Redaktion und Yerlag: Karlsbad , HausGraphia" TcL 1081 Preis der Einzelnummer IT' 4 Af\ |Im Ansiand Kc 2�) i Auslandspreise Einzelnumm. TiertcljkhrL Argentinien... Pes. OJO Pe«. A60 Belgien..... Frs. 2. Frs. 24. Bulgarien ... Lew. 8. Lew. 96. Danzlg..... Guld. 0.30 Quid, 3.60 Deutschland ... Mk. 0.25 Mk. 3. Estl nd..... E.Kr. 0.22 E. Kr. 2.64 Finnland .... Fmk. 4. Fmk. 48. Frankreich ... Frs. 1.50 Frs. 18. Großbritannien .. d, 4. sh. 4.- Holland ..... Gld. 0.15 Gld. 1.80 Italien ...... LIr. 1.10 Lir. 13.20 Jugoslawien ... Din. 4.50 Din. 54. Lettland .... Lat CL30 Ut. 3.60 Nr. 11 Sonntag, 27. August 1933 BeragaprcU Im Quartal 17 v-1 Q (Im Aotland Kc 24�) JVC.- AuludapreiK Litauen ... Luxemburg . Norwegen .. Oesterreich. Palästina.. Polen .... Portugal .. Rumänien . Saargebiet, Schweden. , Schweiz .. Spanien .. Ungarn ... USA . Sozialdemokratisches Wochenblatt Der andere Weg Demokratie und Diktatur Hitlers AtiRenpolitik steht Kopf Endlidh allein Feig und schwach vor Großen brutal gegen Kleine In der Zeit, in der noch Sozialdemo­kraten in der deutschen Regierung saßen, schätzte man allgemein, daß bei einer freien Abstimmung über den Anschluß 95 bis 98 von Hundert aller erwachsenen Oesterreicher mit J a stimmen würde. Da­mals war der Wille zu Deutschland zu kommen, im ganzen österreichischen Vol­ke vorhanden, und es war die Gewalt der Entente, die dem Volke die Erfüllung sei­nes Wunsches versagte. Seit aber Hitler am Ruder ist, haben sich die Dinge, wie überall so auch hier, völlig auf den Kopf gestellt: heute sind mindestens 75 von Hundert in Oesterreich leidenschaftlich gegen die Angliederung, und es ist das offizielle Deutschland von heute, das die heftig widerstrebenden Oesterreicher mit aller Gewalt in das Dritte Reich hinein­prügeln will. Die ehemaligen Siegermächte dagegen haben wenn auch gewiß nicht aus uneigennützigen Motiven den Schutz Oesterreichs von den offenkundigen reichs- deutschen Vergewaltigungsabsichten über­nommen. Sie schützen das Selbstbestim- Wungsrecht eines deutschen Volksteiles, sie schützen Deutsche gegen Deutsche , die Ihnen ihre Freiheit nehmen wollen! So herrlich weit hat es die deutsche Außenpolitik unter dem Hakenkreuz ge­bracht! Die Rollen sind vollständig ver­tauscht. Einst konnte Deutschland bei den Auslandsdeutschen moralische Eroberun­gen machen, seit Hitler regiert, hat das Auslandsdeutschtum so gut wie vollstän­dig aufgehört, ein Aktivposten der deut­ schen Außenpolitik zu sein: Hitlerdeutsch­land hat nicht nur mit seiner stumpfsinni­gen Brutalität Oesterreich von sich weg­getrieben, es hat auch die moralische Ein­heit des deutschen Volkes, die Kulturge- nieinschaft, die über die politischen Gren­zen hinausreichte, gesprengt Das nennt sich national I In den letzten Sitzungen des Auswär­tigen Ausschusses vor der Zerstörung des Reichstags durch Hiter, gab es gegen die dumme Unverschämtheit des Herrn Ha­bicht eine Einheitsfront die von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemo­kraten reichte. Herr von Neurath, Außenminister des Schleicherkabinetts, stand mit dem Beauftragten, Adolf Hitler , in schwerer Mensur. Unter den führenden Beamten des Auswärtigen Amts gab es keinen, der die außenpolitischen Pläne der Nazi für etwas anderes hielt, als für einen ausgepichten und höchst gefährlichen Un­sinn. Ein paar Monate später hat sich der sonst so umsichtige Diplomat von Neurath durch die Streiche der Frank II und Röbbels in einen sinnlosen deutschen Bruderkrieg hineinzerren lassen. Und die hohen Beamten, die doch wohl seit Hitlers Ankunft nicht den Verstand verloren ha­ben, machen diensteifrig mit Es ist ja n i c h t ihre Verantwortung, sie handeln nur auf Befehl! Es ist auch nicht ein einzi­ger unter ihnen, der den Dienst quittiert �eü er sonst mit seinem Gewissen in Konflikt käme, Auch das nennt sich national! # Der neue Weltkrieg, an dessen Zustandekommen jetzt in der Wilhelm- straße so eifrig gearbeitet wird, kann viel­leicht noch verhindert werden, weil das rie d e n sb e d ü r f n i s der Völker riesengroß ist Augenblicklich freilich gibt es keinen Nachbarstaat zu dem Deutsch­ land noch in normalen Beziehungen stände. Die Konflikte ringsum häufen sich, meh­ren sich und verschärfen sich. Seit Herr D o 1 1 f u ß in London seinen Schiller zi­tiert hat: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt. seitdem ist dieses Zitat in alle europäischen Sprachen übersetzt worden. Dabei ergibt sich der seltsame Widerspruch, daß Hitler das slawische und das romanische Aus­land viel besser behandelt als das germa­nische. Am besten ist seit Pg. R a u s c h- n i n g in Danzig regiert das Verhältnis zu Polen , am schlechtesten steht es mit den Beziehungen zum deutschen Oester­reich. Auch Frankreich bietet infolge seiner bekannten Zurückhaltung wenig Reibungsflächen. Dagegen ist man mit der Schweiz und den nordisch-germanischen Staaten vollständig übers Kreuz, weil der nationalsozialistische Anneximismus die Finger lüstern nach allen guten Dingen ausstreckt, die er nicht haben kann. Mit der Schweiz klagen Dänemark und Holland über eine nationalsozialistische Agitation, die sich gegen den territorialen Bestand ihrer Staaten richtet. Sie alle werden mit Gewalt in das Lager gedrängt, das im Fall eines neuen Krieges das feind­liche sein wird. Auch das nennt sich national! * Dabei bleibt der Respekt vor den Mäch­tigen draußen in der Welt wie immer un­begrenzt Als England vor kurzem Pro­test erhob gegen die Absicht, deutschen Passagieren und deutschen Waren nur noch die Benützung deutscher Schiffe zu gestatten, beeilte man sich zu versichern, eine solche Absicht habe überhaupt nicht bestanden. Und als die Vereinigten Staa­ ten Beschwerde führten wegen der Ver- prügelung eines amerikanischen Arztes in Berlin , der es verabsäumt hatte, eine Ha- kenkreuzfähne Unter den Linden mit dem deutschen Gruß" zu ihren, da mußte der Berliner SA-Führer Ernst nicht nur eine öffentliche Erklärung erlassen, in der er das Verhalten seiner Leute verurteilte, sondern er mußte auch auf die amerika­ nische Botschaft gehen und sich entschul­digen. Grund der deutschen Nachgiebigkeit war die amerikanische Drohung, man werde eine öffentliche Warnung vor dem Besuch Deutschlands erlassen, wenn die Gewalttaten gegen amerikanische Staats­bürger nicht aufhörten. Vor dieser Dro­hung knickte man zusammen. Die Amerikaner behandeln das Dritte Reich wie einen Negerstaat, und die deut­sche Regierung geht bereitwillig auf die ihr zugedachte Rolle ein. Dierevolutio­näre" SA macht ihren Kotau vor dem amerikanischen Großkapital Zehntausende Deutscher sind grauenhaft mißhandelt, Tausende totge­schlagen worden. Wer entschuldigt sich bei den deutschen Frauen, denen man ihre Männer und ihre Söhne nimmt? Es ist immer wieder dasselbe: der Deutsche ist heute in Deutschland rechtlos, Rechte hat nur der Ausländer. Und diese Regie­rung, die ihre eigenen Staatsbürger wie Hunde behandelt, um sich dann selber vor dem Ausland wie ein Hund zu benehmen, diese Regierung zwingt ihre Presse zu schreiben, s i e habe die Ehre des deut­ schen Volkes wieder hergestellt! Und die Herren Neurath , Bülow usw. dulden die­sen außenpolitischen Karneval; sie tanzen mit, weil sie nicht ins Konzentrations­lager kommen wollen. Sicher machen sie sich mitschuldig an der Katastrophe, die sich für ihre Augen wie für die unseren sichtbar vorbereitet! Und das heißt national! Das heißt na­tional! Wie auf dem Kongreß der II. Internationale, so steht nach der Zertrümmerung der deutschen Demokra­tie die Frage Diktatur oder Demokratie namentlich für die deutschen Genossen im Vordergrund der politischen Diskus­sion. Wir geben hier einen Beitrag zu diesem Thema. Jenes Werk von Weimar , das die junge deutsche Republik in schwerstci Zeit vor Zerfall bewahrte, wurde von Be­trügern überrumpelt, d'e sich als Ver­teidiger der Demokratie zur Macht empor logen. Diese Demokratie hat dem Prole­tariat manche sozialpolitische Tat be­schert, hat in zehnjährigem Wirken der deutschen Republik in der Welt ebenso­viel Ehre und Ansehen erobert, wie sie jetzt durch die braune Barbarei bei allen zivilisierten Nationen Unehre, Abscheu, Boykott und Feindschaft erntet; abei diese Demokratie erwies sich als unfähig, über das Verfallsstadium des Kapitalismus hinweg zu neuen Wirtschaftsformen em porzuführen, weil sie mitten im schwer­sten Existenzkampfe von Bürgertum, Kleinbürgertum und Teilen des Prole­tariats verlassen wurde. Aus diesen alten Tatsachen gilt es neue Konsequen­zen zu ziehen. Ueber den Wert der Demokratie soil nicht gestritten werden. Es gibt kein zivilisiertes Land, in dem das sozialisti­sche Proletariat nicht seinen Kampf für die Demokratie durcligefochten hätte, denn sie ist die in der kapitalistischen Ge Seilschaft denkbar menschlichste, freiheit­lichste Staatsform. Alle Widersprüche de' bürgerlichen Ordnung finden in der De­mokratie nicht nur stärksten Ausdruct und klarsten Widerhall, sondern auch wachsenden und organisierten Wider­stand, Richtig angewandte Demokratie ist nicht nur Appell an Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit, sondern auch M o- bilisierung a n t i k a p i t a 1 i s t i- scher Schichten gegen kapitalisti­sche Ausbeutung und Mißwirtschaft. Dies schließt leider nicht aus, daß in wirren Zeiten antikapitalistische Massen von de­magogischen, scheinrevolutionären Bewe­gungen zu gegenrevolutionären Zwecken mißbraucht werden können, wie wir das in Italien und Deutschland erlebt haben. Im Hintergrund stand das Großverdiener- tum aller Art und rieb sich die Hände, weil ihm die Demokratie mit ihrer Mobili­sierung der Mittellosen auf die Dauer wirklich gefährlich wurde. Und hier berühren wir die Grenzen der Demokratie. Sie verlaufen dort, wo es die Entwicklung notwendig macht, alte Besitzverhältnisse zugunsten der breiten Massen umzustoßen oder wo der Sozialimus eine wirkliche Macht und unmittelbare Gefahr für die Bourgeoisie zu werden beginnt. Also ist es nicht möglich, die kapitali­stische Wirtschaft mit demokratischen Mitteln umzugestalten? Möglich durch­aus. Bei idealer, konsequenter Anwen­dung der Macht des Stimmzettels bleibt es für die breiten Massen denkbar, den Krisenbankrott des Großkapitalismus durch den Staatskapitalismus zu liquidieren. An­sätze dazu waren auch im demokratischen Deutschland vorhanden. Aber es hat sich gerade hier gezeigt, daß die Bourgeoisie in diesem Stadium der Entwicklung nicht nur auf alle liberalen Traditionen pfeift, sondern auch den brutalsten Ausweg wählt, nämlich die Rettung ihrer Herr­schaft durch Faschismus. In einem Lande aber, in dem die freiste Verfassung der Welt" von den Wählern im Stich gelassen wurde, muß eine Rückkehr zur bürgerlichen Formal­demokratie sehr schwierig, wenn nicht Verrateii im Schutzhaft sta Hilgenberg galt den Nationalsozialisten als Großkapitalist, der Hitler hindere, seine sozialistischen Ziele durchzuführen. Sein Nach­folger aber wurde der Generaldirektor D r. Schmitt, dessen Glaubensbekenntnis zum Kapitalismus noch inniger und dessen Feind­schaft gegenüber sozialistischen Tendenzen noch stärker ist als bei Hugenberg . Schmitt und die zu ihm gehörenden Männer Schacht, Thyssen, Vögle r, Krupp, aber auch der Wirtschaftsberater Hitlers , Ingenieur K e p p- ler und der Brecher der Zinsknechtschaft, Herr Feder, bilden Jetzt den Kreis der Normalisiere r". Sie wollen die norma­len Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft wieder herstellen. Dazu gehört vor allem, daß der Einfluß der Arbeiter gebrochen wird. Im Staatsleben ist das geschehen. Nirgends vermag sich der Wille der unteren Volks­schichten zu äußern, überall sind sie ausge­schaltet Das gilt auch von dem Wirt­schaftsleben, wo die Gewerkschaften zerstört die Konsumgenossenschaften gleich­geschaltet, Schlithtungswesen, Arbeiterver­sicherung und Sozialrecht der Staatsmacht ausgeliefert worden sind. Als einzige Stelle, d verkauft tt Sozialisierung durch die Arbeiter ihre Interessen geltend ma­chen können, erschien deshalb vielen die na­tionalsozialistische Betriebszellenorganisation, die NSBO. Aber auch dieser Frühlingsglaube ist durch einen eisigen Reif zerstört UmStörungen in der Wirtschaft", besonders in den Kali-Werken Nordthüringens vorzubeugen, wurde der Krcisleiter der NSBO. in Sonder­hausen in Schutzhaft genommen. Dasselbe geschah den sämtlichen Vorsitzenden der NSBO. auf den Schiffswerften in Ham­ burg-Altona . Sie werden beschuldigt verbotene Eingriffe in das Wirtschaftsleben vorbereitet" zu haben. Dabei haben sie nichts anderes getan, als in einer Denkschrift die So­zialisierung der Werften zu fordern, die seit mehr als anderthalb Jahrzehnten nur noch existieren können, well sie aus öffentlichen Mitteln subventioniert werden. Die offeneGleichschaltung" der NSBO., und derArbeitsfront " unter die kapitalistische Vormundschaft wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Naziführer haben Jeden Sozialismus an Thyssen verraten und ver­kauft!