'------------ wmm wahrung, man wolle mit diesem Artikel nicht ausgesprochen haben, daß Se. Majestät der Kaiser Sein Wort nicht gehalten, die Ab- ficht, Seine Kaiserliche Majestät wegen des behaupteten angeblichen Bruches Seines Versprechens zu verhöhnen und zu beleidigen, klar und deutlich erkennen läßt, und in dem angezogenen Artikel so- nach eine den Bestimmungen in§ 93 des Reichsstrafgesetzbuchs zu unterstellende Beleidigung Sr. Majestät des deutschen Kaisers un- bestritten zu befinden ist, nun aber der Angeklagte August Bern- Harb Much, welcher zur Zeit des Erscheinens der Nr. 96 der Zeitschriftder VolkSstaat" vom Jahre 187S der verantwortliche Redakteur dieser Zeitschriftnummer nach gewesen, eS abgelehnt hat, den Verfafier oder Einsender dieses Artikels zu benennen, derselbe auch sonst nicht hat ermittelt werden können und ebendeshalb und da ihm nicht hat nachgewiesen werden können, daß er vor Abdruck de» Artikels Kcnntniß von dessen Inhalt gehabt, zu einer Bestra- sung nach Art. 99 des Preßgesetzes vom 24. März 1870 verbun- den mit£j 95 deS ReichSstrafgeseybucheS weder gegen den ange- klagten Muth noch gegen sonst Jemanden zu gelangen gewesen ist, mithin gegen den Angeklagten Much als verantwortlichen Redakteur der Zeitschriftder Volksstaat" zur Zeit deS Erscheinens der Num- mer 96 vom Jahre 1872 die Strasbestimmungen des Art. 20, verb. mit 22 deS Preßgesetzes Anwendung zu finden haben; So ist der Angeklagte Muth auf den Bl. 9 gestellten staats- anwaltschaftlichen Antrag in seiner Eigenschaft als Redakteur des VolkSstaatS mit Rücksicht aus seine Bl. 9d pp. aktenkundig ge- machten Vorbestrafungen in Gemäßheit Art. 20 und 22 des Ge setzeS vom 24. März 1372, die Presie betr., wegen der ihm zur Last fallenden neuerlichen Verletzung seiner Redakteurpflichten mit einer Ordnungsstrafe in der Höhe von Achtzig Thalern zu belegen; eS ist auch d eses Straferkenntniß auf Kosten des An- geklagten in der Leipziger Zeitung öffentlich bekannt zu machen und der Angeklagte die sämmtlichen in dieser Preßstrafsache erwachsenen Kosten abzustatten schuldig. Von RechtS-Wegen! Leipzig , den 3. Februar 1873. DaS Königliche BezirkSgei icht daselbst. (L. S.) Skdinberger. Mannsfeld. WeiSke. Wahrhaftig, derVolkSstaat " muß sich vor so gefährlichen Mitarbeitern in Acht nehmen, wie die Leipziger Richter es sind Also verurtheiltVon Rechts wegen", weilzweifelsohne behauptet worden ist, daß Seine Majestät der deutsche Kaiser Sein einer Deputation schlestscher Weber im Jahr 1864 als König von Preußen gegebenes Versprechen, die Arbeiterfrage solle mög lichst bald gesetzlich geregelt und damit der Roth der Arbeiter Abhilfe geschafft werden, bisher noch nicht erfüllt und somit sein Versprechen gebrochen habe." Zweifelsohne" ist aber in dem inkriminirten Artikel ge- nau das Gegentheil behauptet, und so deutlich, als es mit Worten zu sagen, gesagt worden, der König von Preußen, jetziger deutscher Kaiser, habe seinkönigliches Versprechen" gehalten, und, wenn dem profanen Publikum die Erfüllung auch äußerlich nicht recht sichtbar sein möge, so liege die Schuld nicht an dem König von Preußen, der seinkönigliches Versprechen" selbstverständlich denn Könige können ihr Wort doch ebenso wenig brechen, als sie, dem konstitutionellen Evangelium gemäß, politisch sündigen können erfüllt habe, sondern an der Kurzfichtigkeit, Blödigkeit der vile multitude, des gemeinen PöbclhaufenS, euphemistisch Volk ge- nannt, der seine Augen nur habe, um nicht zu sehen, sein Hirn nur, um nicht zu denken, und seine Fäuste nur, um nicht zu handeln. Emphatischer, eindringlicher, unzweideutiger konnte' nicht au& gedrückt werden, daß dasals König gegebene Versprechen" (Lessing! Wende dich nicht im Grab herum!), um uns der kla si schen Redewendung der Leipziger Herren Richter zu bedienen, ge­halten worden ist. Und wie konnten wir dem Respekt vor einem königlichen Versprechen" im Besonderen, und vor der königlichen Würde im Allgemeinen, die ihren Inhaber weit über den Bereich der gewöhnlichen Sterblichen stellt, und dem gewöhnlichen Maß stab der gewöhnlichen Sterblichen entrückt, emphatischer, eindringe licher, unzweideutiger Ausdruck verleihen? Aber geradedie Verwahrung, man wolle mit diesem Artikel nicht ausgesprochen haben, daß S. Maj. der Kaiser Sein Wort nicht gehalten", soll ja nach der Leipziger Gcrichtslogikdie Ab ficht, Seine kaiserliche Majestät wegen deS behaupteten angeblichen Bruches Seines Versprechens zu verhöhnen und zu beleidigen, klar und deutlich erkennen lasten." Klar und deutlich" ist hiernach für die Leipziger Richter, daß eS eine Verhöhnung und Beleidigung des Kaisers von Deutschland ist, wenn man sagt, er habe sein Wort gehalten! Begreifen die Leipziger Richter denn nicht daS entsetzlich Rechts widrige und Majestätsbeleiderische ih-er Argumentation? Aus den mannichfachen sprachliche», stylistischen und logischen Eigenthümlichkeiten, welche den Sinn verdunkeln, herausgeschält, ist die Argumentation folgende: DerVolksstaat" ist ein Blatt, daS nichts schreibt als Hoch verrath und Majestätsbeleidigungen. DerBolkestaat" schreibt zur Abwechslung einen Artikel, der weder Hochverrath noch MajestätSbeleidigungen enthält, sogar den König von Preußen(Kaiser von Deutschland ) ausdrücklich gegen den möglichen Vorwurf, er habe seinkönigliches Versprechen" nicht gehalten, verwahrt. Mit dieserVerwahrung" kann es demVolksstaat" bei seiner Tendepz" nickt Ernst gewesen sein; dieVerwahrung" war folg- lich boshafte Ironie, und rasfinirt darauf berechnet, den König von Preußen(Kaiser von Deutschland ) zu verhöhnen und zu be- leidigen. Er�o verurtheilt, Von Rechts Wegen! Gemach, Ihr Herren Leipziger Richter! Rechtswidrig und Majestätsbeleiderisch nannten wir Eure Argumentation. Rechtswidrig: oder stößt eS nicht jedem Rechtsgrundsatz vor den Kops, statt einer ungesetzlichen Handlung, eine Tendenz zu verurtheilen, die als Tendenz weder ungesetzlich ist noch unge- setzlich sein kann? Majestätsbeleiderisch: oder ist eS nicht die giftigste, tödt- lichste Majeftätsbeleidigung, wenn erklärt wird, die Behauptung, der König von Preußen(Kaiser von Deutschland ) habe sein Wort gehalten, könne nur Ironie sein? Liegt darin nicht dick und breit die Annahme, der König von Preußen(Kaiser von Deutsch- land) habe sein Wort gebrochen, und sein Wortbruch sei so flagrant undnotorisch", daß man nur zumHohn" sagen könne, der König von Preußen(Kaiser von Deutschland ) habe sein- nigliches Versprechen" gehalten? In der That, das ist die ton- zentrirteste MajestätSbeleidigunz, welche uns je vorgekommen ist, eine MajestäiSbeleidigung, die allein alle MajestätSbeleidigungen aufwiegt, welche die bösen Sozialdemokraten verübt haben, seit eS Sozialdemokraten gibt. Politische Uebersicht. Zweifelsohne wird auch bei den nächsten ReichStagSwahlcn daS Glück den HerrenLiberalen " insofern günstig sein, als eS ihnen ermöglichen wird, einen reinen ungemischten Chor von Ja- brüdern, dessen reichstreue Harmonie kein Neinsager stören wird, dem Herrn von Bismarck zur Verfügung zu stellen. Keinlibe raler" Redner wird vonVolksrechten" reden und dadurch den genialen Staatsmann", der vor solchen Worten schon eine gründ- lichere Scheu hat, als die Katze vor dem Naßwerdcn, nochmals in die unangenehme Lage bringen, daß er sich solchedeklamato rische Redensarten" verbitten muß. In diesem Sinne ist bereits an dieliberale" Presse die Ordre gelangt, die zumWahlkampf" erforderlichen gewöhnlichen Melodien abzuleiern und mit rührender Präcision erfüllen jene braven Preß Orgelmänner, die von Repti- lienfonds Gnaden berufen sind,öffentliche Meinung" zu machen, ihre patriotische Hundepflicht. Da schweift der Eine mit seiner Orgel in den öden Hallen derKirche" umher und sucht mit dem schon tausendmal abgespielten Liede vomgroßen Kulturkampf die starren Herzen der Gläubigen zu erweichen, der Andre steht als politischer Nachtwächter auf derWacht am Rhein" und weiß nicht genug zu singen und sagen von denReichsfeinden", die da sinnen auf Umsturz und Hochverrath, der Dritte poussirt die soziale Frage und streichelt dem Spießbürger traulich das Zöpf- lein, ihm in die Ohien raunend, daß der neue St. Georg, der Drachentödter, alleiw eS sei, welcher daSReich" durch den tz 20 feines Preßgesetzes vor dcui Drachen deS Communismus reiten könne, und unmelodisch brüllt über alle hinweg unser zärtlicher Freund, Herr Julius Schultze in Mainz :Herr Staatsanwalt, vergessen Sie denVolksstaat" nicht!" Ein nettes Concert! Ja, ihr lustigen Musikanten, für so ein patriotisches Herz hört sich das Ding ganz gut an und manch Mägdlein mag in eurem Rei- gen tanzen, aberwir kennen die Weise, wir kennen den Text, wir kennen auch die Verfasser!" Wir wissen, daß ihr selbst nicht glaubt, waS ihr so trefflich herunterzuorgeln versteht. Wir wissen, daß ihr selber fühlt, daß ihr demGenialen" zulieb Komödie spielt und daß ihr nur seine ClownS(HanSwurste) auf seinem politischen Theater seid. Wir wissen und ohnehin ist es be- stätigt aus dem Munde Eines der Eurigen, der nicht blos auf dem Theater mitspielen, sondern auch zuweilen hinter die Cou- lissen gucken darf daß ihr euch gar keine Illusionen macht!*) Ihr wißt, daß der Mvloch des Militarismus in nicht allzulang«: Zeit nicht wissen wird, wo er sein Futter austreiben soll; ihr fühlt, daß eine kolossale Erhöhung der Steuern nöthig, unvermeidlich und doch unmöglich sein wiro; ihr seid über- zeugt, daß ihr der preußischen Regierung gegenüber gar nichts ausrichten könnt; ihr wißt, daß euer Drachentödter Bismarck von seinem wackeligen Ministerthrone jederzeit durch ein urreakiionäceS pietistisches Ministerium gestürzt werden kann; ihr seht, wie faul unsere sozialen Zustände sind ihr und euerReich" treibt einem Abgrunde zu! Ja, das fühlen und wissen sie Alles, die HerrenLiberalen ", soweit sie noch Augen haben zu sehen und Ohren zu hören und sie sehen imgenialen Staatsmann" den Gott, der sie vor dem letzten großen Krach retten kar.n. An ihn klammern sie sich an. Wird er sie retten können? Nun, wir werden sehen! Phrjase, bewußte Phrase ist Alles, waS die reichsfreund- lichen Herren Liberalen ihren Wählern vorplaudern, Phrase ist Alles, was sie im Reichstag gesagt haben und noch sagen werden. Und solchen Humbug treiben dieehrlichen Leute" der Bismarck und Roon, solchen Schwindel nennt manparlamentarische Thä- tigkeit". N;u ist die Sache für unS nicht; wir sind vom Anfang an überzeugt gewesen, daß dieliberale Aera" eine Aera deS Schwindels und der Erbärmlichkeit ist; wir wissen aber, daß dies für Tausende von Wählern neu ist und die mögen sich'S über- legen! Die Katze auS dem Sack. Ein Artikel der Berliner ministeriellenProvinzialkorrespondenz" über und gegen einen ultra- montanen Wahlauftus schließt mit den Worten:Nicht Kampf und Trennung, sondern Friede und Eintracht ist das Vechältniß, das nach Goiles Willen zwischen den beiden von ihm zur Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaft angeordneten(!) Gewalten(!) näm l:ch Staat und Kirche bestehen soll." Wozu die Berliner Voltszeitung" die Bemerkung macht:Wer Ohien hat zu hören, der höre!" Nun, dieVolkszeitung" wird durch ihreOhren" nicht daran verhindert, in derselben Nummer daS kulturkämpferifche Verlangen zu stellen, die sächsischen Stände sollten daS sächsische Königshaus auffordern,�Zur protestantischen Kirche zurückzukehren"! Warum uicht gleich sich beschneiden lassen? Das hätte gerade soviel Sinn. Doch lassen wir dieOhren" der Bolkszeitung", und sehen wir uns den Satz derProvinzial- korrcspondcnz" e:waS näher an. Alsonach Gottes Willen"(den dieProvinzialkorrespondenz" sicherlich per Extrapost vom Himmel eingeholt hat wobei der fromme Erzengel Wagener den Kou- rier gemacht haben wird) sollFriede und Eintracht" bestehen zwischenStaat und Kirche",den beiden von Gott zur Wohl- fahrt der menschlichen Gesellschaft angeordneten Gewalten." Zu- nächst sei derProvinzialkorrespondenz" bemerkt, daß derStaat" keineGewalt" ist; eS gibt im Staat eineGewalt", oder viel- mehr mehrere Gewalten, je nach den Umständen, im S:aat der Provinzialkorrespondenz" wesenttich ZweiGewalten"; die eine zur körperlichen, die andere zur geistigen Unt-rdrückung. Er- steceGewalt" heißt: stehendes Heer, ReptilienfoudS, irdische Gensdarmerie; letztereGewalt": Schule, Kirche(altkatholische, neukatholische, lutherische, resormirte, deutschkatholische, fteigemeind- liche ic.), himmlische GenSdarmerie. BeideGewalten" ar- beiteten bis vor anderthalb Jahren mit rührender Harmonie zu- sammen; seitdem aber ist ein Theil der Kirche durch gewisse Taktlosigkeiten" deS Fürsten Bismarck kopfscheu geworden und zwischen diesem Theil der Kirche(nicht: derKirche") und der preußischen Staatsregierung(nicht: demStaat") herrscht eine erbitterte Katzbalgerei, bei der.indcß, wie bei allen Katzbalgereien, zwar sehr viel gespuckt und gelärmt, jedoch weder gebissen, noch auch nur ernstlich gekratzt wird, sintemalen die katzbalgendenKul- turkämpfer" genau wissen, daß sie einander nicht entbehren können, und im Grund genommen Fleisch von Einem Fleisch, Geist von Einem Geist sind. Die mit langen DeukervolkS-Ohren " ver- sehenen Michel bildeten sich natürlich ein, der über Nacht auS einem wendischen Krautjunker in einen deutschen Demokraten " verwan- *) E» ist Thatsache, daß« diesen Tagen ei» liberaler Abgeordneter von bekanntem Namen sich in diesem Ginne ausgesprochen hat. Wir haben iudess» Gründe, bezüglich de« Namen» vorläufig DiScretion wal- ten zu lassen. delte Bismarck sei entschlossen, der katholischen Kirche den GarauS zu machen; allein so willkommen dieser kindliche Köhlerglaube der langohrigen Michel auch in gewisser Beziehung dem angeblich me- tamorphisitten(verwandelten) Krautjunker sein mag in an­derer Beziehung hat die Fortsetzung der Katzbalgerei doch ihre ernstlichen Nachthcile; und nachdem durch den soeben vecöffent- lichten Briefwechsel zwischen Kaiser und Papst(Apropos, wie aus Berlin verlautet, hat der Kaiser seinen" Brief nicht ge-, sondern bloß�u literschrieben) genügendes Reklame-Kapital für die Wiener Reife und die bevorstehenden Wahlen beschafft worden ist, will derStaat", d. h. die preußische resp.deutsche " Regierung Friede und Eintracht" mit der unter päpstlicher Fahne fechtenden schwarzen Gensdarmerie. Nun es wird nicht lauge dauem, so werden die feindlichen Brüder sich wieder gerührt in den Armen liegen! DieVolks- zeitung" möge dieOhren" nur spitzen! Zurgesunden Entwicklung". ES ist eine Thatsache, daß derMusterstaat" Preußen den schwerfälligsten bureaukrati- schen Apparat besitzt. Beweis: Im Jahre 1872 sind in Berlin an Unterstützungen für Landwehrleute und Reservisten 2412 Thlr. ausbezahlt worden. Um diese Beträge zu buchen und zu regi- striren, genügte natürlick nicht diegroße Armee" von Schreibern, welche die vielen Pöstchen bei der Berliner Communalverwaltung schon inne haben, sondern eS mußten noch extraHilfsarbei- ter" angestellt werben. Als die 2412 Thaler glücklich ausgetheilt und verrechnet waren, beliefen sich die Kosten für dieHilfs- arbeiter" auf 2235 Thaler, also beinahe gerade so viel, als Land- wehr und Reserve erhalten hatten! Nehmen wir also an, der Reichs- tag würde sich einmal ermannen, der Bundesrath einmal vernünftig werden und es würden beideKörper" bestimmen, daß für die preußischen Schulen statt zweien jährlich drei Millionen ausgc- worfen werden sollten. Nach dem Beispiel der Berliner Commu- nalverwaltüng schleppen in Berlin drei Millionen Thaler AuS- gaben zwei und dreiviertel Millionen Thaler VerwaltungS- kosten hinter sich her! Hier hätten wir, waS die Verehrer der preußischen Wirthschaft einegesunde, treffliche Verwaltung" nennen. Da ist's freilich nöthig, daß man ab und zu einen ftischen, ftöh- lichen Krieg macht und so einemErbfeind" fünf Milliarden tief in den Geldbeutel hineingreift. Die schon öfters besprochenen deutschen Kriezervereine haben dieser Tage in Weimar ihrenDelegirtentag" abgehalten. Der Geschäftsbericht er;ählt, daß daS Programm dieser Vereine von einem Polizei-Sekretär, Brösske in Spandau , verfaßt und in einer polizeilichen Fassung auch angenommen worden ist. Es ist also kaum nöthig, über den Eharakier und den Geist dieser Krieger- vereine etwas Weiteres hinzuzufügen, wenn man weiß, daß eine preußische Polizeiseele die Grundlage ihresgeistigen" Lebens ge- chaffen hat. An der Spitze d.s Vereins steht einalter Dessauer", eer Gencrallieutenant Stockmarr, der seinhöheres Ehrgefühl" lofort bethätigt hat. Wir berichieten neulich schon, daß in den Kasematten der deutschen Festungen eine Menge von Soldaten chmachten, die im Feldzuge gegen Frankreich sich sogenannter .Disziplinarvergehen" schuldig gemacht haben und wegen dieser Verstöße gegen den Götzen derstrammen Zucht" zu langjähriger, ja in vielen Fällen lebenslänglicher Festungshaft verurtheilt wor- den sind. Die von preußischem Polizeizeist angewehten Krieger- vereine wagten nur zu beantragen, man möge ein BeznadigunzS- gesuch zu Gunsten dieser Unglücklichen an die Reichsregierung rich- ten. Da fuhr deralte Dessauer" dazwischen und meinte, daß olch ein Gesuchunzulässig" sei. Die Antragsteller wußten .Ordre zu pariren" und zogen ihr Gesuch zurück und eine Menge Opfer der sogenannten Disz plin schmachten hoffnungslos weiter in den Zwingburgen der herrschenden Gewalten. Wir sind keine Freunde derGnade", mag sievon Gott " oocr von den Fürsten kommen; Herrn Stockmarr aber degradiren wir hiermit vom Ge- nerallieutenant zum Feldwebel! Der Moloch. In keinem Gewerbe zeigt sich die Verachtung der heutigen Gesellschaft und deS heutigen Staats für Leben und Gesundheit der Arbeiler so unverhüllt, wie in dem Bergbau. Daß der englische Bergbau Jahr aus Jahr ein tausend Arbeitern da« Leben, Zehntausenden die Gesundheit kostet, ist durch amtliche Statistik festgestellt. Für Deutschland fehlt eine solche Statistik. Wir sind noch in dem Stadium, wo die Bourgeoisie die Gefahr zu entfernen glaubt, wenn sie die Augen zuschließt. Ganz zufällig ist dieser Tage ein grelles Schlaglicht auf die Menschenopfer im preußi- schen Bergbau geworfen worden. In einer auf Veranlassung des Handelsministeriums ausgearbeiteten Tabelle der in Preußen be- sindlichen Knappschaftsoeibände werden folgende Thatsachen kon- statirt: Im Jahre 1872 belief sich die Zahl der Knappschaftsvereine auf 91. Die Anzahl der Werke und Salinen beläuft sich auf 2646 mit einer Belagschaft von Arbeitern deren Familien 101,313 männliche und 106,349 weibliche Mitglieder zählen. WaS die Personalverhältnisse der Vereinsmitglieder betriffc, so beläuft sich die Zahl derselben auf 109,783 ständige und 117,083 unständige, zusammen also auf 226,796 Mitglieder. Die Vereine zählen an Unterstützungsberechtigten: 1634 Ganzinvaliden, 321 Halb invaliden, 14,800 Wittwen und 47,523 Waisen und Kinder, für welche Schulgeld gezahlt wird. Den Vermögensstand der Vereine an- langend, so belief sich am Jahresschluß die Summe der Aktiva auf 4,825,633 Thlr., die der Passiva auf 86.500 Thlr., so daß ein schuldenfreies Vermögen von 4,739,182 Thlr. vorhanden war. Die elatsmäßige Einnahme deS Vorjahres belies sich auf 2,264,627 Thlr., die Ausgabe auf 2,230,738 Thlr., so daß ein Ueberschuß von 33,389 Thlrn. erzielt wurde. Auf das einzelne Bereinsmit- glied kommen durchschnittlich laufende Beiträge von 5 Thlr. 12 Sgr. 8 Pfg. Im Laufe des verflossenen JahreS sind von den Knapp- schaftömitzliedern ertrankt 130,235, darunter 21,059 in Folge Beschädigung bei der Werkarbeit. An Unterstützungen wur- den durchschnittlich pro Jahr verabreicht: einem Invaliden 54,7 Thlr., einer Wittwe 27,7 Thlr. und einer Waise 8,5 Thlr. Das sind die Zustände des gesegneten deutschen Bergbaues. Also vou einer Arbeiterbevölkerunz, deren männliche Mitglieder, die Knaben und Greise eingerechnet, nur etwa Hunderttausend betra- gen," sind über Zwanzigtausend, also mehr als ein Fünf- tel, im Laufe eines einzigen JahreS bei der Arbeit zu Schaden gekommen; von den wirklich arbeitenden Bergleuten ist daher wohl jeder dritte Mann verletzt worden; die Zahl der Wittwen uud Waisen ist geradezu haarsträubend. Auf die Bergleute kommen alljährlich mehr Verletzungen, als sie auf Soldaten einer gleich großen Armee im langwierigen Feldznge kommen. Es ist ein ununterbrochenes Massenopfer von Leben und Gliedmaßen, welches dem Mammon dargebracht wird. Und dazu kommt, daß der Gesundheitszustand im Allgemsinen ein beispiel- loS ungünstiger ist! Ucber drei Fünftel der Knappschafts - Mitglieder krank! ES ist grauenhaft. Wann endlich werden die Arbeiter so schauderhaften GesellschaftSzuständen ein Ende machen?