Aus Schwaben IU. Mit großem Rechte rief Lafsalle im Jahre 1863 dem damals grafsirenden Geschrei nach der alten Reichsverfasiung von 1849 entgegen, in dem Zurückgehen auf dieselbe liege das Geständniß, daß unsere ganze Geschichte seit damals keinen Sinn gehabt habe. Ter Kenner der Geschichte mußte schon damals die ungeheure Wahrheit dieses Wortes begreifen, wenn es auch, zumal in Deutschland , schwer war, an konkreten Bei- spielen seine Richtigkeit zu bestätigen. Die Anzeichen, daß der revolutionäre Gedanke bei allem Verluste in die Breite doch an Tiefe außerordentlich gewonnen, waren nur leise und lagen namentlich weit ab vom gesammten Jdeenkreise, welcher die öf- fcntliche Meinung der damaligen Zeit beherrschte. Die Lassal- le'sche Agitation, selbst mit allen Umständen, welche dieselbe begleiteten, konnte übrigens die Bourgeoisie, welche sich in träger Behaglichkeit wiegte, schon auf andere Gedanken bringen und namentlich den Satz nahe legen, daß sich im Schooße der jet- zigen Gesellschaft doch absonderliche Dinge vorbereiten. Es war auch in Wirklichkeit nahe daran; die Ahnung, daß außer ihr noch etwas eristire, berufen eine Rolle zu spielm, begann bei der Bourgeoisie in unklaren Vorstellungen heraufzudämmern, als Lassalle starb. Die Bourgeoisie vermag niemals eine Bewegung der Geister zu verstehen ohne handgreifliche, faßbare Autoritäten; unfähig wie sie ist, das Zufällige am individuellen Träger einer Idee abzustreifen und diese selbst in Klarheit sich. vor Augen zu stellen, war für sie der Tod Lassalle's nur das Signal, wieder die Augen behaglich zu schließen gegenüber von Allem, was da drunten im Volke vorging. An der ganzen so unnennbar wich- tigen Zeit seit Lassalle's Tod bis auf dm heutigen Tag ging die Bourgeoisie mit geschlossenen Augen vorüber, sie hat nichts gesehen, nichts gelernt, nichts verstanden. Die politischen Stürme, deren Mittelpunkt das Jahr 1866 bildet, trugen noch dazu bei, ihre Aufmerksamkeit abzulenken und item: wenn die Kanone kracht, hört ohnedieß der Verstand auf. Bis zum Jahre 1870 zehrte man von den Erinnerungen von 1866 und da wir in diesem Jahre die.Herrlichkeit Gottes von Angesicht zu Angesicht geschaut, so ist es vollends unnöthig, sich um so irdische Dinge zu bekümmern, wie sie die soziale Frage präsentirt. So ist es denn gekommen, daß die ganze ungeheure Ver- änderung der innersten Gestaltung von Europa vor den Augen der Bourgeoisie vor sich gegangen ist, ohne eine Spur von Ver- ständniß zu finden. Wenn wir das geschichtliche Resultat des deutsch -französischen Krieges in ein kurzes Wort zusammenfassen, so kann es nicht anders lauten, als vollständige Front- änderung der politischen Parteien in Europa . Man wird zwar unsere Knaben in der Schule lehren, daß die An- nerion von Elsaß und Lothringm das bedeutsamste Ereigniß dieser Tage bildet, und die 5000 Millionen! die Herr von Bis- mark noch nicht bekommen hat; aber es ist glücklicherweise bereits dahin gekommen, daß die modernen Schulmeister nicht mehr ins Rad der Geschichte eingreifen. Wir fürchten auch, daß unsere hoffnungsvolle Jugend einst bitter enttäuscht sein wird, wenn sie dieses herrliche Vermächtniß als kleine Geringfügigkeit betrachtet sieht. Diese vollständige Frontänderung der politischm Parteien in Europa ist also thatsächlich vor sich gegangen. Wir haben schon früher hervorgehoben, daß dieser Krieg den gmannten weltgeschicht- lichen Prozeß natürlich nicht erzeugt, sondern nur in seinem Endresultat nackt und unverhüllt hingestellt habe. Der Ursachen dieses Processes sind es vornehmlich zwei: 1. Das instinktive Schwächegefühl aller reaktiv- nären Parteien,(von der feudalen bis zur sog. demokratischen) welche nicht unmittelbar die Kanonen und Bajonnete zurVersügung haben. 2. Die Stärke der revolutionären Partei. Und hier unterscheidet sich Frankreich und Deutschland klar und bestimmt. Dort ist es vorwiegend das zweite Moment, welches die Frontstellung der reaktionären Parteien hervorbringt. Bonapartisten, Orleanistcn, Legitiinisten und Bourgeoisrepublikaner drängen sich in Einen unterschiedslosen Knäuel zusammen, und stemmen sich gegen die andringende Fluth, welche sie alle mit einander zu ersäufen droht. Hier ist es die obengenannte edle Selbsterkenntniß, daß man mit Kompromissen, Schwatzen und Wichtigthun keinen Hund von dem Ofen locken, geschweige denn Politik machen kann. Nachdem wir die Thatsache einer totalen Frontänderung der politischen Parteien konstatirt und ihre Ursachen festgestellt haben, bleibt nur mehr übrig, den Inhalt dieser geschichtlichen Er- scheinung zu entschleiern. Er ist mit Händen zu greisen, so klar, so in die Augen stechend, daß selbst die Reaktion ihn mehr oder weniger deutlich erkennt. Und gerade diese Klarheit ist es, welche ihn noch unendlich wichtiger und bedeutsamer macht. Der In­halt ist der soziale Gegensatz der Reaktion und Revolution. Und somit stehen wir am Vorabend einer Zeit, wo die soziale Frage, die mittelbar und indirekt das politische Leben allen Zeiten bestimmt hat, direkt den Spring- quell jeder politischen Gestaltung bilden wird. ___ M. Ueber deutsche Preßzustände schreibt mandemFrankfur- ter Beobachter" von Leipzig : Wie ich höre, ist Dr. Eduard- wenthal(bekanntlich der Verfasser der Broschüre, wegen deren von der Frankfurter Strafkammer der Kaufmann Hornie zu einem Monat Festungshaft verurtheilt wurde) endlich in den sichern Hafen derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" ein- gelaufen, nufteat sibi! Bereits in der 1866 erschienenen Schrift des Professor Wuttke in Leipzig :Die-Entstehung der öffentlichen Meinung in Deutschland ", einer das deutsche Zei- tungswesen sehr scharf kennzeichnenden und darum fast von der gesammten Presse todtgeschwiegenen Geschichte und Kritik der Zeitungen, Zeitschriften, Preßbureaux u. s. w., wird des Herrn Löwenthal als Regierungs-Preßagenten gedacht, ohne daß sein Name bestimmt genannt wird. Damals hatte man freilich noch nicht so viele handgreifliche Beweise dafür wie heute, und darum begnügte sich Wuttke, ihn durch die Bezeichnung:Stifter einer neuen Religionssekte" kenntlich zu machen. Damit ist dieCo- gitanten-Religion" gemeint, welche Herr Löwenthal jahrelang in Dresden annoncirte, in Verbindung mit derCogitanten- Akademie" und denCogitanten-Congrcssen", die gleicherweise in den verschiedensten Zeitungen als Inserate spukten, ohne daß ein vernünftiger Mensch sich jemals um die Sache gekümmert hätte. Man hielt den Löwenthal vielfach für einen überspann. ten Theoretiker, der es aber mit seinen Weltbeglückungsplänen ehrlich meine, bis einmal sein eigener Vater Jemandem, der ihm sein wohlwollendes Bedauern wegen der Ueberspannt- heit seines Sohnes ausdrückte, entrüstet erwiderte:Mein Sohn hat eine ausgezeichnete Stelle bei Bismarck!" Bevor Lö­wenthal dieausgezeichnete Stelle" bei Bismarck hatte, diente er dem System Werren in Nassau ; dann wurde er dem durch seine Hetzartikel gegen die Süddeutschen berüchtigten offiziösen Publizist" beigegeben, und schließlich zur Gründung eines preu- ßischen Blattes nach Dresden geschickt. Dort redigirte er während er gleichzeitig in Cogitanten-Jnseraten machte in­nerhalb einiger Jahre mehrere Blätter; alle Halbjahr ging eins ein, um unter neuem Namen aufzustehen; und nachdem er glück- lich viele Tausend Thalerverpulvert" und sich auch einige obligate politische Prozesse durch seinenRadikalismus" er schwärmte für Republik und neue soziale Theoreme zu­gezogen hatte, verschwand er vor einem halben Jahre nach- rich alspolitischer Märtyrer", in Wirklichkeit war er mit (vielleicht auch wegen) Schulden durchgebrannt und dazu desig- nirt, fortan in Zürich als preußischer Preßagent zu fungircn. Er gründete in Zürich abermals ein Blatt mitradikalen" Ten- denzen und einen europäischen Unions-Verein(die Mitgliedschaft sollte 1 Thaler kosten) zur Herstellung des cogitantischen Staa- tenbundes. Er kokettirte in Zürich ein Weilchen mit den So- zialdemokraten, welche ihn nicht kannten; als jedoch aus Dres- den Enthüllungen über ihn kamen, hielt er es für gerathener, Zürich zu verlassen und dahin zu gehen, wo er hin gehört in den Schooß von Braß, welcher jüngst in seiner Zeitung von einem europäischen Lande sagte:Wie gesunken muß die Nation sein, in welcher so niederträchtige Hallunken die öffent- liche Meinung vertreten!" Während der Haft der Leipziger Sozialdemokraten erschienen bekanntlich in derDresdener Eon- stitutioncllen Zeitung",Magdeburgischen" und'Weserzeitung" so viele Hetz-Artikel überLandesverrath" gegen die Sozial- demokraten. Diese Korrespondenzen rühren sämmtlich aus der Feder eines Leipziger Korrespondenten. In voriger Woche be- klagte sich selbiger Korrespondent in derMagdeburgischen Zeitung" darüber, daß.derVolksstaat" immer nur die preußi- scheu Behörden angreift, die sächsischen dagegen so schonend wie möglich behandelt!" Die in Rede stehende Correspondenz derMagdeburgischen Zeitung" lautet: Leipzig , 16. April. Am gestrigen Tage hat die hiesige Staats- anwallschajl Die vor 8 Tagen erschienene Nummer desVolksstaat" mit Beschlag belegt. Warum grade diese Nummer noch so verspätet von diesem Schicksal betroffen worden ist, begreifen wir nicht, denn alle im Lause der letzten 6 Monate herausgegebenen Nummern des ge­nannten sozial-demokratischen Blattes haben in offenbarer Beschimpfung der Person des greisen Kaisers Wilhelm, des Reichskanzlers, des Reichs- tags und des deutschen Heeres da« Größtmöglichste geleistet. Nur vor einem hütet sich derVolksstaat" mit wohlberechneter Scheu: Das sächsische Königshaus und die sächsische Staatsregierung zieht er fast gar nicht oder, wenn es doch einmal geschieht, in äußerst subtiler Weise 'in den Bereich seiner unfläthigen Polemik." Zur sachlichen Erwiderung hierauf sei bemerkt, daß unsere zahlreichen Prozesse wohl den deutlichsten Beweis dafür liefern, wie hold die sächsische Regierung uns und wir ihr sind. Da unser Blatt ferner keine Lokalzeitung, sondern das Organ der über ganz Deutschland verbreiteten Partei ist, so erhellt daraus, daß uns die sächsische Regierung nicht viel mehr interessirt, als die bairische und würtembcrgische, welche alle drei gegenüber der sie beherrschenden preußi- schen Großmacht wenig in Betracht kommen. Sachsen ins Auge fassen und Preußen links liegen lassen das wäre unsererseits eine Politik, welche uns eine Anwartschaft auf das Ehrenbürgerrecht von Schöppenstädt oder Leipzig gäbe. Wie sollten wir nun gar dazu kommen,das sächsische Königs- Haus in den Bereich der Polemik" zu ziehen! Beim besten Willen fänden wir keine Gelegenheit dazu, denn weder Yassiren in Dresden Fügungen der Vorsehung", noch giebt es dort eine Augusta, an welche Feldpostbriefe geschrieben werden könnten; nichts regt und rührt sich dort; wir kennen kaum die Namen der sächsischen Prinzen. Was natürlicher also, als daß unser Sinnen und Trachten, unser Sehnen und Hoffen lediglich dem Spree-Athen gehört, welches einen Heldengreis und einen Fürst- Reichskanzler und noch tausend andere hübsche Dinge besitzt, welche Dresden nicht hat? Soviel zur Erklärung unseres Verhaltens gegen das sächsische Königshaus und Beamtenthum, welches erstere nach der Meinung des Herrn Correspondenten ein viel zu sanstmüthiges sein soll. Jndeß, manch Einer dürfte sich fragen, warum wohl der Verfasser obiger Correspondenz (der übrigens auch Mitarbeiter desLeipziger Tageblatts" ist und für dasselbe die Sittlichkeitsentrüstungsartikel über die Eigenthumsplünderungen" der Pariser Kommunalisten schreibt) gegen die sächsische Regierung so grimmig ist,? Einsach des­halb, weil die sächsische Behörde ihn vor 2 Jahren, als er seine Schwärmereien fürs Privateigenthum noch nicht imTage- blatt" veröffentlichte, sondern als kassendefizitternder Post- sekretär verheimlichte, als derUnterschlagung dringend verdächtig" aus dem Staatsdienst entließ. Auch der Chemnitzer Korrespondent derDeutschen Allge- meinen Zeitung" denunzirte vor einigen Tagen die sächsischen Behörden, daß siegegen die Sozialdemokraten keine entschiedene Stellung einnehmen", als ob 101 Tag Untersuchungshaft noch nichtentschieden" genug wäre! Gegenüber solchen Hetzereien unserer nationalen Philisterpresse, ist es wohlthuend, zu sehen, welche Wirkungen dieselben auf denkende Menschen ausüben. Der Redakteur dieses Blattes erhielt vor einigen Tagen aus Berlin folgendes Schreiben: Ich zähle nicht direkt zu Ihrer Partei, wohl aber zu den Abon- nenten Ihres gesinnungstüchtigen Blattes, wenn auch erst seit jener Zeit, da mein Partei- Organ, die hiesigeZukunft", an dem chroni- scheu Uebel unserer gottvollen Zeit zu Grunde gegangen! Ich war in Verlegenheit um eine politische Zeitung; denn die gesammte naiio- nalliberat anrüchige Berliner Presse erregt in mir einen unwider- stehlichenBrech-Reiz"! Da fand ich ln dem nationalliberal- konser- valivenOrgan für Jedermann(nur nicht) aus dem Volk",') ein Den n ncir-Gitat aus demVolksstaat"; das war mir aus dem Herzen gesprochen und ich wurde zunächst Ihr Abonnent, und ich bereue diese Wahl nicht, ich wünsche mir Glück, eine Zeitung gefunden zu haben, die den Muth hat, eine Meinung zu haben! Ich hoffe, Ihnen noch viele neue Freunde zu gewinnen und wünsche dem Blatte bestes Gedeihen; wenn auch die Lücken, welche Staats- Anwalt und Polizei in die Serie der Nummern zu bringen, nur zu oft für gut be- finden, höchst unangenehm sind, dürfen sie doch einen üderzcugungstrenen Leser nicht ermüden und wird hoffentlich dieses Mittel bei der Majorität nicht ziehen I ') DieVolkszeitung" ist gemeint, Die hiesige kaiserliche Preffe sucht die Reden Bebels, dieses ihr ungemein unbequemen Mannes einfach todtzuschweigen, während diese Mprmidonen- Gesellschaft des Reichstags, welche der große i Meister, auf den sie schwört, an der Strippe hat, sich den Anschein giebt, sie tobt zu lachen; allein man merkt nur zu sehr die Absicht und wird verstimmt; es ist dieses Lachen, diese stereotype Heiterkeit aber nur ein ve»brauchter Koulissen-Koup, ein Galgen Humor, hinter welchem sich ein böses Gewissen und das unwiderstehliche Be- kenntniß:der Mann hat nicht Unrecht, er trifft den Nagel aus den Kopf" zu verbergen sucht I Ich. und gewiß viele Menschen und Boltssreunde hören den Handwer'ker Bebel zehn Mal lieber, als den t charakterlosen,') süßlächelnd-redeschlisfigen Braun." Berlin , 1. Mai. Ihrem Staatsanwalt in Leipzig empfehlen wir das gute Sprüchwort:Blinder Eifer schadet nur" recht warm zur Nachachtung, denn er wird mit seinem Antrag auf Verfolgung desVolksstaat", weil dieser in seiner' Berliner Korrespondenz den Reichstag alsSchwatzparlament" zu tituliren sich herausnahm, bei letzterem selbst schlechte Ge- schäfte machen. Mögen die Reichstagsmitglieder immerhin in ihrer Mehrheit den gebrauchten Ausdruck etwas stark finden, i keiner von ihnen wird bestreitey, daß die Vielrednerei in keiner deutschen Landesvertretung so überwuchert hat, wie im erstendeutschen Reichstag". Hätte Ihr Herr Staatsanwalt Gelegenheit, dann und wann den Privatunterhaltungen der i Reichstagsabgeordneten beizuwohnen, er bekäme Aeußerungen über die bisherige Thätigkeit desReichstags" zu hören, die sein staatsanwaltliches Gewissen zwar sicher entrüsten würden, aber dennoch wahr sind. Als Beispiel sei nur ein Fall ange- führt: Kürzlich war die Wahl eines katholischen Abgeordneten von einer der Abtheilungen mit an Einstimmigkeit grenzender Majorität beanstandet worden. Die Gründe, die im gedruckten Bericht der Abtheilung wie durch den Referenten derselben im Plenum mitgetheilt wurden, waren so durchschlagender Natur, daß die Beanstandung aller Welt als selbstverständlich erschien. Gleichwohl entstand eine mehrstündige Debatte darüber, und als es zur Abstimmung kam, erhob sich dennoch für die Beanstandung das ganze Haus. Diese nutzlose Zeit- Verschwendung brachte einenliberalen"(resp. fortschritt- g lichen) sächsischen Abgeordneten in solchen Zorn, daß er mehreren seiner Kollegen gegenüber in folgende Worte ausbrach: Da soll doch ein D........... dreinfahren, das ist ja eine wahre Sch.....- Wirthschaft. Haben wir die Zeit gestohlen? Bringen wir alle möglichen Opfer, um sie hier Lappalien wegen zu vergeuden? Wüßten unsere Wähler, wie wir hier die Zeit todtschlagen, sie nähmen Stöcke und hauten uns hinaus. Hätte ich gewußt, wie es hier zugeht, ich hätte kein Mandat angenymmen. Ejs giebt kein besseres Mittel, die Leute von diesem Sch...... zu Inriren, als indem man jeden Wähler zwingt, 8 Tage lang von der Tribüne aus uns zuzuhören." Wir bemerken ausdrücklich: dieses sind nicht die ketzerischen Ansichten und Aussprüche eines den Parlamentarismus ver-. achtenden Sozialdemokraten, sondern eines echten unverfälschten Liberalen ", der in der ehrlichen Absicht nach Berlin kam,an dem neuen Werke mitzuwirken" unddie Verfassung des deutschen Reichs im freiheitlichen Sinne auszubauen". Neben diesen Privatäußcrungen eines Abgeordneten könn- ten wir noch zahlreiche andere zitiren; sogar dieliberale" Presse verschiedener Schattirungen hat in überraschend scharfer Weise sich über die Redselig- und Thatlosigkeit. desReichs- tags" ausgesprochen. Ihr Herr Staatsanwalt hätte im Inter­esse desReichstags", den zu beschützen doch seine Beschlag- nahmcmaßregel dienen soll, recht klug gehandelt, wenn er dieselbe unterlassen hätte; derReichstag " wird diesmal in die Lage tom- men, auszurufen: Herr beschütze mich vor meinen Freunden! ImBielefelder Wochenblatt" vom 27. April befindet sich folgendes Inserat: Die in Leipzig unter der Redaktion von W. Liebknecht und(unter?) Druck und Verlag von F. Thiele erscheinende Wochen- schrift(!):Der Bolksstaat", welche die extremsten Tendenzen gegen das Preußische und Deutsche Regierungssystem vertritt, hat seit einiger Zeit mit einer großen Anzahl aus derselben Quelle entsprossenen Flugblättern dadurch hier eine Verbreitung gefunden, daß mehrere Exemplare dieses Blattes zu verschiedenen Zeiten in öffentlichen Lokalen und in einzelnen Privathäusern des Stadtbezirks von unbekannter Hand unentgeldlich nieder- gelegt worden sind. In einer durch die Polizeibehörde mir vorgelegten Nummer dieser Wochenschrift, welche durch die ge- dachte Verbreitung in ein öffentliches Lokal gelangt ist, sind grobe Beleidigungen gegen die Person unsers Kaisers und Königs enthalten. Ich wende mich daher an den Patriotismus der Bewohner Bielefelds mit der Bitte, öas Aufdringen einer solchen Lektüre gebührend zurückzuweisen, die etwa in ihren Händen zurückgebliebenen Exemplare aber an die Polizeibehörde unter Angabe über die Bewerkstelligung der Verbreitung abzu- liefern, um geeigneten Falls die strofrechlliche Verfolgung wegen des strafbaren Inhalts und wegen der nnbesugteu Verbreitung des Blattes herbeiführen zu können. Bielefeld , 26. April 1871. Der Staats-Anwalt." Wir vermuthen, daß der Bielefelder Staatsanwalt ein verkappter Sozialdemokrat ist, welcher, da die Bourgeoisblätter zuui großen Theile keine Annoncen aufnehmen, welche den Volksstaat" empfehlen, durch Obiges für uns eine noch wirk- samere Reklame ersonnen hat, als man durch gewöhnliche In- serate erreicht und uns außerdem die Annoncengebühren er- sparen wollte, in Anbetracht, daß wir kein Geld dafür übrig haben. Wir haben demgemäß den Ausschuß ersucht, 1 Thlr. 8 Äigr. so viel kostet die Annonce imBielefelder Wochen- blatt" alsfreiwilligen Beitrag der Bielefelder Staatsan- waltschaft für den Volksstaatfonds" im Einnahme- und Aus- gabebuch zu notiren. Für die vortrefflichen Winke über die Lokalagitation und die Kolportage unseres Blattes aber, welche uns in Obigem so meisterhaft schlau zwischen den Zeilen zu- gesteckt werden, sprechen wir dem Herrn Staatsanwalt unfern ganz besondern, verbindlichen Dank ans. E i n D r u ck f e h l e r. DieDeutsche Allgemeine Zeitung" vom 27. April d. I.('Nr. 97) giebt unter der RubrikHau- del und Industrie" ein Resume der in Nr. 33 desVolksstaat" besprochenen amtlichen statistischen Darstellung des Feldpost- wesens, und dabei ereignet sich der eigenthümliche Zufall, daß *)Charakterlos", weil er ein literarischer Dieb ist? Zm Gegen- theil: Cr hat vor einigen Tagen erst denCharakter" eines Iu- stizraths erhalten. Die Red.