Erscheint in Leipzig Mittwoch, Freitag, Sonnrag. Bestellungen nehmen an alle Postanstallen u. Buchhand- lungen des In- u.Auslandes. Filial- Expeditilnun für die Bereinigten Staaten: F. A. Sorge, Hoi 101 Hoboken, N. J. Peter Haß, 8, W. Com et Third and coates str. Philadelphia. Abonnementspreis für ganz Deutschland IM. SO Pf. pro Quartal. Monats- Abonnements werden bei allen deutschen Postanstalten auf den Sien u. 3ten Monat und auf den Zten Monat besonders an- genommen; im Kgr. Sachse» u. Hrzgth. Sachs.-Altenburg auch auf den Iten Monat des Quartals i 54 Pf. Organ der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands . Inserate, die Abhaltung von Partei«, Vereins« und Volksversammlungen, sowie die Filial- Expeditionen und sonstige Partei-Angelegenheiten betreffend, werden mit 10 Pf.,— Privat- und VergnügungS- Anzeigen mtt 25 Pf. die dreigespaltene Pettt-Zeile berechnet. Nr. 94. Mittwoch, 18. August. 1875. Nationalökonomie. Die unter obigem Titel im.Volksstaat" erschienene Arbeit hatte in zwei Leitartikeln der.Deutschen Allgemeinen Zeitung eifrige Anfechtung gefunden, daß sich der Verfasser, Parteigenosse Schramm io Berlin , veranlaßt sah, die Redaktion des gegnerischen Blatte» um Aufnahme seiner Eutgegnuug anzugehen. Da Herr Prof. Biedermann diesem Ansinnen gerecht geworden ist, so er iibrigt für unS nur, im Interesse unfrer Leser diesem jourualistv schen Vorpostengefecht zwischen je einem Vertreter deS Liberalismus und des Sozialismus auch Raum im„Volksstaat" zu gewähren Wir geben darum zunächst die Artikel der�Deutscheu Allgemeinen unverkürzt wieder: Der Kapitalist und der Arbeiter. — Leipzig , 15. Juli. Der„Volksstaat" hat wieder ein paar seiner langstieligen Artikel(offen gestanden, wir bewundern die Geduld der Arbeiter, wenn sie diese Artikel wirklich lesen, waS unS freilich zweifelhaft scheint)*) dazu verwendet, alle die Ungerech tigkeiteu und Ungleichheiten aufzuzählen, welche da« dermalige Ver haltniß de« kapitallofen Arbeiter« zu de« auf fem Kapital sich stützenden Arbeitgeber in sich schließen soll. ES lohnt wphl, diesen Auslassungen etwas näher zu treten. Sie enthalten einzelne rich- tige Thatfachen, die niemand leugnen wird, allein sie ziehen daraus zum Theil sehr unrichtige Folgerungen; die Hauptsache aber ist man weiß nicht, wo hinaus zuletzt alles will, denn positive Vor schlüge, wie es anders und besser werden könnte, fehlen. AuS der bandwurmartigen Auseinandersetzung über die Natur des„Kapital»" ist so viel al» wohl von keiner Seite widersprochen herauszunehmen: daß, wer iu irgendwelcher Form„Kapital" besitzt (sei dies Grund und Boden, oder Geld, oder Werkzeuge, oder Arbeitsstoffe, oder Lebensmittel), besser daran ist, als wer uur seine Arbeitskraft zu Markte bringt. Aber, wenn dem so ist, muß denn darin sogleich allemal eine „Ungerechtigkeit", ein„sozialer MiSstand" liegen? Denken wir uns zwei Arbeiter, deren jeder 20 M. in der Woche, also im Jahre etwa 1000 M. verdient. Der eine davon, vielleicht weit er zu früh geheirathet hat oder weil er viel für sich verbrauch� fristet damit gerade nur knapp sein oder höchsten« noch seiner Familie Leben. Der andere, der mäßiger lebt, sich auch daS Heb ratheu bis dahin, wo er mehr vor sich gebracht haben wird, vet' sagt, legt von den 1000 M. 400 im Jahre zurück. DaS macht iu sechs Jahren 2400 M., und wenn mau die Zinsen nur zu 3'/, Proz.(dem gewöhnlichen Sparkassensatz) hinzurechnet, etwa 2700 M. oder 900 Thlr. Ist nun etwas Unrechtes dabei, wenn dieser Arbeiter für seine Entsagung am Ende der sechs Jahre in >er glücklichen Lage ist, als„Kapitalist" entweder sich ein Stück Grund und Boden kaufen oder irgend ein kleines Geschäft am fangen zu können, dessen Ertrag ihm zufällt? Oder wäre eS ge rechter, wenn der Sparsame und Enthallsame sich um uicht« besser gestellt fände al« sein Kamerad, der alles, was er verdiente, auch rund aufgehen ließ? Nun muß ja zugegeben«erde», daß uicht alles„Kapital" au diese Weise durch mühsamen Erwerb und entsagungsvolle Spar samkeit entsteht, daß vielmehr ein solche« seinem Besitzer oft mühelo« (durch Erbschaft, durch Glücksfälle rc.) zufällt. Aber darf man deshalb da«„Kapital", d. h. die Aufsammlung von Arbeit«-� i�ugnissen, im allgemeiuen als etwa« Ungerechtes oder llnuattlr licheS verdammen? Wenn eS möglich wäre, alle« in den verschiedenen civilisirten Staaten vorhandene„Kapital" dergestalt zu klasstfiziren, daß mau statistisch feststellte, wie viel davon durch redlichen Erwerb, Fleiß, Sparsamkeit wirklich allmählich angesammelt und vervient, wieviel dagegen seinen Besitzern ohne alle und jede eigene Thätigkeit zu- gefallen sei— wir sind überzeugt, die Summe des ersteru würde die de« letztern bedeutend übersteigen. ' Das Kapital in Bausch und Bogen verdammen, heißt nicht« anderes, als den Einzelnen nicht bloS autorifireu, sondern e« ihm gewissermaßen zur Pflicht machen, alles, wa» er erarbeitet, sofort wieder zu verthun, mit auderu Worten, den Menschen zum Vieh herabwürdige», nein, unter da« Vieh, denn selbst manche Thier gatlvogen(wie ganz richtig Roscher bewerkt), Hamster, Biene»:c., sammeln Borräthe für die Zeit der Roth, bilden also iu gewissem Sinne Kapital. Abgesehen aber von dieser den Menschen auf» tiefste herab würdigende» Seite einer solchen verkehrten Anschauung, ertödtet dieselbe auch den Nerv alles wirthschaftlichen Leben«, die Pro duktiov, und versetzt de» Arbeiter selbst in den größten Nachtheil, wie da« schon oft genug dargelegt worden ist. Gäbe e« keine Werkzeuge, keine Maschiueo, keine Fabrikgebäude, endlich kein Geld Zur Anschaffung von Naturstoffen zur Verarbeitung, sowie zu Vor- schüffen au den Arbeiter für dessen Lebensunterhalt während der Arbeit, so gäbe e« auch sür den Arbeiter keiue Möglichkeit, Arbeit und Arbeitsverdienst und damit seinen Lebensunterhalt zu finden. Das ist so klar wie die Sonnel Die Sozialisten sind auch in Wahrheit gar nicht eigentlich gegen da« Kapital eingenommen, souderu nur gegen die Kapitalisten. Da« Kapital wäre ihnen schon recht, wenn nur sie, nicht andere, iS besäßen! *) Hört Ihr'«, Ihr Arbeiter? Der Mitarbeiter der„Deutsche » All- gemeinen Zelwug" wundert sich, daß die Sozialdemokraten,»»ähnlich ihren„Vorbilder»" von der liberalen Bourgeoisie, auch Gesawack an ernsten(b. h. eben„langstieligen")«bhandlungen wissenschaftliche» In- halt» finden. Wir bebaute» uns im Ramm der Arbeiter sür da» die,- mal ganz ausrichtige Kompliment! Aed. d. B. Diesen Wunsch begreifen wir sehr wohl; ja wir könnten un« darin mit den Sozialisten begegnen. Wer wäre uicht gern Kapl talist? Wir wollen hier doch beiläufig bemerken, daß nicht bloS die sogenannten„Arbeiter" in der Lage sind, ohne„Kapital" au- zufangen, sondern auch viele andere Leute; oder, ander» auSge drückt, daß der Begriff„Arbeiter"(im Gegensatze zum„Kapi talisten") auch auf viele audere außer den bloßen Hand- oder Fabrikarbeitern paßt. Der Schriftsteller, der mit seiner Feder seinen täzlicheu Unterhalt verdient, der Künstler, der vom Ertrage seiner Kunst lebt— sie stehe» ebenfall« als„Arbeiter« dem„Ka- pitalisten" gegenüber, der ihre Arbeit bezahlt und dem sie dagegen ihr Arbeitsprodukt abtreten. Ein französischer Nationalökonom rief als Antwort auf die Klagen der Sozialisten über Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital den Arbeitern aller Kategorien zu:„Werdet selbst Kapi- talisten!" Und wirklich ist da« der beste Rath(!!). Jeder suche nach seinen Kräften„Kapitalist" zu werden, d. h. etwas zu sammeln, wa» ihm al« Rückhalt und FörderungSmittel bei der Verwerthung seiner„Arbeit" dienen kann— sei die« wenigstens so viel, um davon nöthigenfallS eine Zeit lang leben zu können, wenn eS schlecht geht, damit er nicht gezwungen sei, für jeden Preis seine Arbeit hinzugeben, sei c« etwa« mehr, so daß er sich selbst eta- bliren kann, oder sei eS auch ein gleichsam in Geist' verwandelte« Kapital, d. h. die Erwerbung von Kenntnissen, Fähigkeiten, Ge schicklichkeiten, durch welche die Arbeit selbst werthvoller, also auch gesuchter, fruchtbarer, also auch für den Arbeiter lohnender wird! Wenn die sozialistischen Agitatoren behaupten, eS sei da« zar nicht möglich und eS klinge wie Hohn, daß man dem Arbeiter, der kaum die Rothdurft des Leben« verdiene, zumuthe, davon auch noch etwa« zurückzulegen, so widerspricht dem die Erfahrung, denn eS gibt Arbeiter, die von ihrem Lohne sich etwa» sparen; mochte aber auch eine solche Behauptung damals» als sie zuerst von Laffalle gegen Schulze gerichtet ward, 1862, noch etwa« für sich haben, so stellt sich die Sache wesentlich anders, seitdem die Löhne gegen jene Zeit fast in allen ArbeitSzwcigen so ganz außerordentlich gestiegen sind. Konnte, ja mußte der Arbeiter damals mit seinem Lohne auskommen, so müßte er von dem um 30, 50, ja zum Theil um noch mehr Prozente höhern Lohne, wie er jetzt viele Jahre lang war, etwa« wenigsten« jedenfalls erübrigen können. UebrigenS läuft bei allen diesen Angriffen der Sozialisten'gegen Kapital" und„Kapitalisten" vielfach ein Jrrthum mit unter, der die ganze Frage verwirrt. Nicht da« bloße Kapital, ja nicht einmal da« Kapital überhaupt al« solche» ist e«, was die Arbeit von sich abhängig macht, sondern die Intelligenz ist eS, der kaufmännische SpeculationSgeist, also auch eine SpecieS von Arbeit oder Thw tigkeit, nur anderer Art als die de« Arbeiter«. Es ist durchaus falsch(und die Arbeiter selbst wissen daS am besten), wenn man thut, al» ob der Fabrikant, während feine Arbeiter sich abmühen und schwitzen, den ganzen Tag müßig auf weichen Polstern sitze, um zuletzt mühelo« da« Fett, den Gewinnst ihrer Arbeit für sich abzuschöpfen. Ein Unternehmer, der so handelte, möchte, auch bei noch so viel Kapital» bald zu Grunde gehen, während ein fleißiger und speculativer Unternehmer, selbst wenn er mit ftemdem Kapital arbeitet, vorwärts kommen wird. Warum sind die meisten der Versuche zu Productivassoziatione« unter den Arbeitern gescheitert? Nicht sowohl au« Mangel an Kapital, als au« Mangel an den richtig leitendeu Kräften,— fei e«, daß diese da« Geschäft nicht geuog verstanden, oder daß sie uicht die Fähigkeit besaßen, ihre» Anordnungen Autorität zu ver schaffen. E« gehört nun zu den unlautern Mitteln der sozialisti schen Agitation, womit sie die Mißstimmung der Arbeiter gegen die Arbeitgeber rege zu erhalten sucht, zu behaupten, die geistige Arbeit de» Unternehmers(gewöhnlich extensiv wie intensiv eine sehr bedeutende) thue gar nicht« zur Heistellung des Arbeitsprodukt« »ud des davon zu ziehenden GewinnsteS, verdiene daher auch keinen Antheil an letzterm; der sogenannte Unteroehmergewinu sei eine Beraubung des Arbeiter«, welchem der'ganze, unverkürzte Ertrag de« ArbeitSproduct» gebühre. Die ältern französischen Sozialisten(die überhaupt viel mehr Verstand besaßen al» die meisten unserer heutigen Agitatoren, welche ihnen oft blo» gedankenlos dies und jenes nachbeten) dachte» auch in diesem Punkte richtiger. Fourier wollte den Ertrag de» Ar beit«productS iu 12 Theile zerlegt und davon 5 der„Arbeit" (d. h. der mechanischen Thätigkeit de« gewöhnlich sogenauuten Arbeiters), 4 der„Intelligenz"(d. h. der kaufmännischen Leitung), 3 dem Kapital zugesprochen wissen. Wie sich bei«useru heutigen BerkehrSverhältuisseu der Antheil de« Arbeiter» im Vergleicht z» dem de« Fabrikanten(dem sogenannten Unternehmergewinue) stellt, läßt sich schwer ermittel»; iu der Regel dürfte letzterer eher kleiner sein al« der von Fourier zugebilligte, und weit nicht vier Fünftel der Summe alle« Arbeit«loh»cS betragen; ebenso ist statistisch nach- «-wiesen, daß der Gewinn deS Kapitalisten an dem gemeinsamen IrbeilSproduct im Verhältnisse z« dem de» Arbeiter» immer mehr sinkt. Noch im vorigen Jahrhundert war der Zinsfuß, also der Gewinn von sicher angelegtem Kapital 6, 7, auch S und mehr Prozent, während jetzt da« DiSconto(welche» den Zinsfuß für da« iu soliden industriellen Unternehmungen werbend angelegte Kapital »»«drückt) selten aus 5 Proz., höchst selten darüber steigt, in der Regel 3—4 Proz. beträgt. Die höhere Verwerthung deS Kapital» in Actieu- und Börsenspeculatiouen kommt hier uicht in Betracht, weil sie mit einem bedeutenden Risico verknüpft ist. Dagegen ist der Lohn de« einfachen Arbeiter» von 5—6 Ngr.(so stand er im vorigen und noch in diesem Jahrhundert) in den letzten Jahren auf 20—25 Ngr.» ja 1 Thlr. und darüber gestiegen, also auf da« Vier- bis Fünffache. Und das ist ganz wesentlich mit die Folge der großen Anhäufung von Kapitalien gewesen, welche Verwendung suchten, also stärkere Nachfrage nach Arbeit veranlaßten. Gäbe c« kein Kapital, so würde die Arbeit viel weniger gesucht und folglich viel schlechter bezahlt sein. Wir haben schon oft gesagt und wiederholen e« hier nochmals: wir gönnen dem Arbeiter jede Erhöhung feiue« Lohne », welche nur irgend die allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse zulassen. Die Gesetzgebung— namentlich die de« Reiche»— hat durch die Ge- setze über Freizügigkeit, Coalition«freiheit:c. dafür gesorgt, daß der Arbeiter durch sich selbst viel zur Verbesserung seiner ökono- mischen Lage thun kann. Die Entwickelunz de» Verkehres, so lange sie ungehemmt vorangeht, thut daS übrige, inhem sie durch immer größere Ansammlung von Kapitalien immer mehr Antriebe wirth- schastlicher Production, folglich immer mehr Gelegenheiten zu loh- nender Arbeit erzeugt. Gegen Mißbräuche der Kapitalmacht soll der Arbeiter geschützt sein, aber fteilich ist uicht alle» Mißbrauch, wa« sozialistische Agitatoren dafür ausgeben. DaS werden wir alsbald an einem zweiten Artikel de«„Volkcstaat" sehen, worin den Arbeitgebern vorgeworfen wird, sie ließen sich von den Arbei- ter» ihre Arbeit„vorschießen", zögen davon unerlaubte Zinsen und bezahlten sie erst hinterher. Auf diesen Artikel kommen wir dem- nächst zurück. Zur Brutalitätsstatistik. Die„Germania " hat vor längerer Zeit Folgende« mitgetheift: „Berliner Blätter berichten über folgende entsetzliche Roh- heit vo« schulpflichtigen Buben:„An dem sogenannten Wentow- see bei Babelsdorf spielten dieser Tage mehrere Knaben und zwar der 12jährige Schlegel, der 3jährige Rohde, der 9jährige Rosen- berg und der 5 Jahre alte Knabe Hilgert; dabei kam es zu« Streit, bei welchem der kleine Hilgert von seinen Gespielen mit Koth beschmutzt und geschlagen wurde. Hilgert rannte nach Hause, seiner Mutter sein Leid zu klagen, ließ sich aber beruhigen und kehrte bald zu den Knaben zurück. Als er in Sicht war, meinte Rosenberg:„Da kümmt he an, nu will'n wi'n versöpen"(da kommt er an, nun wollen wir ihn ersäufen), worauf Rohde bei- pflichtete:„Na ja, det will'n wie moken"(na ja, da» wollen wir machen). Hilgert wurde nun von den Knaben ergriffen, nach de» See getragen und ins Wasser geschleppt, so daß der Körper de« Kinde« bis an die Schultern im Waffer stand. Die drei Jugend- lichen Verbrecher ergötzten sich nun, ungeachtet de« kläglichen Hilfe- rufen« ihre« Opfer« damit, den keinen Jllngen längere Zeil un- terzutauchen, bis endlich Rohde mit einem teuflischen„he jappt ja immer noch!"(er athmet ja immer noch) ihn so lange unter Wasser hielt, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Darauf nahmen die Rangen eine Schnur, banden da« eine Ende um den Körper des Kiode«, daS andere an einen mit einem Stein be- lasteten Kahn und fuhren nun, die Leiche de« Hilgert im Waffe? »achschleppend, nach einem etwa 50 Schritte entfernten Rohre, banden dort die Schnur an den Stein und senkten so die Leiche in den See. Darauf verabredeten fie sich, nichts von dem Vor« gefallenen zu erzählen. Zufällig hatte aber das 4jährige Schwester- chen de« Ersäuften dem Treiben unbemerkt zugesehen, fie erzählte den entsetzlichen Borfall der jammernden Mutter und dadurch kam die Sache an den Tag. Die gerichtliche Untersuchung ist ein» geleitet". Die„Germania " macht hierbei den Zusatz:„WaS nützt un« denn die Schule der neuen Aera, wenn sie den Bursche» noch nicht einmal das fünfte Gebot de» natürlichen und göttlichen Sittengesetzes zum Bewußtsei» bringen kann! Wir können dieser Ansicht der„Germania " nicht beipflichten und richten an fie die Frage, ob zu der Zeit, al« nicht allein ihre, sonder» die Pfaffenpartei überhaupt die ausschließliche Lei- tung der Volksschule hatte, und diese durch die Raumer-Stiehle'sche» Regulative, welche da« ureigenste Machwerk ihrer und einer wirk- lich tollen, brutalen ReaktionS-Partei nach den Revolutionsjahre» von 1848 und 1349 sind, ihr an Händen und Füßen gebunden überliefert wurde, die Zustände besser wareu, al« jetzt? und kö»- neu ihr nur die Antwort geben, daß unter den Augen und mit der Zustimmung der Priester mit voller Abficht und nach eine« wohldurchdachten Plane die Schule zu dem gemacht worden, wa» ie heute ist. Die Priester, die sich überhaupt auf den Geist de< Volke« besser verstehen als die Fürsten , Minister und General«, waren die ersten, welche erkannten, daß eine gute Schul« jeder Despotie die Wurzel abgrabe und fruchtbaren Boden der Demo- kratie bereite. Al« die Privilegirten aller Art zu dieser Erkennt- niß ebenfalls gelangten, da beeilten sie sich, die Schule in ihre» Dienst zu zwingen und sie vo» ihrem Willen ebenso abhängig z» machen, wie die Armen. Ihren Zwecken sollte sie jetzt aller» dienen, und damit sie für die Demokratie vollständig verloren sei, wurde ihr die bis dahin geltende Pestalozzi'fche UnterrichtS-Methode genommen und dafür die Regulativ- Pädagogik dekretirt, der wir ganz allein unsere jetzigen so grauenvollen und haarsträubenden Zustände zu verdanken haben, über die jetzt die„Germania " mit rommem Augenverdrehen jammert. Die katholische, sowohl al« die evangelische Klerisei haben wahrhaftig lange genug die Leitung der Volksschule in Händen gehabt und in ihr mit den Raumer- Stiehle'scheu, durch Bethmaun-Hollweg, Wühler nud jetzt Falk modisizirten aber uicht beseitigten Regulativen unumschränkt über 25 Jahre regiert und ist in diesem Vierteljahrhundert uur da« eine Wort in der Bolk«schulc wahr geworve»:„Die Wissenschaft muß umkehren", damit aber, da da« Volk verdummt und verroht ist, ein Zustand geschaffen, bei dem dasselbe uicht allein jedem„gött- lichen" und natürlichen Sittengesetz Hohn spricht, sondern sich
Ausgabe
7 (18.8.1875) 94
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