Aeitage zu Mr. 77 desMoNsßaat" Antwort an de« Bekenner des TheismnS. Bon A. Douai. Der Bekenner des TheiSmuS   im Sprechsaal derConcordia", welcher meine Herausforderung angenommen hat, bringt seine erste Entgegnung in den Nummern 1319 dieses Jahrgangs. Wollte ich dieser Entgegnung Satz für Satz folge», wie eS eine genaue Widerlegung verlangt, so würde dies bei der Länge derselben ein Büchlein erfordern, so daß weder derBolttstaat" den Raum dazu gewähren könnte, noch seine Leser die von Nummer zu Nummer gespannte Aufmerksamkeit und Erinnerung an das Vorhergegangene aufbieten könnten, um zu verstehen, worum eS sich überall handelt. Ich muß mich streng auf daS Nothwendigste der Berhaudlung beschränken, damit sie für Diejenigen vollkommen klar werde, welche gelehrten Tiefieleien in größerer Ausdehnung nicht folgen können und doch da» größte Interesse an dem Ver- ständniß unserer wichtigen der allerwichtigsten Streitfrage haben, die eS überhaupt geben kann. Ich hatte in meinemABC des Wissen«":c. behauptet, daß, wenn es einen Gott gebe, dieser dafür gesorgt habe, daß wir von ihm nichts wissen können, also nicht wolle, daß wir uns um ihn im mindeste» kümmern sollen, sondern vielmehr leben sollten, al» wenn eS keinen gebe. Dies ist, waS der Gegner bestreitet. Machen wir uns zuvörderst klar, was mein Satz bedeutet. Ich hatte 1. keineswegs behauptet, es gebe keinen Gott. Im Gegen- theil hatte ich am Schluß meiner letzten Einsendung(Nr. 149 desVolks- staat" v. vor. I.) ausdrücklich erklärt, daß an dem Vorhandensein eine« Absoluten oder Unbedingten, oder Unendlichen, welche« allem End- lichen zugrundeliege, vernünftigerweise ein Zweifel nicht obwalten könne. Ich hatte dagegen 2. erklärt, daß das, wa« gewöhnlich Gott genannt werde, also ein mehr oder weniger menschenähnlich gedachtes Wesen, welches Schöpser des All», Weltenlenker, ein liebender Vater aller Wesen sei, welches unsere Gebete erhöre, sich uns offenbare, seinen Willea uns zum Gesetz mache, und in dessen Namen man uns schwere Bürden auferlege, allerdings im Wider- spruch mit allen unseren festgestellten Erkenntnissen sei. Ich hatte 3. auseinandergesetzt, daß Alle», was man aus dem Vorhanden- ein eines Absoluten folgern wolle, unS in unauflösliche Wider- prüche verwickele, weil unser Erkenntnißvermögen so eingerichtet -i, daß wir nicht« UeberstnnlicheS erkennen können. 4. Darau« hatte ich gefolgert, daß der angebliche Einrichter unseres Erkennt- nißvermögens nicht gewollt haben könne, daß wir un« um ihn kümmern sollten. Denn bei seiner vorausgesetzten Allmacht hätte er sich uns offenbaren können; bei seiner vorausgesetzten Weisheit und Baterliebe hätte er unserer Sehnsucht nach ihm eine Offen- barung gewähren müssen. Solch eine allen Menschen zugängliche Offenbarung gebe e« aber schlechterdings nicht. Mein Gegner bestreitet die Sätze 1 und 3, soviel ich sehen kann, gar nicht, wohl aber die Sätze 2 und 4, und versucht den Gegenbeweis. Im Wesentlichen ist eS nur ein Argument, dessen er sich hierzu bedient, und welches er von Kant entlehnt,«eil ich selbst mich(allerdings bloS nebenher) auf diesenbesonnensten aller Philosophen" berufen hatte. Ich kann nicht umhin, die ganze Stelle au« Kaut'SKritik der reinen Vernunft  ", welche der Gegner anführt, ebenfalls hier- her zu setzen und meine Widerlegung au dieselbe zn knüpfen, nicht nur weil sie den Hauptgedankenganz de« Gegner« enthält, sonder» weil dieser durchblicken läßt, ich hätte nicht ehrlich gehandelt, wenn ich meinen Lesern den Glauben beibringe, Kant   sei ei» Atheist in «einem Sinne gewesen. Da ich von Kant nur nebenbei sprach, und da größte Kürze bei meiner AuSeinandersetzuug geböte» war, so hatte ich allerdings nicht für nöthig gehalten, merue Leser wissen zu lassen, daß dieser kritische Veruichter aller Beweise für Gottes Dasein de» GotteSbegriff zur Hiuterthür wieder hereingelassen hat, wie e« vor hundert Jahre» ganz natürlich war. Ich bitte die Leser, ja recht aufmerksam und wiederholt zu lesen, wa« Kant sagt: Wenn die menschliche Natur zum höchsten Gute zu streben bestimmt ist, so muß auch da» Maß ihrer Erkenntnißvermögen, vornehmlich ihr Verhältniß unter einander, al« zu diesem Zwecke schicklich angenommen werden. Nun beweiset aber die Kritik der reinen spekulativen Vernunft die größte Unzulänglichkeit derselben, um die wichtigsten Aufgaben, die ihr vorgelegt werden, dem Zwecke angemessen auszulösen, ob sie zwar die natürlichen und nicht zu übersehenden Winke eben derselben Vernunft, ingleichen die großen Schritte, die sie thun kann, nicht verkennt, um sich diesem großen Ziele, das ihr auSgesteckt ist, zu nähern, aber doch ohne e» je- malS   für sich selbst sogar mit Beihülfe der größten Naturkenntniß zu erreichen. Also scheint die Natur hier unS nur stiefmütter- lich mit einem zu unserem Zwecke benöthigten Vermögen versorgt zu haben. Gesetzt nun, sie wäre hierin unserem Wunsche willfährig ge- wesen, und hätte unS diese Einsichtsfähigkeit oder Erleuchtung er- th-ilt, die wir gerne besitzen möchten, oder in deren Besitz einige wohl gar wähnen sich wirklich zu bestnden, was würde allem An- sehen nach wohl die Folge davon sein? Wofern nicht zugleich unsere ganze Natur umgeändert wäre, so würden die Neigungen, die doch allemal daS erste Wort haben, zuerst ihre Bcfriediguug und, mit vernünftiger Ueberlegung verbunden, ihre größtmögliche und dauernde Beftiedigung unter dem Namen der Glückselig- keit verlangen; da« moralische Gesetz würde nachher sprechen, um jene in ihren geziemenden Schranken zu halten und sogar sie alle inSgesammt einem höhereu, auf keine Neigung Rücksicht nehmenden Zwecke zu unterwerfen. Aber statt deS Streit«, den jetzt die mora- tische Gesinnung mit den Neigungen zu führen hat, in welchem nach einigen Niederlagen doch allmälig moralische Stärke der Seele zu erwerben ist, würde« Gott   und Ewigkjeit mit ihrer furcht- baren Majestät uu« unablässig vor Augen liegen(denn wa« wir vollkommen beweisen können, gilt in Ansehung der Gewißheit uns soviel, al« wovon wir un« durch den Augenschein verstchem). Die Uebertretung de« Gesetze» würde fteilich vermieden, da« Gebotene gethan werden; weil aber die Gesinnung, aus welcher Hand­lungen geschehen solle», durch kein Gebot mit eingeflößt werden kann, der Stachel der Thätigkeit hier aber sogleich bei der Hand und äußerlich ist, die Vernunft also sich nicht allererst empor- arbeiten darf, um Kraft zum Widerstande gegen Neigungen durch lebendige Darstellung der Würde de» Gesetze» zu sammeln» so würden die mehrstcn gesetzmäßigen Handlungen au« Furcht, nur wenige au« Hoffnung, und gar keine au« Pflicht geschehen, ein moralischer Werth der Handlungen aber, worauf doch allein der Werth der Person, und selbst der der Welt in den Augen der höchsten Weisheit ankommt, würde gar nicht existireu. Da« ver­halte» der Menschen, so lange ihre Natur, wie sie jetzt ist, bliebe, würde also in einen bloßen Mechanismus verwandelt werden, wo wie im Marionettenspiel alles gut gestikuliren, aber in den Figuren doch kein Leben anzutreffen sein würde. Nun, da eS mit un« ganz ander» beschaffen ist, da wir mit aller Anstrengung unserer Vernunft»ur eine sehr dunkle und zweideutige Aussicht in die Zukunft haben, der Weltregierer un« sein Dasein und seine Herrlichkeit nur muthmaßen, nicht erblicken, oder klar beweisen läßt, dagegen daS moralische Gesetz in un», ohne un» etwa» mit Sicherheit zu verheißen oder zu drohen, von un» uneigennützige Achtung fordert, übrigen« aber, wenn diese Achtung thätig und herrschend geworden, allererst alsdann und nur dadurch Aussichten in's Reich deS Uebersinnlichen, aber auch nur mit schwachen Blicken erlaubt: so kann«ahrhaft sittliche, dem Gesetze unmittelbar geweihte Gesinnung stattfinden, und daS vernünftige Geschöpf deS AntheilS am höchsten Gute würdig werden, daS dem moralischen Werthe seiner Person, und nicht bloS seinen Hand- luvgen angemessen ist. Also möchte eS auch hier wohl damit feine Richtigkeit haben, was uns daS Studium der Natur und des Menschen sonst hinreichend lehrt, daß die unerforschliche Weisheit, durch die wir existiren, nicht minder verehrungswürdig ist in dem, was sie un« versagte, al» in dem, waS sie un« zu Theil werden ließ." Soweit Kant. Man sieht, daß dieser durch seine sittliche Be- geisterung und kritische Schärfe bedeutendste und wirkungsreichste aller Philosophen nicht auf Seiten meine» Gegner» steht, sondern auf der meinigen. Denn der verblaßte Schatten eines Gottes, den er noch auftecht erhält, hat mit dem gewöhnlichen Gottes- begriffe so wenig gemein, daß wir ihn ohne Heuchelei ebenfalls bekennen könnten. Dieser Gott der Philosophen ist ebensogut al» der meiuige der Todfeind aller Offenbarung. Er mag, er darf sich und seinen Willen den Menschen nicht offenbaren, um ihre sittliche Freiheit nicht zu zerstören, um sie nicht zuMarionetten", ihre Handlungsweise nicht zu einemMechanismus" zu machen und alles moralischen Werthe»(der bei Kant   mitWerth der Welt" gleichbedeutet) zu berauben. Wenn der Kant'sche Gott nicht einmal eine natürliche Offenbarung gestatten kann, die durch mensch- liche Vernunft entstünde, ohne unsere Freiheit, also unfern ganzen moralsschen Werth zu zerstören: wie viel weniger kann er eme übernatürliche durch einen Gottessohn und sei» geschriebene» Evan- gelium gestatten, welche durch Priester ausgelegt, und deren Wohl- that durch Glauben von vornherein erkaust werden muß! Wie kann ein gläubiger Christ, welcher ja doch mein Gegner sein will, diese Kant  'sche Stelle für sich in'» Feld führen wollen I AuS Stellen wie diese ergiebt sich, daß Kant, wenn er später in seiner Kritik der praktischen Vernunft  ",(um die Anklage de» Atheismus von sich abzuwehren, die seinem folgerechtesten Schüler Fichte so nachtheilig wurde) den GotteSbegriff für nothwendig erklärt, um einen Stifter einer sittlichen Weltordnung und eine Stütze für unsere Sittlichkeit zu habe», daß Kant nicht über den Gesicht«- krei« seiner Zeitgenossen hinaus konnte. Denn Kant irrt in Obigem, wenn er im Interesse der mensch- lichen Willensfreiheit e« weise eingerichtet findet, daß Gott un« seines Daseins und Willen« nicht gewiß gemacht habe. Denn darau« würde mit unerbittticher Nothwendigkeit folgen, daß er auch da« Entstehe» jeder angeblich geoffenbarteu Religion hätte verhüten müssen. Diese legt ja der Freiheit einen veroichteodeu Zwang auf. Der Offenbarungsgläubige glaubt viel eher dem, wa» ihm die Priester lehren, al« dem Zeugniß seiner Sinne und Erfahrung; er glaubt gar Manche«,eben weil e« unsinnig, ja unmöglich" ist. Und au» diesem Zwange kommt er niemals her- au«; denn so lauge er dem geoffenbarten Willen Gotte« entgegen handelt, lähmt der Alpdruck der Furcht vor der für unauSblelblich gehaltenen ewigen Strafe das Entsteh» der Liebe zum Guten au« eigener Werthschätzung. Sobald er aber einmaldie Vernunft ganz gefangen genommen hat unter dem Gehorsam Christi  ", und im vermeintlichen Besitzeder Freiheit der Kinder Gotte» ist", handelt nicht mehr er selbst, sondern Gott durch den heiligen Geist in ihm. Deshalb kommt ja der wahrhaft Gläubige nie zu dem Bewußtsein eigenen Verdienste», wenn er gut handelt, und eigener Schuld, wenn er böse handelt. In jenem Falle hat Gott  , in diesem der Teufel durch ihn gehandelt, der ohnehin durch die Erbsünde von der Geburt auf von ihm Besitz genommen hat. In jenem Falle ist sein Freisein von Sünde Werk der göttlichen Gnade, welche auch sein Erkenntnißvermögen soweit verbessert, daß er sich«un für wirklich frei hält; in diesem Falle ist sein Ge- bundensein an die Sünde Werk de» vorausbestimmten Fluches von Adam her. Sein Hinundherschwankcn zwischen Gott   und Teufel hat bloS den Zweck, in ihm die Todesangst vor ewiger Verdamm- niß und die Sehnsucht nach ewiger Seligkeit zu erwecken. Kant   hätte von Gott   und seinem Willen überhaupt gar nicht reden, geschweige denn dessen Weisheit vertheidigen dürfen. Zur Strafe dafür, daß er'« dennoch thut, verwickelt er sich in den un- auslöslichen Widerspruch, die Möglichkeit einer Offenbarung aner- kennen zu müssen, welche da« Wesen der Freiheit aufhebt, obschon sie ihm soviel werth ist. Er vergißt, daß e« für unser endliche« Erkenntnißvermögen eine unverzeihliche(wenn auch noch so wohl- gemeinte) Anmaßung ist, Gotte«, de» schlechthin Unerkennbaren, Willen und Weisheit rechtfertigen zu wollen, gleich als hätte er in seinem Rathe gesessen, eine Anmaßung, welche sich noch immer durch Verfallen in unlösliche Widersprüche gerächt hat. Und hier müssen wir zum dritten Male unserem Gegner bc- merklich machen, daß da»ABC" nirgend» von einer bloßenUn- gewißheit des Dasein» Gotte«" gesprochen hat, sondern überall nur von einer unbedingten Unmöglichkeit, da« Mindeste von Gott   zu erkennen. Wir haben sogar ausdrücklich abge- lehnt, mit ihm über dieUngewißheit de« Dasei«« Gotte«" zu verhandeln, welche» ein ganzer schiefer Ausdruck unsere» Stand- punkte» wäre. Trotzdem giebt der Gegner vor, der streitige Satz sei in unsere eigenen Worte gefaßt, und seine ganze Wider« legung richtet sich nur gegen etwa», wa« wir gar rncht behauptet haben, eben dieUngewißheit de« Dasein« Gotte«." Wenn wir diese behaupteten, so geständen wir ja von vornherein theilweise zu, wa« der Gegner haben will. Denn eS kann etwa« ungewiß, und doch wirklich sein; wer aber die Unmöglichkeit der Erkennt- niß von irgend etwa« behauptet(und ich habe dieselbe bezüglich Gotte» sogar bewiesen), der läßt dieses Elwa» weder ungewiß, noch gewiß sei», sondern gesteht Niemandem ein Recht zu, davon etwaS al« begründet auSzusaaen. Wir haben diese Unmöglichkeit auf mehrfache Art(imABC") bewiesen, nämlich auS dem Entstehen aller unserer Begriffe, au« der Unmöglichkeit, da« Dasein eine« Etwa» ander« al» durch SinneSersahrung zu beweise», au« der Werthlostgkeit aller abstrakten Begriffe, soweit ihnen keine Ersah- rung zu Grunde liegt, und au« einer Menge von Widersprüchen, in welche unS der Versuch stürzt, au» abstrakten Begriffen etwa» zu folgern. Hat der Gegner sich an einen einzigen dieser Beweis- gründe gewagt? Nein. Sind wir also nicht der Nothwendig- reit enthoben, aus seine Entgegnung einzugchen? Gewiß. Wenn wir eS thun, ist es nur unserer Leser halber. Der Verfasser de« ABC" ist seine» Wissen« der Erste, der den wissenschaftlichen Nachweis geliefert hat, und zwar in allgemein verständlicher Sprache, daß alle Versuche, da« Uebersinnliche zu erkennen, al« schädlich zu verurtheileo sind. Um e« durch ein Bild noch verständlicher zu machen: wenn eS erfahrungsgemäß feststeht, daß noch Niemand denSchleier de« Bilde« zu SaiS" ungestraft zu lüften versucht hat, weil Wahnsinn als Strafe darauf folgt, so ist eS Thorheit, den Schleier lüften zu wollen, und Taschenspielerci, zu behaupten, man habe etwa« dahinter entdeckt, was blo» diejenigen wüßten und fühlten, die eS ebenso gemacht. Ich wähle den Ausdruck Taschenspielerei, weil der andereCharlatanerie" einen Gegner beleidigen könnte, dem vielleicht noch zu helfen ist. DaS Bild vom Lüsten deS Schleier« hat folgende Bewandniß. Die Gläubigen behaupten(nach Evangelium Johanne« 7, 17), daß dem wahrhaft Gläubigen eine unmittelbare Gottesoffenbarung beschieden sei, welche sie denBeweis de» Geiste« und der Kraft" nennen. Zufolge dieser vermöchten sie zu erkennen, daß Gott die Liebe sei, und verspürten eine sittliche Kraft in sich, welche andere Menschenkinder, nicht hätten, unv ein feste» Vertrauen darauf, daß ihnen Alle» noch hell werden würde, wa» hienieden dunkel bleiben müsse, eine Gewißheit ihrer Unsterblichkeit und de« Vorhandensein« einer moralischen Weltordnung, welche schließlich, und schon hie- nieden, gerecht da« Gute belohnt und da« Böse bestraft. Hierauf ist zu erwidern, daß man die» nicht beweisen kann, so wünschenSwerth e» wäre. Wir brauchen es nicht zu widerlegen, weil bekanntlich Derjenige de» Beweis zu führen hat, der etwa» behauptet, während der Gegner, der e» bezweifelt, keinen Gegen- beweis zu führen braucht. Die Erfahrung macht un« allerding« etwa« mißtrauisch gegen die Behauptung; denn die ausgesprochenen Gläubigen von heutzutage führen den Beweis de«Geiste» und der Kraft" keineswegs in ihrem Leben so, daß sie viele Nachahmer erwecken könnten, und die stillen Gläubige» werden nicht bekannt. Wir loben un« dagegen beweisbare Wahrheiten, Gründe der Ver- nunft. Damit und davon kann man jeden Menschen überzeugen, wenn man sich nur die Mühe nimmt; da« stiftet Frieden auf Erden, während der Glauben entzweit; da« thut auch Niemandes Freiheit Eintrag, während noch alle Tyrannei auf Erden im Namen de« Glauben» geübt, oder doch durch den Glauben unter- stützt worden ist; da« macht jede Heuchelei unmöglich, welche man unglücklicherweise vom Glauben so schwer unterscheiden kann. Wa» aber die moralische Weltordnung betrifft, so gebührt da« Verdienst der Entdeckung derselben nicht dem Christenthume, sondern moder- neu Forschungen worüber später I Der Gegner erkennt übri- gen» an, daßder Bewei« de« Geiste» und der Kraft hinfällig wäre, wenn vom rein intellektuellen Standpunkte au« ein zu- reichender Gegenbeweis gegen diese Wahrheit zu führen wäre." Aber diese Behauptung»st einfach nicht wahr.Oder man mache uns einen, nur einen einzigenwissenschaftlichen" Beweis- grund namhaft, der den christlichen Glaube» wirklich in'« Herz trifft." Hier sind mehrere solchewissenschaftliche" Beweisgründe. Ersten« kann der Gegner un» nicht genau sagen, worin nun eigentlich der christliche Glaube besteht, und wenn er e» sage» wollte(denn er gesteht selbst, daß dieser Glaube sichvielfach mit unächten Zuthaten versetzt findet"), so würde jeder andere christlich Gläubige mehr oder weniger Andere» sagen, so daß e« einen uu- bestreitbar christlichen Glauben gar nicht zu geben scheint. Zweiten« gesteht der Gegner zu, daß die innere Gewißheit de« wahren Christen über die Jnwohnung Gotte« in ihm und über die christ- liche Wahrheit vonallerding« sehr häufigen psychologischen Täu- schungen" zu unterscheiden sei wa« wieder jeden Versuch einer Widerlegung unmöglich macht; denn gegen Windmühlenflügel kämpfen zu müssen, wenn man zufällig eine psychologische Täu- schung unter die Klinge zu bekommen sürchten muß, kann nicht verlangt werden. Dritten» soll man nach de« Gegner« Zeugniß die christliche Wahrheitan ihren Früchten erkennen können." Wenn'« darauf ankommt, so thut e« un» leid um da« Chrifienthum. Denn ab- gesehen von seiner grausenhaften Vergangenheit, wird Jeder, der ungefähr gleichviel Lebenserfahrung unter Christen, Juden, Muha- medanern, Heiden und Ungläubigen gesammelt hat, wie z. B. Verfasser diese», die spezifischen Anhänger dieser fünf Richtungen nach ihren sittlichen Früchten so wie oben geordnet beurtheilen, nur daß die Christen unten, und die Ungläubigen oben an kommen. Zur Entschädigung dafür mögen die wahrhaften Christen geheime Tugenden haben, welche der blöden Bergleichung entgehen aber man kann e< ihnen eben nicht beweisen. Vierten« aber und hier kommt der HauptbeweiS macht die Thatsache, daß der Mensch ein freie« oder meinethalben willkürliche« Wesen ist, jede Möglichkeit einer Offenbarung un- denkbar. Denn jede über seine Erkenntuiß hinauSreichende, d. h. ihm übernatürliche, also auch aus übernatürlichem Wege zukom- wende Erkenntniß würde seine Freiheit de« Erkennen« und Han- deln« aufheben. DaS ist e« ja eben, was Kant   in der oben an- geführten Stelle beweist, und wozu wir noch hinzufügen können, daß selbst eine natürliche Offenbarung die Freiheit vernichten würde, längst vernichtet haben müßte. Sobald e« sich um Er- keuntniß de« Unendlichen   handelt, so ist nicht mehr die Rede von Stückwerk, sondern vom All. Vom Unendlichen   nennen wir'« immerhin Gott  ! kann man nicht ein Wenige«, sondern nur entweder Alle» oder Nicht« wissen. Im ersteren Falle ist kein un« bekannte« Wesen, im letzteren sind wir Alle, die Christen also auch. In ersterem Falle hört mit dem AlleS-Erkennen auch die moralische Schwäche auf; denn die Erfahrung lehrt, daß e« gar kein mächtigere« Mittel giebt, die Sinnlichkeit zu bändigen, die Selbstsucht'zu bezähmen und den höchsten Enthusiasmus für da« Gute zu entzünden, al« wachsende, klare Erkenntniß. Zur Ehre der menschlichen Natur sei e» mir vergönnt mitzutheilen, daß ich in einer vierzigjährigen Thätigkeit al« Lehrer, besonder« unter verdorbenen Kindern, noch nie eine« gefunden habe, welche« nicht moralisch besser wurde mit dem Augenblicke, daß ihm die Pforten der Erkenntniß geöffnet wurden. Da« pädagogische Zaubermittel der Erziehung Verwahrloster wie Unverdorbener be- steht in der sittlich reinen Frende de« Erkennen« von selbstgedachten Wahrheiten. Theologe» sind eben deswegen ganz zu Erziehern