Der Kampf um die Kanzeln Ein Generalsuperintendent schreit auf Vor Rom kuscht man Ein Entrüstunesschrel entringt sich den deutschen Rotationsmaschinen, am lautesten stöhnt derVölkische Beobachter". Der be­urlaubte Generalsuperintendent der Kurmark, D. D i b e 1 i u s, hat es gewagt, die Kirche St. Nicolai in Potsdam zu einerunerhörten Kampfansage gegen die Regierung"" zu benüt- zen. Er machte der Regierung den Vorwurf, sie unterdrückte die Kirche, erklärte die Re­gierungsführung für unreif, behauptete, die Re­gierung wolle Christus seiner Göttlichkeit ent­kleiden und sehe ihn lediglich als zeitgebun­denen Höhepunkt des nordischen Rassenmen­schen an. Die Kirche kenne nicht den Begriff Nation "", sie sei für alle Völker da. Diese Verkündigung der Wahrheit aus christlichem Mund nennt derVölkische Be­obachter" einenunerhörten Mißbrauch der Kirche", und der Ortsgruppenleiter derDeut­ schen Christen " zu Potsdam , Gostomski, nimmt besonders Aergernis daran, daß Dibe- lius als Kronzeugen den Geist Martin Luthers beschworen hatLuther lebte zwar in sei­ner Zeit und kann nur in der Gebundenheit seiner Zeit beurteilt werden... aber heute, nachdem Jahrhunderte nach ihm vergangen sind, würde er zweifellos anders werden'". Sie machen slchs bequem.Luther wäre anders geworden". Woher weiß das ausge­rechnet Herr Gostomski in Potsdam ? Die Ge­schichte verzeichnet nur, daß der Anschlag der 95 Thesen an der Schloßkirchentür zu Wittenberg vor nunmehr vierhundertsechzehn Jahren von den geistlichen und weltlichen Machthabern des damaligen Deutschland gleichfalls alsunerhörter Mißbrauch der Kirche" empfunden wurde, und daß seither die Auflehnung des jungen Mönches Martin Luther gegen Gewissenszwang und despoti­schen Machthunger als weltgeschichtliche Tat gefeiert wurde. Gewissenszwang wann wurde er je brutaler und ausschließlicher geübt als heute im dritten Reich? Die Schandtaten der Gei- stestöter stehen seit dem Mittelalter einzig da. sind vielleicht nur den sadistischen Greueln der spanischen Inquisition vergleichbar, die Juden, Ma�ranen, Abtrünnige und Mißliebige ohne Verfahren zu hunderten und lausenden auf den Scheiterhaufen schickte. Wenn einer heute gegen den neudeutschen Inquisitor auf­steht, so hallt daskreuzlgetl" durchs Land. Die Tapferkeit der Generalsuperintendenten Dibelius in allen Ehren nur kommt der Widerstandsversuch der evangelischen Kirche gegen das auferstandene Mittelalter reichlich spät. Hätte Dibelius, hätten seine Glaubens­genossen auf den Kanzeln ihre Stimmen ein paar Jahre früher erhoben, anstatt aufgott­lose" Proletarier, auf diese ärmsten ihrer Brüder Jagd zu machen, so wäre dem deut­ schen Land vielleicht viel Schuld und Blut erspart geblieben. Papst und Hitler Zürück bis zu Engen IV. Die katholischen Organe Roms haben von ihrem Standpunkt aus mit vollem Recht das Zustandekommen des Reichs­konkordats als einen ungeheuren Erfolg der Kirche gefeiert Die Bedeutung die­ses Konkordats, so war dort zu lesen, sei gewaltig, wenn man bedenke, daß man bis zu Papst Eugen IV. , d. b. e i n J a h r- hundert. vor der Reformation, zurückgreifen müsse, um ein ähnliches Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl zu finden. Die katholische Kirche rühmt sich damit selbst, In Hitler-Deutschland jene Macht­stellung wieder erobert zu haben, die sie Im Mittelalter Inne hatte. Daß diese Machteroberung auf Kosten Jener sitt­lichen Grundsätze ging, die viele Leute für die christlichen halten, brauchte Ja nicht gleich dazu gesagt werden. Inzwischen hat aber doch die pöbel­hafte Art, in der sich die Hitlerregierung ihrer intimen Beziehungen zum Helligen Stuhl rühmte, in Rom peinliche Gefühle erweckt. Und so hat derOsservatore Romano ", das amtliche Blatt des Vati­kans, einige süß-saure Artikel veröffent­licht, in denen zwar die Verhandlungs- crfolge der Kirche nochmals unterstrichen werden, aber doch zum Schluß scharfe Verwahrung gegen die Behauptung der Hitlerregierung eingelegt wird, der Abschluß des Konkordats bedeute eine Anerkennung der nationalso­zialistischen Bewegung. Dage­gen betont das päpstliche Blatt, das Kon­kordat sei mit dem Deutschen Reich als solchem abgeschlossen und habe nur den Zweck, die Rechte und Freiheiten der Kirche(lies: ihr Vermögen) zu sichern. Von jeder Erwägung oder jedem Wert­urteil anderer Natur sei abgesehen wor­den. Gegen diesen Artikel des vatikani­schen Amtsblattes veröffentlicht die gleichgeschaltete deutsche Presse eine klobige Entgegnung, natürlich ohne daß die Leser zuvor die Ausführungen des römischen Blattes selbst vorgesetzt er­halten hätten. Immerhin können sie die­ser Polemik entnehmen, daß jetzt schon über die Auslegung der getroffenen Ab­machungen zwischen Berlin und dem Vatikan die größten Meinungsverschie­denheiten bestehen. Schon die Behauptung, das kirchliche Recht sei die Grundlage des Konkordats, wird alserstaunlich" zurückgewiesen. Das gerade Gegenteil davon wird für richtig erklärt. Nicht minder scharf wird gegen die Behauptung polemisiert, die Erziehung zur Vaterlandsliebe sollenach den Geboten Jesu Christi " gere­gelt werden. Weiter wird eine römische Aeußerung bemängelt, nach der das Ver­bot der politischen Betätigung der Geistlichen nurauf Grund der in Deutschland bestehenden besonderen Verhältnisse, wie im Hinblick auf die im Reichskonkordat geschaffenen Sicherun­gen" erlassen worden sei. Dagegen wird erklärt, daß das ganze Konkordat aufflie­gen würde, wenn der Papst den Geist­lichen die verbotene politische Betäti­gung wieder erlauben wollte. Zum Schluß beharrt der Berliner Artikelschrei­ber dabei, daß der Vertragsabschlußdie tatsächliche und rechtliche Anerkennung der nationalsozialistischen Regierung be­deutet". Das ist aber gerade das, was das päpstliche Blatt um keinen Preis der Welt wahrhaben möchte, Wohl freut es sich, der dem plumpen deutschen Faschismus abgelisteten Machtvorteile. Aber mora­lisch kompromittieren möchte es sich mit ihm n i c h 1 1 Die Christen von Sdiießwerder Auf einer Kundgebung derDeutschen Christen " in Schießwerder verkündete der nationalsozialistische Pfarrer Peter folgendes Evangelium; Man muß innerhalb des Kirchenvolkes die vier Geheimnisse des deutschen Volkes achten: das Geheimnis des Blutes, das Ge­heimnis der Sprache, das Geheimnis der gemeinsamen Geschichte und das Geheimnis des Bodens." Da hat sich dieser Gottesmann in der Tat mit einem geheimnisvollen Dreh um alles her- umgewunden, was mit Christentum auch nur entfernt verwandt ist. Eines aber ist sicher: wenn die zweifelhaften Geheimnisse vom arischen Blut und vom ostelbischen Boden längst gelöst sein werden, dann wird Immer noch das eine große Geheimnis bestehen blei­ben: wie die Apostel des Nationalsozialismus, dieser Lehre von Mord, Haß, Meineid und Gemeinheit, es jemals wagen konnten, sich Christen zu nennen, Uebrigens scheint auch vielen evangelisch­lutherischen Kirchenmitgliedern die Schän­dung ihres Glaubens nachgerade zu bunt zu werden. Die gleichgeschaltetenBreslauer Neuesten Nachrichten" fühlen sich veranlaßt, folgenden Notschrei auszustoßen: Angesichts des klaren kirchlichen Auf bauwlllens derDeutschen Christen " werden die mancherlei dunklen Verdächtigungsver­suche, die sich in den typisch anony­men Massenzuschriften an die Pfarrer in die­sen Tagen äußern, Stück für Stück zurück­weichen und wie Seifenblasen zerplatzen.' Wenn schon die deutsche Presse, der doch eigentlich die Aufgabe zufällt, die unerschüt- Den Hebel herum! An der Maschine gesungen. Neun Stunden am Tag den gleichen Griff, neun Stunden mit hungrigem Magen, neun Stunden am Tag den gleichen Griff wie Neger auf einem Sklavenschiff, verkauft und In Ketten geschlagen. Den Hebel herum! Die Knute geht um. Herr Hitler sagt, der Revolution war voller Erfolg beschlcden Erschlagen so mancher Arbeitersohn, verteuert das Schmalz, verschlechtert der Lohn, Herr Hitler Ist mit sich zufrieden. Den Hetoel heruml Der Henker geht um. Herr Hitler sitzt mit Herrn Thyssen beim Mahl, wir schuften in Elend und Schande, unser Werktag Ist lang, unser Leben ist Qual, unsrer Kinder Wangen sind schlaff und fahl, Herr Thyssen ist König hn Lande. Den Hebel heruml Der Hunger gebt um. Sei klug, Kamerad, sprich lels, Kamerad, Herr Thyssen bat lange Ohren, es wuchs empor aus brauner Saat ein brauner Staat, ein Gaunerstaat, wer die Wahrheit sagt, ist verloren. Den Hebel herum! Der Spitzel geht um. Das Radwerk knirscht, der Riemen schreit, gepeitscht von der Kraft unserer Hände, Stähl'«He Faust, Kamerad, bald Ist es so weit, Sei bereit, Kamerad, bald kommt unsre Zelt, bald feiern wfr Weltenwende. Den Hebel herum! der Zorn geht um, den Hebel herum, macht ein Ende! Munin. teriiehe Einigkeit glaubhaft zu machen, mit der angeblich ganz Deutschland hinter dem Haken­kreuz marschiert, wenn schon diese verlogene, schönfärbende Presse Massenschmähschriften an die Karrer zugibt wie hoch müssen dann die Wogen der Entrüstung im kirch­lichen Lager schlagen! Das evangelische Kirchenvolk trägt schwere Mitschuld am Emporwachsen der braunen Mörderpartei in Deutschland . Das evangelische Kirchenvolk hat sich selbst dem Hakenkreuzteufel verschrieben jetzt wundert es sich, daß dieser Teufel die christ­liche Seele frißt. Christus ein SA-Fiihrer? Bitte, das ist keine Blasphemie, und wenn es eine ist, so kommt sie nicht von uns. In einem Aufruf derDeutschen Christen "(Hit­ ler -Richtung) zu den Kirchenwahlen, heißt es wörtlich: DieDeutschen Christen " sind die SA. Jesu Christi im Kampf zur Vernichtung der leiblichen, sozialen und gelstlichgn Not. Die Lehre des Nazareners gipfelte in dem SatzeLiebet eure Feind e". Und da bekanntlich niemand auf der Welt so im Sinne dieser Lehre lebt wie die braune Horde mit ihren Folterhöhlen und Martermethoden, was alle polltischen Gegner Hitlers jederzeit bezeu­gen, so haben dieDeutschen Christen " kei­neswegs eine Blasphemie begangen, indem sie sich als dieSA. Jesu Christi" bezeichneten., Yerbreimen! Aus einem Buchhändlerinserat im dritten Reich: Prof. Dr. Suchenwirth 12 Schicksalsgestalten der deutschen Geschichte 80 Seiten, Steifdcckel 1.40 Karl der Große , Otto d. Große, Heinrich IV. , Friedrich Barbarossa , Rudolf von Habs­ burg , Martin Luther , Prinz Eugen von Sa- voyen, Friedrich d. Große, Maria Theresia , Metternich, Bismarck und Hitler . Warum, so fragen wir, wird dieses Buch nicht verbrannt? Einmal hätte Hitler selbstver­ständlich an erste Stelle gehört. Auf die Zeit­rechnung kommts dabei nicht an, denn die läuft In Deutschland ohnehin rückwärts und ist längst übers Mittelalter hinausgeschossen. Zweitens befinden sich auf der Liste außer Hit­ ler noch einige Oesterreicher und Oester­ reich ist bekanntlich Jetzt der Erbfeind. Drit­tens wagt der Autor eine Frau mit unter die Schicksalsgestalten zu rechnen. Frauen aber gelten im dritten Reich als minderwertig und haben ob sie Hitlerike oder Maria Theresia heißen in der Politik nichts zu suchen. 99 Der Kronprinz steht Tor Dir!" Im dritten Reich untersteht nicht bloß die Presse, sondern auch die gesamte literarische Produktion der allerstrengsten Zensur. Da Jeder Verleger riskiert, In des Teufels Küche zu kommen, wenn er ein Buch mit mißliebigem Text oder von einem mißliebigen Verfasser verlegt, stockt die gesamte Bückerproduktlon. Es gibt aber Immer noch einige anspruchslose Blüten, die neben der offiziellen NSDAP.-Lite- ratur Wurzel fassen dürften. So empfiehlt die Deutsche Zeitung" ein neues Buch mit dem vielversprechenden Titel >,Der Kronprinz steht vor Dir". In der Anpreisung wird gesagt: In diesem ausgezeichneten Werkchen hat der Verfasser das Leben des Kronprinzen Wilhelm behandelt. Bedeutungsvolle charak­teristische Begebenhelten, ernste und heitere, sind In flüssiger Form mit tiefem persön­lichen Empfinden geschildert. Jeder, der die größte Zelt unserer Geschichte miterlebt hat, und der auf die Männer der Gegenwart für Ihre ieden Vergleich entbehrende Aufbau­arbeit steht, wird auch von der lebenswar­men Art und dem ehrlich ringenden Willen des Kronprinzen in diesem Buch tief be­rührt sein." Wenn nicht schon das meisterhafte Deutsch dieser Ankündigung reizt, das Werk selbst kennen zu lernen, der wird durch die Verhei­ßung von acht Bildern,, zum Tel! aus jüngster Zelt, sicher für die gute Sache gewonnen wer­den. Und sowas duldet die Geheime Staatspoli­ zei ? Dreht sich die Wetterfahne gar schon nach diesem Wind?