Der Schlag gegen die Gewerkschaften Nur politischer Kamp! schafft Koalitionsfreiheit. Hätte bedurft, es noch eines Beweises dafür daß der deutsche Faschismus, dem niedergehenden kapitalistischen System als Stütze zu dienen hat, so wäre er mit dem brutalen Schlag, den Adolf Hitler am 2. Mai 1933 gegen die deutschen Gewerkschaften geführt hat, erbracht worden. Unter der heuchlerischen Maske eines Retters für das in Jahrzehnten mühsam erworbene gewerkschaftliche Gut der Arbeiter und Angestellten hat er die gesamte Organisation brutal zerstört, die Vertrauensleute mißhandeln und in die Kerker werfen lassen, das Eigentum der freien Gewerkschaften geraubt. Mangels jedes eigenen gewerkschaftlichen Programms und Wollens und angesichts der Einbeziehung der Arbeitgeber„in die Arbeitsfront" mußte den von Festen und Feiern müde gewordenen Proletariern ein neues Schauspiel geboten werden. Darum hat man alle Führer der Gewerkschaften der Korruption verdächtigt, obwohl nicht e i n Fall der Bilanzverschleierung oder der Veruntreuung nachgewiesen werden konnte. Die Vermögen der Organisationen waren bis auf den letzten Pfennig vorhanden, sie werden aber jetzt für Tausende zur Futterkrippe gewanderte Nazis nutzlos und verschwenderisch vergeudet, Die Gehälter der hauptamtlichen Funktionäre werden veröffentlicht aber es wird sorgsam verschwiegen, daß die neuen „Führer der Arbeitsfront" das Vielfache an Aufwand machen ohne es in der früheren Weise genau zu verbuchen und ohne irgend welchen Stellen überhaupt noch Rechnung zu legen. Von dem zuerst bekannt gemachten„Korruptionsfall" mit der sog. Rheinlandspende ist es bereits wieder ganz still geworden, da nachweislich dieser Bildungsfonds der Gewerkschaften in voller Höhe bei der Arbeiterbank vorgefunden worden ist und seit Bestehen unter behördlicher Kontrolle gestanden hat. Die Arbeitcrbank, die noch für dieses Jahr im Gegensatz zu den Privatbanken ohne jede Reichshilfe lediglich aus eigener Kraft in der Lage war, Gewinn und Dividende auszuschütten, wird jetzt von Unwissenden besetzt, zerstört und lahm gelegt. Die Gewerkschaften sind ihrer Führung beraubt, ihre Ersetzung durch eine faschistische Ständeorganisation ist gleichbedeutend mit der Auslieferung der Arbeiter und Angestellten an ihre kapitalistischen Unterdrücker und Ausbeuter. „Der Klassenkampfgedanke wird hinweggefegt! Die Volksgemeinschaft ist erstanden!" So proklamiert das neue Organ des Zimmererverbandes vom 20. Mai den Arbeiterverrat, nachdem die Bundeszeitungen des ADGB . und AFA.-Bundes verboten worden und jedes Mindestmaß von Meinungsund Bewegungsfreiheit der Gewerkschaftsmitglieder beseitigt worden ist. Die faschistische Zentralzeitschrift„Das Ar- beitertum" nennt sich aber mit frecher Fälschermanier„Organ des ADGB . und AFA-Bundes". Die übrig gelassenen Blätter einzelner Verbände sind restlos uniformiert. Sie ergehen sich in Lobeshymnen auf den neuen Schirmherm der Arbeiterschaft überbieten sich in Phrasen von„nationaler Erhebung",„Weg zum Ganzen",„gewaltigem Erleben" und verzichten auf jede Vertretung der Arbeiterinteressen gegenüber ihren Klassengegnern�, Die neuen Führer, die den erstaunen Gewerkschaftsmitgliedern im„Arbei- tertum" vorgestellt werden, sind ihnen sämtlich unbekannt. Sie sind ernannt worden, in keiner Organisation wird abgestimmt. Die neuen Amtsleiter haben eine maßgebliche Eigenschaft, sie sind Pg's, Die„Entpolitisierung" der Gewerkschaften ist vollendet, es gibt nur noch eine zugelassene parteipolitische Meinung. Als oberstes Ziel der Organisation haben die Kommissare für Wirtschaft und Arbeit„Die Sicherung des deutschen Arbeitsfriedens" verfügt und dekretiert: „Nur die Feinde unserer Revolution können ein Interesse an Stillegung, wilden Streiks, Aussperrungen und ähnlichen Dingen haben." Mit anderen Worten; im Dritten Reich ist kollektive und organisatorische Kraftentfaltung des Arbeiters und Angestellten zur Sicherung seiner sozialen Lage verboten. Es liegt auf der gleichen Linie, wenn die „wirtschaftsfriedlichen Vereine" nunmehr als gleichberechtigt an allen Stellen entscheidenden Einfluß zugebiligt erhalten haben. Wer Kapitalisten angreift ist ein Feind der„nationalen Revolution". In der Lohnfrage ist zunächst ein Waffenstillstand angeordnet und es wird bereits angekündigt, daß dies nur der„Anfang für die Gestaltung des gesamten Tarifwesens" sein soll. „Die Arbeiter und Angestellten werden sich an den Gedanken gewöhnen müssen, daß das ganze bisherige Lohnvertrags- und Arbeitsvertragssystem restlos verschwinden wird". „Unser Vertragssystem wird vielmehr auf dem Leistungsgesetz aufgebaut sein, das dem Tüchtigsten alle Möglichkeiten schafft, sich Besitz zu erwerben". Also Zerschlagung jedes Kollektivismus, individuelle Lohnregelung. Beseitigung des Tarifwesens! Wer denkt nicht an die früheren Lockrufe zur Entgewerkschaf- tung der Arbeiter und Angestellten:„Freie Bahn dem Tüchtigen". Was haben die Herren des Dritten Reiches an die Stelle der Gewerkschaften gesetzt? Die NSBO. hat als Betriebsorganisation nach dem Muster der Syndikalisten den solidarischen Zusammenhang der beruflichen Gemeinschaft von Arbeitern und Angestellten zerrissen. Die überbetrieblichen Gewerkschaften werden dem Betriebsegoismus der Nazibetriebszellen unterstellt. Die gewerkschaftliche Kraft ist in Deutschland zerbrochen. Unter dem Schlagwort einer Volksgemeinschaft mit den kapitalistischen Unternehmern werden die Angestellten- und Arbeiterinteressen preisgegeben. Sozialpolitik hat aufgehört. Die Vermögen der Gewerkschaften. ihre Häuser und Schulen sind nunmehr Parteieigentum der NSDAP . Die wohlerworbenen Unterstützungsansprüche stehen nur noch auf dem Papier, da die Arbeiterbank lahmgelegt ist und der neue Verwaltungsaufwand für rein parteipolitische Zwecke die Beitragseinnahmen verschlingt. In einem Jahr, wenn nach der Voraussage von Dr. Ley die neue Arbeitsfront wieder aktionsfähig werden soll, stehen die Mitglieder vor einem Trümmerhaufen. Die deutsche Arbeiterklasse ist in ihrem Abwehrkampf gegen den Faschismus der gewerkschaftlichen Waffe beraubt worden. Die Zurückgewinnung des gewerkschaftlichen Kampfbodens aber ist nur möglich durch die Aktivierung aller Kräfte für die politische Auseinandersetzung der sozialistischen Kräfte mit den faschistischen Machthabern, den Dieben am Arbeitereigentum. Das Redit zu morden Greuelpropaganda eines Landesgeriditspräsidenteu. In der„Deutschen Juristenzeitung" veröffentlicht der Landesgerichtspräsident Dr. D i e t r i c h-Hechingen einen Aufsatz, in dem er das Recht seiner Pg's, ihre politischen Gegner zu töten, folgendermaßen theoretisch begründet: •„Der nationale Zweck kann eine ganze Reihe von Handlungen bestimmen. Körperverletzungen, Freiheitsberaubungen, Tötungen sind als Kampfhandlungen die nächstliegenden, die hierher zu rechnen sind. Noch nie hat jemand daran gedacht, daß der Soldat im Feld, der Körperverletzungen, Tötungen, Sachbeschädigungen und. sonstige äußerlich strafbare Handlungen scheinende Heldentaten innerhalb des Kriegsrahmen vollführt, strafbar sei. Was für den äußeren Feind gilt, muß auch auf den inneren Feind angewandt werden. So kann der Richter,, der den Mut hat zur freien Gesetzesauslegung, schon jetzt den rechten Weg in der wichtigen Frage finden. Er wandelt dabei auch auf altgermanischen Pfaden. Der innere Feind verfiel bei unseren Altvorderen der Acht und wurde ehrlos, rechtlos und friedlos, vogelirei, jeder Volksgenosse konnte ihn offen erschlagen, sofern er sich nicht auf geweihter Stätte befand. Die restlose Ausrottung des Inneren Feinds gehört zur Wiederherstellung der deutschen Ehre. An ihr kann der deutsche Strafrichter durch großzügige Auslegung des Str.-G.-B. teilnehmen. Bei der bevorstehenden Neuordnung des Strafrechts wird sicherlich auch die hier besprochene Frage gesetzlich geregelt werden. Das ist zu begrüßen, da damit mancherlei Ungewißheit beendigt wird und ängstliche Gemüter von der Pflicht zur weitherzigen Auslegung des Gesetzes entbunden werden. Diese Aufforderung eines deutschen Richters an seine Kollegen, nationalsozialistische Totschläger und Mörder unbesehen freizusprechen, scheint uns eigent- lieh überflüssig, da unseres Wissens seit Hitlers Regierungsantritt keiner der zahl- reichen Morde, die an Juden und Marxisten verübt wurden, auch nur Gegenstand eines strafrechtlichen Verfahrens geworden ist. Es würde sich in der gleichgeschalteten Justiz auch schwerlich noch ein Richter finden, der es wagen würde, Kameraden Hitlers vom Schlage der Mörder von Potemba zu verurteilen. Im übrigen kann keine Greuelpropaganda das Ansehen Deutschlands in der Welt schlimmer schädigen, als es dieses Bekenntnis eines deutschen Richters tut. Daß es in Deutschland Bestien gibt, die sich ein Vergnügen daraus machen, unschuldige Menschen zu Tode zu martern, war der Welt schon bekannt. Daß diese Bestien unbestraft bleiben, ja noch die besondere Gunst ihrer Vorgesetzten genießen, läßt sich auch nicht verheimlichen. Aber daß es zu alledem auch noch deutsche Richter geben könnte, gelehrte Juristen, die die Straffreiheit solcher Bestialitäten aus dem„altgermanischen Recht14 wissenschaftlich herleiten, das hatte man vielleicht doch nicht für mglich gehalten. Es ist das Verdienst des Landesgerichtspräsidenten D i e t r i c h-Hechingen, der Welt das Dritte Reich gezeigt zu Iiaben, wie es ist Die allmaditigen Gauleiter — die Vorgesetzten der Behörden. Staatsapparat und Parteiapparat der Nazis werden immer mehr identisch. Ohne die Zustimmung des Parteiapparats der Nazis geschieht nichts. Die Beamten- hierarchie ist ihrer Macht entkleidet, sie ist nur Vollstreckerin des Willens der Nazi-Gauleiter. Anfang Juni hat G ö r i n g einen Erlaß an die preußischen Ober- und Regicrungsrräsidcnten gerichtet, in dem es u. a. heißt; „Die Oberpräsidenten haben ständig mit den führenden Persönlichkeiten der nationalsozialistiscoen Bewegung, das heißt mit den zuständigen Gauleitern, Fühlung zuhalten. Sie werden zweckmäßig vor wichtigen Maßnahmen mit dem zuständigen Gauleiter in Verbindung treten, um diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zu solchen Maßnahmen rechnen besonders die über leitende Beamte zu machenden Personalvorscbläge. In den Berichten, die in derartigen Pcrsonalange- legenheiten erstattet werden, ist die Stellungnahme des Gauleiters anzugehen und, falls sie von der eigenen Auffassung abweichen sollte, zu ihr Stellung zu nehmen." So ist es auch in allen übrigen Verwaltungen. In der deutschnationalen Beamtenschaft ist man daher allgemein der Auf- fassung, daß die Regierung und ihre Organe nichts, die Gauleiter der Nazis aber alles zu sagen haben. 13 neue Ministergehälter! Die zu.Jieichsstatihaltern" beförderten na- tionalsozialistischen Gauleiter erhalten sämtlich Reichsministerge hälter. Zunächst war gemeldet worden, sie amtieren nur ehrenamtlich. Jetzt bezielten diese 13 Herren jeder neben ihren Abgeordnelendiäten und ihrem Gau- leiter geholt 1. das Gehalt eines Reichsministers, 2. die Ortszulagen hiezu, 3. ev. Kinder Zulagen, 4. Wohnnngsgeld, 5. außerdem eine Dienstauf- wandsentschädigung. die auf 25.000 Reichsmark festgesetzt werden säll. Die Gesamtbezüge aas der Reichskasse werden demnach über 60.000 Reichsmark pro Kopf betragen. Parole: ,Jl ichts für uns, alles für das V olk Z' Das System des Diebstahls. Die Unmoralität als Regierungsprlnzip. Das System Hitler hat eine infame Methode der Bekämpfung seiner politischen Gegner eingeführt. Es versucht, sie durch die Beschuldigung krimineller und korruptiver Delikte in den Augen der Oeffentlichkeit, ja ihrer eigenen Anhänger zu diffamieren. Es hat den Genossen S e v e r i n g des Diebstahls von 2 Millionen Mark beschuldigt, es hat die Lüge von einem S-Millionenkonto des Genossen Loebe in die Welt gesetzt, es beschuldigt die namhaftesten Führer der Gewerkschaften der Unterschlagung und der Korruption. Es erfindet kriminelle Beschuldigungen nach Bedarf und rechnet damit, daß eine willfährige Justiz, an deren Unabhängigkeit kein Mensch mehr glaubt, dabei Helfershelferdienste leistet. Wir erklären, daß diese infamen Verdächtigungen gegen die Führer der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften dreiste und plumpe Lügen sind! Kein aufgeklärter Arbeiter glaubt diese Verdächtigungen! Diese infame Methode wird geübt von einem Regime, das den Diebstahl im großen in ein System g'e steckt hat. Das Regime hat das gesamte Vermögen der freigewerkschafllich organisierten Arbeiterschaft geraubt und hat es den Zwecken des Regimes dienstbar gemacht. Es benützt die von der Arbeiterschaft aufgebauten Organisationen zur Versorgung seiner Kreaturen. Es benutzt das Gewerkschaftsvermögen für seine Zwecke. Diese sogenannten„Sozialisten" enteignen auf ihre Art— nämlich die Wertvermögen der organisierten Arbeiterschaft! Diese Beutepolitiker haben das Vermögen der sozialdemokratischen Partei gestohlen. Sie haben über 100 Druckereien, die ein immobiles Vermögen von rund 40 Millionen Mark darstellen, in die eigene Tasche gesteckt. Sie haben ein halbes Dutzend sozialdemokratischer Druckereien verwüstet. Sie haben andere sozialdemokratische Druckereien kurzerhand der nationalsozialistischen Partei gegeben, die dort ihre Presse druckt Sie haben die Häuser der Arbeiterbewegung in braune Kasernen verwandelt Sie stehlen selbst Privatgelder von Einzelpersonen. Bei vielen kleinen Funktionären der Arbeiterbewegung sind unter dem Vorwand, daß es sich um Parteigelder handle, die letzten Spargroschen, selbst die kleinsten Spar- beträge ihrer Kinder geraubt worden. Mit boshaftem Sadismus werden die Bestohlenen dem nackten Hunger preisgegeben. Man sucht die Bestohlenen noch obendrein zu diffamieren, man höhnt sie, sperrt sie in Schutzhaft, man hängt Ihnen Korruptions- und Betrugsprozesse an. Das Regime des Raubs und des Diebstahls Im großen und der Beutepolitiker ist in den Augen aller denkenden Arbeiter längst gerichtet! Es ist groß im Diebstahl von Arbei- tergroschen, groß in innerer Gemeinheit— aber ebenso groß ist der Abscheu aller gerecht Denkenden über die Infamie des Systems Hitler ! Die Ahnentafel Verlagsanzeige im„Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel": ,J)arch das täglich sich mehrende Bekenntnlszurarischen Abstammung aller deutschen Körperschaften und durch Einführung des Numerus clausus finden Sie reißenden Absatz bei allen Nationalsozialisten, deutschen Turnern, Beamten, Gymnasiasten, Studenten, Lehrern usw. usw., von der dieser Tage im Einverständnis mit der NS. -Auskanit bei der Reichsleitung der NSDAP . herausgegebenen Broschüre: Dr. Friedrich Wecken, Die Ahnentafel als Nachweis deutscher Abstammung. — Da jeder Deutsche nur durch AufsteUang seiner Ahnentafel seine Reinrassigkeit beweisen kann, um den zu erwartenden neuen S t aatsbür g er p a ß zu erlangen, muß er die hierzu nötigen genealogischen Arbeitsmethoden in vorliegendem Bach kennenlernen." Er will nicht Hitler heißen Aus Warschau wird gemeldet: .J}eim hiesigen Zivilgericht hat ein Herr Moses Hitler ein Gesach eingereicht, in dem er am die Erlaubnis bittet, einen anderen Namen annehmen zu dürfen, da ihm der Name Hitler in der Achtung seiner Mitbürger schade. Die Blätter lügen daran die Bemerkung, daß Herr Moses Hitler nicht der einzige seines Namens ist, sondern daß dieser Namen unter Ost- jaden häufig vorkommt."
Ausgabe
1 (18.6.1933) 1
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