№o. 1.
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Sonntag, den 1. Januar.
Der Volksstaat
1871.
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Organ der sozial- demokratischen Arbeiterpartei und der Internationalen Gewerksgenossenschaften.
Die Schlacht um den Birkenbaum.
1.
Der junge Jäger am Waldbrand saß,
Am Waldbrand auf der Haar.
Wie Blut schon die Blätter, gebleicht das Gras, Doch der Himmel sonnig und klar.
Er sprach: die Bracken zieh'n fich zur Möhne! Bergebens mich auf den Fuchs gefreut! Fern, immer ferner des Hornes Töne-
Kein Schuß mehr fällt auf dem Brandholz heut! Ob ich nach nur schlend're? Den Teufel auch!
Jh lob' mir im Sonnenschein
Das Eckchen hier am Wachholderstrauch
Und den grauen, moosigen Stein!
Drauf strec' ich mich aus, den nehm' ich zum Polſter
An die Buche lehn' ich mein Doppelgewehr!
Und nun aus dem Dichterwinkel der Holster,
Mein Jagdgenoffe, mein Byron, komm her!
Und er nimmt seinen Waldsack, und langt sich herfür,
Die ihn öfters begleitete schon,
Die höchst unwürb'ge auf Löschpapier,
Die Zwidauer Edition.
Den Mazeppa hat er sich aufoeichlagen
Muß sehn, ob ichs deutsch nur reimen kann!
Mögen immer die Andern lachen und sagen:
Ha ha, der lateinische Jägersmann!
Er lieft er sinnt-nun schreibt er sich's auf!
Nun scheint er so recht im Fluß
Da nimmt er vor Freuden den Doppellauf,
Und thut in die Luft einen Schuß.
So hat er es lange Stunden getrieben,
Ein närrischer Kauz, ein Stück Poet,
Bis ihm, mit Bleistift flott geschrieben, Ein saubrer Anfang im Taschenbuch steht. Er reibt sich die Hände und nun nach Haus! Zwei Stunden noch hab' ich zu gehn; Nur ein einzig Mal noch hinab und hinaus In die Ebene will ich spähn;
Will mir Schimmer und Duft in die Seele saugen, Daß sie Freude noch und zu zehren hat, Wenn mir wieder die fernedurstigen Augen Auf Wochen einengt die graue Stadt.
Da liegt sie finster mit Thürmen und Wall, Die mich lehren soll den Erwerb,
Die mich grämlich sperrt in der Prosa Stall, Und Dichten heißt Zeitverderb!
Wenn ich manchmal nicht auf den Rappen müßte, Hätt' ich manchmal nicht einen Jagdtag frei, Einen Tag, wie heut,- Schwerenoth, ich wüßte
Keinen Rath meiner heimlichen Reimerei!
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Da liegt sie herbstlicher Duft ihr Kleid In der Abendsonne Brand!
Und hinter ihr, endlos, meilenweit,
Das leuchtende Münsterland!
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1
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Ein Blitz, wie Silber das ist die Lippe! Links hier des Hellwegs goldene Au! Und dort zur Rechten, überm Gestrippe, Das ist meines Osnings dämmerndes Blau! Eine Fläche das! So, dent' ich mir, war Die Flur, die Mazeppa durchsprengt! Oder jene, drauf der russische Czar Den schwedischen Karl gedrängt!
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Bwar milder und üppiger ist die Börde , Doch wir haben auch Haidegrund und Moor Und wilden Busch auf der rothen Erde - Ob auch hier schon wer eine Schlacht verlor? -So denkt er, und hat es laut wohl gefagt; Da tritt ein Mann auf ihn zu:
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Ein Bauer und wenn ihr mehr noch fragt: Der Hüter einer Kuh.
Die langen Glieder umhüllt ein schlichter Leinrod, das bläuliche Auge sticht,
Die Lippe zudt so tritt er zum Dichter, So lächelt er seltsamlich und spricht:
2.
Guten Abend, Herr! Ob man Schlachten schlug In der Ebene dort fürwahr,
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Ich hab's nicht erfahren! Les't nach im Buch! Mich fümmert wenig, was war!
Ich schaue nur aus nach den künftigen Tagen So spricht vom Haarstrang der alte Hirt:
Eine Schlacht wohl sah ich dort unten schlagen, Doch eine, die man erst schlagen wird!
Ich habe sie dreimal mit angesehen!
O, öd' ist die Haar bei Nacht!
Ich aber muß auf vom Bette stehn Dann hat es mich hergebracht!
Just, Herr, wo ihr steht,
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just hier auf den Felsen,
Da hat es mich Sträubenden hingestellt! Und hätt' ich gewandt mich mit hundert Hälfen, Doch hätt' ich hinabschau'n müssen in's Feld!
Und ich sah hinab und ich sah genau Da schwammen die Aecker in Blut,
Da hing's an den Aehren, wie rother Thau, Und der Himmel war Eine Gluth!
Um die Höfe sah ich die Flamme wehen. Und die Dörfer brannten wie dürres Gras: Es war, als hätt' ich die Welt gesehen Durch Höhrauch oder durch farbig Glas:
Und zwei Heere, zahllos wie Blätter im Busch, Hieben wild auf einander ein;
Das eine, mit hellem Trompetentusch, Bog heran in der Richtung vom Rhein .
Das waren die Völker des Westens, die Freien! Bis zum Haarweg scholl ihrer Pferde Gewieh'r, Und voraus flog ihren unendlichen Reihen Jm Rauche des Pulvers ein roth Panier! Roth, Roth, Roth ! das einige Roth ! Kein prunkendes Wappen drauf! Das trieb sie hinein in den jauchzenden Tod, Das band fie, das hielt sie zuhauf!
Das warf sie entgegen den Sklaven aus Often, Die, das Banner bestickt mit wildem Gethier, Unabsehbar über die Fläche tosten
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Auf das dröhnende, zitternde Kampfverier. Und ich wußte doch hat es mir keiner gesagt! Das ist die letzte Schlacht, Die der Often gegen den Westen wagt Um den Sieg und um die Macht! Das ist der Knechtschaft letztes Berenden! Das ist, wie nie noch ein Würfel fiel,
Aus der Könige kalten, bebenden Händen Der letzte Wurf in dem alten Spiel!
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Denn dies ist die Schlacht um den Birkenbaum!- Und ich sah seinen weißen Stamm,
Und er stand und regte die Blätter faum, Denn sie waren schwer und flamm! Waren flamm vom Blut, das der blutige Reigen An die zitternden wild in die Höhe gespritzt; Und so stand er mit traurig hangenden Zweigen, Von Kartätschen und springenden Bomben umblißt. Auf einmal hub er zu säufeln an, Und ein Licht flog über die Haar Und den Osten sah ich geworfen dann Von des Westens drängender Schaar.
Die Zäume verhängt und die Fahnen zertreten, Und die Führer zermalmt von der Hufe Wucht, Und im Nacken der Freiheit Gerichtstrompeten So von dannen jagte die rasende Flucht.
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Da! zu uns auch herauf!-da- seht ihr sie nicht? Durch den Hohlweg und über den Stein! Da! zum vierten Mal nun das gleiche Gesicht Und der gleiche Lodernde Schein!
Da! tretet beiseit, daß fein fliegender Zügel, Daß kein sausender Dolman den Arm euch streift! Noch des Mannes Haupt, den, hangend im Bügel, Eben jetzt sein Pferd durch den Ginster schleift! Da es stürzt! das edelste dieser Schlacht! Der Geschleifte liegt todt im Farr'n! Und über ihn weg nun die wilde Jagd, Die Laffeten, die Pulverkarr'n!
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Wer denkt noch an den? Wer unter den Wagen Riffe den noch hervor? Was Bahre, was Sarg! Hört, Herr doch dürft ihr es keinem fagen! So stirbt in Europa der letzte Monarch!
3.
Dem jungen Jäger schwirrt' es im Kopf, Und er that einen langen Satz, Und er fluchte: Vermaledeiter Tropf Und vermaledeiter Platz!
Doch der Alte, kühl wie ein Seher eben, Sah ihm ruhig nach von des Holzes Saum: Ja, flucht nur, Herr Junge! Könnt's doch noch erleben! Seid ja siebenzehn oder achtzehn kaum!
Dann pfiff er und zog über's Stoppelfeld-
Noch hat sich das Wort nicht erfüllt!
Doch der Birkenbaum steht ungefällt, Und zwei Lager heute zerklüften die Welt, Und Ein Hüben, Ein Drüben nur gilt!
Schon gab es Geplänkel: doch dauernd schlichten Wird ein Schlag nur, wie jener, den wachsenden StraußUnd dem Jäger kommen die alten Geschichten, Und er denkt: Schlüge dennoch das Volk in Gesichten Seines nahenden Welttags Siege voraus? Ferdinand Freiligrath . ( 1829. 1850.)
Politische Uebersicht.
Diensteifer die Mittheilung aus, daß ,, ein Brief", oder daß ,, Briefe" vorlägen, durch die unsere inhaftirten Parteigenossen schwer belastet würden. Es wird aber nichts Näheres. über diesen Brief, resp. diese Briefe, berichtet, nicht einmal gesagt, ob von ihnen geschrieben oder an sie adressirt. Wären wirklich gravirende Schriftstücke vorhanden, so würde gewiß Herr Zeid= ler längst damit herausgerückt sein. Offenbar haben derartige räthfelhafte Meldungen lediglich den Zweck, die gegen unsere Freunde militärischerseits angeordneten Maßregeln zu beschönigen, das Publikum in Neugierde zu erhalten und gegen die Inhaftirten einzunehmen. Man kennt diese Manöver, es sind, genau topirt, die des Pariser ,, Figaro" gegen die französischen Republikaner . So lange der Brief nicht produzirt wird, werden wir dies, nach früheren Erfahrungen, annehmen müssen. Also heraus mit der Sprache, Ihr Billemessants und Casfagnacs!
Folgendes Cirkular ist am 15. November aus Versailles an die Commandeure sämintlicher Bundestruppen ergangen. Versailles , den 7. Dezember 1870.
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Es ist jetzt zu unserer Kenntniß gekommen, daß der Verleger der Volkszeitung, Franz Dunder, seit der Mitte des Monat August d. J. täglich 1000 Stüd Exemplare seiner Beitung für die Truppen zur Verfügung gestellt hat und daß die tönigl. Feldpostanstalten die Verbreitung dieses Blattes durch die Briefe abholenden Ordonnanzen übernommen haben. Da zur Vertheilung von Druckschriften an die Soldaten der Armee es mindestens der Genehmigung durch die Truppenbefehlshaber bedarf, die in diesen Falle aber- da es sich um die allgemeine Zulassung eines notorischen Oppositionsblattes handelte von mir hätte ertheilt werden müssen, solche Erlaubniß indeß bei mir nicht nachgesucht worden ist, so untersage ich hierdurch in Uebereinstimmung mit den Jntentionen Sr. Majestät die fernere Verausgabung dieser FreiExemplare der Volkszeitung an die Truppen, sofern deren Commandobehörden die Verbreitung qu. Zeitung nicht schon aus eigener Initiative verhindert haben. In jedem Falle ersuche ich das General- Commando hierdurch ergebenst, die durch die Feldpostanstalten( einschließlich des Feld- Ober- Postamtes und der Armee- Postämter) etwa ferner eingehende derartige Exemplare der genannten Zeitschrift von der Postanstalt täglich abfordern und vernichten zu lassen.
Der Kriegs- Minister ( gez.) von Roon.
Ein intereffanter Beitrag zu der Lehre von der Heiligkeit des Privat- Eigenthums!
In Halle ist dieser Tage früh Morgens ein Zug Ge fangener von der Loire - Armee in offenen Wagen angekommen. Des Nachts während der Fahrt find 2 Mann erfroren und todt herausgefallen; bei der Ankunft wurden noch sieben Mann todt herausgenommen! D Bolt der Denter!
Aus Dresden wird uns in Bezug auf unsere Notiz in Nr. 102 nachträglich mitgetheilt, daß der Lieutnant Hinz die qualvollen Strafen des Anbindens nicht selbst anordnet, sondern blos für diese Bestrafung eintritt und dieselbe gegen Bessergefinnte mit allen Kräften in Schutz nimmt.
,, Sieben Provinzen erobert und keine Schlafstelle!" In Berlin sind in einer Nacht drei Obdachlose erfroren.
Im baierischen Landtag hat Jörg, der Führer der Ultramontanen, als Referent, beantragt, die Verträge mit dem Nordbund nicht anzunehmen, sondern die Regierung um Bewirkung einer Abänderung derselben, namentlich einer Beseitigung des Militarismus und der mit ihm verbundenen Steuererhöhung, zu ersuchen. Greil geht noch weiter und will einfache Ablehnung der Verträge.
Hoftrauer! Der baierische Hof hat Hoftrauer angelegt für eine niederländische Prinzessin, nicht für 5191 Baiern , die laut offiziellen Berichten in den Kämpfen vom 1. bis 4. Dezbr. getödtet oder verwundet wurden,
Recht bezeichnend für die russische Friedensliebe ist, daß die Militärbezirke Odessa , Kiew und Warschau schon seit einem Monat auf vollständigen Kriegsfuß gesetzt sind. Die russischen Festungen des Südens und Westens sind mit Kriegsmaterial reichlich versehen. Die ganze russische Armee ist nunmehr mit Hinterladern bewaffnet und die Artillerie derselben nach dem neuen Systeme organisirt.
fönnen.
Bekanntlich habet. die ruischen Bahnen ein breiteres Geleise als die ausländischen. Dieser Einrichtung liegt eine militärische Absicht z:: Grunde, daß nämlich Züge ausländischer Bahnen die Grenzen Rußlands nicht sollen passiren Um aber russische Büge herüberführen zu fönnen, hat man eine größere Anzahl von Waggons mit ver= schieb baren Achsen anfertigen lassen, über deren Brauchbarkeit Sachkenner sich lobend geäußert haben. Diese Waggons sind militärisches Eigenthum und auch nur für Militärzwecke angefertigt.
In Spanien ist das Königthum bankerott, ehe es ausgepackt hat, und muß, um sich einzusetzen, bereits zu Staatsstreichen a la 1851 und 1866 greifen. Ein solcher Staatsstreich ist die Auflösung der Kortes. Die Sizung, in der Die deutsche Kaiser- Aera ist die Tochter der franzö= dieselbe von der Regierung angekündigt wurde, begann damit, sischen; als gewissenhafte Erbin innt sie mit denselben daß der Deputirte Sorni das Protokoll der vorhergegangenen Lumpenstreichen, bei denen jene frente. bemängelte. Es sei kein Wort davon erwähnt, daß in dieser Die nationalliberalen Zeitun streuen mit großem Sigung, in welcher die Königswahl vor sich gegangen, viele