene Dr. Karl Riedel, republika-nisches Mitglied des Frankfurter Parlaments, ineinem am 3. August 1871 geschriebenen Brief,welcher besagt:. �„Unser Friedrich Kapp ist der Sohn des Stu-diendircktors Kapp in Hamm, Westphalen; er stu-dirte in Heidelberg einige Jahre Rechtswiffenschaftund fand, ohne ein Staatsexamen gemacht zuhaben. Beschäftigung auf weflphälischen Gerichten.Das Jahr 1848 rief ihn nach Frankfurt, von woaus er trotz des erbärmlichen Stils, den er inseiner Geschichte der Sklaverei bekundete, Corre-fpondent der(communistischen)„Neuen deutschenZeitung" von Lüning in Darmstadt und Ruge s„Reform" in Berlin wurde. Er wußte sich mden Frankfurter Arbeiterverein einzudrängen undwurde auf ganz kurze Zeit dessen Präsident, daer doch etwas mehr Bildung als die übrigenMitglieder besaß. Der 18. September 1843 er-schien und der Hauptschlag sollte durch den Frank-furtcr Arbeiterverein, Friedrich Kapp an der'Spitze,ausgesührt werden. Am Abend vor dem verhäng-nißvollen Tage wurde eine äußerst trotzige Peti-tion des Arbeitervereins an das deutsche Parla-ment entworfen und von Hrn. Kapp unterzeichnet.Sie wurde nicht durch ihn, sondern durch eineDelegation des Vereins am 18. September 1848,Morgens 9 Uhr, in der Paulskirche überreicht,während zur selbigen Stunde Kapp auf der Bar-rikade des Arbeitervereins in der Ziegelgasse einefeurige Rede hielt und seine Arbeiter zu Muthund Begeisterung entflammte. Um halb 10 UhrVormittags kam Kapp zu mir in die Paulskircheganz außer Athem und erbat sich den Schlüsselzu meiner Stube, weil er sich verstecken wollte,mdem er sicher arretirt würde— verstecken, javerstecken, während der von ihm ange-fachte blutige Kampf in Heller Lohe em-porschlug. Ich gab ihm den Schlüssel zur Thürmeines Zimmers, das mit dem des Privatsckre-tärs des Fürsten von Leiningen, Max Schüller,aus Bayreuth zusammenstieß, und Kapp brachteeinen großen Theil des übrigen Tages dort zu.Meine Wohnung war nahe dem Bundcspalais inder Eschenheimergasse. Nach Tisch kam ich nachHause und sah den jungen Freiheitshelden buch-stäblich von Blut triefend. Seine Aufregungwar eine entsetzliche. Er blutete fortwährendaus der Nase und ich fand später mehrere gelbe,ganz mit Blut getränkte Foulards. Schüller kamauch bald nach Hause und erzählte mitten unterdem Kanonendonner eine der drolligsten Anck-boten, die ich je hörte. Er war nämlich vomFürsten Leiningen, dem Prcmier-Reichsminister,zum Reichsvcrweser, der an der BockenheimerStraße wohnte, geschickt worden, um bei diesemanzufragen, was in der gewaltigen Krise zu thun.Der Reichsverweser war im Hofe seines Hausesdamit beschäftigt, seinem vierzehnjährigen SohneUnterricht im— Stelzengehen zu ertheilen. Erließ sich darin vom Boten des Reichsministersnicht stören, sondern antwortete in ganz gemüth-licher Weise:„Dös woaß i a nit."(In denMünchener„Leuchtkugeln" wurde der Auftrittherrlich illustrirt.) Zugleich verbreitete sich dieNachricht von der Ermordung Auerwald's undLichnowski's. Im Beck'schen Garten, ganz in derNähe des Schauplatzes der Greuelthat, an derStraße nach Bornheim, wohnte Ludwig Feuer-bach. der die größte Zeit der Parlamentszeit überin Frankfurt zubrachte, und ich hielt es für meinePflicht, ihn dort, wenn er vom Pöbel cernirt sei,aufzusuchen. Er war nicht dort, sondern hattemich in meiner Wohnung aufgesucht, wo ich ihnin Gesellschaft Kapp's und Schüller's fand. Eswar gegen 6 Uhr, und die Kartätschen pfiffenganz lustig um die Barrikaden der Zeil, an derStelle, wo die Fahrgasse einmündet. Wir vier,Feuerbach, Kapp, Schüller und ich, begaben nnshierauf aus der Eschenheimer Gasse nach der Zeil,wo wir bis zum Postzebäude gelangten und demPfeifen der Kartätschen zuhörten. Ich sehe HerrnKapp heute noch, wie er sich hinter eineSäule duckte und in den Kampfessturm hinaus-lugte. Schüller nahm ihn hierauf in seinenSchutz, sie erfreuten sich des Weines und desMahls und am andern Morgen war Herr Kappals heldenmüthiger Kämpfer bei dem FrankfurterAufstand verschwunden. Er fand in Paris imHause des russischen politischen Agenten AlexanderHerzen Aufnahme. In Newyork verband er sichmit Julius Fröbel zu einem Geldanleihe-geschäftc."So weit Dr. Riedel. Alles von ihm Erzählteist buchstäblich war, wie wir aus eigener Kennt-niß des Sachverhalts bezeugen können. Die Er-bittcrung der Frankfurter Arbeiter über den feigenAusreißer war so groß, daß ihm sicherlich einesehr fühlbare Lektion ertheilt worden wäre, wenner es nicht so gut verstanden hätte, sich unsichtbarzu machen.— Ominös. Bismarck's Jüngster, der aufso sonderbare Weise in den Reichstag geschafftward— hat von Nationalliberalen Abgeordnetenden Spitznamen„Lulu" erhalten,— so meldendie Blätter. Ob die„witzigen" Parlamentarierdaran gedacht haben, welches Ende der Papa desOriginal-Lulu genommen hat? Papa Bismarckwird über den Scherz kaum sehr erbaut sein.— Non olet. Mit den Orden scheint eszu sein wie mit dem Gelde; wer sie liebt, dernimmt sie, wo er sie findet, und frägt nicht nachdem Geruch, nicht nach der Nationalität, nicht nachder Religion. Ein erbfeind licher Orden duftetebenso süß wie ein erbfreundlicher, und demstriktesten Juden hüpft das Herz im Leibe, wennihm ein spezifisch christlicher Orden ins Knopflochgeworfen wird. So lesen wir jetzt im„Reichs-anzeiger" daß S. M. der Kaiser die Erlaubnißzur Anlegung folgender Orden verliehen hat: desRitterkreuzes des kgl. portugiesischen Militärordensder Empfängniß Unserer Lieben Frau vonVilla-Bicosa: dem Seidenwaaren- FabrikantenMoses Lissauer zu Berlin; des Ritterkreuzes deskgl. portugiesischen Christus- Ordens: dem Wein-Händler Moritz Abraham Wolff zu Frankfurt a. M.— Ein Humbug. Der„berühmte" Prügel-redakteur der„Tribüne", Heinrich Dörholt,veröffentlicht in der„Magdeburger Zeitung" einFeuilleton:„Die letzten Lebenstaze Ferd. Lassalle's"unter das er die stolzen Worte setzt:„Nachdruckist nur mit Genehmigung des Verfassers gestattet."Die Bescheidenheit dieser Notiz wird in ihremvollen Umfange begriffen werden, wenn wir mit-theilen, daß neun Zehntel des Dürholt'schen Mach-wertes aus den Broschüren Bernhard Becker s undder Wurzbach zusammengestoppelt sind, und dasletzte Zehntel ebenfalls nur Bekanntes, gemischtmit schlechtstilifirtem Blech enthält. Ebenso gutkönnte Herr Braun,„unser" Braun, vor Nach-druck„seiner" Opera warnen.— Zum„Kaiser-Wilhelm-Garten" inBerlin. Unser Berliner Parteiorgan bringt fol-gendeS sehr interessante„Eingesandt":Geehrte Redaktion! Sie haben in Ihrer Sonn-tags-Nummer berichtet, daß der Besitzerin desLokals Kaiser-Wilhelm-Garten,Belle-Alliancestr.87,der polizeiliche Austrag geworden ist, binnen dreiStunden das Schild zu entfernen, weil auf dem-selben sich der Name des deutschen Kaisers befinde,der profanirt werde, indem Sozialisten in dembetreffenden Lokale verkehren. Diese Maßnahmeder Polizei erscheint dem Unterzeichneten als sehrim Interesse der Sozialdemokratie selbst gelegenund glaubt derselbe, daß die Polizei sich durch ihrVorgehen den Dank der gesammten Sozialdemo-kratie verdient hat. Der Schreiber dieser Zeilenreist viel in Deutschland herum und bei der Ge-legenheit hat er die Erfahrung gemacht, daß fastalle öffentlichen Lokale zweifelhaften Rufes, dieVerkehrsstätten der Demimonde und des Louis-thums in allen deutschen Städten mit hochpatrio-tischen Namen versehen sind.„Zur deutschen Eiche",„Zum deutschen Rhein",„Zum Kronprinzen",„Sedan",„Zum deutschen Kaiser",„Zur Reichs-kröne", das find durchgehends die Titel derjenigenLokale, denen fern zu bleiben besonders unsererJugend nicht dringend genug angerathen werdenkann. Besonders in den Seestädten, und davon