Heutsdiium und Drittes Heidi Wir entnehmen diesen ausgezeichneten Artikel der Wiener Arbeiter-Zeitung. Bewohner deutscher Zunge gibt es in Frankreich von Elsaß und Lothringen , in Luxemburg , in Belgien von Eupen und Malmedy, in Dänemark des Grenzstrichs in Jütland , in Polen von Oberschlesien , Posen und Westpreußen , in der Tschecho slowakei von Böhmen , Mähren und Schle sien , in Ungarn verschiedener Sprachinseln, in Rumänien von Banat und Sie benbürgen , in Jugoslawien von Unter steiermark , der Gottschee und der Bacska , in Italien von Südtirol . Die deutsche Schweiz und Liechtenstein blieben hier außer Betracht. Diese Aufzählung zeigt uns einen geschlossenen Kranz deutscher Siedlungen, der sich rings um das Reich legt, sie'verrät uns den gewaltigen Volksbestand, um den es sich handelt; es sind gut neun bis zehn Millionen Deutsche — ohne Saar, Danzig , Memel und Oesterreich! Die ganze schmerzensreiche Geschichte der deutschen Nation, die an jene Polens erinnert, spricht aus dieser Autzählung. Die Geschichte berichtet uns von einer ersten, zweiten und dritten Teilung Polens ; die erste Teilung der deutschen Erde fand nach dem- Dreißigjährigen Kriege statt, als man im Westfälischen Frieden die Schweiz und die Niederlande, die inzwischen selbständige Staaten geworden sind, vom Reiche trennte. Die zweite Teilung brachte der Weltkrieg mit der Ablösung vieler Randgebiete und dem Anschlußverbot an Oesterreich . Die Außenpolitik der deutschen Nation erfordert wahrhaftig höchste Sorgfalt, damit nicht eine dritte folge; die Lärmtrommel der Hitlerei ist ganz danach angetan, sie uns zu bescheren. Die Politik der Nation verlangt vor allem sorgfältigste Rücksicht auf die ökonomischen und politischen Daseinsinteressen dieser Minderheiten, auf daß sie die Lebensnot nicht zwinge, in den Fremd- völkem aufzugehen! Nichts leichter, als sie durch chauvinistische Mauldrescherei aufzupeitschen, schwerer ist es, ihr Dasein zu sichern. •* Dieses Auslanddeutschtum Ist für das Mutterland von allergrößter Wichtigkeit. Daß sie Außenposten sind, hat neben seinen Nachteilen auch seinen Nutzen! Denn sie sind für die wirtschaftliche und kulturelle Geltung Deutschlands in Europa beinahe entscheidend! Sie sind Träger der ökonomischen Außenbeziehungen Deutsch lands und die Vermittler deutscher Kultur an alle Völker. Es liegt nun auf der Hand, daß demokratische Staatseinrichtungen, staatsbürgerliche Freiheitsrechtc, nationale Selbstverwaltung in den Staaten, wo«le wohnen, die Voraussetzung des Fortbestandes dieser deutschen Minderheiten sind. Folgen die Nachbarstaaten dem gegebenen Beispiel„nationaler Gleichschaltung** und Aufhebung aller demokratischen Garantien, so sind diese Minderheiten verloren! Siehe Südtirol ! Die Hitlerei droht zum Grabe dieses Auslanddeutschtums zu werden! Schon erheben sich in diesem Kreise ringsherum die Stimmen der Sorge, des Widerspruches, der Ablehnung: es kann nicht lange dauern, bis der lähmende Bann erschlichener und erpreßter Triumphe des Nationalsozialismus im Reiche von der Nation abfällt und ihr klar wird, daß diese Richtung nicht der Retter, sondern der Verderber des Deutschtums ist! Von Dr. Karl Renner , Wien . mal schwer beeinträchtigt, der sogenannte „nationale Aufbruch** des Mutterlandes kann seinen Zusammenbruch mit sich bringen. Diese Deutschen leben entweder in gefestigten Demokratien, denen das vermeintliche Heldentum des März 1933 im besten Falle als barbarische Reaktion erscheint, oder unter Völkern, die eben nach demokratischer Freiheit ringen und deshalb Völker, die die einmal errungene Freiheit nicht zu schätzen und zu behaupten verstehen, geringschätzen müssen. Diesen Deutschen ist natürlich ein starkes, auf Freiheit und Menschlichkeit, auf Selbstbestimmung des einzelnen wie der Nation beruhendes Reich, ein vorbildliches Reich materieller und geistiger Kultur unter den Fremden persönliche Stütze, Hilfe und berechtigter Stolz: dieses Dritte Reich jedoch, das aus dem Märzverbrechen geboren ist, das die Unfreiheit des Geistes und die physische Gewalt zu seinem Daseinsgesetz gemacht hat, bringt jedem einzelnen von ihnen den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und moralischen Boykott— außer um den Preis der Verleugnung der Methoden seines Mutterlandes, Die Gleichschaltung der Deutschen daheim droht ihre Ausschaltung in der Fremde! Nicht ohne Grund hat man nach dem Märzverbrechen gesagt: Jetzt hat Deutschland das Elsaß zum drittenma verloren! Ebenso muß man feststellen das Auslanddeutschtum hat den Weltkrieg zum zweitenmal verloren! Die Folgen auf die wirtschaftliche und geistige Weltstellung des Deutschen Reiches sind unab sehbar! Es ist die sittliche, es ist die nationale Pflicht jedes Auslanddeutschen, dies dem Muttervolk im Reich zum Bewußtsein zu bringen— trotz der Schwierigkeiten, die dem im Wege stehen. Die Metternich sehe geistige Absperrung Oesterreichs von Deutschland im Vormärz war ja eine papierdünne Wand gegen die chinesische Mauer, die Hitler durch die Knebelung von Wort und Schrift um das Reich ge zogen hat: er hat das Reichsvolk in der Meinung, es mit wahrem Nationalgefüh auszurüsten, wahrhaftig in ein geistiges Ghetto gesperrt, durch den Blutmythos von einer rassischen Ausetlesenheit des Volkes, durch den makkabäischen Mythos einer eingeborenen Helden- und Sieghaf tigkeit der Rasse mit einer neuartigen Ghetto-Ideologie erfüllt. Erliegt es dieser geistigen Verseuchung, so geht es Gefah ren entgegen, die heute noch unvorstell bar sind und besser unausgesprochen blei ben: man kann die deutsche Sache in der Welt nur retten, indem man sie von der Hitlerei freimacht und freihält! Landesvater Hindenburg Wegen einer abgesägten Eidbe läßt er Tausende drei Tage hungern Schon einmal sind wir der unhaltbaren Auffassung entgegengetreten, als ob Hin denburg wegen Abnahme seiner geistigen Kräfte für die Vorgänge in Deutschland nicht mehr verantwortlich gemacht werden könne. Wir haben am Fall E b e r t gezeigt, daß es In Deutschland Dinge gibt, deren Bedeutung jedem vierjährigen Kinde und jedem hundertjährigen Greise klar werden muß. Ein neuer Fall dieser Art liegt jetzt vor. Wegen Absägung einer sogenannten Hindenburg -Eiche, die Adolf Hitler am 1. Mai auf dem Tem- pelhofer Feld gepflanzt hat, ist sämtlichen kommunistischen Schutzhäftlingen für drei Tage die Mittagsmahlzeit entzogen worden und den Häftlingen ist„diese Maßnahme im Hinblick auf den an der Hindenburl-Eiche verübten Frevel eröffnet" worden. Durch WTB., TU. und Conti hat man dann der ganzen Welt diesen Vorgang mitgeteilt. Man rühmt sich seiner noch! Und nun soll noch einer sagen, daß es in Deutschland Greuel gibt! Hindenburg aber hat es geschehen lassen, daß wegen eines gleichgültigen nach ihm benannten Bäumchens Tausende unschuldig eingekerkerte Menschen in barbarischer Weise zum Hungern verurteilt werden. Auch wenn sein ✓erstand noch so sehr geschwächt ist, muß er immer noch begreifen können, daß man durch solche Bestialitäten nicht nur Verzweiflungsausbrüche geradezu provoziert, sondern jede Art und jeden Akt der Gegenwehr moralisch rechtfertigt. Die Absägung eines Baumes kann der Ehre eines Menschen keinen Eintrag tun, Aber das Hungerdiktat über wehrlose und schuldlose Gefangene schändet den, in dessen Namen es verhängt wird, für alle Zeiten. Es ist freilich nicht die einzige Schande und nicht die größte. Es kommt auch gar nicht darauf an, wann die Hindenburgeichen in Deutschland ab geschnitten werden. In einem freien Deutschland wird dergleichen nicht mehr zu finden sein. Sechs Monate Deutsdiland unter Hitlers Herr»«hall Zu den beiden Gruppen von Ausland- deutschen, die bisher vorgeführt sind, kommen noch die vielen Millionen Deut scher , die nicht in geschlossener Siedlung, nicht dem Mutterland nahe, in Ver- streuung in der Welt leben und wirken. Ihnen können wir jene, die deutsche Reichsangehörige sind, jedoch aus Erwerbsgründen im Ausland tätig sind, zuzählen. Von allen kontinentalen Nationen weisen wohl die Deutschen — über die Absonderung in die aufgezählten Staats- und Minderheitsgebiete hinaus— die größte absolute und neben den Juden die größte relative Verstreuung in der Welt auf. Die Stellung, die Deutschland vor dem Kriege in der Weltwirtschaft errungen hatte, war vor allem durch dieses Deutschtum getragen. Begleitumstände und Ausgang des Weltkrieges haben Ansehen und Geltung dieses Teiles der Nation zum ersten- Am 30. Juli war ein halbes Jahr vergangen, seit Adolf Hitlers Ernennung zum deutschen Reichskanzler. Die deutsche Presse hatte den Auftrag, dieses Tages festlich zu gedenken, und es versteht sich von selbst, daß sie sich dieser Aufgabe gehorsam entledigte. Dennoch war nicht alles auf den gleichen Jubelton gestimmt Manche Blätter haben zwischen einer Unzahl von Komplimenten für die neuen Herren und verzückten Augenverdrehungen den Versuch gewagt einiges vorzubringen, was dem geschärften Ohr des gleichgeschalteten Publikums beinahe schon wie ein Ansatz zu vorsichtiger Kritik klingen mag. Wie so etwas gemacht wird, zu beobachten, ist ergötzlich genug. Beispielsweise bringt die „Vossische Zeitung" einen Leitartikel von mehreren Spalten über die Verdienste des neuen Kurses, wobei die gänzliche Abkehr von jeder Art von Sozialismus als besonders verdienstvoll gepriesen wird, um dann folgendermaßen fortzufahren: „Große Aufgaben harren noch der Lösung. Die außenpolitische Lage, die durch die Annäherung Frankreichs an Rußland , durch die Sicherung Polens , durch die sich anbahnende Ueberbrücknng der f r an z ö s s ic h- i t a 1 1 enlsch e n Gegensätze, durch angestrebte Zusammenarbeit der beiden Nationen In bezug auf den ganzen Südosten geschaffen worden ist diese ganze Situation stellt bei dem Desinteresse- ment Amerikas und der Haltung Englands zweifellos noch hohe Anforderungen an die Staatsführung." Aus der Sprache des Sklaven in die des freien Mannes übersetzt, heißt das, daß die Leistungen des Systems auf dem Gebiet der Außenpolitik hundertprozentig negativ sind, daß Deutschland die letzten Freundschaften, die es noch besaß, einschließlich der Italienischen , ver loren hat, und daß die Isolierung vollständig ist Gleich darauf geht es dann so weiter: „Die verfassungsmäßige Untermauerung der legalen Diktatur auf Grund des Ermächtigungsgesetzes, die Ersetzung des zerschlagenen Parlamentarismus durch einen besseren Staatsaufbau wird eine anstrengende Arbelt für Monate, wenn nicht für Jahre bedeuten." Was Ist das mm anderes als das Eingeständnis, daß der Nationalsozialismus zwar die demokratische Republik In Trümmer geschlagen hat den besseren Staatsaufbau aber, den er versprochen hatte, bisher schuldig geblieben lst?l Das Ist das Maximum dessen, was heute In Deutschland an Kritik möglich ist und wahrscheinlich hat sich der Schreiber auch als Held gefühlt als er diese Zellen niederschrieb. Er hat sie freilich In einem endlosen Schleim ekelhaftester Kriecherei einwickeln müssen. Schließlich ist diese Art, wie die sechsmonatige Dauer der Hltlcrherrschaft gefeiert wird, die furchtbarste Kritik, die an diesem System geübt werden kann. Niemand darf mehr In Deutschland die Wahrheit sagen, weil die Wahrheit für die Herrschenden völlig unerträglich Ist Es gibt in diesem Lande jetzt wie es bei Uhland heißt,„Seufzer nur und Tränen und scheuer Sklaven Tritt". Und der Rachegeist der das alles zu Schutt und Moder zertritt, wird auch nicht ausbleiben) Der billige Jakob In zwei Jahren keine Arbeitslosigkeit mehr— sagt Ley. Hitler hat versprochen, daß die Arbeitslosigkeit in vier Jahren beseitigt sein solle. Ley— verspricht viel mehr. Bei der Einweihung der thüringischen Landesführerschule der Nazis hielt er eine Rede, in der er sagte: „Die materielle Not meistern wir spielend, wenn wir die seelische meistern. Ich sehe mit ungeheueren Hoffnungen In die Zukunft Wir werden die Erwerbslosigkeit meistern und aü das Elend und die Not. Ich glaube, daß es in dem nächsten Jahr nicht mehr Arbeitslosigkeit geben wird, als in den normalen Zeiten vor dem Kriege, und daß wir in zwei Jahren nicht so viele Menschen in Deutsch land haben, um alle vorhandene Arbeit leisten zu können." Natürlich lügt Ley noch mehr als Hitler. Die Arbeitslosigkeit Deutschlands sinkt nur auf dem Papier. In Wirklichkeit ist die Zahl der Arbeitslosen g r ö ß e r als im Vorjahre. Geringer ist nur die Zahl der Unterstützungsempfänger. Die Meldungen über die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Ostpreußen sind ein offenkundiger S c h w i n d e 1. Die beiden industriellen Großstädte Königsberg und Elbing haben noch dieselbe Arbeitslosigkeit wie im Vorjahre. Daß in den ländlichen Gegenden die Arbeitslosigkeit in der Zeit der Ernte geringer ist als im Winter, ist eine Selbtsverständlichkeit. Das ist immer so gewesen und ist in diesem Jahre durch die Verhinderung des Zuzugs von polnischen Wanderarbeitern noch erleichtert worden. Die meisten In Arbeit gebrachten Landarbeiter werden übrigens nicht von den Großgrundbesitzern, sondern als„Landhelfer" aus der Reichskasse bezahlt. Nach der Ernte fliegen sie wieder auf die Straße. Aber dann hat das Schlagwort von der Befreiung Ostpreußens von der Arbeitslosigkeit als nationalsozialistische Zwecklüge auch seine Schuldigkeit getan. Wie sie Arbeiter- gelder stehlen Der„Reicbsanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung der Geheimen Staatspolizei, nach der die Forderung des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gegen die Konzentration, Aktiengesellschaft sozialdemokratischer Druckerei- und Verlagsbetriebe Berlin in Höhe von 9,517.125.55 Reichsmark für den preußischen Staat eingezogen werde. Dasselbe sei mit den 500 Inhaberaktien im Werte von Je 500 Reichsmark der Konzentration geschehen. Kein Kapitalist ist bisher In Deutschland enteignet worden. Die braunen Banden bestehlen nur Arbeiter und ihre Organisationen. Aber noch Ist das letzte Wort wegen des Diebstahls an dem Eigentum der Sozialdemokratischen Partei nicht gesprochen. Der»Aolkisdie Beobaditer« lügt Genosse Breitscheld schreibt uns: Der„Völkische Beobachter" behauptet Jetzt bereits zum zweiten Male, ich hätte mich beim französischen Außenministerium um einen Posten beworben, sei aber abgeblitzt. Ich stelle fest, daß das Naziblatt eine ebenso groteske wie infame Lüge verbreitet Niemals habe ich mich um eine Anstellung im französischen Dienst bemüht Meine Korrespondenz mit dem Pressechef des französischen Außenraini- steriums, des mir aus seiner Tätigkeit als -eiter der Informationsabteilung des Völkerbundes bekannten Herrn Comert— eine Korrespondenz, auf die der„Völkische Beobachter" anspielt— bezog sich auf die Frage, ob seiner Meinung nach In -rankreich eine private Existenzmöglich- ceit für mich vorhanden sei. Außerdem )at ich Herrn Comert, sich wegen der Erteilung eines Visums für einige deutsche lüchtlinge zu bemühen. Dr. Rad. Breitscheid . Du hilfst dem deutschen Proletariat, wenn Da tOr die Verbreitung der Broschüre Revolution gegen Hitler ! sorgst. Bestelle eine Anzahl Exemplare and verbreite sie in Deinem Bekanntenkreise!
Ausgabe
1 (6.8.1933) 8
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