J�eiiagz xles Heuen Vomäcts" Tic. 8 Die Mechanik des Maditapparates Der innere Aufbau des Hitlerstaates zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, wie alle in der freien Demokratie beruhende politische und kulturelle Geistigkeit zu Tode geprügelt wird. Das Gerüst dieses Staates bildet ausschließlich die von einer unersättlichen Machtgier besessene Bonzokratie der nationalsozialistischen Partei. Aber die Konturen dieses Machtbaues zeigen bereits, wie die Auguren oben sich gegenseitig betrügen. Görings Kampf um die Macht, wobei er den Großfaktor Preußen gegen Hitler und das Reich rücksichtslos ausspielt, ist das Kennzeichen der jetjigcn Situation. Das ist wirklich ein Satz von mathematischer Gewißheit: Je feierlicher ein nationalsozialistisches Versprechen war, desto sicherer wird es gebrochen. Das gilt aber nicht nur vom„sozialistischen " Teil des Programms, an dessen Erfüllung ohnedies nur Esel glauben konnten; auffallender ist schon der Betrug an dem Mittelstand und den Bauern, da sie ja die hauptsächlichsten Träger der nationalsozialistischen Bewegung sind. Der Kampf gegen die Warenhäuser ist nicht nur eingestellt, er hat mit einer Subventionierung der großen Konzerne von Hermann und von Leonhard Tletz durch Banken des Reichs geendet, die im Verhältnis zu dem investierten Kapital mit zu der größten Subvention gehört, die einem Wirtschaftszweig je gegeben worden ist Und ebenso wird an Stelle der raschen und rücksichtslosen Siedlung die Erhaltung des Großgrundbesitzes proklamiert, da nun einmal das„liberali- stische" Prinzip des Privatunternehmertums und Privateigentums von den Nationalkapitalisten restlos anerkannt ist— oder vielmehr bis auf den geringen Rest daß Eigentum der Arbeiter und der armen Juden vogelfrei ist Aber das ändert an dem Prinzip nichts, da ja der Diebstahl nur die negative Seite des Prinzips des Privateigentums darstellt Aber man darf über die schamlose Preisgabe aller, aber auch aller wirtschaftlichen Programmpunkte nicht die politische Verwüstung vergessen, die die Nationalkapitalisten anrichten. Sie kann, weil sie jede Entwicklungsmöglichkeit im Keim zu ersticken droht fast noch gefährlicher werden als die unumschränkte Aufrichtung des Monopolkapitalismus, die den Inhalt der Wirtschaftsmaßnahmen bildet die die Thyssen und Krupp und ihr Beauftragter, der Wirtschaftsführer Schmitt dem „Führer" diktieren. „Gebt mir vier Jahre, nur vier Jahre Zeit, dann werde ich mich Eurem Urteil stellen", hat Hitler feierlich versprochen. Heute verkünden Hitler und seine Kumpane, daß es nie mehr Wahlen geben werde. Wie die Parteien, so sei auch der Parlamentarismus endgültig tot Bei dieser Ankündigung ist es nicht geblieben. Nicht nur der Reichstag ist tot, jede politische Selbstbetätigung des Volkes wird systematisch auf allen Gebieten zum Absterben gebracht. Als die Reichsstatthalter eingesetzt, die Länder politisch gleichge- das für die Beseitigung des Partikularismus, für die Verwirklichung des Einheitsstaates hielten. Wir, die wir als einzigen schaltet wurden, gab es naive Leute, die Inhalt des deutschen Faschismus die Versklavung der Arbeiterklasse und die Erbeutung der Staatsmacht ansahen, wurden aufgefordert, doch wenigstens darin einen Fortschritt, die Gutmachung eines Versäumnisses der Republik anzuerkennen. Was ist aus dem Einheitsstaat geworden? Die Vereinigung von Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin ist für den Herbst angekündigt. Im übrigen sind die dutzende Ministerien, sind vor allem die selbständigen Länderbürokratien und Länderverwaltungen mit all den Reibungen und Hemmungen völlig unverändert erhalten geblieben. Nicht der geringste organische Fortschritt, nicht die geringste Verwaltungsreform ist auch nur in Aussicht genommen. Nur eines hat sich geändert: alle Posten werden von Nationalsozialisten besetzt und die Bürokratie wird von jeder Kontrolle der Volksvertreter restlos befreit. Der Partikularismus wird durch den Absolutismus der Bürokratie maßlos verschärft. Aber noch mehr: Der Dualismus zwischen Reich und Preußen hat erst seine volle Ausprägung erhalten, seitdem Göring mit allen Mitteln Preußen zu seiner Tlausmacht gegen das Reich Hitlers ausgestaltet hat. Es war stets die große Schwäche des Reichs, daß es nicht über eine eigene Verwaltung verfügte. Göring , weit entfernt die preußische Verwaltung dem Reich zur Verfügung zu stellen, hält sie mit eiserner Faust als selbständige, ihm eigene Machtsphäre aufrecht und läßt keine Gelegenheit vorübergehen, ohne zu erklären, daß er irgend eine Schmälerung oder Einengung der„Rechte Preußens" nicht dulden werde. Der Dualismus ist nicht nur erhalten: es ist gar kein Zweifel, daß der preußische Ministerpräsident, der über die Polizei und den größten Teil der SA. - Hilfspolizei unumschränkt verfügt,.heute viel stärker ist als der Reichskanzler, dessen Verfügungsgewalt über die Reichs wehr , wenigstens gegenwärtig, eine sehr eingeschränkte ist. Göring hat aber seine Machtstellung in einer Weise ausgebaut, die in doppelter Hinsicht von großer Bedeutung ist. Er hat eine neue Institution geschaffen, den Staatsrat, der die Grundlage für die neue nationalsozialistische Staatsform bilden soll. Der Staatsrat hat zwar formell nur beratende Stimme, er hat aber doch infolge seiner Zusammensetzung eine starke Autorität. Dabei denken wir natürlich nicht an die paar Prostituierten, die als Vertreter von neudeutscher Wissenschaft, Kunst und Kirche zuhören dürfen, sondern an die SA.-, SS. -Führer und Gauleiter, aus denen er fast ganz gebildet ist. Dadurch hat Göring die Führer der nationalsozialistischen Partei, bei denen die eigentliche Macht in Deutsch land liegt, so sehr sich auch Hitler bemüht, diese in die Hand der Reichsregierung zu überführen, mit einem Schlag in die Regierung, und zwar in seine, die preußische Regierung, eingegliedert, den größten und wichtigsten Teil der alleinherrschenden Partei sich sozusagen persönlich attachiert. Zugleich aber soll der Staatsrat, die„wichtigste Institution nach der Regierung", nach der Erläuterung Görings, das„einzig lebendige Zwischenglied zwischen der Regierung und dem preußischen Volke" sein. Das„einzige", das heißt, daß diese Körperschaft nicht nur den alten preußischen Staatsrat, sondern auch den Landtag ersetzen wird. Der Landtag verschwindet— Göring und die Gauleiter werden unumschränkte Herren— jede politische Betätigung des preußischen Volkes hört einfach auf. Damit wird, wie Göring selbst sagte, der nationalsozialistische Grundsatz verwirklicht, daß es„nur eine Autorität von oben nach unten und nur eine Verantwortung von unten nach oben gibt". Es ist der Grundsatz der alten Armee, der Vorgesetzte kommandiert und der Untergebene gehorcht Der Kadavergehorsam enthüllt sich so als das A u f b a u p r i n z i p des neuen Staates in völliger Schamlosigkeit. Zugleich sollen die neuen Staatsräte auch Vorschlags- und Einspruchsrechte, speziell in Personalfragen(lies: Postenbesetzung) gegenüber den Ober- und Regierungspräsidenten erhalten. Während die Bürokratie in sachlicher Hinsicht durch Fortfall der Kontrolle unumschränkt wird, wird sie in personeller Hinsicht Instrument der zu Staatsräten verwandelten Gauleiter. Es ist kaum ein Zweifel, daß Art und Methode der Beseitigung der politischen Betätigung des preußischen Volkes auch in den anderen Ländern Schule machen wird. Schon jetzt führen ja die Landtage trotz Gleichschaltung und Marxistenreinheit kaum mehr ein Schattendasein. Von Gesetzgebung, Budgetberatung und Kontrolle der Verwaltung ist keine Rede und übrig geblieben ist nur— der Diätenbezug. Aber diese Entpolitisierung ist nicht auf Reich und Länder beschränkt, sie greift auf die Provinzen und Gemeinden über und rottet die Selbstverwaltung mit Stumpf und Stiel aus. Die Selbständigkeit der Gemeindeverwaltung ist schon dadurch vernichtet, daß die Bürgermeister und wichtigsten Kommunalbeamten nicht nur der Bestätigung durch die Landesregierung bedürfen, sondern auch jederzeit von ihr abberufen werden können. Schon das bringt die deutsche Selbstverwaltung, die sonst gerade das Bürgertum nicht genug rühmen konnte, weit hinter den Stand zur Zeit Steins und Hardensberg zurück. Freilich hatte das Bürgertum, seit die Republik das allgemeine gleiche Wahlrecht in den Gemeinden eingeführt hatte, an der demokratischen Selbstverwaltung keine Freude mehr. Aber nicht minder wichtig wie die Beseitigung der deutschen Selbstverwaltung durch das romanische Podesta- und Präfektensystem ist die drohende Still- legung der Gemeinde- und Pro- vinzialvertretungen. Auch hier sollen die„liberalistischen" Ueberbleibsel von Wahlen, Debatten und Beschlußfassungen beseitigt, alle Macht dem praktisch von den Nationalsozialisten ernannten„Gemeindeführer" überantwortet werden, Ausschluß der Mitwirkung des Volkes an den großen politischen Schicksalsfragen durch Beseitigung des Reichstags; Ausschluß der Mitwirkung an den Gesetzgebungen der Länder, die vor allem die großen Kulturfragen zu regein haben; Hitlep erobert eine Burg Von Manfred. Unweit van Schandau an der Elbe Hegt in den Felsenwänden der Sächsischen Schweiz die Burg Hohnstein . Sie ist älter als die kleine Stadt, die sich malerisch um ihre Mauern lagert. Schon im frühen Mittelalter war die Burg der Sitz des böhmischen Baronsgeschlechtes der Birken von der Duba, die jahrhundertelang die Herren des damals sehr unzugänglichen Gebiets waren. In ewige Fehden mit ebenso rauf- und raublustigen Nachbarn verwickelt, wurden sie schließlich als Raubritter zu einer Landplage, vor der sich alle zu fürchten hatten, die den alten Handelsweg durch die Schluchten der Sächsischen Schweiz benützen mußten. Es hat dann lange Streitereien gegeben, bis endlich die Burg und mit ihr das ganze Gebiet unter die Herrschaft der Markgrafen von Meissen kam. Die Burg wechselte späterhin mehrmals ihre Besitzer und diente darfn schließlich als ge- fürchtetes Staatsgefängnis, von dem ein Sprichwort sagte:„Wer da kommt nach dem Hohn stein , der kommt selten wieder heim." Wer In die Gefangenschaft auf die Burg Hohnstein geführt wurde, konnte von der Welt auf lange Zeit oder gar für immer Abschied nehmen: ringsum starrten steile Felsen, schwiegen dunkle Wälder. Hinter den meterdicken Mauern hörte niemand die Seufzer der Gefangenen und die Felswände, unter denen die Tiefe gähnte, machten eine Flucht unmöglich. Es berichtet keine genaue Kunde von den Schicksalen der Gefangenen, nur einmal spricht eine Urkunde von den Klagen einer gefangenen Frau, daß sie„die Ratten am ganzen Leibe verderbet" hätten. Später hat die Burg noch einmal als Gefängnis gedient Im 19. Jahrhundert wurde in Ihren Mauern eine staatliche Korrektionsanstalt untergebracht Die Sträflinge hausten in Zellen und vergitterten Räumen. Sie saßen Sonntags gebeugt In den Bänken der Burgkapelle, hörten Predigt und Orgelklang zum Lobe Gottes, der alles so herrlich eingerichtet hat. Wochentags aber standen sie an den Knopfmaschinen, die In den Burgsälen aufgestellt waren. Tagaus, tagein machten sie Knöpfe, immer und unaufhörlich Knöpfe, lahraus, jahrein. Und wieder galt das Wort: Wer da kommt auf dem Hohenstein... Endlich aber kamen andere Tage für die Burg. Nach dem Umsturz war die Korrektions- anstalt aufgelöst und die Insassen nach der Strafanstalt Bautzen überführt worden. Und schließlich, im Jahre*1924, öffneten sich die Tore der Burg weit und gastlich; der Staat als Eigentümer hatte die Burg dem Verbände deutscher Jugendherbergen Oberlassen. Sie wurde zur„Jugendburg" ausgebaut— es war nun eine der größten und schönsten Jugendherbergen in Deutschland . Staat und Städte, Sozialverbände, Gewerkschaften und andere Gönner hatten als Stifter das schöne Werk vollbringen helfen, und nun zog die Jugend ein. Die Höfe und Räume der Burg klangen wieder von Gesang und Musik, die Wimpel der Jugendverbände aller Richtungen flatterten über den grauen Mauern, Schulkinder mit ihren Lehrern kamen und gingen, die wanderfrohe Jugend hatte hier inmitten einer prachtvollen Landschaft ihr geliebtes Heim, eine Heimat. Es war„die singende, klingende Jugendburg". Und ihr Ruf und die Liebe zu ihr reichten nicht nur bis an die Grenzen Deutschlands . Gäste aller Länder haben sich hier wohlgefühlt, Studienkommissionen des Völkerbundes, Reisegesellschaften und Einzelgäste aus Dänemark , Finnland , Canada , Indien , aus aller Welt haben die deutsche Jugend um diese Burg beneidet, amerikanische Zeitungen haben sie in Wort und Bild als Vorbild gerühmt Die Burg und ihr Burgwart waren bekannt überall, von woher wandernde Jugend nach Hohnstein kam. Das ist mit einem Schlage zu Ende. Hitler hat die Burg erobert wie er alles erobert hat was in Deutschland Kultur war. Wie seine braunen Garden alles geraubt haben, was Irgendwo im Dienste demokratischer Wohlfahrt geschaffen worden war, so haben sie eines Tages im Auftrage„der nationalen Revolution" auch' diese Jugendburg besetzt Sie haben die schöne Bücherei der Burg„gereinigt", sie haben die Jugend aus ihrem gellebten Heim vertrieben, sie haben die Familie des Burgwarts aus ihrer Wohnung gejagt, sie haben den Burgwart gefangen genommen und ihn In eines ihrer Konzentrationslager verschleppt von wo er nach einem verzweifelten Selbstmordversuch in eine Dresdner Gefangenenanstalt gebracht worden ist. Sie haben ein schönes, in aller Welt geschätztes Werk tätiger Jugendfürsorge durch brutale Gewalt geschändet. Und was haben sie aus der Jugendburg gemacht? Ein Gefängnis. Wieder ein Gefängnis. Wieder schmachten in der Burg Hohnstein , die eine Jugendburg war, hunderte politische Gefangene, die nicht wissen, welches Schicksal ihrer harrt. Es wird nicht mehr musiziert und gesungen in der Burg Hohnstein , wenn nicht die SA. die Gefangenen zwingt, das Horst-Wessel-Lied zu singen. Nicht mehr rastet fröhliche Jugend in der Burg — im Dritten Reiche Hitlers wird nicht gewandert: es wird nur noch exerziert Und wieder senkt sich Schweigen über die Mauern, über die Felswände, über die Wälder— keine Kunde dringt durch die verschlossenen und bewachten Tore. Und geschieht es doch einmal, so ist es eine Schreckenskunde wie Jene Zeitungsnachricht, die vor kurzem berichtete, daß ein Gefangener eine Beschuldigung freiwillig auf sich nahm, um seine Schicksalsgenossen vor barbarischen Quälereien zu bewahren und daß dann er und seine junge Frau, als sie vom Tode ihres Mannes erfuhr, Selbstmord begangen haben. Hitler hat eine Burg erobert. Die Jugendburg Hohnstein , die schönste Jugendherberge Deutschlands ist wieder ein Gefängnis geworden. Und wieder gilt das drohende Wort: Wer da kommt nach: dem Hohnstein , der kommt selten wieder heim!
Ausgabe
1 (6.8.1933) 8
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