M 3. Sonnabend, de» 7. Jannar. 187l. Erscheint wöchentlich 2 mal in Leipzig . Bestellungen nehmen alle stostanstalten und Buchhand langen des In- und An«- lande« an. �str Leipzig nehmen Bestellungen an: A. Bebel, Peteristraße 18, F.Thiele, Emilienstraße 2, Der Volksstallt AbottnementSpretS Für Preußen incl. Stempel­steuer 16%,, für die übrigen deutschen Staaten 12 Ngr. per Quartal. Agent!ür London A, Duensing, k'orvign Boolcssllvr, Librn- riau and Newsagent, 8, Little Newport Street, Lei- cester Square, W. C. Filialerpedition für die Verein Staaten: F. A.Sorge, Box 101 Hoboken N. J. viaNewyork Organ der soMl-demoKratischen Arveiterpartei und der Internationalen GewerKsgenossenschasten. Das Lied vom Hemde. (Nach Thomas Hood .) Vitt Fingern mager und müd, Mit Augen schwer und roth, In schlechten Hadern saß ein Weib Nähend fürs liebe Brod- Stich! Stich! Stich! Aufsah sie wirr und fremde; In Hunger und Armuth flehentlich Saug sie dasLied vom Hemde": Schaffen! Schaffen! Schaffen! Sobald der Haushahn wach! Und Schaffen Schaffen Schaffen, Bis die Sterne glllh'n durch's Dach! O, lieber Sklavin sein Bei Türken und bei Heiden, Wo das Weib keine Seele zu retten hat, Als so bei Christen leiden! Schaffen Schaffen Schaffen, Bis das Hirn beginnt zu rollen! Schaffen Schaffen Schaffen, Bis die Augen springen wollen! Saum und Zwickel und Band, Band und Zwickel und Saum Dann über den Knöpfen schlaf' ich ein, Und nähe sie fort im Traum. O Männer, denen Gott Weib, Mutter, Schwester gegeben: Nicht Linnen ist's, was Ihr verschleißt Nein, warmes Menschenleben! Stich! Stich! Stich! DaS ist der Armuch Fluch: Mit doppelten Faden näh' ich Hemd, Ja, Hemd und Leichentuch! Doch was red' ich nur vom Tod, Dem Knochenmanne! Ha! Kaum fürcht' ich seine Schreckgestalt, Sie gleicht meiner eigenen ja! Sie gleicht mir, weil ich faste, Weil ich lange nicht geruht. O Gott, daß Brod so lheuer ist, Und so wohlfeil Fleisch und Blut! Schaffen Schassen Schaffen! Und der Lohn? Ein Wafferhumpen, Eine Kruste Brot, ein Bett von Stroh, Dort das morsche Dach und Lumpen! Ein alter Tisch, ein zerbrochner Stuhl, Sonst Nichts auf Gottes Welt! Eine Wand so baar's ist ein Trost sogar, Wenn mein Schatten nur drauf fällt! Schaffen Schaffen Schaffen Vom Früh- zum Nachtgeläut! Schaffen Schaffen Schaffen, Wie zur Straf' gefang'ne Leut'! Band und Zwickel und Saum, Saum und Zwickel und Band, Bis vom ewigen Bücken mir schwindlich wird, Bis das Hirn mir starrt und die Hand! Schaffen Schaffen Schaffen, Bei Dezembernebeln fahl! Schaffen Schaffen Schaffen, In des Lenzes sonnigem Strahl! Wenn zwitschernd sich an's Dach Die erste Schwalbe klammert, Sich sonnt und Frühlingslieder singt, Daß das Herz mir zuckt und jammert. O, draußen nur zu sein, Wo Viol und Primel sprießen Den Himmel über mir, Und das Gras zu meinen Füßen! Zu fühlen wie vordem, Ach, Eine Stunde nur, Eh' noch es hieß: Ein Mittagsmahl Für ein Wandeln ans der Flur! Ach ja, nur eine Frist, Wie kurz auch nicht zur Freude! Nein, auszuweinen mich einmal So recht in meinem Leide! Doch zurück, ihr meine Thränen! Zurück tief ms Gehirn! Ihr kämt mir schön! netztet beim Nähn Mir Nadel nur und Zwirn!" Mit Fingern mager und müd, Mit Augen schwer und roth, In schlechten Hadern saß ein Weib, Nähend für's liebe Brod. Stich! Stich! Stich! Aufsah sie wirr und fremd«; In Hunger und Armuth flehentlich O, schwäng es laut zu den Reichen sich! Sang sie diesLied vom Hemde." London , Sommer 1847. Ferdinand Freiligrath . Politische Uebersicht. Dasdeutsche Reich"(ohne Bayern vorläufig) ist mit seiner schönen Verfaffung in der am 30. Dezember ausgege- denen Nr. 51 des norddeutschen Bundesgesetzblattes publizirt worden. Jetzt fehlt nur noch der Tropfen demokratischen Oe l s, mit dem nach Ehland das deutsche Kaiserhaupt gesalbt sein müsse, das über Deutschland leuchten wolle. DieWespen" meinen, mit dem Oelist's Essig!" Von Mannheim schreibt man derPf. Volkszeitung", was im Wesentlichen nicht nur von Mannheim , sondern von jeder Stadt gilt: In unserer Stadt herrscht eine unbeschreibliche Niedergeschlagen heit über die betrübenden Nachrichten von der Armee. Besser als alle Leitartikel wirken zur Ablühluna unserer Kriegsfanatiker die endlosen Verlustlisten! welche dieN. B. Ldsztg." seit mehreren Tagen ihren Lesern mitthcilt. Der Friedenswunsch wird allgemeiner, während die Kriegsposaune zu versluminen beginnt. Die Zeit der Unikehr ist nicht fern, nur Schade, daß unsere Bevölkerung die Erkenntniß durch so ent- setzliche Opfer erkaufen mußte." Von Würz bürg geht demNürnb. Anz."von glaub- würdiger Seite" ein Brief(ohne Datum) zu über die Be- Handlung der französischen Gefangenen, welche auf der Marienveste dortselbst internirt sind, dem das Blatt weil ihm die Sache dennoch übertrieben scheint" nur an­deutungsweise Einiges entnehmen zu können meint.Man sagt uns, heißt es in dein Briefe, dort seien Gefangene in Gewölben ohne Tageslicht eingesperrt gehalten, eng zusammen gedrängt und gezwungen, sogar die Menageschüsseln zu benutzen, um Ruhrkranken, die unter ihnen sind, einen Dienst zu leisten, dann aber inmitten der verpesteten Luft Stunden lang zu bleiben u. s. w!" Der Krankenstand sei des- wegen ein sehr hoher. Die von französischen Hülfsvereinen gesandten Gaben verfehlten häufig ihre Bestimmung und Adresse und dgl. Die Leute seien überhaupt wie Verbrecher behandelt. Trotz wiederholten Ansuchens des Arztes seien selbst für Schwerkranke keine der vorräthigen Furnituren zur Be- Nutzung gegeben worden, so daß die Armen auf Stroh liegen bleiben mußten. Die Lieferung von Nahrungsmitteln an die Gefangenen und die Art dieser Lieferung bedürfe einer gehöri- gen Kontrole u. s. w. Bon deutschen Gefangenen aus Paris , Südftankreich und Algier liegen zahlreiche Briefe vor, in denen die Verpflegung und Behandlung außerordentlich gerühmt wird. Der Prozentpatriotismus der großpreußischen Bourgeoisie wird neuerdings wieder durch folgende Thatsachen illustrirt: 1. In Berlin sind 4 Bankiers zu 2 Jahren, resp. zu 6, 4 und 2 Monaten Festungshaft(nicht Festungsarbeit) verurtheilt worden. Was hatten sie verbrochen? Sie haben sich an der Anleihe der französischen Republik mit einigen Hunderttausen- den betheiligt, mit andern Worten: sie haben zur Bewaffnung und Ausrüstung von Franktireurs, zur Verproviantirung französischer Festungen, zur Anfertigung von Kanonenbooten und Milrailleusen Mittel hergeliehen. �Natürlich nicht aus po- litischen Motiven, sondern wegen der Prozente. Diese Vier sind erwischt worden; wie viele nicht? 2. Im Hessischen sind große Magazine von Pro- viantvorräthen, Liebesgaben und eroberten Waffen (Chassepots) aufgefunden worden, die unter Mitwirkung von Beamten der Ludwigsbahnbei Seite geschafft" worden waren. Von einem der Magazine wehten, wie uns geschrieben wird Schwarz-Weiß-Roth, die Annexionsfarben. 3. Die Kohlen-Lowren sind bei der Armee und fehlen hier, s» daß Kohlennoth entsteht. Da kaufenpatriotische" Spekulanten die vorräthigen Kohlen auf und lassen die arinen Leute den doppelten Preis zahlen. Von 251 deutschen Verwundeten, die auf der Eisenbahn nach Karlsruhe befördert wurden, sind, wenn die W. Tagespresse" nicht übertreibt, 200 erfroren aNge- k ommen. Von dem 1. baierischen Korps erfährt man, daß es von Orleans nach Corbeil zurückgezogen werden solle. Ursprünglich 32,000 Mann stark, zählt es heut kaum 15,000 Mann. Von Bismarck heißt es bekanntlich, er besitze ein so lie- benswürdig humoristisches Talent, daß er damit selbst seine entschiedensten Gegner bisweilen zu entwaffnen vermag. Wir gestehen, daß wir in diesem Augenblicke eine Probenummer seines guten Witzes gefunden haben, für welche wir ihm unsere vollste Anerkennung zollen und auf deren, im Interesse der Freiheit wünschenswerthen, baldigen und regelmäßigen Fort - setzungshefte wir uns hiermit ganz ergebenst abonniren: Hm! Wir wollen auch ein Blaubuch haben, wie das Englische Parlament!",(weinten einmal ein paarecht deutsche" constitutionell-liberale Parlamentskinder)wir wollen auch ein- mal ein Blaubuch haben, so gut wie die Engländer! die bekommen alle diplomatischen Aktenstücke vorgelegt wir aber gar nichts! Wir wollen auch etwas wissen über die auswärtigen Angelegenheiten so gut wie alle liberalen Schulkinder! Hm! Hm! Hm!....." Aber Kinder, wozu soll Euch denn das? Ihr könnt ja doch nichts Rechtes damit anfangen! Ihr versteht das jnoch nicht! Nur in den oberen Klassen ist das Blaubuch ein- geführt, nicht in den untern!" Hm! Alle Schulkinder haben aber Blaubücher bloß wir nicht! Hm! Wir müssen uns immer schämen vor den an- dern Kindern, weil die Blaubücher haben und wir keine! Hm! Hm! Hm!......." Und so weinten sie Tag und Nacht helle bittere Thränen, daß selbst ein Stein hätte gerührt sein müssen geschweige denn ein väterliches Herz! Na, meinetwegen! Aber nur weint mir nicht mehr, denn ich kann das verdammte Geflenne den ganzen Tag nicht aushalten! Ich werd's Euch zu Weihnachten schenken seid Ihr zufrieden?" Ach ja, Papa, zu Weihnachten! Ach, wie freu' ich mich! Mein guter Papa.! Ach ja, zu Weihnachten!" Weihnachten kam heran die Christbescheerung lag auf dem Tischedes Hauses". Wirklich war es ein Blau- buch! Ein Blaubuch mit lauter diplomatischen Aktenstücken! Ach, sieh' mal, Franz! Lauter neue diplomatische Akten­stücke. die noch kein Mensch gesehen hat! Ach, was für inter - effante Sachen werden darin stehen!" Ach, wie schön, Rudolph! Sogar über die Pontusfrage und den Krieg!" Ach, lauter neue diplomatische Aktenstücke! Ach! Hm! ----" welche alle schon vor vielen Wochen in den Zeitungen gestanden haben..------ Die BrüsselerJndependance" meldet, daß sie künftig keine Proteste der in Deutschland gefangenen französischen Offiziere gegen die Restauration des zweiten Empire mehr veröffentlichen werde, weil die deubschen Militärbehör- den den Offizieren untersagt hätten, ihr ihre Unterschriften zu- zusenden. Das Blatt tröstet sich damit, daß es seinen Zweck erreicht und die Unmöglichkeit einer Wiederherstellung jenes schmachvollen Regimes durch die Armee gezeigt habe. Die deutschen Regierungen aber und die liberalen Parteien in Deutschland scheinen diese Unmöglichkeit noch lange nicht zu begreifen. Hat sich doch Löwe-Kalbe im Reichstag bereits mit der Wiedereinsetzung Napoleons ganz vertraut gemacht. Sie ist jetzt Hauplzweck des Krieges, selbst die Annexion von Elsaß und Lothringen ist ihr gegenüber Nebensache. Allerdings legt der deutsche Kaiser, wie 1866, einen großen Werth auf Annexion, aber wenn er, wie es den Anschein hat, Luxem- bürg erhält, so läßt er nochmit sich handeln," namentlich dem guten Bruder Louis gegenüber. Wir könnten dann erle- ben, daß die Zeitungen, die heute dieVogesen alsstrategische Grenze" fordern, uns dann beweisen werden, daß die Vogesen ganz werthlos, ja nachtheilig sind, daß man, falls Elsaß und Lothringen uns aufgedrängt würden, selbst einen Krieg nicht scheuen dürfte, um sie sich vom Halse zu halten, und daß Deutschland nur verthcidigt werden kann durch die Wacht am Rhein. Was thun gewisse Leute nicht Alles fürs Geld! Roche fort hat eine neue Ausgabe seiner Laterne er- scheinen lassen. Am Schlüsse der Ankündigung heißt es: Indem ich wieder die einzelnen Abschnitte dieses verbrecherischen Weges(er spricht von der Lausbahn des Exkaisers) durchlause, finde ich die Namen mehrerer jener Beamten, die von Napoleon III. die Würde von Sträflingshütern angenommen hatten und heute nichts- destoweuiger die glänzendsten ritterlichen Stellungen bekleide». Wie Herr de Royer, nachdem er unter dem Kaiserreich i» denZüchtigungen", die heute offen verlaust werden, gebrandmarkt war, Mittel findet, gegenwärtig an dem Rechnungshofe eine der ersten Beamtenstellen der Republik zu bekleiden, so haben sehr viele Nichter, befleckt durch pesti- lenzialische Urtheilssprüche, sich nach der Revolution aus groteske Weise an ihre Sessel angeklammert und den Jammerschrei ausgestoßen: Entehrt mich, aber setzt mich uicht ab." Wen» ich Herr gewesen wäre, ich hätte seit dem 5. September den Preußen vorgeschlagen, ihnen alle diese Leute im Austausch gegen einige Scheffel Kartoffeln zu überliefern. Unglücklicherweise habe ich nichts thun können, als ihnen ihre Plätze zu lassen und den meinigen zu verlassen." Die durch Regierungsdekret angeordnete Zählung der in Paris noch befindlichen Pferde, Esel und Maulthiere hat folgendes Resultat geliefert: In Paris befinden sich noch, in runder Summe ausgedrückt, 20,000 Privaten gehörige Pferde; ferner bleiben noch 6000 von der Gesellschaft der Petites Voi- tures; endlich besitzt die Omnibus-Gesellschaft, ungeachtet der für die Bedürfnisse der Artillerie und des Militär-Fuhr- wesens gebrachten Opfer, noch deren mehr als 8000 Stück. Aus Brüssel schreibt man derN. Fr. Pr." über Leon Gambetta : Ich berichtete Ihnen seinerzeit, daß Herr Löon Gambetta vor den, Ausbruche des Krieges auf seiner Hin- und seiner Rückreise nach Ems hier in Brüssel jedesmal einen oder zwei Tage zugebracht hat. Der Zufall fügte es, daß ich heute mit einer der wenigen Persönlichkeiten in Berührung kam, welche ihn hier intim gesehen. Es ist dies der junge Advokat Viktor Armould, der begabteste der belgischen Sozial- Demokraten und Häuptredakleur des sozialistischen Organs La Libertö. Gambetta , sagte er mir, sei eine der großartigst angelegten Naturen, welche er je gesehen. Sein reichhaltiges Wissen verdankt er jedenfalls mehr seiner bewundernswerthen Fassungs- und Assimilations- kraft, als der Stubenhockerei. Gambetta hatte, bis das Geschick oder vielmehr sein Genie ihn zu der Diktatur brachte, welche er jetzt ausübt, das Wesen des Studenrcn nie ganz abgelegt. Es war ein Mann des moderne» Forums, in den Pariser Cafös und Brauereien war er wohl-