Beilage des neuen Vorwärts Ne. 2

Schule im Dritten Reich

Versailles in den Schulen.

Gedächtnisreden am 28. Juni.

Der preußische Kultusminister Rust hat angeordnet, daß am 28. Juni, dem Tag der Unterzeichnung in Versailles , die Anstaltsleiter in allen Schulen die Schüler auf die Bedeutung des Tages hinzuweisen haben.

der

Hitlerreden auswendig

schen Stadt unterrichtet.

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Fritz Klein muß wandern!

ler Adolf Hitler , sich in Oberbayern Lehrerin, evangelisch zu werden,[ ein Schloß baut. sonst kann ich Sie, so leid es mir tut, nicht Gedenkreden über Versailles in den halten." ,, Paris ist eine Messe wert. Meine Schulen wären also schon eine gute Sache, Lebensarbeit ist schon diese Geste wert.", sagt DAZ und Germania " gleichgeschaltet. wenn nur erlaubt wäre, die Wahrheit sich die Lehrerin. Sie ist eine katholische Nun hat auch den bisherigen Chefre­zu sagen! Dissidentin und hat mehr als acht Jahre dakteur der Deutschen Allgem. Zeitung", an einer weltlichen Schule in einer evangeli- Dr. Fritz Klein , sein Schicksal erreicht. Das Dreimonat- Verbot des Blattes, das Sie geht also zu dem evangelischen Pfarrer. wegen seines Artikels über den deutsch­Er empfängt sie freundlich und ist gern bereit, österreichischen Bruderkrieg eine Seele zu retten. Aber die Bestimmungen worden war, ist nach 17 Tagen wieder verhängt verlangen sechs Monate unterrichtliche Vorbe- aufgehoben worden- aber die wieder­reitungen, und außerdem gibt es noch eine be­erschienene ,, Deutsche Allgem. Zeitung" sondere Schwierigkeit: der Pfarrer geht acht sieht Dr. Fritz Klein als Chefredakteur Das Kollegium wird zur Konferenz befohlen. Wochen auf Urlaub. Aber er ist wohlwollend, nicht mehr. Doch da stellt sich heraus, daß niemand vom also wird vereinbart, daß die Lehrerin gleich

lernen

Ein Leiter einer Volksschule erhält den Be­fehl: Die Rede des Reichskanzlers Hitler im Reichstag ist in den oberen Klassen aus wen­dig zu lernen.

Diese Anregung ist besonders aktuell, nachdem soeben der Reichskanzler Adolf Hitler durch Paraphierung des Vierer­pakts feierlich den Vertrag von Versailles für weitere 10 Jahre anerkannt hat. Die DAZ" war unter Dr. Fritz Kleins Noch einiges andere wäre in diesem ganzen Kollegium, auch von den deutschnatio- diese Unterredung als den Beginn des Unter- Leitung das Organ einflußreicher Indu­Zusammenhang zu erwähnen. nalen Lehrern, ein solches Exemplar der Hitler- richtes ansieht. So werden zwei Monate ge- strie-, Handels- und Schiffahrtskreise, die Z. B., daß die Oberste Heeresleitung rede besitzt, und auch niemand kann sie aus- spart. den Kampf Hitlers gegen die Arbeiterbe­schon am 29. September, 40 Tage vor wendig. Inzwischen aber erfährt der eifervolle Su­dem ,, Novemberverbrechen, Ein Lehrer erklärt, ehe die Rede von den perintendent von dem Fall. Er ist frommer wegung früher gerne gesehen hatten, jetzt Reichsregierung verlangt hatte, sie solle Kindern auswendig gelernt werden könne, Christ, strammer Nationalsozialist aber, nach Hitlers Machtergreifung, dem ,, Nationalspartakismus" kritisch um Waffenstillstand und Frieden bitten, müsse die Behörde ihm erst ein Exemplar der und ein tüchtiger Vertreter der Religion der daß aber die Regierung dagegen Ein- Rede zustellen, und außerdem brauchte man Liebe. Er sucht also die Lehrerin auf, und gegenüberstanden. Einige Monate lang ge­noẞ Fritz Klein innerhalb der gleichge­spruch erhob, weil durch ein solches über- doch einen Leitfaden, wie die Rede durchzuneh- nachdem er sich in einem Gespräch von weni- schalteten Berliner Journalistik eine be­stürztes Friedensgesuch nach den vor- men sei. Ein junger Zeichenlehrer, der gerne gen Minuten von den ernsten" Absichten der angegangenen falschen Siegesnachrichten etwas werden will, erbietet sich, die Rede für katholischen Dissidentin überzeugt hat, tele- vorzugte Stellung, der Einfluß der hinter und foniert er mit seinem nachgeordneten Kollegen Tatsache, daß er selber früher schon leb­daß die Regierung. die solche Beden- künstlerischer Aufmachung herzu- und stellt der Lehrerin im Einvernehmen mit haft für das Heranlassen der Nazis einge­ken äußerte, die erste war, in der So- stellen, damit sie in jeder Klasse aufgehängt dem zuständigen Pfarrer die Bescheinigung zialdemokraten, also sog. Novemberver- werden könnte. Dieser Vorschlag wird aber mit aus. brecher", saßen, und daß überhaupt die Entrüstung abgelehnt, weil durch das Aufhän­Legende vom Dolchstoß die schmut- gen der Rede dem Schulrat eine bequeme Ge- Christin." zigste Geschichtslüge ist, die legenheit gegeben würde, nachzuprüfen, ob die jemals erfunden wurde. Rede richtig auswendig gelernt sei. Ohne ein Vielleicht können die Schulleiter in solches Hilfsmittel würde der Schulrat sich diesem Zusammenhang auch daran erin- hüten, die Rede abzufragen, da er sie selbst nern, daß der bürgerliche Demokrat Ra- nicht auswendig könne...

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- alles verloren sei,

legte.

jede Klasse in Schönschrift

schließen..

ihm stehenden Wirtschaftsmächte und die

treten war, verschafften ihm das Recht, sei es auch in verklausulierter Form, eine eigene Meinung zu äußern. So wurde die DAZ" zu der deutschen Zeitung, die

ein anständiger Mensch lesen konnte, ohne zu erbrechen.

Jetzt ist sie eine, treudeutsche, evangelische Dem Lehrer X. erging es etwas weniger gut. Er ist seit fünf Jahren Dissident. Der Pfar­rer ist ein geschäftstüchtiger Mann, er verlangt, Je toler jedoch das Treiben der neuen daß die Kirchensteuer für fünf Jahre nachgezahlt wird. Doch dazu ist Herr X. nicht Herren wurde, desto schwieriger wurde thenau damals gegen Versailles die Es lebe die freie Wissenschaft! steuer." Zu viel, das verträgt mein gekürztes idiotischen Skandal des Oesterreich­in der Lage. Man handelt. ,, 20 Rm. Kirchen- Kleins Aufgabe. Schließlich übte er an dem ,, levée en masses" predigte, worauf er ein paar Jahre später von Nazis ermordet Herr Universitätsprofessor Dr. Eduard Gehalt nicht." ,, 10 Reichsmark." ,, Noch zu viel." Konfliktes so deutlich Kritik, daß die wurde und worauf wieder einige Jahre Spranger, der an der Berliner Universi- Schließlich bleibt es bei fünf Mark, mit dem Kiste platzte. Der Fall der, DAZ" beweist, später der Reichsminister Seldte am tät Philosophie und Pädagogik lehrt, hält die Versprechen, daß der Lehrer X. bei der kom- daß im Dritten Reich Kritik an den Macht­Grabe seiner Mörder zwei Kränze nieder- freiheitlichen Ueberlieferungen deutscher Wis- menden Volkszählung sich schon als evange- habern, selbst in der vorsichtigsten Form, senschaft hoch! Er erträgt nicht die Schmach- lisch" einträgt. Herr X. wird das tun, denn Ge- nicht möglich ist und daß auch sonst groß­Ferner, daß das von Nationalsoziali- bedingungen, die der nationalsozialistische schäfte soll man auf Treu und Glauben ab- mächtige Kapitalistenkreise jetzt auf die Freiheit eines öffentlich ausgesprochenen sten zerstörte Denkmal des am 4. Sep- Studentenausschuß gestellt hat. Also stellt er eigenen Urteils verzichten müssen. tember 1914 gefallenen kriegsfreiwilligen sein Amt zur Verfügung. Marxisten und Juden Ludwig Frank in Doch dann hat er eine huldvolle Audienz bei Mannheim nicht wiederhergestellt worden dem Kultusminister Rust und überzeugt sich, ist. daß sein Schritt voreilig war. Die Zweckmäßig wäre in diesem Zusam- Schandbedingungen bleiben, wer außerdem menhang auch darauf hinzuweisen, daß bleibt, ist Herr Professor Spranger. Und Scheidemann und Landsberg arbeitet an einer philosophischen Begründung ihre Aemter als Ministerpräsident und über den sittlichen Wert der neuen deutschen Justizminister der Deutschen Republik Freiheit...... niederlegten, weil sie sich nicht dazu ent­schließen konnten, den Vertrag von Ver­ sailles zu unterzeichnen und daß sie dafür ,, Ich rate Ihnen dringend", so sprach nach jetzt als gehetzte Emigranten im Ausland einer gelungenen Lektion der wohlwollend Der im Bereiche des Bezirksamtes Wed­leben, während der freiwillige Verlängerer freundliche nationalsozialistische Schulrat zu ding liegende Goethe- Park" soll in des Friedens von Versailles , Reichskanz- der ausgezeichneten dissidentischen! ,, Adolf- Hitler- Park" umbenannt werden.

Lied der

,, Zwölf unterwegs"

Von Peter Munk.

Zu singen an Straßenecken, in Kaba­retts und Schankstätten jenseits der deut­ schen Grenzen.

In Nacht und Nebel, den Hut im Gesicht, Durch Dörfer und Städte und Straßen,

Wie man Christen macht.

Wir rufen es laut in dunkelste Nacht Und spielen, was die uns soufflieren. Ich bin Gelehrter und ich Prolet.

er

Mich hat man miẞhandelt, und mich geschmäht, Zwölf unterwegs, verfolgt und bespien, Zwölf unterwegs durch Europa zieh'n.

Und wenn auch für uns die Stunde schlägt, Und die Stunde ist nicht mehr fern,

Ein Hemd auf den Leib und im Rucksack den Dann heben wir uns von der Erde auf,

Haß,

So haben wir Deutschland verlassen. Ich bin aus Frankfurt , und ich aus Berlin . Ich wollte nach Zürich , und ich nach Wien . Zwölf unterwegs, die nicht fragen wohin, Zwölf unterwegs durch Europa zieh'n.

Wir sind die Soldaten der großen Armee, Die sich sammelt, um weiterzukämpfen, Wir sind die Besiegten von gestern und je, Wir kämpfen für eine Menschheitsidee Und für die Gesellschaft von morgen. Mit uns ist die Zukunft, mit uns ist der Geist Von Goethe und Lessing und Herder und Kleist

Ueber die Grenzen gegangen. Zwölf unterwegs und Millionen zu Haus, Die halten es nicht mehr in Deutschland aus. Die schmeißen den ganzen Krempel hin, Zwölf unterwegs durch Europa zieh'n.

Herunter die Maske, herunter den Bart, Wir wollen nicht länger krepieren.

Wir zeigen euch heute, wie Deutschland

erwacht,

Dann sind wir nicht Knechte mehr sondern Herr'n

Und räumen in Deutschland auf.

Und wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele vom ,, Marxismus " in den wahren Glauben springt.

Schon lange vor der ,, DAZ" hatte das Berliner Zentrumsblatt, die ,, Germania ", äußerste Vorsicht und Rückhaltung geübt. Aber auch das hat nichts genützt. Der Zentrumsmann Gries hat dem Vertrau­

Tetzel war ein Waisenknabe gegen die neu­deutschen evangelischen Apostel des Dritten Reiches . Wir aber sagen mit Hoffmann von Fallers- ensmann Papens, Dr. Ritter, weichen

leben:

O, Knüppel aus dem Sack!

Aufs Hundepack, aufs Lumpenpack!

Von Goethe zu Hitler

Nicht nach Deutschland

Der Sekretär der Kopenhagener Sektion des großen dänischen Arbeiterbildungsverbandes, lb Kolbjorn, teilt im Social- Demokraten" mit, daß die für dieses Jahr vorgesehenen Ferienreisen zum erstenmal Deutschland nicht berühren werden. Die Gaststätten, die die dänischen Arbeiter bisher auf ihren Reisen benützten, sind von den Nazis besetzt worden, Führer, die die dänischen Arbeiter durch Galerien und Museen führten, sind in Schutzhaft. Die nach vielen Hunderten zählen­

den Reisegesellschaften des dänischen Arbeiter­Dann komm ich aus Zürich , und ich aus Wien , bildungsverbandes werden daher künftig statt

Dann fahr ich nach Frankfurt , und ich nach nach Deutschland nach anderen nordischen Berlin . Ländern und nach Großbritannien reisen.

Zwölf unterwegs, die wissen wohin, Zwölf unterwegs durch Europa zieh'n.

Das sind die Soldaten der großen Armee, Die sich sammelt, um weiterzukämpfen, Das sind die Sieger von gestern und je, Sie kämpfen für eine Menschheitsidee Und für die Gesellschaft von morgen. Und wenn auch die Zukunft, und wenn auch der Geist

Stolz weht die

müssen. An Stelle der Arbeitervertreter Giesberts und Ersing kommt der westfälische Baron v. Twickel in den Aufsichtsrat. Die ,, Germania " hat aufge-­hört, ein Zentrumsorgan zu sein.

Gibt es noch immer einen Menschen, der glaubt, unter den heutigen Umständen könne in Berlin ein Vorwärts" er­scheinen, der seinen Namen verdient?

Berliner Jüdische Gemeinde ihrem Glaubens­genossen folgende Inschrift gesetzt:

Robert Linderer , geb. 25. November 1824, gest. 16. Dezember 1886.

Hier ruht der Dichter des Flaggenliedes, mit dem die deutschen Matrosen für den Sieg und Ruhm des Vaterlandes kämpfen und sterben.

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin .

Nazis verbieten das Horst- Wessel- Lied.

Amtlich wird aus München gemeldet: ,, Das Horst- Wessel- Lied ist neben dem Deutschlandlied im Kampfe um die nationale Erhebung zum Nationallied geworden. In

Flagge... letzter Zeit wurde nun die Wahrnehmung

Und ein Grabstein auf dem Judenfriedhof.

Vor 50 Jahren ist das deutsche Flaggenlied ,, Stolz weht die Flagge schwarz- weiß- rot" ent­standen. Sein Verfasser Robert Linderer hat es damals als Einlage für sein Singspiel ,, Unsere Marine" gedichtet, zu der sein Freund Richard

Von Goethe und Lessing und Herder und Thiele, der Organist an der Berliner Parochial­Kleist

Ueber die Grenzen gegangen

Zwölf unterwegs und Millionen zu Haus, Die wollen nun nicht mehr aus Deutschland

raus,

kirche war, die Musik geschrieben hat. Das Singspiel hatte großen Erfolg und die Melodie des Flaggenliedes erwies sich als ein Treffer. Das Lied selbst hat auch in dem ,, National­sozialistischen Volksliederbuch"

gemacht, daß das Lied mit unterleg­tem Text gesungen wird. Der politische Polizeikommandeur Bayerns verbietet daher das Singen des Horst- Wessel - Liedes mit einem anderen Text. Die Po­lizeibeamten wurden auf das Verbot auf­merksam gemacht mit dem Hinweis, daß bei event. Wahrnehmungen das Absingen des Liedes sofort einzustellen ist. Die verantwortlichen Personen haben mit Fest­nahmen zu rechnen."

Auch in anderen Orten haben die Na­

Die ballen die Faust und machen nicht Aufnahme gefunden. Die Ruhestätte des Dich- zis mit dem Zwang zum Singen des schlapp, ters aber ist der jüdische Friedhof zu Weißen- Horst- Wessel- Liedes peinliche Erfahrun­see. Zu Häupten seines Grabhügels hat die gen gemacht.

Zwölf unterwegs. Wir rechnen ab!