— Der Staat als Arbeitgeber. Wenn es eines Be weises bedürfte, daß der moderne Staat ein Klassenstaat ist, so brauchte man bloß auf die Art und Weise hinzuzeigen, wie der Staat, wo er«ls Arbeitzeber auftritt, mit seineu Arbeitern um- springt. Der Arbeitgeber: Staat ist ein Bourgeois, befolgt genau die BourgeoiSpcaxis. Mau lese folge Correspondenz des Agramer „Arbeiterfreunu":'' „Agram, 25. Januar. Ganz besonders schwerwiegende Be- weggründe sind eS, die mich veranlassen, auch einmal die Feder zu ergreifen und in unferm Arbeiterblatte einen Beitrag zu liefern zu der Darstellung moderner Geschäfts- und Industrie-Verhält- nisse. ES handelt sich nämlich um die in der hierortigeu Ci- garren-Fabrik, also einem ärarischen industriellen Unternehmen, herrschende GeschästSweise, und dasjenige, was ich über dieselbe al« ThatsächlicheS vernommen, überschreitet, abgesehen von Recht und Billigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeiter und abgesehen von dem hierin allenthalben zwischen dm genannten Beiden zu Gunsten deS Erstercn herrschenden Mijjverhältniß, so die Grenzen deS einfach Menschlichen, daß ich nicht anders kann, als dasselbe zu veröffentlichen. Den Betroffenen selbst ist nicht die Gabe zu Thetl geworden, selbst für sich einzutreten, und bin ich dazu er- sucht; darum wird wohl Niemand von unberufenem Anwalte reden können, ist es ja doch auch Pflicht der Arbeiter, gegenseitig für ihr Wohl und Wehe einzutreten und zu kämpfen. Wie bekannt, beschäftigt daS k. Finanz-Aerar zur Herstellung der Cigarren nur weibliche Arbeiter; der Staat braucht für die Bestreitung der unterschiedlichen Bedürfnisse viel Geld, entsetzlich viel Geld, und daher ist daS Bestreben von Seite desselben vor- handen, auS allen Einnahmequellen so viel Geld wie möglich her- auszuschlagen. In diesem Bestreben werden denn eben weibliche Arbeiter angestellt, weil man denselben unter dem Vorwande, daß sie ja nur weibliche Arbeiter sind, einen Lohn giebt, von dessen Niedrigkeit sich Niemand einen Begriff machen kann. Die besten Arbeiterinnen verdienen in einer Woche höchstens 2—3 fl., die meisten jedoch nur zwischen 1 und 2 fl.; die jüngsten unter ihnen, noch Kinder, welche nach dem Gewerbcgesetze nicht einmal beschäftigt werde» dürfen, erhalten gar nur 60 kr. pro Woche, ein Sechserl pro Tag! Ist daS ein Verdienst, welcher der Leistung der wenn auch noch so schwachen Hände entspricht?!— Und wie seilen sich diejenigen Arbeiterinnen, welche alleinstehend auf diesen Verdienst zur Exist-nz angewiesen sind, davon ernähren können?! Und nur die größte Roth muß die betreffenden Eltern gezwungen haben, ihre Kinder in einem Alter, in dem sie in die Schule gehören, für einen Hungerlohn in Fabnkräume zu senden, welche infolge der verarbeiteten Stoffe zu den ungesundesten zählen und geradezu gefahrbringend für Leben und Gesundheit der Kinder sind. So viel vorerst über den Verdienst der Arbeiterinnen, denn ich will weiter gehen und noch Einiges anführen, das dem Fabrik- leiter selbst zur Last fällt. Es besteht nämlich in der Fabrik eine Hausordnung, welche jedoch nicht gemacht zu sein scheint, die Ord- nung aufrecht zu erhalten, sondern für daS pekuniäre Interesse irgend Jemandes, indem so viel Strafen wie nur irgend möglich verhängt und eingetrieben werden. Für daS geringste Versehen werden die Erwachsenen mit Geldabzügen bestraft, und es ist schon vorgekommen, daß ein Mädchen in einer Woche mehr Strafgelder zu zahlen hatte, als sie Lohn bekam. Aber was geschieht mit den abgezogenen Geldern?— Ha, welche Impertinenz des Arbcitcrgestndels, darüber eine Rechenschaft zu ver- langen!— Die Kinder, denen man von ihren 60 kr. nichts mehr abziehen kann, werden mit der Strafe des Knieenjs während der Mittagspause belegt! Sclaverei! Weiter ist zu erwähnen, daß in der Fabrik auch eine Kranken- lasse besteht, für welche einer jeden Arbeiterin ohne Unterschied deS Verdienstes 10 kr. pro Woche abgezogen werden, wofür selbe be- dürftigensalls ein Krankengeld von 1 fl. 20 kr. pro Woche nebst etwaigen Medikamenten erhält. Wie human ist daS nicht einge- richtet, wird der Herr Direktor darüber denken. Um aber zu be- weisen, in welchem Mißverhältniß diese 1 fl. 20 kr. Krankengeld Zu der hohen Einzahlung von wöchentlich 10 kr. stehen, will ich anführen, daß im Arbeiterverein monatlich 50 kr., also wenige Kreuzer mehr, eingezahlt werden, wofür aber ein Krankengeld von fünf fl. erhoben werden kann. Den Arbeiterinnen wenig Lohn geben und doch viel Abzüge für Krankenunlerstützung machen, daS est humane Geschäftsweise der Fabrikdirektion. Bei dieser Kranken- lasse wird ebenfalls keine Rechnung abgelegt über die Gebahrung der den Arbeiterinnen für Krankheitsfälle abgezogenen und daher ihnen noch immer gehörigen Sechser. Doch noch ein anderes Bild! Im vorigen Sommer schon hat der Herr Fabriksdirektor den Befehl erlassen, im jetzigen Fasching einen Ball zu veranstalten, zu welchem jedes Mädchen 1 fl. bei- tragen sollte. Gesammelt wurde denn auch schon seit Stephani vorigen Jahres, doch können die Arbeiterinnen den Ball nicht unternehmen, weil sie das Geld nicht zusammenbringen konnten, Und— weil sie halt kaum so viel verdienen, um sich noth- dürftig kleide« zu können, geschweige denn, um Ballputz anzu- schaffen. Weil aber überall daS von mir Genannte Seitens der Ar- beiterinnen der Verwaltung gegenüber vielfach Klagen laut ge worden sind und namentlich die Arbeiterinnen dem letztgenannten Befehle des Herrn Direktors nicht nachkommen konnten, versprach er ihnen, von nun an noch viel strenger vorzugehen als bis jetzt. Nun, Glück zu, Herr Direktor! bedenken Sie aber, daß eine zu straff gespannte Saite reißt und ihrem Spanner gar leicht unsanft w's Gesicht fährt. Sie sind jedenfalls, gelinde gesagt, im größten Unrechte, wenn Sie von einer strengeren Behandlung reden wollen; im Gegeutheil, eine gelindere Behandlung, wie eS sich geziemt, lassen Sie Ihren Untergebenen zu Theil werden. Glau- ben Sie nicht, daß eS Ihnen überhaupt Ehre macht, weiblichen Arbeitern gegenüber den Tyrannen herauszukehren. Und dann sorgen Sie für eine bessere Bezahlung der Arbeiterin »eu, indem Sie beim Finanz-Aerar dafür eintreten, denn auf den jetzigen Lohn paßt treffend das Sprichwort:„Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig!" Die» das Bild, welches unser östreichischeS Bruderorgan un« vor Augen führt— die Ausbeutung in der nacktesten Form. Selbst die Arbeitskraft der Kinder und Frauen ausgebeutet. Und da soll das arbeitende Volk noch von dem Staate Schutz erwarten vor den Uebergriffen des BourgeoiS-Kapital«? — Neber das Arbeiterelend in Oesterreich heißt es in einem Bericht, welchen der„Ausschuß des Allgemeinen österreichischen Arbeitervereins" soeben veröffentlicht hat: „Bon einzelnen Mitgliedschaften in den Provinzen aufgefordert� ein Bild zu entwerfen von der Lage der Arbeiter in Oesterreich , kommen wir diesem Wunsche na», insoweit uns Daten zur Ver- fügung stehen. ES ist bereits hinreichend bekannt, daß die Manu- facturwaarenbrauche nunmehr seit zivci Jahren im Niedergange begriffen ist. In den Hauptorten jener Industrie ist, wie selbst schon im Abgeordnetenhause hervorgehoben wurde, nicht die Hälfte jener Arbeiteranzahl beschäftigt, die ftüher in Arbeit stand. Am härtesten wurden Städte wie Brünn und viele Orte in Mähren , Schlesien und Böhmen bettoffen. Die noch beschäftigten Arbeiter der Textilindustrie(Webe-Jnd.) müssen sich mit einem Wochenlohne von 1—4 Gulden begnügen. Die Eisenindustrie, welche früher allein 150,000 Männern in Oesterreich Verdienst gab, befiadet sich derzeit ebenfalls in einem höchst bedenklichen Zustande. Die Arbeiterentlassungen sind im Zunehmen begriffen. Selbst die relativ günstig stehenden großen Bahnen, welche im November und Dezember Arbeiter entließen, mit dem Versprechen, sie bald wieder aufzunehmen, haben dieses Versprechen nicht nur nicht eingelöst, sondern eS sind neue Entlassungen hinzuge- ttetc». So entließ die Nordbahn erst eine geringe Anzahl Schmiede, dann Schlosser, dann Sattler:c. Die Löhne wurden überall in bedeutendem Maße reduzirt, ohne daß die Preis- der Le- beuSmittel gefallen wären. Nur bei der Waffenfabrikatton ist eine Verminderung de» Personals nicht eingetreten. Auch die Le- derwaarenindustrie, in welcher Oesterreich den Vorrang vor anderen Ländern erlangt hatte, befindet sich in rapidem Verfalle. Die bedeutenderen Firmen lassen noch in der früheren Weife fortar- beiten, zahlreiche Geschäfte sind aber gänzlich zu Grunde gegangen, andere beschäftigen nur noch wenige Arbeiter und diese haben einen schlechten Verdienst. Bei der allgemeinen Nothlage leiden aber auch diejentgen Geschäfte, welche sich mit der Erzen- gung der nothwendigsten Bedürfnisse befassen. Die Zahl der Kleidermachergehilfen ist seit vorigem Jahre allein in Wien «m mehrere Tausend gesunken. Wie bei solchen Verhältnissen die Luxusgeschäfte stehen, ist leicht erklärlich. Die Zahl der Gold-, Silber- unv Iuwelenarbeiter hat sich seit 1873 um mehr als die Hälfte vermindert, und die noch beschäftigten befiaden sich zum größeren Theile in der bittersten Roth. Die Musikinstrumenten- macher sind seit Kurzem ebenfalls in mißliche Verhältnisse gekommen durch den Verfall der Clavierfabrikation, und sie haben ihre Wünsche in einer Denkschrift an das Handelsministerium ver- öffentlicht. In allen Geschäftszweigen ist zu einem großen Theile die halbe Arbeitszeit eingeführt." Kurz alle Geschäfte liegen darnieder. Alle, mit einer einzigen Ausnahme. Und diese Ausnahme ist„die Waffenfabritation". Die Fabrikation von Morsinstcnmeaten. So recht bezeichnend für unsere„Cultur "! — Der Klassenkampf in England. Traurig, sehr traurig sieht eS von heute Morgen an in Wales aus, schreibt man der „Franks. Zeitung" auS London unterm 1. Februar. Die so lange gefürcktete und vorhergesagte Katastrophe ist wirklich eingetreten; die Eigenthümer aller Kohlenbergwerke und aller Eisenhämmer haben sämmtliche Arbeiter entlassen, und in Monmouchshire sowie in Glamorgan wird kein Pfund Kohle mehr geschürft und kein Loth Erz mehr in den Ofen geworfen. Ja diesen beiden Graf- schaften befinden sich 450 Kohlenminen, welche an 70.000 Arbeiter beschäftigen und 150 Eisenhämmer mit nahezu 30,000 Arbeitern. Die ersteren fördern jede Woche 350,000 Tonnen Kohlen zu Tage und verdienen dabei im Durchschnitte 100,000 Lstr.*), während der Lohn der letzteren an 40,000 Lstr. ausmacht. Hierzu kommen noch die Arbeiter in den Erzminen, welche auch an 10,000 Lstr. per Woche verdienen. Ueber 110,000 Arbeiter feiern daher in dieser Gegend und 150,000 Lstr. werden wöchentlich weniger daselbst ver- dient. Ueber die Ursache deS„Ausschlusses" der Arbeiter von allen Werken berichtete ich Ihnen bereits in früheren Briefen; ein Theil der Leute erklärte sich mit der beabsichtigten Herabsetzung des Lohnes nicht einverstanden und organisirte einen Strike; die Meister erklärten, wenn jene nicht wieder zu ihrer Arbeit zurückkehrten, so würden sie eine allgemeine Ausschließung eintreten lassen und da die Kohlenarbeiter bei ihrem Strike verharrten, so wurde auch die Drohung wirklich ausgeführt. Wie es gewöhnlich im Leben vor- kommt, so müssen auch hier die Unschuldigen mit den Schuldigen(?) leiden, und die Eisenarbeiter, welche gerne bei ihren Werken ge blieben wären, sehen sich nun im Winter ihrer ganzen EinnahmS quellen beraubt. Die Handlungsweise der Eigenthümer ist eine nicht zu rechtfertigende**); wären sie in eine Zwangslage versetzt worden und hätten sie ihre Oefen ausblasen müssen, weil du Kohlenarbeiter ihre Thätigkeit eingestellt hatten, so würde gewiß die allgemeine Sympathie sich ihnen zugewandt haben, allein da bloß ein Theil der Kohlenwerkc nicht arbeitete, für die Hochöfen jedoch genug Kohle producirl wurde, so kann man die HandlungS- weise der„Herren" nicht anders als einen grausamen Zwang gegen die Arbeiter nennen. Sie wollen durch den Druck, den sie jetzt auszuüben im Stande sind, ein für alle Mal zeigen, daß sie Herren der Situation sind und daß das Verlangen der Arbeiter, ihre An- spräche von einem Schiedsgerichte entscheiden zu lassen, niemals bewilligt werden könne. Das unsagbare Elend, welches durch diese Handlungsweise hervorgerufen«erden wird, kommt hierbei gar nicht in Betracht. Es sind nicht allein die Hunderttausende von Familien der Arbeiter, die durch daS Vorgehen der Arbeitgeber drodloS werden, sondern der ganze kleine Gewerbstand jener Gegend wird nahezu ruinirt. Die Bäcker, Fleischer, Krämer, deren einzige Kunden die Arbeiter sind, können ihre Geschäfte schließen und sehen dem Bankerotte entgegen, wenn die Arbeitseinstellung einige Zeit andauert. Wie lange die Arbeiter auSzuhalten im Stande sein werden, läßt sich schwer vorhersehen, ihre Ersparnisse sind nicht sehr bedeutend und aus der Vereinskasse können sie nichts erhalten, da der Strike ohne Genehmigung des CentralauSschusseS angeordnet wurde; zudem wäre es eine reine Unmöglichkeit, diese Hundert- tausende von Arbeitern au« der Kasse zu erhalten. Eine andere Frage ist es wieder, wie lange die Arbeitgeber in der Lage bleiben werden, ihre Werke feiern zu lassen, auch bei ihnen stehen große Kapitalien und wichtige Interessen auf dem Spiele, nur spüren sie nicht, wie die Arbeiter, persönlich die traurigen Folgen. Auf den Kohlenmarkt dürste der Abgang von 250,000 Tonnen wöchentlich einen nicht unbedeutenden Einfluß ausüben und werden auch wir in London in dem erhöhten Preise für Kohlen von dem Zwiste in Wales zu leiden haben. Die Stimmung der Arbeiter ist eine ge- drückte, aber vollständig ruhige; vorläufig ist auch nicht die ge- ringstc Spur von Aufregung sichtbar, allein wenn einmal die Roth in den Häusern sich drückend bemerkbar machen wird, wenn der Hunger mit starker Hand an die Thüren der Arbeiter zu pochen beginnen wird, dann dürften vielleicht jene industriereichen, dicht- bevölkerten zwei Grafschaften der Schauplatz trauriger Vorkomm- nisse werden. Der CentralauSschuß der vereinigten Bergwerks- arbeiter hielt gestern eine geheime Sitzung in Manchester , aus welcher bloß bekannt wurde, daß die Lage der Arbeiter in Wales ♦) Das Pfund Sterling (Lstr.)= 6 Thlr. 20 Gr. oder 20 Mark. ♦♦) Und die Arbeiter, welche sich die Tyrannei von Menscheu, die sich einer solchen„nicht zu rechtsertigendeu Handlungsweise" schuldig gemacht haben, nicht gefallen lassen, sind„Schuldige"?— auf daß Wärmste der individuellen Sympathie aller anderen Ar- beiter in England empfohlen wird.— So weit der Bericht der„Franks. Zeitung". Was darin von dem Steigen der Kohlen-(und Eisech-Preise in Folge der Aus- sperrung gesagt ist, giebt wohl den Schlüssel zu dem Vorgehen der Arbeitgeber. Es wäre nicht das erste Mal, daß Kapitaliste», namentlich Gruben- und Hüttenbesitzer einen Sttike oder Lokout in Szene gesetzt hätten, um in Zeiten der Geschäftsstockung den Preis ihrer Waare in die Höhe zu treiben. Daß dieses Manöver unsägliches Elend über die„Hände" verhängt, fällt nicht in die Wagschale. Wo der Profit anfängt, hört die Menschlichkeit auf.— — Polnische Banknotenfälscher und russische Staats- rät he. Bor einigen Wochen las man in unseren TageSblättern einen Auszug aus einem„Memorandum" von Herrn Polizei- licutenant Schlatter in Zürich , betreffend eine von ihm mit gro- ßem Fleiße geführte Untersuchung gegen„polnische" Banknoten- fälscher. Dieses Memorandum geht sonderbarer Weise über eine der— nach unserer Ansicht— wichtigsten Partien der Unter- suchung mit Stillschweigen hinweg. Diese Lücke erlauben wir un» nun, wenigstens andeutungsweise, auszufüllen. Alte Sym- pathien mit der polnischen Emigration verpflichten unS hierzu. Und nachdem jenes Memorandum ohne unser Zuthun den Weg in die Oeffentlichkcit gefunden, wüßten wir nicht, warum wir schweigen solle». Wir wollen von der Stellung der' kaiserlich russischen Regierung zu und in der Affaire sprechen. Vor zwei Jahren wurde in Voerdon eine großartige Untersuchung gegen einige Polen geführt, welche sich mit dem Hand- werke der Banknotenfälschung befaßt hatten. AuS der Untersuchung ergab sich zur völligen Klarheit, daß die armen Teufel zu diesem Verbrechen angestiftet worden waren durch den Herrn Gabriel KamenSky, kaiserl. russisch. StaatSrath, Dclegirten des russisch. Finanzministeriums zur Entdeckung von Fälschern russischen Papier - geldeS, und daß sich KamenSky zu seinem Verbrechen hauptsäch- lich der geschickten Hülfe eines vielbestraften Subjektes Namens Bourbon bedient hatte. Dieser erhängte sich im Gefängnisse, KamenSky aber wurde unterm 17. Februar 1373 von dem Waadtländischen Gerichte in contumaciam zu zwei Iahren Ge- sängniß und zehnjähriger Einstellung im Aktiv-Bürgerrecht ver- urtheilt. Du russische Regierung, aus deren Kasse KamenSky Tausende und Adertausende bezogen hatte, um daraus feine Agenten zu be- lohnen und den dann nachher von ihm„entdeckten" und denun- zirten Polen die zur Beschaffung der FälschungS-Apparate nöthigen Mittel zu liefern— diese russische Regierung veranlaßte nicht etwa ihren Herrn KamenSky, sich in Hverdon zu stellen, und sich dort zu rechtfertigen, sondern sie begnügte sich damit, ihn zu— versetzen. Er mußte nachher einmal in Solothurn anläßlich einer an- deren Untersuchung ein Verhör bestehen und ging freien FußeS wieder von dannen. Warum hat man ihn nicht abgefaßt, nicht nach dem Waadtlande in'S Zuchthaus abgeführt? Antwort: Er besaß einen Freipaß, wahrscheinlich ausgestellt entweder vom cid- genössischcn Justiz- und Polizeidepartement oder von der Solo- thurner Regierung. KamenSky wurde von seiner Regierung ersetzt durch den kaiser - lich russischen StaatSrath Peretz. Dieser gesellte sich zu dem Herrn Adolf SlempkowSki, dem aus Zürich ausgewiesenen, jetzt in Bern unter dem Schutze der dortigen russischen Gesandtschaft aus rufsi- schem Gelde herrlich und in Freuden lebenden infamen Verräther Netschajesf'S. Und diese beiden Herren, Peretz und StempkowSki, spielen nun in der jüngst in Zürich geführten Untersuchung, über wezche sich jenes Memorandum verbreitet, so ziemlich auf'S Haar die nämliche Rolle, wie seiner Zeit in Tjverdon die Herren Ka- menSky und Bourbon. Hiervon sagt daS Memorial kein Sterbenswörtchen. Der Vollständigkeit wegen haben wir's nachgeholt. DaS Publikum soll nicht nur wissen, daß eS unter den Polen einzelne Unwürdige giebt, welche, genußsüchtig und arbeitsscheu, ihr Asyl mißbrauchen, sondern eS soll auch Jedermann erfahren, wie russische Staats- räthe mit allerhöchster— Nachsicht diese Leute zu Verbrecher» machen, um sie nachher„entdecken" und denunziren zu können, auf daß die Polen nicht nur ohne Vaterlaad, sondern auch auf ewige Zeiten gebcandmarkt seien. Zu weiteren Aufschlüssen gerne bereit, beziehen wir unS für alles Gesagte jetzt schon auf das Zeuqniß des Herrn König, Pro- f-ssor der Rechte an der Universität Bern , Anwalt der russischen Regierung, der russischen Gesandtschaft, deS Herrn KamenSky und deS Herrn Peretz, und benutzen schließlich gerne diesen Anlaß, die- fem unfern College » zu der guten Sache zu gratnliren, die zu vcr- treten er die Ehre hat.(„Tagwacht".) Gewerksgeuossenschaftliches. Allgemeiner deutscher Schneiderverein. Lsipjifl' ö. Februar. Seit langer Zeit haben wir nichts von unS hören lassen und erachten es deshalb für zeitgemäß, die Spalten deö„BolkSstaat" wieder in Anspruch zu nehmen, um unfern Ber- einSgenossen von Nah und Firn über unsere Thätigkeit zu be- richten. Zunächst sei hier einer gut besuchten Versammlung er- wähnt, die wir am 29. Septbr. abhielten. Die Tagesordnung lautete:„Der Congreß der Arbeitgeber in Dresven und Nutzen und Zweck der Gewerkschaft." Herr Mottcler hatte daS Referat übernommeu. In einem fast zweistündigen ausgezeichneten Bor- trage führte Motteler unS sämmtliche auf dem Congreß derathenen Punkte vor und unterzog dieselben einer scharfen, jedoch sehr zu- tteffenven Kritik. Die Herren Arbeitgeber hätten wohl einige wunde Stellen der jetzigen Zustände berührt, jedoch fehlt eS entweder an dem guten Willen oder auch an Math, daS Uebel mit der Wurzel auszurotten. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgten die Anwesenden dem Borttage bis zum Schluß und verließen, über manchen Punkt aufgeklärt, die Versammlung. Auch hatten wtt wieder einige neue Mitglieder gewonnen. Am 13. Dezember hatten wir eine gesellige Zusammenkunst, verbunden mir Tanz, arrangirt. Auch hier war die Theilnahme eine gute. Obgleich daS Lokal überfüllt war, da eS nur klein, verlief der Abend in schönster Weise. WaS speziell die Mitglied- schaft betrifft, so war daS verflossene Jahr ein sehr gute«, indem die Zahl der Mitglieder bedeutend gestiegen ist, und die Vereins- abenve stet« gut belucht waren. Die Mft�fttver sind durchschnittlich Alle vom besten Geiste beseelt, und hoffen wir, unsere Zahl in diesem Jahre mindestens zu verdoppeln. Mir dem neuen Jahre haben wir auch eine Bibliothek gegründet. Die Buchhandlung deS„Volksstaat", sowie einige VsiuinSgenosssn haben unS hierbei thatkräftig unterstützt, auch wurde der lleberschuß deS Kränzchen« mit dazu verwendet. Wenngleich die Bibliothek augenblicklich noch klein, so ist doch der Werth einer Bibliothek wohl zu schätzen, und l
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7 (10.2.1875) 16
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